„Danismus“ – Versionsunterschied – Wikipedia


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Als '''Danismus''' wird eine Ausdrucksweise oder eine Bedeutung aus der [[Dänische Sprache|dänischen Sprache]] bezeichnet, die in eine andere [[Sprache]] eingeflossen ist. Davon können alle Bereiche eines [[Sprachsystem]]s betroffen sein, von der [[Phonologie|Lautung]] über die [[Morphologie (Sprache)|Formenlehre]], [[Syntax]] und [[Semantik]], bis zu Wortschatz, [[Sprachgebrauch]] und Sprachebene (Fachsprache, Alltagssprache, Slang).

Ein '''Danismus''' ist ein aus der [[dänische Sprache|dänischen Sprache]] [[Lehnwort|entlehntes]] Wort, bzw. ein [[Fremdwort]] von dort.

Findet die Übernahme Akzeptanz von Seiten der Sprachgemeinschaft, werden die Ausdrücke als [[Fremdwort|Fremd-]] und [[Lehnwort]] bzw. als neue Satzkonstruktion übernommen.

Im Deutschen gibt es vergleichsweise wenige Danismen. Viele von ihnen kommen nur innerhalb [[Südschleswig]]s, unter ''Skandinavienfreunden'' oder in der Fach- und Reiseliteratur vor. Beispiele sind [[hyggelig]], [[pølser]], [[smørrebrød]] oder auch das [[Flensburg]]er „[[Pidgin]]“ [[Petuh]].

== Danismen im Deutschen ==

Dass uns viele dänische Begriffe bekannt vorkommen, liegt an einem massiven Einfluss des [[Mittelniederdeutsch]]en auf die Sprache. Große Teile des dänischen Wortschatzes sind (nieder)deutsche Lehnwörter, bzw. bedienen sich (nieder)deutscher [[Morphologie (Sprache)|morphologischer]] Wortbildungsmuster, wie man anhand von häufigen Vorsilben und Endungen sehen kann. (''be-rømt-hed'' <- Be-rühmt-heit).

Im [[Deutsche Sprache|Deutschen]] gibt es vergleichsweise wenige Danismen.

=== Entlehnungen ===

[[Bild:Meilgaard-boplads.jpg|mini|Ausgrabung eines [[Køkkenmødding]] bei [[Ertebølle]], 1890er Jahre.]]

[[Bild:Rugbrød med røget makrel og røræg (8869093161).jpg|mini|[[Smörrebröd]] mit Makrele und Rührei.]]

Durch Sprachkontakt mit skandinavischen Sprachen sind nur wenige Lexeme ins Deutsche gelangt. Im 19. Jahrhundert wuchs das deutsche Interesse an [[Altnordische Sprache|altnordischer]] Mythologie und Dichtung, einige Wörter aus dem Altnordischen fanden so ihren Weg ins Deutsche.

Aus dem Dänischen wurde – über das [[Niederdeutsche Sprache|Niederdeutsche]] – {{Kapitälchen|[[Flunder]]}} entlehnt (dän. ''flynder'').<ref>Albrecht Plewnia: ''Sprachkontakt. Einflüsse anderer Sprachen auf das Deutsche''. In: [[Hans-Jürgen Krumm]] u.&nbsp;a. (Hg.), ''Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Ein internationales Handbuch'', Bd. 1, Berlin 2010, S. 439–447, S. 442.</ref> Die erfolgreiche Komödie des Dramatikers [[Ludvig Holberg]] ''Den politiske Kandestøber'' (1722) führte im Deutschen zur Bezeichnung {{Kapitälchen|[[Kannegießerei|Kannegießer]]}} für einen politischen Schwätzer.

Solche Entlehnungen im Dänischen können ihrerseits wieder Danismen in anderen (skandindavischen) Sprachen werden. Besonders viele Danismen finden wir aus historischen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Gründen im [[norwegische Sprache|Norwegischen]], [[färöische Sprache|Färöischen]] und auch dem [[isländische Sprache|Isländischen]]. In den beiden letztgenannten Fällen gibt es aber eine aktive [[Sprachpolitik]] zur Bereinigung der Sprache von diesem Einfluss. Dem entgegen steht teilweise das [[Dialektkontinuum]] zwischen diesen Sprachen in nördlich-westliche Richtung, was sich insbesondere im [[Bokmål]] zeigt.

Dänischen Ursprungs sind auch die [[Lehnübersetzung]]en {{Kapitälchen|[[Erlkönig]]}} (dän. ''elverkonge''), {{Kapitälchen|[[Nordlicht]]}} (dän. ''nordlys'') und {{Kapitälchen|[[Stabreim]]}} (dän. ''stavrim'').<ref>[[Hans-Peter Naumann]]: ''Skandinavisch/Deutsch''. In: [[Werner Besch]] u.&nbsp;a. (Hg.), ''Sprachgeschichte. Ein Handbuch'', 4. Teilband, Berlin u.&nbsp;a. 2004, S. 3282–3290, S. 3288.</ref> Durch die Arbeiten des dänischen Naturforschers [[Japetus Steenstrup]] etablierte sich der Fachausdruck {{Kapitälchen|[[Køkkenmødding]]}} auch im deutschen Sprachraum. Unter den [[Vorsätze für Maßeinheiten|Vorsätzen für Maßeinheiten]] im [[Internationales Einheitensystem|Internationalen Einheitensystem]] findet sich das Wort ''Atto'' für 10<sup>−18</sup> (ein [[Trillionstel]]) nach dän. ''atten'' für achtzehn.

''Siehe auch'': [[Färöische Sprachpolitik]], [[Isländische Sprachpolitik]], [[Norwegische Sprachpolitik]]

Da Fremdwörter in Bereichen mit einem regen Kulturkontakt übernommen werden, stammen neuere Entlehnungen aus dem [[Tourismus]]: In der Reiseliteratur wird die idyllisierende Vokabel {{Kapitälchen|[[hyggelig]]}} häufig verwendet, ohne dass sie sich allgemein durchgesetzt hätte.

Pendler und Migranten streuen dänische Ausdrücke in den deutschen Wortschatz ein, wenn eine deutsche Entsprechung fehlt, zum Beispiel ''hegnssynet'' oder ''andelsbolig''. Auch im [[Skandinavistik|skandinavistischen]] Fachbetrieb sind Danismen – mit deutscher Aussprache, bewusst oder unabsichtlich – überall dort gebräuchlich, wo spezifisch dänische Phänomene zur Sprache kommen wie „Dronningerunde“ oder „Folkehøjskole“.

Besonders in [[Schleswig-Holstein|schleswig-holsteinischen]] Dialekten hat sich das Wort Sünde in anderer Bedeutung etabliert. Es wird häufig als Ausruf (Oh, wie Sünde!) benutzt. Der Ausdruck hat sich abgeleitet von „Det er synd“, was dem Hochdeutschen „Das ist schade“ entspricht<ref>Diercks, W. (2011): [https://www.shz.de/regionales/themen/so-spricht-schleswig-holstein/was-fuer-ein-schoenes-buch-da-freu-ich-mich-zu-id554471.html Was für ein schönes Buch, da freu‘ ich mich zu]. in: Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag. Flensburg.</ref>.

==== Beispiel: Smörrebröd ====

Das {{Kapitälchen|Smörrebröd}} (dän. ''[[Smørrebrød]]'') fand in den 1960er und 1970er Jahren Eingang in die deutsche Sprache und etablierte sich in den 1980er Jahren mit angepasster Rechtschreibung und Grammatik. 1986 wurde Smörrebröd in den [[Duden]] aufgenommen.<ref>''Duden. Rechtschreibung der deutschen Sprache und der Fremdwörter'', 19. Auflage, Mannheim u.&nbsp;a. 1986, S. 638.</ref> Seit den 1990er Jahren wählen auch dänische Wörterbuchredaktionen die Übersetzung „smørrebrød - Smörrebröd“, nach der Jahrtausendwende einheitlich. Smörrebröd bezeichnet in der Regel eine als genuin dänisch empfundene Mahlzeit. Die Entlehnung füllte eine Bezeichnungslücke im Deutschen und wurde "mit den Dingen selbst übernommen"<ref>Vgl. Renate Wahrig-Burfeind: ''Fremdwörter im Deutschen'', in: dies., ''Wahrig Fremdwörterlexikon'', Gütersloh/München 2007, S. 11–15, S. 12.</ref> (vgl. etwa Pizza, [[Raclette]] oder Fastfood).

=== Transferfehler ===

Beim Sprechen von [[Fremdsprache]]n begehen dänische Muttersprachler ebenso [[Transferfehler]] wie [[Übersetzung (Linguistik)|Übersetzer]], die aus dem Dänischen in die muttersprachliche Zielsprache übersetzen. Gerade die relative Nähe der nordgermanischen zur deutschen Sprache hat zur Folge, dass Transferfehler, zum Beispiel [[Falscher Freund|falsche Freunde]], unbemerkt bleiben.

Im Bereich der [[Syntax]] wird als häufiges Phänomen die Wortreihenfolge vertauscht, etwa der schlicht ortsbezogene Name ''Brorfelde observatorium'' zu deutsch Brorfelde-Observatorium statt korrekt [[Observatorium Brorfelde]] oder dänisch [[Roskilde Kommune]] zu deutsch Roskilde-Kommune statt Kommune Roskilde.

=== Schleswig/Sønderjylland ===

Eine komplexe Rolle spielen Danismen im [[Schleswigsch]]en.<ref>Ausführlich bei Vibeke Winge: ''Geschichte der deutsch-skandinavischen Sprachgrenze''. In: Werner Besch u.&nbsp;a. (Hg.), ''Sprachgeschichte. Ein Handbuch'', 4. Teilband, Berlin u.&nbsp;a. 2004, S. 3380–3390.</ref> Im Süden Schleswigs wurde noch bis ins 19. Jahrhundert das [[Fjoldemål]] (Viöler Dänisch) gesprochen, in Grenznähe wird heute noch [[Sønderjysk]] gesprochen. Auch das in der Grenzstadt [[Flensburg]] gesprochene [[Petuh]] (eine [[Pidgin-Sprachen|Pidginsprache]]) bedient sich des dänischen Wortschatzes.

Viele Ortsnamen in Südschleswig sind altdänischer bzw. altnordischer Herkunft – zum Beispiel Orte mit der Endung ''[[-by]]'' (''by'' = dt. ‚Ort‘), [[-trup|''-rup, -trup, -torp'']] und [[-wik|''-wig'' / ''-vig'']] (wie bei Schleswig). Die deutsch-dänische Ortsnamensgrenze verläuft etwa von [[Eckernförde]] nach [[Husum]].<ref>{{Literatur|Autor=|Titel=Friesische Studien II - Beiträge des Föhrer Symposiums zur Friesischen Philologie vom 7.–8. April 1994|Herausgeber=Volkert F. Faltings, Alastair G.&nbsp;H. Walker und Ommo Wilts|Sammelwerk=Friesische Studien|Band=Bd. 2|Verlag=Odense University Press|Ort=Odense|Jahr=1995|ISBN=|Seiten=135}}</ref><ref>{{Literatur|Autor=Henning Unverhau|Titel=Untersuchungen zur historischen Entwicklung des Landes zwischen Schlei und Eider im Mittelalter|Sammelwerk=Offa Band |Band=Bd. 69|Verlag=|Ort=Neumünster|Jahr=1990|ISBN=|Seiten=}}</ref>

== Danismen in den anderen skandinavischen Sprachen ==

{{Lückenhaft}}

Durch die über Jahrhunderte andauernde Dominanz des Dänischen im [[Dänischer Gesamtstaat|Dänischen Gesamtstaat]] wurden das [[Norwegische Sprache|Norwegische]], [[Färöische Sprache|Färöische]] und [[Isländische Sprache|Isländische]] beeinflusst. Hier wurde und wird eine aktive [[Sprachpolitik]] zur „Bereinigung“ der Sprache betrieben. Dem steht unter Umständen das [[Dialektkontinuum]] zwischen diesen Sprachen in nördlich-westliche Richtung entgegen, was sich besonders im [[Bokmål]] zeigt.

Die Norwegische Sprache geriet mit der Einführung der [[Reformation]] (1536) in die Defensive, Dänisch wurde Richtschnur für den allgemeinen Sprachgebrauch.<ref>Hildegunn Otnes, Bente Aamotsbakken: ''Tekst i tid og rom. Norsk språkhistorie'', Det Norske Samlaget, Oslo 2000, S. 96 ff.</ref> Gottesdienste fanden auf Dänisch statt, Bibel (1550) Gesangbücher und Luthers [[Katechismus]] wurden in dieser Hochsprache gedruckt. Zusätzlich förderte der König von Kopenhagen aus die Einwanderung dänischer, schwedischer und deutscher Händler und Arbeitskräfte, was Wortschatz und Schriftsprache nachhaltig beeinflusste. Diese sprachgeschichtliche Phase wird gemeinhin auf die Zeit 1536/1550 bis 1800/1814 festgelegt.<ref>Siehe auch Arne Torp/Lars S. Vikør: ''Hovuddrag i norsk språkhistorie'', Oslo 3. Auflage 2003. ISBN 82-05-31592-2. S.&nbsp;120 ff.</ref>

''Siehe auch'': [[Färöische Sprachpolitik]],#Fremde [[Isländische Sprachpolitik]], [[NorwegischeEinflüsse|Färöische Sprachpolitik]]

== Siehe auch ==

* [[Lehnwort#Entlehnungen im Deutschen|Lehn- und Fremdwörter im Deutschen]]

* [[Liste falscher Freunde#Skandinavische Sprachen|Liste falscher Freunde (skandinavische Sprachen)]]

* [[Liste deutscher Wörter in anderen Sprachen#Dänisch|Deutsche Fremd- und Lehnwörter im Dänischen]]

* [[Angeldänisch]]

== Einzelnachweise ==

<references/>

== Literatur ==

* Gregorius Laforet (Georg Forck): ''Lingua Germanica in ore danico. Das ist Unvorgreiffliche Anweisung, wie ein Teutsch redender Däne Unterschiedliche Danismus in einer teutschen Rede zu vermeiden habe'', Kopenhagen 1726.

[[Kategorie:Lehnwort]]

[[Kategorie:Dänische Sprache]]

[[Kategorie:Deutsche Sprache]]