„Anetta Kahane“ – Versionsunterschied – Wikipedia


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1963 wurde ihr Vater Auslandskorrespondent für die DDR-Zeitung [[Neues Deutschland]] in [[Brasilien]]. Die Familie wohnte neun Monate in einem eigenen Haus in [[Rio de Janeiro]]. Dort lernte Anetta Kahane von einem brasilianischen Hausmädchen {{ptS}} und besuchte die provisorische Schule einer DDR-Handelsvertretung. Sie sei wegen der privilegierten Unterbringung ihrer Familie isoliert geblieben. Brasilien sei im Unterricht nicht vorgekommen; die DDR-Gäste hätten die Brasilianer oft herabgesetzt. Sie freundete sich mit der Schriftstellerin [[Anna Seghers]] an, als diese ihre Eltern besuchte. Nach einem Zwischenaufenthalt in der DDR konnte die Familie im Frühjahr 1964 nicht wieder nach Brasilien einreisen, weil dessen linksgerichteter Präsident [[João Goulart]] durch einen Militärputsch gestürzt worden war.<ref>Anetta Kahane: ''Ich sehe was, was du nicht siehst'', S. 21–32</ref>

Ihrer Autobiografie zufolge erlebte Kahane die ideologischen Vorgaben der [[Bildungssystem in der DDR|DDR-Schule]] im Widerspruch zu ihrer persönlichen Erfahrung. [[Antisemitismus (nach 1945)|Antisemitismus]] sei tabuisiert oder aus ökonomischen Ursachen erklärt worden, die der [[Staatssozialismus]] angeblich überwunden habe. Ihre Eltern seien als „[[Verfolgter des Naziregimes|Verfolgte des Naziregimes]]“ (VdN) eingestuft und privilegiert worden, ohne den Grund ihrer Verfolgung, ihreihr jüdische HerkunftJudesein, auszusprechen und zu erklären. Jüdische Opfer des [[Faschismus]] seien geringer bewertet worden als [[Medaille für Kämpfer gegen den Faschismus 1933 bis 1945|Kämpfer gegen den Faschismus]]. Das [[Judentum]] sei zu einer bedeutungslosen Religionspraxis neben anderen abgewertet worden. Entgegen der offiziellen Linie des [[Antifaschismus]], die sich auf Erfahrungen der Verfolgten zu stützen schien, habe die Einstufung als „VdN“ sie von nichtjüdischen Familien getrennt und eine unausgesprochene Fremdheit zur übrigen Gesellschaft ausgedrückt. Zwar hätten ihre Eltern keine ideologischen Verbote gekannt, aber nicht über ihre Gefühle gegenüber ihren Verfolgern und Mördern gesprochen. Diese Gefühle und indirekte Hinweise darauf habe sie als Kind dennoch wahrgenommen und in Albträumen verarbeitet.<ref>Anetta Kahane: ''Ich sehe was, was du nicht siehst'', S. 33–40</ref>

Über diese Erfahrung einer unausgesprochenen Fremdheit in der DDR habe sie zum jüdischen Glauben gefunden.<ref>Micha Brumlik (taz, 26. Juni 2004): [http://www.taz.de/1/archiv/?dig=2004/06/26/a0309 ''Iphigenie in der Uckermark.'']</ref> 2004 erklärte sie: „Der zentrale Gedanke des Judentums ist, Verantwortung für sich und die Gemeinschaft zu übernehmen – ohne zu missionieren. Meine Schwierigkeit war und ist es, einen Ort im Täterland zu finden. […] [[Gerechtigkeit]] ist das oberste Gebot im Judentum. Sobald ich aktiv werden konnte – mit der Wende –, habe ich das gemacht. Und ich werde es weiter tun.“<ref name="Sabine am Orde">Sabine am Orde (taz, 30. August 2004): [http://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2004/08/30/a0252 ''„Ich war nicht gemacht für die DDR“: Anetta Kahane'']</ref> Über die DDR sagte sie 2010: „Alles Jüdische, einschließlich der Judenfeindschaft, war dort ein Tabu […] Man hat das Thema quasi unsichtbar gemacht. Und damit den Bürgern die Möglichkeit genommen, sich mit Juden auseinanderzusetzen. Der Antisemitismus, den es in der DDR auf jeden Fall gab, war sehr subtil und trat vorrangig durch politische, kulturelle und israelfeindliche Stereotype zutage.“<ref>Katrin Richter (Jüdische Allgemeine, 23. Dezember 2010): [http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/9374/highlight/Anetta&Kahane&Ost-&Berlin ''Interview: „Alles Jüdische war in der DDR ein Tabu“'']</ref>