„Atys (Lully)“ – Versionsunterschied – Wikipedia


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== Handlung ==

Am Ende des Prologs, in dem König [[Ludwig XIV.]] als neuer Held gepriesen wird, kündet die Göttin Iris die folgende Tragödie zu dessen Unterhaltung an. Diese handelt von der Liebe der Göttin [[Kybele- und Attiskult|Cybele]] zum Jüngling [[Attis|Atys]]. Zu Beginn aber verliebt sich Atys in die Nymphe Sangaride, deren Hochzeit mit dem phrygischen König Celænus (einem Freund von Atys) unmittelbar bevorsteht. In Unkenntnis dieser Lage ernennt Cybele Atys persönlich zu ihrem Hohepriester und gesteht ihm in einer umfangreichen Traumszene ihre Liebe. Atys wird von schweren Gewissensbissen geplagt, entscheidet sich dann aber für Sangaride. Bevor diese davon erfährt, erklärt sie sich in einem Anfall von Eifersucht bereit, Celænus zu heiraten. Atys unterbricht die Hochzeitsfeier mit der Behauptung, dass Cybele die Heirat untersagt habe, und entschwindet mit Sangaride. Cybele ruft aus Rache die Furie [[Alekto (Mythologie)|Alecton]] herbei, die Atys verhext, so dass er im Wahn Sangaride für ein Ungeheuer hält und tötet. Nachdem er wieder zur Vernunft gekommen ist, ersticht Atys sich selbst. Cybele verwandelt ihn in eine Pinie und betrauert ihn.

=== Prolog ===

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''Szene 5.'' Atys kehrt zurück und meldet das Nahen der Phrygier. Doris entfernt sich, um die anderen Nymphen zu holen.

''Szene 6.'' Allein mit Sangaride beglückwünscht Atys sie zu ihrer bevorstehenden Hochzeit. Zunächst zeigt er keine Anzeichen von Eifersucht, aber dann gesteht er, dass ihr glücklichster Tag zugleich sein letzter sein werde – er sterbe aus Liebe zu ihr. Auch Sangaride offenbart ihm ihre Liebe. Wenn er wirklich den Tod suche, werde sie ihm folgen müssen. Da ihnen keine andere Wahl bleibt, beschließen sie, ihre gegenseitige Zuneigung geheimzuhaltengeheim zu halten.

''Szene 7.'' Doris und Idas kehren mit den Phrygiern zurück. Während die Göttin Cybele in ihrer Kutsche vom Berg herabsteigt, feiern die Phrygier ihr zu Ehren mit Tanz und Gesang („Commençons, commençons“).

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''Szene 5.'' Allein mit Melisse zurückgeblieben, bedauert Cybele das Geschehen.

''Szene 6.'' Idas schleppt den schwer verletzten Atys herbei, gefolgt von den Priesterinnen. Um zumindest im Tode mit Sangaride vereint zu sein, hat Atys sich selbst erstochen. Cybele verwandelt ihn in ihren Lieblingsbaum, eine Pinie. Er soll für immer das Objekt ihrer Liebe bleiben. Sie ruft [[Korybanten]], Wassernymphen und Waldgötter zu einer gemeinsamen Klage herbei.

''Szene 7.'' Das letzte Divertissement ist der Trauerklage gewidmet. Vier Nymphen, acht Wassergötter und vierzehn Korybanten singen, acht Korybanten, drei Waldgötter und drei Nymphen tanzen.

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Das Mittel des Refrains nutzte Lully bereits im ersten Akt, als Sangaride Atys’ Gleichgültigkeit beklagt („Atys est trop heureux!“). Der fallende Tetrachord in der Basslinie dieser Stelle wird in ihrem nachfolgenden Lamento [[ostinato]]haft eingesetzt und leitet später als Erinnerung auch die Szene mit dem Liebesgeständnis des Paares ein.<ref name="maschka" />

Die Rezitative stehen (anders als in der italienischitalienischen Oper) in einem genau definierten Versmaß aus Zweier- und Dreierrhythmen. Dieses Mittel nutzen Lully und Quinault für eine präzise Charakterisierung der verschiedenen Personen. Die Unsicherheit Celænus’ am Anfang des zweiten Akts drückt sich beispielsweise durch eine hektische und kurzatmige Sprechweise aus, und Atys’ Wahnsinn im fünften Akt ist durch zerstückelte Satzfragmente gekennzeichnet. Die Eintracht der Nebenfiguren Idas und Doris im dritten und vierten Akt hebt Lully dadurch hervor, dass er ihre Stimmen miteinander verbindet. Ähnliche Kopplungen nutzt er in der zweiten Szene des fünften Akts, als Celænus und Cybele gemeinsam Atys und Sangaride konfrontieren. Die schnelle Abfolge von Rede und Gegenrede entspricht hier dem antiken Stilmittel der [[Stichomythie]].<ref name="maschka" />

Die dialogischen Szenen sind Leopold zufolge „mit einer fast naturalistischen Emphase komponiert“, die aufgrund der festen Trennung von Rezitativ und Arie in den gleichzeitig entstandenen italienischen Opern kaum noch möglich war. Als Beispiel für Lullys „nunmehr typisch französische Vorstellung über die Verbindung von Drama und Musik“ nennt sie die Konfrontation von Atys und Sangaride in der vierten Szene des vierten Akts, in der sich die beiden nach ihrem Streit wieder versöhnen.<ref name="leopold" />{{rp|192}}

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Bei der Uraufführung am 10. Januar 1676 im [[Schloss Saint-Germain-en-Laye]] sangen François Beaumavielle (Temps), Marie Verdier (Flore), de la Grille (Zephir), Beaucreux (Melpomene), des Fronteaux (Iris), Bernard Clédière (Atys), Antoine Morel (Idas), Marie Aubry (Sangaride), Marie-Madeleine Brigogne (Doris), Saint-Christophe (Cybele), Bony (Melisse), Jean Gaye (Celænus), Ribon (Sommeil), Godonesche (Sangar), Langeais (Morphée), Frizon (Phobetor) und de la Forest (Phantase).<ref>[http://www.operalib.eu/atys/atys.html Werkinformationen auf ''operalib.eu'']</ref> Die wichtigsten Tänzer waren [[Pierre Beauchamp|Beauchamp]], Dolivet, Faure, [[Jean Favier (Choreograf)|Favier]], Lestang, Magny und Pécour.<ref name="grove" />

[[Datei:Atys - scene Songes funestes (opera by Lully).png|mini|Szene „Songes funestes“]]

Das Werk war außerordentlich erfolgreich. Wiederaufnahmen in Saint-Germain gab es bereits 1677, 1678 und 1682. Für letztere Aufführung komponierte Lully zusätzliche Tänze. Darin tanzten neben den professionellen Tänzern auch Höflinge. Die erste öffentliche Aufführung fand im April 1676 an der [[Pariser Oper]] statt. Dort gab es bis 1747 insgesamt sieben Wiederaufnahmen (1738 ohne das letzte Divertissement). Bereits 1714 hatte sich das Publikum von der geschmacklichen Vorgabe des Monarchen emanzipiert: Damen verließen während des fünften Aktes den Saal.<ref>Jérôme de La Gorce: ''L’Opéra à Paris au temps de Louis XIV. Histoire d’un théâtre'', Paris 1992, S.&nbsp;181.</ref> 1753 wurde ''Atys'' ohne Prolog am Hof [[Ludwig XV.|Ludwigs XV.]] in [[Fontainebleau]] gespielt. Aufführungen außerhalb von Paris gab es bis 1749 auch in Amsterdam, Marseille, Lyon, Rouen, Brüssel, Metz, Lille und Den Haag.<ref name="grove" /> Die deutsche Erstaufführung fand vor 1686 vermutlich in Ansbach statt.<ref name="harenberg" />

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Ein Anzeichen für die große Popularität ist, dass im 17. und 18. Jahrhundert sämtliche Musiknummern parodiert wurden.<ref name="harenberg" /> Besonders bekannt waren die Arie der Sangaride „Quand le peril est agreable“ (erster Akt, Szene 3), der Chor „Nous devons nous animer“ (Abschluss des ersten Akts) sowie der Chor „La beauté la plus severe“ und das Duett „D’une constance extresme“ (vierter Akt, Szene 5).<ref name="reclam" />

Der Dirigent [[William Christie]] führte die Oper 1987 in einer Inszenierung von Jean-Marie Villégier anlässlich von Lullys 300. Todestag mit großem Erfolg in Paris, Florenz und anderen Städten auf<ref name="reclam" /> und spielte sie auf CD ein.<ref>David Vickers: [http://www.gramophone.co.uk/review/lully-atys-1 ''LULLY Atys.'' CD-Rezension auf ''gramophone.co.uk'' (englisch)], abgerufen am 31. Mai 2016.</ref> 2011 finanzierte der US-amerikanische Mäzen Ronald P. Stanton, der 1987 eine Aufführung in Versailles besucht hatte, eine Wiederaufnahme der aufwändigen Inszenierung,<ref>Zachary Woolfe: [http://www.nytimes.com/2011/09/11/arts/music/atys-french-baroque-opera-by-lully-at-bam.html ''Louis XIV Hummed a Few Arias.'' Artikel vom 9. September 2011 in der ''New York Times''], abgerufen am 1. Juni 2016.</ref> die zunächst an der [[Opéra-Comique (Paris)|Opéra-Comique]] in Paris und anschließend auch in Caen, Bordeaux, VersailleVersailles und New York aufgeführt wurde. Bei dieser Gelegenheit wurde auch ein Video-Mitschnitt erstellt.<ref>[http://operacritiques.free.fr/css/index.php?2011/05/15/1721-atys-de-jean-baptiste-lully-philippe-quinault-par-william-christie-jean-marie-villegier-a-l-opera-comique-1987-2011-favart-stephanie-d-oustrac-ed-lyon-bernard-richter-emmanuelle-de-negri ''Atys de LULLY par Christie / Villégier à l'Opéra-Comique : 1987–2011.'' Werkinformationen auf ''operacritiques.free.fr''], abgerufen am 31. Mai 2016.</ref><ref>Alain Zürcher: {{Webarchiv|url=http://operabase.com/fr/critiques/20110513-Opera_Comique-Atys-Lully.htm |wayback=20160531221254 |text=Aufführungsrezension auf ''operabase.com''}}.</ref>

Eine Neuproduktion, der eine Absprache mit William Christie und Les Arts Florissants vorangegangen war, gab es 2022 als Aufführungsserie mit Beginn im Februar im [[Grand Théâtre de Genève]] und Fortsetzung im Sommer an der [[Königliche Oper (Versailles)|Opéra Royal de Versailles]]. [[Leonardo García Alarcón]] dirigierte die Cappella Mediterranea, der Choreograph [[Angelin Preljocaj]] unterstützte ihn mit dem hauseigenen Sängerensemble und Ballett. Für das Bühnenbild sorgte [[Prune Nourry]], die Kostümentwürfe stammten von [[Jeanne Vicérial]], das Lichtdesign von [[Éric Soyer]]. Die Titelrolle des Atys nahm Matthew Newlin ein, [[Giuseppina Bridelli]] war Cybèle und [[Ana Quintans]] ihre Rivalin Sangaride.<ref>Roland H. Dippel: ''Kühle Erotik frei nach Ovid. „Atys“ im Grand Théâtre de Genève (1.3.2022)''. In: ''Concerto – Das Magazin für Alte Musik.'' Nr. 301, Juli/August/September 2022, 39.&nbsp;Jg., ISSN 0177-5944, S.&nbsp;27&nbsp;f.</ref>

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== Aufnahmen ==

* Januar 1987 (Studioaufnahme): [[William Christie]] (Dirigent), [[Les Arts Florissants]]. [[Bernard Deletré]] (Temps, Phobetor und Sangar), Monique Zanetti (Flore), Arlette Steyer (Melpomene), [[Agnès Mellon]] (Iris und Sangaride), [[Guy de Mey]] (Atys), Jacques Bona (Idas), Françoise Semellaz (Doris), [[Guillemette Laurens]] (Cybele), Noémi Rime (Melisse), Jean-Francois Gardeil (Celænus), Gilles Ragon (Sommeil), [[Jean-Paul Fouchécourt]] (Morphée), Michel Laplénie (Phantase). harmonia mundi CD: HMX 290844, Harmonia mundi CD: HMC 901257.59 (3 CDCDs).<ref name="ommer">''Jean-Baptiste Lully.'' In: [[Andreas Ommer]]: ''Verzeichnis aller Operngesamtaufnahmen.'' [[Zeno.org]], Band 20, S.&nbsp;8848.</ref>

* 27. Oktober 2011 (Video): [[William Christie]] (Dirigent), Jean-Marie Villégier (Inszenierung), [[Les Arts Florissants]], Compagnie Fêtes galantes (Tänzer). [[Bernard Deletré]] (Temps und Sangar), [[Elodie Fonnard]] (Flore), [[Anna Reinhold]] (Melpomène), [[Rachel Redmond]] (Iris), [[Bernard Richter]] (Atys), Marc Mauillon (Idas), [[Emmanuelle de Negri]] (Sangaride), [[Sophie Daneman]] (Doris), [[Stéphanie d’Oustrac]] (Cybele), Jaël Azzaretti (Melisse), [[Nicolas Rivenq]] (Celænus), [[Paul Agnew (Sänger)|Paul Agnew]] (Sommeil), [[Cyril Auvity]] (Morphée), [[Callum Thorpe]] (Phobetor), [[Benjamin Alunni]] (Phantase), [[Arnaud Richard]] (Un songe funeste), [[Jean-Charles di Zazzo]] (Alecton). FRA Musica FRA006 (2 DVDDVDs).<ref>{{Webarchiv|url=http://eboutique.harmoniamundi.com/atys.html |wayback=20160531221256 |text=''DVD Atys Les Arts Florissants'' auf ''harmoniamundi.com''}}.</ref>

* 2022 (Video; live aus der [[Königliche Oper (Versailles)|Opéra Royal de Versailles]]): [[Leonardo García Alarcón]] (Dirigent), [[Angelin Preljocaj]] (Inszenierung), Cappella Mediterranea. Nicholas Scott (Zephir und Sommeil), Gwendoline Blondeel (Iris, Doris, Divinité fontaine und Flore), Matthew Newlin (Atys), Michael Mofidian (Idas, Phobetor und Un songe funeste), [[Ana Quintans]] (Sangaride), [[Giuseppina Bridelli]] (Cybele), Lore Binon (Melisse und Divinité fontaine), [[Andreas Wolf (Sänger)|Andreas Wolf]] (Celænus und Temps), [[Luigi De Donato]] (Sangar), Valerio Contaldo (Morphée und Dieu de fleuve), José Pazos (Phantase). Videostream auf france.tv.<ref>[https://www.france.tv/spectacles-et-culture/opera-et-musique-classique/4298929-atys-a-l-opera-royal-de-versailles.html Videostream der Aufführung in Versailles 2022] auf france.tv, abgerufen am 18. November 2022.</ref>

* 12.–14. Juli 2023 (aufgenommen in der [[Königliche Oper (Versailles)|Opéra Royal de Versailles]]): [[Christophe Rousset]] (Dirigent), [[Les Talens Lyriques]], Chœur de Chambre de Namur. [[Reinoud Van Mechelen]] (Atys), [[Marie Lys]] (Sangaride und Flora), [[Ambroisine Bré]] (Cybèle), [[Philippe Estèphe]] (Célénus), Romain Bockler (Idas), [[Gwendoline Blondeel]] (Doris und Iris), Olivier Cesarini (Le fleuve Sangar, Phobétor und Le Temps), Kieran White (Le Sommeil und Un Zéphir), Nick Pritchard (Morphée), Antonin Rondepierre (Phantase), Apolline Raï-Westphal (Mélisse und Melopmène), Vlad Crosman (Un Songe funeste). Château de Versailles Spectacles CVS 126 (3 CDs).<ref>[[Uwe Schweikert]]: ''Königsoper.'' Rezension der CD Château de Versailles Spectacles CVS 126 (Dirigent: [[Christophe Rousset]]). In: ''[[Opernwelt]].'' Ausgabe Mai 2024, S.&nbsp;30 ([https://www.der-theaterverlag.de/opernwelt/archiv/artikel/koenigsoper/ eingeschränkte Vorschau]; Abonnement für den vollständigen Text erforderlich).</ref>

<!-- Kopiervorlage

* DATUM (BEMERKUNG): DIRIGENT (Dirigent), ORCHESTER, CHOR. SÄNGER (Temps), SÄNGER (Flore), SÄNGER (Zephir), SÄNGER (Melpomene), SÄNGER (Iris), SÄNGER (Atys), SÄNGER (Idas), SÄNGER (Sangaride), SÄNGER (Doris), SÄNGER (Cybele), SÄNGER (Melisse), SÄNGER (Celænus), SÄNGER (Sommeil), SÄNGER (Sangar), SÄNGER (Morphée), SÄNGER (Phobetor), SÄNGER (Phantase). PRODUCTCODE.<ref>BELEG</ref>