„Kosten der Unterkunft“ – Versionsunterschied – Wikipedia


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Die '''Kosten fürder Unterkunft''' (Abkürzung ''KdU''), amtlich '''Bedarfe für Unterkunft und Heizung''', ist ein Begriff aus dem deutschen Fürsorgerecht, der in {{§|22|sgb_2|juris}} SGB II ([[Arbeitslosengeld II]]), {{§|35|sgb_12|juris}} SGB XII ([[Sozialhilfe (Deutschland)|Sozialhilfe]]) und {{§ |3|AsylbLG|buzer}} AsylbLG ([[Asylbewerberleistung]]) definiert ist.

Mit dem ''Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz IV)'' erhalten bedürftige Personen, die Sozialhilfe, Arbeitslosengeld II oder [[Sozialgeld]] beziehen, kein [[Wohngeld]] mehr, sondern ihr Wohnbedarf wird zusammen mit den Leistungen zum Lebensunterhalt berechnet und ausgezahlt.

== Geschichte ==

Vor 2005 hatten Sozialhilfeempfänger Anspruch auf Wohngeld in Form des besonderen Mietzuschusses nach §§ 31–33 WoGG a. F. Dieser wurde automatisch ohne Antragserfordernis geleistet, wobei das Einkommen für die Berechnung der Höhe des Anspruches pauschalisiert wurde. Der besondere Mietzuschuss war nur dann ausgeschlossen, wenn er höher gewesen wäre als der Anspruch auf Sozialhilfe, in so einem Fall konnte jedoch immer noch das allgemeine Wohngeld beansprucht werden.<ref>{{cite web |author=Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen |title=Wohngeld ab 2002: Ratschläge und Hinweise |date=2001-10 |url=http://www.bmvbw.de/Anlage6940/Wohngeld-ab-2002-mit-Beispielen.pdf |dateaccessdate=20012015-1007-0005 |archiveurl=https://web.archive.org/web/20051205004354/http://www.bmvbw.de/Anlage6940/Wohngeld-ab-2002-mit-Beispielen.pdf |archivedate=2005-12-05|accessdate=2015-07-05}}</ref>

Darüber hinaus gehende Unterkunftskosten konnten auf Basis von § 12 BSHG i. V. m. § 3 der ''Verordnung zur Durchführung des § 22 des Bundessozialhilfegesetzes'' gewährt werden. Galten die Kosten der Unterkunft als nicht angemessen bzw. zu hoch, konnten die Leistungsbezieher wie heute zur Senkung der Unterkunftskosten innerhalb einer angemessenen Frist aufgefordert werden. Lief die Frist ab, wurden die Leistungen komplett eingestellt ([[Alles-oder-nichts-Prinzip]]).<ref>BVerwG, 27. Juni 2002, Az. 5 C 65. 01.</ref>

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== Berücksichtigungsfähige Kosten der Unterkunft ==

Nach {{§|22|sgb_2|juris}} Abs.&nbsp;1 SGB&nbsp;II werden grundsätzlich die ''tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung'' anerkannt, soweit sie ''angemessen'' sind. Voraussetzung für die Berücksichtigung der Kosten ist zunächst, dass der Leistungsbezieher die Wohnung auch tatsächlich bewohnt. Bestehen daran Zweifel, kann der Grundsicherungsträger einen Hausbesuch veranlassen. Verweigert der Leistungsbezieher dem Außendienst den Zutritt zur Wohnung, ist er in der Beweispflicht, dass er die Wohnung tatsächlich bewohnt.<ref>[[Landessozialgericht Rheinland-Pfalz]], Urteil vom 2. Juli 2014, Az. {{Internetquelle |autor= |url=https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=172705 |titel=L 3 AS 315/14 B ER |werk= |hrsg=[[Bayerisches Landessozialgericht]] |datum= |abruf=2019-06-20}}.</ref>

Als Unterkunft im Sinne des Gesetzes gilt jede Einrichtung, die Schutz vor der Witterung bietet und eine gewisse Privatsphäre gewährleistet. Damit gilt etwa auch ein Wohnwagen oder ein Wohnmobil als eine Unterkunft, für die Kosten der Unterkunft zu übernehmen seien, selbst wenn die Nutzung als Unterkunft nach straßenverkehrlichen Vorschriften rechtswidrig ist.<ref>[[Bundessozialgericht]], Urteil vom 17. Juni 2010, Az. {{Internetquelle |autor= |url=https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=133748 |titel=B 14 AS 79/09 R |werk= |hrsg=[[Bayerisches Landessozialgericht]] |datum= |abruf=2019-06-20}} Rn. 10.</ref> Ein Leistungsbezieher hat in jedem Fall ein Anrecht auf Übernahme der angemessenen Kosten für eine Wohnung, ein Verweis durch den Leistungsträger auf eine Obdachlosenunterkunft ist unzulässig.<ref>[[Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen]], Urteil vom 26. November 2009, Az. {{Internetquelle |autor= |url=https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=124874 |titel=L 19 B 297/09 AS ER |werk= |hrsg=[[Bayerisches Landessozialgericht]] |datum= |abruf=2019-06-20}}.</ref>

Zuletzt müssen die Kosten auch tatsächlich anfallen; der Leistungsbezieher muss einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietforderung ausgesetzt sein.<ref>[[Bundessozialgericht]], Urteil vom 3. März 2009, Az. {{Internetquelle |autor= |url=https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=88188 |titel=B 4 AS 37/08 R |werk= |hrsg=[[Bayerisches Landessozialgericht]] |datum= |abruf=2019-06-20}} Rn. 24.</ref> Dabei ist im Prinzip auch eine reine Gefälligkeitsmiete oder lediglich eine Zahlung der anfallenden Betriebskosten als wirksame Forderung anzusehen. Auch ein lediglich mündlich geschlossener Mietvertrag ist eine wirksame Forderung, da Mietverträge nicht der Schriftform bedürfen.<ref>[[Bundessozialgericht]], Urteil vom 7. Mai 2009, Az. {{Internetquelle |url=https://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&nr=11182 |titel=B 14 AS 31/07 R |hrsg=Bundessozialgericht.de |abruf=2019-06-20 |offline=1 }} Rn. 18.</ref> Verstricken sich jedoch die Mietparteien in gegenseitige Widersprüche, kann von einem [[Scheingeschäft]] ausgegangen werden, sodass die Kosten der Unterkunft nicht zu übernehmen sind.<ref>[[Landessozialgericht Sachsen-Anhalt]], Beschluss vom 27. Mai 2013, Az. {{Internetquelle |autor= |url=https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=161720 |titel=L 5 AS 17/13 B ER |werk= |hrsg=[[Bayerisches Landessozialgericht]] |datum= |abruf=2019-06-20}}.</ref> Auch Mietrückstände über mehrere Jahre, ohne dass es zu Vollstreckungsmaßnahmen oder zumindest einer Zwangsräumung der Wohnung gekommen ist, können die Annahme eines Scheingeschäfts begründen.<ref>[[Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen]], Urteil vom 30. Juli 2013, Az. {{Internetquelle |autor= |url=https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=163372 |titel=L 2 AS 1021/12 |werk= |hrsg=[[Bayerisches Landessozialgericht]] |datum= |abruf=2019-06-20}}.</ref>

Abweichend gilt bei der Sozialhilfe, dass behinderte Kinder, die bei ihren Eltern leben, grundsätzlich keine Kosten der Unterkunft erhalten, das Kopfteilprinzip gilt hier nicht.<ref>[[Bundessozialgericht]], Urteil vom 14. April 2011, Az. {{Internetquelle |autor= |url=https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=143630 |titel=B 8 SO 18/09 R |werk= |hrsg=[[Bayerisches Landessozialgericht]] |datum= |abruf=2019-06-20}} Rn. 15.</ref> Auch Untermietverträge zwischen den Eltern und dem Kind werden grundsätzlich nicht anerkannt.<ref>[[Bundessozialgericht]], Urteil vom 25. August 2011, Az. {{Internetquelle |autor= |url=https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=146169 |titel=B 8 SO 29/10 R |werk= |hrsg=[[Bayerisches Landessozialgericht]] |datum= |abruf=2019-06-20}} Rn. 3.</ref>

Kosten der Unterkunft und Heizung gelten bei Leistung von [[Arbeitslosengeld II]], [[Sozialgeld]], [[Hilfe zum Lebensunterhalt]], [[Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung]] sowie bei der ergänzenden Hilfe zum Lebensunterhalt nach {{§|27a|bvg|jurisbuzer}} des [[Bundesversorgungsgesetz]]es (BVG) für die Dauer von sechs Monaten in der tatsächlichen Höhe als angemessener Bedarf, wenn der Bewilligungszeitraum in der Zeit vom 1. März bis 30. Juni 2020 beginnt ({{§§ |67|SGB+II|buzer}} SGB II, {{§|141|SGB+XII|buzer}} SGB XII, {{§|88a|BVG|buzer}} BVG in der Fassung des [[Sozialschutz-Paket]]s vom 27. März 2020).

=== Kaltmiete ===

Nach der vom Bundessozialgericht festgelegten Produkttheorie berechnete sich die angemessene Höhe der Kaltmiete aus dem Produkt der angemessenen Wohnungsgröße und dem angemessenen Quadratmeterpreis. Demnach kann z.&nbsp;B. die Wohnung größer sein, wenn dafür der Quadratmeterpreis geringer ausfällt und so die Wohnung im Ergebnis noch angemessen ist.<ref name="B 14 AS 36/08 R">[[Bundessozialgericht]], Urteil vom 2. Juli 2009, Az. {{Internetquelle |url=https://jurislexetius.bundessozialgericht.decom/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&nr=111812009,2798 |titel=B 14 AS 36/08 R |hrsg=Bundessozialgericht.de |abruf=2019 2023-06-2006 |offline= }}</ref> Die angemessene Wohnungsgröße bestimmt sich nach den Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Wohnungsbau und ist damit je nach Bundesland unterschiedlich. Zuschläge für bestimmte Personengruppen wie Alleinerziehende und Behinderte sind hierbei nicht zu berücksichtigen.<ref>Bundessozialgericht, Urteil vom 11. Dezember 2012, Az. B 4 AS 44/12 R.</ref>

Im Falle einer temporären Bedarfsgemeinschaft, bei der sich die Kinder des Leistungsbeziehers im Rahmen der Ausübung des Umgangsrechts zeitweise in dessen Wohnung aufhalten, bestimmt sich die angemessene Wohnungsgröße nach der Hälfte des Wohnraumbedarfs für zusätzliche Personen in der Bedarfsgemeinschaft.<ref>Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Mai 2014, Az. L 3 AS 1895/14 ER-B.</ref>

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Ein [[Mietspiegel]], sowohl ein einfacher als auch ein qualifizierter, kann unter bestimmten Umständen die Basis bilden. Allerdings darf der Mietspiegel nicht auf bestimmte Bauklassen beschränkt sein. Außerdem ist eine schlichte Berechnung des [[Arithmetischer Mittelwert|arithmetischen Mittelwerts]] aus den Daten des Mietspiegels keine zulässige Methode, um die angemessene Miete zu bestimmen. Selbiges gilt, wenn der Mietspiegel Wohnungen ohne Zentralheizung oder ohne Dusche enthält, denn diese sind auch für einen ALG-II-Empfänger unzumutbar. Weder dürfen diese auf solche Wohnungen verwiesen werden noch dürfen sie in die Berechnung der zumutbaren Miete einfließen.<ref>Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Oktober 2010, Az. B 14 AS 2/10 R.</ref>

Existiert kein [[schlüssiges Konzept]], wird hilfsweise zur Bestimmung der angemessenen Kosten die [[Wohngeld]]tabelle, zuzüglich eines Aufschlags von zehn Prozent, herangezogen. Zeitweise war strittig, ob dies auch nach der Wohngeldnovelle 2009 und den damit verbundenen Erhöhungen der Tabellenwerte galt, hier entschied jedoch inzwischen das Bundessozialgericht, dass auch auf die neuen Werte ein Aufschlag hinzuzufügen ist.<ref>Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Dezember 2013, Az. B 4 AS 87/12 R.</ref> Dies entbindet den Grundsicherungsträger jedoch nicht von der [[Amtsermittlungspflicht]] und damit der Pflicht zur Erstellung eines schlüssigen Konzepts. Kritisiert wird, dass die Ämter häufig auf fragwürdige Unternehmen zurückgreifen.<ref>{{Internetquelle |autor=Ulrich Wockelmann |url=https://www.lokalkompass.de/essen-sued/c-politik/analyse-und-konzepte-tricksereien-und-irrefuehrungen-schaden-tausenden-von-leistungsberechtigten_a927885 |titel=Analyse & Konzepte – Tricksereien und Irreführungen schaden Tausenden von Leistungsberechtigten | werk= [https://www.lokalkompass.de/ www.lokalkompass.de] |hrsg=WVW Westdeutsche Verlags- und Werbegesellschaft mbH |datum=2018-06-30 |abruf=2019-06-20}}</ref> Der Grundsicherungsträger muss darlegen, wieso ein schlüssiges Konzept nicht erstellt werden kann, etwa aufgrund fehlender Daten für die Vergangenheit, weswegen keine Berechnung möglich ist.<ref>Bundessozialgericht, Urteil vom 22. März 2012, Az. B 4 AS 16/11 R.</ref> Ebenso hat der Grundsicherungsträger bei einem Gerichtsprozess im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach {{§|103|sgg|juris}} [[Sozialgerichtsgesetz|SGG]] die notwendigen Datenerhebungen nachzuholen, wobei er dazu auch anderweitige hinreichend konkrete Datenquellen wie Nachforschungen bei örtlichen Wohnungsbaugesellschaften oder Daten der Wohngeldbehörde nutzen kann.<ref>Bundessozialgericht, Urteil vom 2. Juli 2009, Az. B 14 AS 33/08 R.</ref> Das Gericht kann die Kosten für eigene Ermittlungen nach {{§|192|sgg|juris}} Abs. 4 SGG dem Grundsicherungsträger auferlegen.

Zu berücksichtigen ist weiter, ob nach der Struktur des Wohnungsmarktes am konkreten Wohnort der Leistungsberechtigte tatsächlich auch die Möglichkeit hat, eine abstrakt als angemessen eingestufte Wohnung konkret auf dem Wohnungsmarkt anmieten zu können.<ref>Bundessozialgericht, Urteil vom 27. Februar 2008, Az. B 14/7b AS 70/06 R, Rn. 17.</ref> Die Beweispflicht hierfür liegt zunächst beim Leistungsbezieher. Dieser muss nachweisen, dass er sich intensiv und mit allen ihm zumutbar erreichbaren Hilfen und Hilfsmitteln bemüht hat, eine angemessene Wohnung auf dem Wohnungsmarkt zu finden. Als zumutbar gelten das Setzen auf die Warteliste von Wohnungsbaugesellschaften und die Bewerbung auf angemessene Wohnungen, sofern verfügbar.<ref>Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 13. Dezember 2006, Az. L 5 B 1010/06 AS ER, Rn. 12.</ref> Eine reine Vorlage von Zeitungsannoncen reicht nicht aus.<ref>Hessisches Landessozialgericht, 28. März 2006, Az. L 7 AS 122/05 ER, Rn. 37.</ref> Sind diese Voraussetzungen erfüllt, muss der Grundsicherungsträger auch unangemessen hohe Kosten übernehmen, sofern er kein konkretes angemessenes Wohnungsangebot dem Leistungsbezieher vorlegen kann.<ref>Bundessozialgericht, Urteil vom 19. März 2008, Az. B 11b AS 41/06 R, Rn. 23.</ref> Basiert das schlüssige Konzept auf einem qualifizierten Mietspiegel und ist dessen Durchschnittswert angewandt worden oder macht der Mietspiegel Aussagen über die Häufigkeit von Wohnungen mit angemessenem Quadratmeterpreis, ist in der Regel davon auszugehen, dass es auch tatsächlich angemessene Wohnungen in ausreichendem Maße gibt.<ref>Bundessozialgericht, Urteil vom 13. April 2011, Az. B 14 AS 106/10 R, Rn. 30.</ref>

Das Bundessozialgericht hat in einem Grundsatzurteil vom 7. Oktober 2022 entschieden, dass behinderte Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung auf dem Wohnungsmarkt diskriminiert werden, einen Anspruch auf Hilfe bei der Wohnungssuche durch den Grundsicherungsträger haben. Wird diese Hilfe nicht erteilt, führt dies zu einer Beweislastumkehr zulasten des Grundsicherungsträgers, d. h. die Wohnung ist grundsätzlich als angemessen anzusehen.<ref>BSG, Urteil vom 6. Oktober 2022, AZ B 8 SO 7/21 R</ref>

Kosten für eine unangemessene Wohnung werden nach {{§|22|sgb_2|juris}} Abs.&nbsp;1 SGB&nbsp;II nur so lange anerkannt, wie es Leistungsberechtigten nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Kosten zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Dies muss dem Leistungsberechtigten durch eine sogenannte Kostensenkungsaufforderung mitgeteilt werden. Diese muss die Angabe der Höhe der angemessenen Kosten beinhalten. Eine Kostensenkungsaufforderung ist auch dann erforderlich, wenn der Leistungsbezieher in seiner alten Wohnung keine Leistungen bezog und erst durch den Umzug in die unangemessene Wohnung hilfebedürftig wurde; etwas anderes gilt nur, sofern der Leistungsbezieher vorsätzlich in eine Luxuswohnung umgezogen ist, um eine Leistungspflicht auszulösen.<ref>Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Dezember 2009, Az. B 4 AS 19/09 R.</ref> Die Kostensenkungsaufforderung hat lediglich informativen und aufklärenden Charakter und ist kein Verwaltungsakt, gegen welchen Rechtsmittel möglich wären. Nach Ablauf der Frist sind nur noch die angemessenen Kosten zu übernehmen.<ref>Bundessozialgericht, Urteil vom 7. November 2006, Az. B 7b AS 10/06 R.</ref> Allerdings ist eine [[Feststellungsklage]] vor dem [[Sozialgericht]] zulässig, wenn mit ihr die Unzumutbarkeit oder die Unmöglichkeit der Kostensenkung erklärt wird, nicht jedoch, wenn die Angemessenheitsgrenze an sich angegriffen wird.<ref>Bundessozialgericht, Urteil vom 15. Juni 2016, Az. B 4 AS 36/15 R.</ref>

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Laut Urteil – L 10 AS 584/15 – des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 28. Januar 2020 ist der tatsächliche Verbrauch für die dezentrale Warmwasserbereitung zu berücksichtigen. Demnach waren 2014 für eine Person 900 kWh Strom für einen elektrischen Durchlauferhitzer angemessen, bzw. es wurden im Urteil 1285,71 kWh Gas für einen Gasdurchlauferhitzer anerkannt. Im Urteil heißt es:

"Zuzüglich zum Regelbedarf hat die Klägerin einen Anspruch auf einen Mehrbedarf für die dezentrale Warmwassererzeugung nach § 21 Abs. 7 Satz 2 SGB II i. H. v. 17,44 € monatlich. Durch das BSG ist geklärt worden, dass nach der gesetzgeberischen Konzeption dem tatsächlichen Verbrauch für alle Fälle der Vorrang vor den pauschalierten Bemessungssätzen zukommen soll. (BSG, Urteil vom 077. Dezember 2017 – B 14 AS 6/17 R –, BSGE 125, 22-29, SozR 4-4200 § 21 Nr 28, Rn. 27) Dies bedeutet, dass ein Rückgriff auf die Pauschalen in § 21 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 – 4 SGB II regelmäßig nicht in Betracht kommt."<ref>{{Internetquelle |autor= |url=http://www.landesrecht-mv.de/jportal/portal/page/bsmvprod.psml;jsessionid=0.jp35?showdoccase=1&doc.id=JURE200005767&st=ent |titel=Arbeitslosengeld II - Mehrbedarf für dezentrale Warmwasserzeugung - Gasdurchlauferhitzer - Unmöglichkeit der Verbrauchserfassung bzw Ermittlung des Warmwasser- und Kochgasanteils - Übernahme der tatsächlichen Kosten abzüglich des Regelbedarfsanteils für Kochenergie - Angemessenheitsprüfung unter Heranziehung des Stromspiegels |werk=Dienstleistungsportal Mecklenburg-Vorpommern |hrsg=Dienstleistungsportal Mecklenburg-Vorpommern |datum= |sprache=de |abruf=2020-07-15}}</ref>

Ein etwaiges schlüssiges Konzept wie bei der Miete wird bei der Bestimmung der angemessenen Heizkosten nicht verlangt, da die Höhe der Heizkosten im individuellen Fall von zu vielen Faktoren abhängt. Ein Schätzen der angemessenen Heizkosten ins Blaue hinein ist jedoch unzulässig.<ref>Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Juni 2013, Az. B 14 AS 60/12 R, Rn. 21.</ref> Im Zweifelsfall können daher Heizkostenspiegel wie der bundesweite Heizkostenspiegel zu Rate gezogen werden.<ref>Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Juni 2013, Az. B 14 AS 60/12 R, Rn. 22.</ref> Übersteigen die Heizkosten jedoch die Werte im Heizkostenspiegel, heißt das noch nicht automatisch, dass die Heizkosten unangemessen sind. Der Leistungsbezieher muss in diesem Fall darlegen, wieso die Heizkosten so hoch waren und wieso sie in seinem Fall noch angemessen sind.<ref>Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Juni 2013, Az. B 14 AS 60/12 R, Rn. 23</ref> Dass eine Wohnung mit einem Ofen geheizt wird, der Heizkostenspiegel aber nur Wohnungen mit Zentralheizung umfasst, spielt hierbei keine Rolle.<ref>Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Juni 2013, Az. B 14 AS 60/12 R, Rn. 24.</ref> Ebenfalls spielt keine Rolle, ob die Wohnung schlecht gedämmt ist und deswegen hohe Heizkosten anfallen, auch in diesem Fall sind die Heizkosten unangemessen.<ref>Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Juni 2013, Az. B 14 AS 60/12 R, Rn. 27.</ref>

Hat der Hilfeempfänger keine laufenden Abschläge für Heizkosten an den Vermieter oder den Energieversorger zu zahlen, sondern besorgt er sich die [[Brennstoff]]e ([[Holz]], [[Kohle]], Heizöl oder Flüssiggas) bei Bedarf unmittelbar selbst, so hat er Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Beschaffung des Brennstoffs (sog. Brennstoffbeihilfe) in tatsächlicher Höhe, soweit die Kosten angemessen sind. Die Angemessenheit richtet sich ebenfalls nach dem bundesweiten oder kommunalen [[Mietspiegel|Heizspiegel]].<ref name="B 14 AS 36/08 R" />

Der Grundsicherungsempfänger kann im Regelfall die tatsächlichen Heizkosten bis zur Obergrenze aus dem Produkt des Wertes für extrem hohe Heizkosten mit der angemessenen Wohnfläche (in Quadratmetern) geltend machen. Anders als bei der Sozialhilfe nach dem SGB XII, räumt das SGB II dem Leistungsträger keine Pauschalierungsmöglichkeit ein.

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Nach {{§|22|sgb_2|juris}} Abs. 2 SGB II werden nur unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur übernommen. Die Aufwendungen sind nur dann unabweisbar, wenn ansonsten [[Baufälligkeit]] oder Unbewohnbarkeit drohen würde und die Arbeiten nicht länger aufschiebbar sind. Keinesfalls dürfen diese Reparaturen zu einer Verbesserung des Wohnstandards führen.<ref>Landessozialgericht Baden-Württemberg, 26. September 2013, Az. L 7 AS 1121/13.</ref> Diese Aufwendungen müssen tatsächlich anfallen; die Bildung einer Investitionsrücklage ist nicht berücksichtigungsfähig, es sei denn, der Eigentümer ist über eine [[Wohnungseigentümergemeinschaft]] rechtlich dazu verpflichtet, Rücklagen zu bilden.<ref name="bsg22aug2012" />

Der Staat muss nach einem Urteil des [[Bundesverfassungsgericht]]s zwar auf der einen Seite das menschenwürdige [[Existenzminimum]] garantieren, auf der anderen Seite aber nicht „jedwede Unterkunft“ im Falle einer Bedürftigkeit finanzieren und die Mietkosten nicht unbegrenzt erstatten.<ref>Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 10. Oktober 2017, Az. {{Internetquelle |autor= |url=https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2017/10/rk20171010_1bvr061714.html |titel=1 BvR 617/14 |hrsg=Bundesverfassungsgericht |abruf=2019-06-20}} [https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Downloads/DE/2017/10/rk20171010_1bvr061714.pdf?__blob=publicationFile&v=1 PDF] (80 kB).</ref>

=== Berechnung der Wohnfläche ===

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Bundesweit einheitliche Kriterien für die Kosten bezogen auf die Wohnfläche gab es zunächst nicht, da die Verhältnisse in den Flächenländern und Großstädten sehr unterschiedlich sind. Daher entstand der Begriff ''[[angemessene Wohnfläche]]''. Bei der Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße ist allein auf die Größe der Bedarfsgemeinschaft abzustellen, andere Bewohner der Wohnung sind nicht miteinzubeziehen und separat zu erfassen. Demnach ist für zwei Personen, die in einer reinen Wohngemeinschaft zusammen wohnen, das Doppelte der Wohnungsgröße für eine Person angemessen und nicht etwa die Wohnungsgröße für zwei Personen.<ref>Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, Az. B 14/11b AS 61/06 R.</ref>

Um den angemessenen Quadratmeterpreis zu bestimmen, musste ein sogenanntes schlüssiges Konzept vorliegen. Um den angemessenen Quadratmeterpreis zu bestimmen, musste ein räumlicher Vergleichsmaßstab vorliegen. Dieser musste groß genug sein, um aufgrund der Nähe und Infrastruktur einen homogenen Lebensbereich zu bilden. Der räumliche Vergleichsmaßstab darf dabei nicht auf besonders günstige Stadtteile beschränkt werden, um einer Ghettobildung entgegenzuwirken.<ref>Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Dezember 2009, Az. B 4 AS 27/09 R</ref> Für die Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises zugrundezulegenzugrunde zu legen ist ein einfacher, im unteren Marktsegment liegender Standard, die Wohnung muss einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügen.<ref>Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Februar 2010, Az. B 14 AS 73/08 R.</ref> Der Quadratmeterpreis muss nach verschiedenen Wohnungsgrößen differenziert werden.<ref>Bundessozialgericht, Urteil vom 20. August 2009, Az. B 14 AS 65/08 R.</ref>

Berücksichtigungsfähig sind nur die Kosten für privaten Wohnraum, nicht aber für gewerblich genutzte Räume.<ref>[[Bundessozialgericht]], Urteil vom 23. November 2006, Az. {{Internetquelle |autor= |url=https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=67925 |titel=B 11b AS 3/05 R |werk= |hrsg=[[Bayerisches Landessozialgericht]] |datum= |abruf=2019-06-20}} Rn. 15.</ref> Die Kosten für eine Garage sind nicht berücksichtigungsfähig, es sei denn, die Wohnung ist ohne Garage nicht anmietbar und die Kosten sind insgesamt noch angemessen.<ref>[[Bundessozialgericht]], Urteil vom 7. November 2006, Az. {{Internetquelle |autor= |url=https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=64144 |titel=B 7b AS 10/06 R |werk= |hrsg=[[Bayerisches Landessozialgericht]] |datum= |abruf=2019-06-20}} Rn. 28.</ref> In bestimmten Fällen können die Kosten für die Einlagerung der Möbel berücksichtigungsfähig sein, etwa bei einer Zwangsräumung, wenn der Leistungsbezieher in einer Notunterkunft lebt und deswegen seine Möbel nicht nutzen kann.<ref>[[Bundessozialgericht]], Urteil vom 16. Dezember 2008, Az. {{Internetquelle |autor= |url=https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=86870 |titel=B 4 AS 1/08 R |werk= |hrsg=[[Bayerisches Landessozialgericht]] |datum= |abruf=2019-06-20}} Rn. 21.</ref>

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* bauliche Mängel der Wohnung wie etwa Schimmelbefall vorliegen

* die Wohnung zu beengt für die Bedarfsgemeinschaft ist

* ein Über-über 25-Jähriger erstmals aus der Wohnung der Eltern ausziehen will

* gesundheitliche oder persönliche Gründe einen Umzug notwendig machen, etwa bei der Trennung eines Ehepaares oder die notwendig gewordene Pflege eines nahen Angehörigen

* der Leistungsbezieher zur Untermiete lebt und der Hauptmieter die Wohnung kündigt

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Insbesondere seit der [[Flüchtlingskrise in Deutschland 2015/2016|Flüchtlingskrise]] wird auch kritisiert, dass die Grundsicherungsträger zwar die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft berechnen, mangels Rechtsgrundlage aber nicht prüfen können, ob die Wohnung auch tatsächlich in einem bewohnbaren Zustand ist. Die Mieter selbst sind, bedingt durch ihre schwierige Lage auf dem Wohnungsmarkt, meist nicht in der Lage, in solchen Fällen selbst gegen den Vermieter vorzugehen, weil sie sonst eine Kündigung befürchten müssten und im schlimmsten Falle die Obdachlosigkeit drohe. Außerdem können, bedingt durch die geltende Produkttheorie, auch extrem kleine Wohnungen, teilweise auch einzelne Zimmer nur zur Mitnutzung zu Quadratmeterpreisen vermietet werden, die weit über dem Durchschnitt liegen.<ref>Bayerischer Rundfunk: {{Webarchiv |url=http://www.br.de/nachrichten/wohnungsnot-vermieter-ziehen-fluechtlinge-ueber-den-tisch-100.html |text=Wohnungsnot ausgenutzt: Vermieter ziehen Flüchtlinge über den Tisch. |wayback=20180106215214}}</ref>

Werden die Kosten der Unterkunft nicht in voller Höhe anerkannt, führt das in der Regel dazu, dass betroffene Leistungsbezieher Geld aus dem Regelbedarf umschichten müssen, um daraus die Miete zu finanzieren. Diese sogenannte ''Wohnkostenlücke'' wird seit der Einführung des SGB II von Sozialverbänden kritisiert, weil die betroffenen Haushalte dadurch unter das [[Existenzminimum]] rutschen, mit allen damit verbundenen Folgen.<ref>[https://www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-13-prozent-haushalte-stadten-miete-existenzminimum-34612.htm Studie zeigt Auswirkungen auf Armut und soziale Ungleichheit: Fast 13 Prozent der Mieterhaushalte in deutschen Großstädten haben nach Abzug der Miete weniger als das Existenzminimum zur Verfügung - Hans-Böckler-Stiftung]</ref> Mit Stand Juli 2022 wurden in Deutschland bei 15,4 Prozent aller Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II, insgesamt bei 400.000 Bedarfsgemeinschaften die Kosten der Unterkunft nicht in voller Höhe anerkannt; die durchschnittliche Wohnkostenlücke bei den Bedarfsgemeinschaften, bei denen Kosten der Unterkunft nicht in voller Höhe anerkannt wurden, beträgt 90,79 €. Besonders gravierend ist das Problem nicht etwa in den Ballungsräumen, sondern vor allem im ländlichen Raum in Landkreisen mit einer hohen Eigentumsquote und einem nur sehr eingeschränkten Mietwohnungsmarkt; der Rekordhalter ist der [[Landkreis Leer]] in Ostfriesland, wo bei 57,6 Prozent und damit über der Hälfte aller Bedarfsgemeinschaften Kosten der Unterkunft nicht in voller Höhe anerkannt werden. In absoluten Zahlen ist die Wohnkostenlücke im Ballungsraum München am größten, der Rekordhalter ist hier der [[Landkreis Ebersberg]] mit einer durchschnittlichen Wohnkostenlücke von 248,38 €.<ref>[https://dserver.bundestag.de/btd/20/030/2003018.pdf Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jessica Tatti, Caren Lay, Susanne Ferschl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 20/2691 –]</ref>

== Fiskalische Konsequenzen für die kommunalen Träger ==