„Geschichte der Zahnmedizin“ – Versionsunterschied – Wikipedia


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[[Datei:Medieval dentistry.jpg|mini|Verzierung in der Initiale „D“ aus ''Omne bonum'' von ''Jakobus dem Engländer'': Zahnarzt mit Silberzange und Halskette aus großen Zähnen bei der Zahnextraktion eines sitzenden Mannes. London, 1360–1375 (British Library, Royal 6 E VI, fol. 503v)]]

[[Datei:Dental instrument set, England, 1601-1700 Wellcome L0057269.jpg|mini|Zahnärztlicher Behandlungskoffer mit Instrumenten zur [[Zahnbelag|Plaque]]- und [[Zahnstein]]entfernung, England, 17. Jahrhundert, [[Science Museum]], London, A61493]]

[[Datei:Pietro Longhi 020.jpg|mini|[[Pietro Longhi]]: ''Der Zahnzieher'', etwa 1780]]

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Im November 1895 entdeckte [[Wilhelm Conrad Röntgen]] die später nach ihm benannten [[Röntgenstrahlung|Röntgenstrahlen]], die die Untersuchung des Kiefers vereinfachten. Als Mittel zur örtlichen Betäubung von Zahnschmerzen wurde im Jahre 1905 das [[Lokalanästhetikum]] [[Procain]] von den deutschen Chemikern [[Alfred Einhorn]] und [[Emil Julius Uhlfelder|Emil Uhlfelder]] entwickelt, die dem Wirkstoff den Namen ''Novocain'' (lateinische Wortschöpfung für „Neues Cocain“) zuordneten. Damit waren die Grundlagen für eine moderne Diagnostik und Therapie gelegt. Die Zahnheilkunde erlebte daraufhin einen rasanten Fortschritt: von der Entwicklung zahlreicher oralchirurgischer Verfahren bis zur Anfertigung von Zahnersatz mittels [[CAD]]/[[Computer-aided manufacturing|CAM]]-Verfahren. Parallel zum Fortschritt der wissenschaftlichen Zahnheilkunde entwickelte sich das Berufsbild, was in der [[Geschichte des Zahnarztberufs]] dargestellt wird. Daneben entwickelte sich die Tierzahnheilkunde, die sich entsprechend modifizierter Verfahren der allgemeinen Zahnheilkunde bedient.

Zu den bedeutenden Forschern zur Geschichte der Zahnmedizin gehören die schwedisch-dänische Zahnärztin [[Hedvig Lidforss Strömgren]] (1877–1967) und der Deutsche [[Walter Hoffmann-Axthelm]].

== Vorbemerkung ==

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== Urgeschichte ==

Lange glaubte man, dass aufgrund der Ernährung [[Jäger und Sammler]] nicht von [[Zahnkaries|Karies]] betroffen gewesen seien. Aus dem [[Mittelpaläolithikum]] Europas und Westasiens, also der Zeit der [[Neandertaler]], sind kaum Fälle von Karies bekannt, wenn, dann als Folge einer ernährungsbedingten [[Zahnfraktur|Schmelzfraktur]].<ref>F. David, V. D’Iatchenko, J. G. Enloe, M. Girard, M. Hardy, V. Lhomme, A. Roblin-Jouve, A. M. Tillier, C. Tolmie: ''New Neandertal remains from the Grotte du Bison at Arcy-sur-Cure, France.'' In: ''Journal of human evolution.'' Band 57, Nummer 6, Dezember 2009, S.&nbsp;805–809, (englisch); {{ISSN|1095-8606}}. [[doi:10.1016/j.jhevol.2009.03.006]]. PMID 19683787. [https://www.researchgate.net/publication/26744977_New_Neandertal_remains_from_the_Grotte_du_Bison_at_Arcy-sur-Cure_France Volltext online] (englisch)researchgate.net</ref> Doch im September 2013 wurden Ergebnisse von Untersuchungen an 52 Skeletten in der [[Grotte des Pigeons]] im Osten [[Marokko]]s von vor 15.000 bis 13.700 Jahren veröffentlicht, wonach belegt ist, dass diese Jäger und Sammler bereits unter Karies litten. Dies steht im Gegensatz zur bisherigen Annahme, dass diese Zahnkrankheit erst durch den Genuss von [[Kohlenhydrate]]n aus der [[Getreideverarbeitung|Getreideproduktion]] aufkam, also erst in der [[Jungsteinzeit]] (Neolithikum). Anscheinend geht dies auf [[Eichen#Eicheln|Eicheln]] der [[Steineiche]], [[Pinienkern]]e der [[See-Kiefer]] und [[Pistazien]] der [[Terpentin-Pistazie]] zurück. Angesichts der verbreiteten, wohl rituellen Entfernung der [[Schneidezahn|Frontzähne]] ist es umso überraschender, dass sich keinerlei Hinweise auf die Entfernung von kariösen Zähnen fanden, selbst dann, wenn schmerzhafte [[Odontogene Infektion#Komplikationen|Abszesse]] entstanden waren.<ref name="DOI10.1073/pnas.1318176111">Louise T. Humphrey, Isabelle De Groote, Jacob Morales, Nick Barton, Simon Collcutt, Christopher Bronk Ramsey, Abdeljalil Bouzouggar: ''Earliest evidence for caries and exploitation of starchy plant foods in Pleistocene hunter-gatherers from Morocco.'' In: ''Proceedings of the National Academy of Sciences.'' 111, 2014, S.&nbsp;954–959, [[doi:10.1073/pnas.1318176111]].</ref>

[[Datei:Beeswax as Dental Filling on a Neolithic Human Tooth - Journal.pone.0044904.g001.png|mini|links|180px|Bienenwachsfüllung an einem menschlichen Zahn aus dem Neolithikum]]

[[Datei:Knocking out a girl's tooth — Kaitish tribe.jpg|mini|Das rituelle Ausschlagen eines Frontzahns, das sich im zentralen Mittelmeerraum der [[Jungsteinzeit]] nachweisen lässt, wurde im 20.&nbsp;Jahrhundert bei einigen nordaustralischen [[Aborigines]] als [[Initiation]]sritus durchgeführt, Fotografie von 1912]]

2015 wurde ein kariöser Backenzahn eines 14.000&nbsp;Jahre alten männlichen Individuums untersucht, dessen Überreste 1988 in der Felshöhle von [[Riparo Villabruna]] bei [[Sovramonte]] in Norditalien gefunden wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass das Loch im Zahn mit einer sehr kleinen spitzen Steinklinge bearbeitet wurde, um infiziertes Gewebe zu entfernen.<ref>Gregorio Oxilia, Marco Peresani et al.: ''Earliest evidence of dental caries manipulation in the Late Upper Palaeolithic.'' In: ''Scientific Reports.'' 5, 2015, S.&nbsp;12150, [[doi:10.1038/srep12150]].</ref> Bis dahin kannte man zahnärztliche Behandlungen vor etwa 7500 bis 9000 Jahren im heutigen [[Pakistan]], nachgewiesen anhand von Funden in [[Mehrgarh]] ([[Belutschistan]]), einer der wichtigsten Fundstellen der [[Archäologie]] für eine vorgeschichtliche Siedlungsgruppe in [[Südasien]].<ref name="PMID16598247">A. Coppa, L. Bondioli u.&nbsp;a.: ''Palaeontology: early Neolithic tradition of dentistry.'' In: ''[[Nature.]]'', Band 440, Nummer 7085, April 2006, S.&nbsp;755–756, {{ISSN|1476-4687}}. [[doi:10.1038/440755a]]. PMID 16598247. Abgerufen am 20. September 2014.</ref> Die Bewohner scheinen geschickte [[Schmuck#Allgemeine Geschichte|Schmuckhersteller]] gewesen zu sein und wandten ihre Fähigkeiten auch an, um kleine kariöse [[Kavitätenklassen|Kavitäten]] mit Steinwerkzeugen zu bohren, wie sie zur Herstellung von Perlenketten verwendet wurden.<ref>[https://www.nbcnews.com/id/12168308/#.VBlX3kubEeA ''Dig uncovers ancient roots of dentistry.''] In:NBC TheNews, 2008 (Associated Press (2008); in NBC News. Abgerufenabgerufen am 20. September 2014.</ref> Die Rekonstruktion der Ursprünge der Zahnheilkunde zeigt, dass die damaligen Behandlungsmethoden anscheinend sehr effektiv waren. Die früheste [[Füllungstherapie|Zahnfüllung]], die aus [[Bienenwachs]] gefertigt worden ist, wurde in [[Slowenien]] entdeckt und ist etwa 6500&nbsp;Jahre alt. Ein frakturierter Eckzahn wurde damit wiederhergestellt.<ref>Federico Bernardini, Claudio Tuniz, et al.: ''Beeswax as Dental Filling on a Neolithic Human Tooth.'' In: ''PloS one.'' Band 7, Nummer 9, 2012, S.&nbsp;e44904,; {{ISSN|1932-6203}}. [[doi:10.1371/journal.pone.0044904]]. PMID 23028670. {{PMC|3446997}}. Abgerufen am 20. September 2014.</ref>

Auch für die [[Trepanation]] liegt ein sehr früher Nachweis vor: Bei Ausgrabungen in Dänemark wurde ein etwa 5000&nbsp;Jahre alter trepanierter [[Molar (Zahn)|Molar]] (Backenzahn) gefunden.<ref name="PMID3904068">Pia Bennike, Lise Fredebo: ''Dental treatment in the Stone Age.'' In: ''Bulletin of the History of Dentistry.'' Band 34/35, 1986, S.&nbsp;81–87.</ref><ref>Pia Bennike: ''Ancient Trepanation and Differential Diagnosis: A Re-Evaluation of Skeletal Remains from Denmark.'' In: Robert Arnott, Stanley Finger, Chris Smith: ''Trepanation. History, Discovery, Theory.'' Swets & Zeitlinger, Lisse 2005, S. 95–115, hier: S. 104 ([https://books.google.de/books?id=wisNNoceOzoC&pg=PA104&hl=de#v=onepage&q&f=false eingeschränkte Vorschau bei Google Books]).</ref>

Funde aus Italien und Tunesien belegen Zahnentfernungen im frühbäuerlichen Mittelmeerraum. Anscheinend wurden häufig – mindestens bei jeder dritten erwachsenen Frau – die Zähne entfernt. Da es jedoch keine sonstigen Gewaltspuren im Gesichtsbereich gibt, hatte dies vermutlich kosmetische, rituelle oder gesellschaftliche Gründe, etwa Statusgründe. Die Entfernung hing möglicherweise mit dem Erwachsenwerden zusammen.<ref>John Robb: ''The Early Mediterranean Village. Agency, Material Culture, and Social Change in Neolithic Italy.'' Cambridge University Press, Cambridge 2007, S. 38.</ref> Die Vermutung einer rituellen Funktion wird durch [[Ethnologie|ethnologische]] Vergleiche nahegelegt. Rituelle Zahnentfernungen waren etwa bei vielen Stämmen der australischen [[Aborigines]] üblich. Die in Namibia lebenden [[Himba]] und die [[Surma (Volk)|Surma]] aus [[Äthiopien]] pflegten den Brauch, den Kindern im Alter von sieben bis neun Jahren die unteren vier Schneidezähne herauszubrechen. Ursprünglich sollte diese „Lücke“ als Gegenlager zur Aufnahme eines [[Lippenpflock]]s oder einer Scheibe dienen. Beiden afrikanischen Stämmen ist ein Kulturelement gemeinsam, das durch die gemeinsame Abstammung von den [[Herero]], einem ostafrikanischen, halbnomadisch lebenden Volk, zu erklären ist.<ref>Susann Lindemann: ''[http://ub-ed.ub.uni-greifswald.de/opus/volltexte/2008/448/pdf/Doktorarbeit_2007_Susann_Lindemann.pdf ''Rituelle Deformierungen bei Naturvölkern''.] (PDF) '' Dissertation, Universität Greifswald, 2007, S. 2.; Abgerufenabgerufen am 13. November 2014.</ref>

== Die Entwicklung der Vorstellungen über die Entstehung von Karies ==

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Im arabischsprachigen Raum glaubte man unter Rückgriff auf ältere Traditionen an Zahnwürmer. Dies zeigt das Werk des [[Rhazes|Muhammad ibn Zakarīyā ar-Rāzī]], der das Verhältnis von Leib und Seele als von der Seele bestimmt ansah, ebenso wie die Werke [[Avicenna]]s oder von [[Abulcasis]]. ''ʽ''[[Umar ad-Dimašqi]], der um 1200 in [[Damaskus]] lehrte, lehnte hingegen in seinem ''Buch des Auserlesenen über die Enthüllung der Geheimnisse und das Zerreißen der Schleier'' den Zahnwurm ab, vor allem die [[Scharlatan]]erie, die mit Würmern getrieben wurde.<ref name="Hubmann">Astrid Hubmann: [https://epub.uni-regensburg.de/10806/1/Dissertation_Hubmann.pdf ''Der Zahnwurm. Die Geschichte eines volksheilkundlichen Glaubens.''] (PDF; 2,9&nbsp;MB) Dissertation, 2008, S. 26. Abgerufen am 18. November 2014.</ref>

Etwa zu dieser Zeit hing auch [[Hildegard von Bingen]] (1098–1179) dem Wurmglauben an, erkannte aber mangelnde Hygiene als Ursache.<ref name="Hubmann" /> Durch Spülen mit Wasser sollte der ''Livor'', eine Ablagerung, vermieden werden, die sich um den Zahn legen und die gefürchteten Würmer hervorbringen konnte. Sie empfahl [[Aloen|Aloe]] und [[Myrrhe]] sowie Kohlerauch. [[Constantinus Africanus]], der aus Tunesien nach [[Salerno]] kam, machte im frühen 11.&nbsp;Jahrhundert die dortige medizinische Universität berühmt. Er brachte antike Kenntnisse und auch die Säftelehre in den Norden, bestätigte aber auch den Zahnwurm, der durchaus auch in schulmedizinische Werke Eingang gefunden hatte. So in dem im 12. Jahrhundert entstandenen [[Traktat]]<ref>Gundolf Keil: ''„dits die beste raet die icker toe can gegeuen genomen vte platearise“. Quellenkundliche Anmerkungen zu Ypermans Medicine.'' In: ''Geneeskunde in nederlandstalige teksten tot 1600.'' Koninklijke Academie voor Geneeskunde van België, Brüssel 2012 (2013), ISBN 978-90-75273-29-8, S. 93–137, hier: S. 106 f.</ref> ''Practica brevis'' des [[Schule von Salerno#Ärzte und bekannte Persönlichkeiten im Zusammenhang mit der Schule|Johannes Platearius aus Salerno]] der darin die (humoralpathologischen) Ursachen und Therapiemöglichkeiten von Zahnschmerzen beschreibt, aber auch des Zahnwurms, dessen Entstehung er der Fäulnis von Säften in Löchern von Backenzähnen zuschreibt und zu dessen Behandlung er Tausendgüldenkrautsaft, Myrrhe und Opium als Auflage oder als Pfriem sowie Bilsenkraut-Rauch empfiehlt.<ref>Konrad Goehl: ''Tradition, Empirie und Paradigmenwechsel''. In: Konrad Goehl, Johannes Gottfried Mayer (Hrsg.): ''Editionen und Studien zur lateinischen und deutschen Fachprosa des Mittelalters. Festgabe für Gundolf Keil zum 65. Geburtstag.'' (= ''Texte und Wissen.'' Band 3). Königshausen & Neumann, Würzburg 2000, ISBN 978-3-8260-1851-0, S. 419–429. [https://books.google.com/books?id=txII0sskiKsC&pg=PA419 Eingeschränkte Vorschau] in [[Google Books]].</ref> In der mittelalterlichemittelalterlichen Zahnheilkunde findet man Berichte über die Anwendung von [[Froschfett (Naturprodukt)|Froschfett]] zur vermeintlichen Erleichterung der Zahnentfernung bei [[Petrus Hispanus]] und [[John of Gaddesden]] (1280–1348/49 oder 1361), Schriften über die Einreibung mit [[Wolfsmilch]] bei Zahnschmerzen oder die Empfehlung von Regenwürmeröl durch [[Arnald von Villanova]] (≈1235–1311). Auch der berühmte [[westflämisch]]e Wundarzt [[Jan Yperman]]<ref>Gundolf Keil: ''Yperman, Jan (Jehan, Johan Y., Ieperman).'' In: Werner E. Gerabek u.&nbsp;a. (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' Berlin / New York 2005, S. 1513 f.</ref> (1269/65 bis etwa 1350) erklärte die bei kranken Zähnen gelegentlich auftretende [[Eiter]]bildung mit der Bewegung von Würmern.<ref>Dominik Groß: ''Wandernde Dentatoren bei der Arbeit. Zahnheilkunde zwischen Aberglauben und Empirie.'' In: Michael Jeismann (Hrsg.): ''Das 16. Jahrhundert. Freiheit und Glauben.'' C. H. Beck, München 2000, ISBN 3-406-45616-2, S. 49–55.</ref> Teilweise bemächtigten sich Scharlatane der Wurmtheorie. Sie versteckten beispielsweise Regenwürmer in Speisen, die der Schmerzgeplagte zur angeblichen „Betäubung“ lutschen sollte. Im Anschluss entfernten sie den hervorgetretenen Wurm aus dem Mund unter dem Beifall der staunenden Zuschauermenge.

=== Wissenschaftliche Theorien ===

[[Datei:Willoughby D. Miller, The Dental cosmos (1907).jpg|mini|180px|Willoughby Dayton Miller]]

Erst im 19. Jahrhundert wurden verschiedene Theorien zur Entstehung von Karies entwickelt, die die [[Humoralpathologie|humoralpathologisch]] begründeten Vorstellungen ablösten.<ref>Ullrich Rainer Otte: ''Jakob Calmann Linderer (1771–1840). Ein Pionier der wissenschaftlichen Zahnmedizin.'' Medizinische Dissertation, Würzburg 2002, S. 21 f.</ref> 1843 wurde die Wurmtheorie durch den Münchener Anatomen [[Michael Pius Erdl]] (1815–1848) zur [[Parasitismus|Parasitentheorie]] entwickelt. Ihr folgte die Entzündungstheorie nach [[Leonhard Koecker]] oder es wurden spezielle Stoffwechselprodukte der chemischen Umwandlung von Nahrungsbestandteilen für die Kariesentstehung verantwortlich gemacht.<ref>Carmen C. Hohmann: {{Webarchiv |url=http://ediss.sub.uni-hamburg.de/volltexte/2008/3876/pdf/Diss_Hohmann-Teil2.pdf |text=''Der Kariesforscher und Prothetiker Hans Jacob Türkheim (1889–1955) auf seinen Lebensstationen.'' |format=PDF |wayback=20141206040004}} Dissertation, 2008, S.&nbsp;116. Abgerufen am 5. Dezember 2014.</ref> Der Londoner [[Dentist]] Andrew Clark sah 1825<ref>Andrew Clark: ''Practical directions for preserving the teeth; with an account of the most modern and improved methods of supplying their loss; and notice of an improved artificial palate, invented by the author.'' Knight and Lacey, London 1825.</ref> Zahnerkrankungen als Folge der Ernährung wohlhabender Menschen an und schloss, dass einfachere, an ein hartehartes Leben gewöhnte Menschen meist gesunde, kariesfreie Zähne hätten.<ref>Ullrich Rainer Otte: ''Jakob Calmann Linderer (1771–1840). Ein Pionier der wissenschaftlichen Zahnmedizin.'' Medizinische Dissertation, Würzburg 2002, S. 22.</ref>

Der US-Amerikaner [[Willoughby D. Miller]] (1890), der sich während seiner dreißigjährigen Tätigkeit in Deutschland auch an der Berliner Universität bei [[Robert Koch]] (1843–1910) bakteriologisch fortgebildet hatte, entwickelte die „chemoparasitäre Theorie“, wonach [[Milchsäurebakterien]] bis in die 1960er Jahre als Ursache angesehen wurden. Miller war sechs Jahre lang Präsident des ''Centralvereins Deutscher Zahnärzte'' (CVdZ). Beim 4. Internationalen Treffen der Zahnärzte in [[St. Louis]] 1904 wurde er zum Präsidenten der [[FDI World Dental Federation|Fédération Dentaire Internationale]] gewählt. Die von ihm entwickelte [[Miller-Nadel]], eine Sonde, die in der Zahnmedizin zum Auffinden und Sondieren von Wurzelkanälen benutzt wird, ist nach ihm benannt.<ref>Klaus G. König: {{Webarchiv |url=http://lib.hku.hk/files/denlib/rarebook/bscience/microauthor.pdf |text=''W. D. Miller and his Contributions to Dental Science.'' |format=PDF |wayback=20150725222840}} The University of Hongkong Libraries. Abgerufen am 5. Dezember 2014.</ref> Sein Ausspruch ging in die Geschichte ein: {{" |Sprache=en |Text=A clean tooth never decays.}} (Frei übersetzt: „Ein sauberer Zahn wird nicht krank.“)<ref>W. D. Miller<!-- (1853–1907) -->: ''The Micro-Organisms of the Human Mouth'' (unveränderter Nachdruck des 1890 in Philadelphia gedruckten Werkes). S. Karger: In: ''Zeitschrift für allgemeine Mikrobiologie.'' 14, 1974, S.&nbsp;84–84, [[doi:10.1002/jobm.19740140117]].</ref><ref>{{Webarchiv |url=http://www.iadr.com/files/public/iadr_first_fifty_year_history_v.1.pdf |text=Geschichte der ''International Association for Dental Research.'' |format=PDF |wayback=20150924032132}} In: ''IADR,'' S. 18. Abgerufen am 5. Dezember 2014 (englisch).</ref> [[Paul Keyes]] entdeckte schließlich 1960, dass [[Streptococcus mutans]] ursächlich für die Kariesentstehung ist.<ref name="ADHA">{{Webarchiv |url=http://www.adha.org/timeline |text=Timeline – History of dental hygienists |wayback=20160314073818}}, American Dental Hygienists Association (ADHA). Abgerufen am 15. März 2016.</ref>

[[Datei:StreptococcusMutans.jpg|mini|180px|''Streptococcus mutans'' ([[Gram-Färbung]])]]

[[Datei:C albicans germ tubes.jpg|mini|180px|''Candida albicans'']]

Die unterschiedlichsten Theorien folgten nacheinander:<ref>{{Literatur |Autor=Wolfgang Klimm |Titel=Kariologie: Leitfaden für Studierende und Zahnärzte |Verlag=Hanser, S. 48 |Datum=1997 |ISBN=3-446-18461-9 |OnlineSeiten=[https://books.google.de/books?id=dxI3HAAACAAJ&redir_esc=y48 |Online={{Google Books]Buch |BuchID=dxI3HAAACAAJ}}}}</ref><ref>Anna Vanin: [https://edoc.ub.uni-muenchen.de/3794/2/Vanin_Anna.pdf ''Milchzahnkaries und dentales Bewusstsein von Kindern im Vorschulalter in Zusammenhang mit sozio-ökonomischen Aspekten.''] (PDF; 4,8&nbsp;MB) Dissertation, 2005, S. 3. Abgerufen am 5. Dezember 2014.</ref>

* die „Zahnlymphe-Theorie“ (Charles F. Bodecker, 1929)<ref>''Charles F. Bodecker.'' In: ''Annals of dentistry.'' Band 24, Juni 1965, {{ISSN|0003-4770}}, S.&nbsp;38–39, PMID 14297333.</ref>

* die „[[Proteolyse]]-Theorie“ ([[Bernhard Gottlieb]], 1944)<ref>Bernhard Gottlieb: ''A new theory of tooth decay.'' In: ''Scientific American.'' Band 179, Nummer 4, Oktober 1948, {{ISSN|0036-8733}}, S.&nbsp;20–23, PMID 18884640.</ref>

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== Frühe Zahnheilkunde ==

=== Orient ===

[[Datei:Hesy-Ra CG1426 c.jpg|mini|Relief des Hesire aus seiner [[Mastaba]]; Steinpaneele (CG 1426), [[Nekropole]] von [[Sakkara]]<ref>{{InternetquelleLiteratur |autorAutor=R. J. Forshaw |urlHrsg=https://www.nature.com/bdj/journal/v206/n9/full/sj.bdj.2009.355.htmlMacmillan Publishers |titelTitel=The practice of dentistry in ancient Egypt |werkSammelwerk=British Dental Journal |Nummer=206, 481 - 486 (|Datum=2009) |hrsgSeiten=Macmillan Publishers Limited, part of Springer Nature.481–486 |datumOnline=https://www.nature.com/bdj/journal/v206/n9/full/sj.bdj.2009-05-09.355.html |abrufAbruf=2017-06-16}}</ref> ]]

[[Datei:Abnormalities in Ancient Egyptian teeth. Wellcome L0005616.jpg|mini|180px|Zahnerkrankungen in Ägypten (Wellcome Library)

----

[[Prädynastik]]:<br /> '''3''' Periapikales Granulom<!-- (Fund aus [[Naga-ed-Deir]]) --><br /> [[Ägypten in griechisch-römischer Zeit|Makedonische Zeit]]:<br /> '''2''' Abrasionsgebiss<br /> [[Ägypten in griechisch-römischer Zeit|Römische Zeit]]:<br /> '''5''' Osteolyse<!-- (Fund aus Kom el Shouqafa) --><br /> [[Koptische Zeit]]:<br /> '''1''' Gaumenperforation, '''4''' Zyste ]]

[[Datei:Ancient Egypt Dentistry2.jpg|mini|180px|links|Mit Golddrähten befestigte Unterkiefer-Frontzähne [[Zahnschema#FDI-Zahnschema|41, 42]], einer ägyptischen Mumie]]

[[Datei:Miswak2.jpg|mini|180px|links|Miswāk als Zahnbürste]]

Der erste namentlich bekannte [[Zahnarzt]] der Weltgeschichte (und gleichzeitig Arzt) soll [[Hesire]] im alten Ägypten (etwa 2700 v.&nbsp;Chr.) gewesen sein, der mit dem Titel ''wr-ibḥ-swnw'' als „Großer der Zahnärzte und Ärzte“ geehrt wurde.<ref>Dilwyn Jones,: ''An Index of ancient Egyptian titles, epithets and phrases of the Old Kingdom''. Band 1. 2000, S. 381, Nummer 1412. Abgerufen am 20. September 2014.</ref><ref>Terry Wilwerding,: {{Webarchiv |url=http://www.freeinfosociety.com/media/pdf/4551.pdf |text=History of Dentistry. 2001|format=PDF; 158&nbsp;kB |wayback=20140405001937 |archiv-bot=2022-11-07 22:18:20 InternetArchiveBot}} (PDF; 158&nbsp;kB)2001, S. 4.; Abgerufenabgerufen am 20. September 2014.</ref> Einer Basaltstatue des Psammetich-Seneb (um 600 v. Chr.) im Vatikanischen Museum kann man entnehmen, dass er „Oberarzt der Zahnärzte am Hof“ genannt wurde.<ref>Kamal Sabri Kolta: ''Hesi-Re.'' In: [[Werner E. Gerabek]], Bernhard D. Haage, [[Gundolf Keil]], Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' de Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 586.</ref> Jedoch ist sein Titel als Arzt nur einer seiner vielen Titel und mag möglicherweise eher symbolische als praktische Bedeutung gehabt haben.<ref>John F. Nunn: ''Ancient Egyptian Medicine.'' Norman OK 2002, S. 124.</ref> Auch die Übersetzung des Titels ist nicht sicher, Alternativen wie „Großer der Elfenbein- und Pfeilschnitzer“ wurden vorgeschlagen.<ref>Dilwyn Jones: ''An Index of ancient Egyptian titles, epithets and phrases of the Old Kingdom.'' Band 1, Oxford 2000, S. 381, Nummer 1412.</ref>

Der [[Papyrus Ebers]], ein medizinischer [[Papyrus]] aus dem [[Altes Ägypten|alten Ägypten]] beschreibt um 1600 v. Chr. neben dem [[Papyrus Edwin Smith]] (1550 v.&nbsp;Chr.), der zu den ältesten noch erhaltenen Texten zu medizinischen Themen überhaupt zählt, Maßnahmen zur Behandlung von verschiedenen Zahnerkrankungen, insbesondere Karies und [[Parodontitis]]. Es wird angenommen, dass der Papyrus Smith lediglich eine Kopie einer mindestens 1.000&nbsp;Jahre älteren Schrift ist. Im Papyrus Smith wird die Behandlung von [[Unterkieferfraktur]]en mittels manueller Reposition und anschließendem Schienenverband beschrieben.<ref>Gerhard Schargus: ''Der Wandel in der Therapie der Gesichtsschädelfrakturen.'' In: ''Würzburger medizinhistorische Mitteilungen.'' Band 3, 1985, S. 211–224, hier: S. 211.</ref> Bei zahlreichen archäologischen Funden kann man davon ausgehen, dass manche als „Therapie“ einzuschätzende Maßnahme [[post mortem]] im Rahmen der [[Mumifizierung]] stattfand, da der ägyptische Mensch höchsten Wert darauf legte, möglichst intakt in das Totenreich des [[Osiris]] einzuziehen.

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[[Datei:Extracting a tooth. Design on a Phoenician vase. Wellcome M0009196.jpg|mini|120px|links|Zahnextraktion auf einer phönizischen Vase, Wellcome]]

Das [[Getreide]] wurde mit [[Steinmühle]]n gemahlen. Das Brot war mit Steinkörnchen verunreinigt. Dadurch und durch die grobe Nahrung wurden die Zähne abgekaut. Teilweise wurde der Zahn bis zur [[Zahnpulpa|Pulpa]] abgeschliffen. Kariogene Bakterien taten ihr Übriges und der Zahn entzündete sich. [[Extraktion (Zahnmedizin)|Zahnextraktionen]] (Zahnentfernungen) waren die Ausnahme. Als Zahnfüllung verwandte man [[Gesteinskörnung|Steinmehle]], [[Harz (Material)|Harze]], [[Malachit]] und [[Same (Pflanze)|Pflanzensamen]].<ref name="History">Terry Wilwerding,: {{Webarchiv |url=http://www.freeinfosociety.com/media/pdf/4551.pdf |text=History of Dentistry. 2001|format=PDF; 158&nbsp;kB |wayback=20140405001937 |archiv-bot=2022-11-07 22:18:20 InternetArchiveBot}} (PDF;freeinfosociety.com, 158&nbsp2001;kB) Abgerufenabgerufen am 20. September 2014.</ref><ref name="Zahnrat" />

In der [[Tora]] wird die Zahnheilkunde nicht erwähnt, jedoch werden im Rahmen der Ausführungen im [[Levitikus|3. Buch Mose]] zur Anatomie auch Teile des [[Mund]]es erwähnt. In einer bemerkenswertebemerkenswerten Passage werden die [[Speicheldrüse]]n mit Wasserquellen verglichen und der Speichelgang als „Leitung (Ammat ha-mayim), die unter der Zunge verläuft“ beschrieben (Lev R. 16: 4.). Dies ist insofern interessant, da die Speichelgänge der Speicheldrüsen in der wissenschaftlichen Literatur bis in das 16. und 17. Jahrhundert nicht genau beschrieben worden sind (Lehi; Ar 15b). Die Lage der Zunge (lashon) wird beschrieben, die zwischen zwei „Wänden“ läge, die aus den [[Kiefer (Anatomie)|Kieferknochen]] (leset) und dem Wangenfleisch bestünden.<ref>[https://www.jewishvirtuallibrary.org/jsource/judaica/ejud_0002_0002_0_01063.html ''Anatomy.''] In: ''Encyclopedia Judaica.'' Abgerufen am 10. Juni 2016.</ref>

Zahnschmerzen und Zahnfleischprobleme beschreibt der [[Talmud]] an unterschiedlichen Stellen, nicht nur auf den Menschen beschränkt, sondern auch bei Tieren. In [[Nidda]] 65a wird dargelegt, dass durch das Fehlen von Zähnen die Nahrungsaufnahme erschwert wird. Um dem entgegenzuwirken und auch um aus kosmetischen Gründen unschöne Zahnlücken zu schließen, bediente man sich bereits in talmudischer Zeit eines Zahnersatzes, {{heS|שן תותבת&lrm;|Schen totevet}} genannt, (wörtlich: „herausnehmbarer Zahn“) ([[Nedarim]] 66b). Neben Zähnen aus Gold waren auch welche aus Silber im Gebrauch, wobei letztere als weniger kleidsam galten, wohingegen ein Goldzahn als ein Schmuckstück betrachtet wurde (Schabbat 65a). Unbegüterte verwendeten Holzstückchen.<ref>Yael Deusel,: [https://www.juedische-allgemeine.de/religion/von-falschen-zaehnen/ Von falschen Zähnen], Jüdische Allgemeine, 5. Februar 2021. Abgerufen am 10. Februar 2021.</ref>

==== Zahnputzhölzer ====

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[[Datei:F A Maulbertsch Quacksalber.jpg|mini|Quacksalber; Franz Anton Maulbertsch (1724–1796)]]

In Deutschland waren die Zahnheilkunde und andere medizinisch-chirurgische Fächer eines akademisch gebildeten Arztes unwürdig. So übernahmen Barbiere den Großteil der zahnmedizinischen Versorgung der Bevölkerung. Nach Grosch war im süddeutschen Raum die Berufsbezeichnung Bader dasselbe, was in Norddeutschland ein Barbier war. Allerdings konnten beide Zünfte – abhängig von Region und Zeitepoche – verschiedene Funktionen ausüben.<ref>Peter Grosch,: ''Die Entwicklung der Chirurgie von Beginn des 13. Jahrhunderts bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts in der Stadt Halle''. Dissertation, [[Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg]], 1969.</ref> Sie gaben sich verschiedenste Berufsbezeichnungen, wie ''Zahntechniker, Zahnkünstler, Zahnartist, Dentist, Zahnoperateur, in Amerika approbirter Zahnarzt, Doctor, Arzt, Zahnarzt, Specialist für Zahnleidende, Docent, Lehrer der modernen Zahntechnik, amerikanische Doctorin of dental surgery, Schweizer Zahnarzt'' oder firmierten als ''Atelier für zahnärztliche Operationen'' oder ''zahnärztliches Atelier''. Neben ihnen waren die ''Zahnreißer'' auf Jahrmärkten unterwegs.<ref name="Ritter" />

Der Nachfrage nach helleren Zähnen versuchten die Barbiere mit [[Salpetersäure#Geschichte|Aqua fortis]] (Salpetersäure) nachzukommen. Es sollte jedoch bis 1989 dauern, bis eine Methode des [[Zahnaufhellung|Bleichens]] ([[Englische Sprache|engl.:]] Bleeching) nach V. B. Haywood und Heyman mittels [[Wasserstoffperoxid]] (H<sub>2</sub>O<sub>2</sub>) Verbreitung fand.<ref name="Schmidseder2008">{{Literatur |Autor=Josef Schmidseder |Titel=Ästhetische Zahnmedizin |Verlag=Georg Thieme Verlag |Datum=2008 |ISBN=978-3-13-158792-3 |Seiten=54 |Online={{Google Buch |BuchID=G0rME2YujsMC |SeitenID=PR54}}}}</ref>

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In dem Mitte des 10. Jahrhunderts erschienenen Werk ''Liber Regius'' empfahl der persische Arzt [[ʿAli ibn al-ʿAbbas al-Madschūsi]] (ʿAli ibn al-ʿAbbās) ebenfalls den Einsatz von Arsenik zur Devitalisation (Absterben) der Pulpa.<ref>J. M. Hyson: ''A history of arsenic in dentistry.'' In: ''Journal of the California Dental Association.'' Band 35, Nummer 2, Februar 2007, S.&nbsp;135–139, {{ISSN|1043-2256}}. PMID 17494382.</ref> Arsen(III)-oxid wurde bis in die Neuzeit zur Devitalisation der Zahnpulpa verwendet und verschwand in den 1970er Jahren wegen der [[Karzinogen|krebserregenden]] Wirkung, Entzündungen des [[Zahnhalteapparat]]es, des Verlustes eines oder mehrerer Zähne einschließlich Nekrosen des umliegenden [[Alveolarknochen]]s, [[Allergie]]n und Vergiftungserscheinungen aus dem Therapiespektrum.<ref>M. Hülsmann, ''Risiken und Nebenwirkungen bei der Devitalisierung permanenter Zähne''. In: ''Zahnärztl. Mitt.'', 1996, 86, S. 338–345.</ref>

Einige wenige Hinweise zur Behandlung von Zahn- und Zahnfleischbeschwerden finden sich beim größten jüdischen Gelehrten des Mittelalters, [[Maimonides]] (1135/38–1202). Er konnte sich dabei nur auf wenige [[Talmud]]stellen berufen. Eine davon verbietet einem Priester ([[Kohanim|Kohen]]) den Gottesdienst, wenn ihm Zähne fehlen, da ein solcher Kohen unansehnlich sei.<ref>{{Literatur |Autor=Fred Rosner |Titel=The Medical Legacy of Moses Maimonides |Verlag=KTAV Publishing House, Inc. |Datum=1998 |ISBN=0-88125-573-4 |Seiten=160–166 |Online={{Google Buch |BuchID=PusUSUJRpTsC |Seite=160}}}} Eingeschränkte Vorschau in der Googlebuch-Suche. Abgerufen am 13. Dezember 2014.</ref> Gleichzeitig wird der hohe Stellenwert der Zähne aus dem Bibelzitat ''[[Auge für Auge]]'' deutlich ([[Hebräische Sprache|hebräisch]]: עין תּחת עין ajin tachat ajin), oft zitiert als „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Das Teilzitat wird unter Bezug auf den [[Codex Hammurapi|Codex Hammurabi]] meist so aufgefasst, dem Täter sei Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Jedoch widerspricht der biblische Kontext der [[Tora]] dieser Auslegung. Nach überwiegender rabbinischer und historisch-kritischer Auffassung geht es um einen angemessenen [[Schadensersatz]] ([[Talion]]sformel), der in Fällen von [[Körperverletzungsdelikt|Körperverletzung]] vom Täter zu zahlen ist. (''„Ersetze beim Verlust eines Auges, was des Auges Wert ist, beim Verlust eines Zahnes, was des Zahnes Wert ist – Auge für Auge, Zahn für Zahn.“'').<ref>D. Bollag, [http://www.hagalil.com/judentum/rabbiner/bollag.htm Antijüdisches Klischee], taz Magazin vom 2. März 2002 in Hagalil. Abgerufen am 12. Mai 2015.</ref> Damit sollte die im [[Alter Orient|Alten Orient]] verbreitete [[Blutrache]] eingedämmt und durch eine [[Verhältnismäßigkeitsprinzip|Verhältnismäßigkeit]] von Vergehen und Strafe abgelöst werden.

Die Schule von Salerno brachte [[Roger Frugardi]], der Beiträge zur Zahnmedizin verfasste, hervor<ref>Wolfgang Löchel: ''Die Zahnmedizin Rogers und der Rogerglossen. Ein Beitrag zur Geschichte der Zahnheilkunde im Hoch- und Spätmittelalter.'' (Medizinische Dissertation Würzburg) Horst Wellm, Pattensen bei Hann. 1976 (= ''Würzburger medizinhistorische Forschungen.'' Band 4).</ref> sowie [[Gilbertus Anglicus]] (†&nbsp;1240), der zwei Ursachen für Zahnschmerzen unterschied, nämlich zum einen schwache Zähne und zum anderen schlechte Säfte und Speisereste zwischen den Zähnen.

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==== Anatomie ====

Erste moderne anatomische Zeichnungen von Kiefer, Zähnen und Kaumuskulatur fertigte [[Leonardo da Vinci]] (1452–1512) an. Zudem schuf er Skizzen zur Anatomie des Gesichtes und der Kieferhöhle.<ref>Ullrich Rainer Otte: ''Jakob Calmann Linderer (1771–1840). Ein Pionier der wissenschaftlichen Zahnmedizin.'' Medizinische Dissertation, Würzburg 2002, S. 15.</ref> Einer der Begründer der [[Anatomie]] war [[Andreas Vesalius]], der mit seinem Anatomiewerk ''De humani corporis fabrica libri septem'' von 1543 die Ansichten der antiken Autorität Galen von Pergamon in Frage stellte. Vesal stützte sich bei seinen anatomischen Erkenntnissen, die die neuzeitliche Anatomie begründeten, auf die [[Obduktion|Sektion]] von menschlichen Leichen, während Galen seine (fehlerhaften) Erkenntnisse noch durch das Sezieren von Tieren gewann. Durch ihn erfolgte die Erstbeschreibung der Gelenkbänder und Zwischengelenkknorpel des [[Kiefergelenk]]s. Ferner erörterte er sehr genau die Funktion der Muskeln von Gesicht und Wange, gab eine exakte Anatomie der [[Zahnwurzel]]n und erkannte als erster die [[Zahnpulpa|Pulpahöhle]], jedoch nicht ihre Funktion.<ref name="Kinzel" /> [[Bartolomeo Eustachi]] (1500/1513–1574), war der erste, der die erste und zweite Dentition genauer untersucht hat und 1550<ref>Ullrich Rainer Otte: ''Jakob Calmann Linderer (1771–1840). Ein Pionier der wissenschaftlichen Zahnmedizin.'' Medizinische Dissertation, Würzburg 2002, S. 16 f.</ref> auch die Funktion der Pulpahöhle beschrieb.<ref>[https://www.nlm.nih.gov/exhibition/historicalanatomies/eustachi_bio.html ''Bartholomeo Eustachi, Tabulae anatomicae.'' Ex Typographia Pauli Junchi, Rom 1783] U.S. National Library of Medicine. Abgerufen am 17. Dezember 2014.</ref><ref>Bartholomaei Eustachii,: [http://digital.ub.uni-duesseldorf.de/ihd/content/titleinfo/5044394 ''Opuscula anatomica''.], 1726, als E-Book verfügbar.; Abgerufenabgerufen am 17. Dezember 2014.</ref>

Die morphologische Unabhängigkeit der beiden Zahnungen erkannte Vesals Nachfolger, [[Gabriele Falloppio]], der auch erstmals den Zahnfollikel nannte.<ref>Ullrich Rainer Otte: ''Jakob Calmann Linderer (1771–1840). Ein Pionier der wissenschaftlichen Zahnmedizin.'' Medizinische Dissertation, Würzburg 2002, S. 17.</ref> Die erste, von anderen heilkundlichen Disziplinen weitgehend unabhängige zahnheilkundliche Abhandlung in deutscher Sprache wurde von [[Walther Hermann Ryff]] um 1548<ref>Walther Hermann Ryff: ''Nützlicher Bericht, […] Wie man den Mundt, die Zän und Biller frisch, rein, sauber, gesund, starck und fest erhalten soll.'' Johann Myller, Würzburg (um 1548)</ref> in Würzburg veröffentlicht.

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Leonardo Skull.jpg|Leonardo da Vinci Schädelskizze

Ambroise Paré 1573.jpg|Ambroise Paré

Pare instruments.jpg|Extraktions Instrumente

Prosthesis, 16th century Wellcome L0005773.jpg|Prothesen

Guy de Chauliac. Coloured wax crayon drawing. Wellcome V0002481.jpg|Guy de Chauliac

G. de Chauliac, Chirurgia magna Wellcome L0003133.jpg|Chirurgia magna

Vesalius Fabrica fronticepiece.jpg|Vesalius

Eustachi - Tabulae anatomicae, 1769 - 2981432.jpg|Tabulae anatomicae

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[[Datei:Tooth key for removing teeth, 1700s to early 1800s - Joseph Allen Skinner Museum - DSC07855.JPG|mini|„[[Zahnschlüssel]]“, wie er im 17./18. Jahrhundert in Gebrauch war, [[Joseph Allen Skinner Museum]], [[South Hadley]], [[Massachusetts]]]]

So lehnte er ab, dass [[Salpetersäure]] und [[Schwefelsäure]] zur [[Zahnstein]]entfernung auf die Zähne aufgetragen werden, wodurch die Zähne nur stark beschädigt und nachfolgend der Extraktion zuzuführen seien. Fauchard kritisierte die Verwendung von [[Rosshaar]] in Zahnbürsten, die zu weich seien, um Zahnbeläge entfernen zu können und forderte stattdessen die in China seit Beginn des 16. Jahrhunderts verwendeten Zahnbürsten aus Schweineborsten zu verwenden, beziehungsweise mit Schwämmchen oder Läppchen zu reinigen. Um 1700 erfand [[Christoph von Hellwig]] eine Zahnbürste in der heutigen Form. Mit der Erfindung des [[Polyamide#Nylon|Nylons]] wurden 1938 durch das US-amerikanische Unternehmen [[E. I. du Pont de Nemours and Company|DuPont]] die ersten Nylonzahnbürsten hergestellt.<ref>[http{{Internetquelle |autor=Markus Weber, Guido Deussing |url=https://www.k-online.com/cippen/md_kMedia_News/customNews/pubFebruary_2013_Nylon_toothbrush_now_75_years_old_(1938-2013)/content,oid,45412/lang,2/ticket,g_u_e_s_t/~/February_2013_Nylon_toothbrush_now_75_years_old_1938Unassuming_pioneer_Nylon_toothbrush_now_75_years_old_(1938-2013.html) |titel=Unassuming pioneer: Nylon toothbrush now 75 years old (1938–2013)]{{Toter Link |urlwerk=http://www.k-online.com/cipp/md_k/custom/pub/content,oid,45412/lang,2/ticket,g_u_e_s_t/~/February_2013_Nylon_toothbrush_now_75_years_old_1938-2013.html |datehrsg=2018[[Messe Düsseldorf]] |datum=2013-0302 |archivebotsprache=2018en |abruf=2023-0305-25 12:55:11 InternetArchiveBot22}}. Abgerufen am 27. November 2014.</ref>

Ebenso deckte er auf, dass Scharlatane die Zähne mit billigem [[Zinn]] oder [[Blei]] füllten, diese nur durch eine dünne Goldschicht bedeckten und sie als teure [[Goldhämmerfüllung|Goldfüllungen]] verkauften.<ref>[https://www.fauchard.org/publications/47-who-is-pierre-fauchard Who is Pierre Fauchard?], (in Englisch), Pierre Fauchard Academy. Abgerufen am 24. November 2014.</ref> [[Blattgold]] zum Ersatz von Zahnhartgewebe wurde im arabischen Raum schon im achten Jahrhundert benutzt. Erste schriftliche Hinweise im europäischen Raum auf Goldfolie als Füllungsmaterial für Zähne finden sich erst Mitte des 15. Jahrhunderts. 1484 verwendete [[Giovanni d'Arcoli]] erstmals [[Blattgold|Goldfolie]] als [[Füllungstherapie#Füllungsmaterialien|Füllungsmaterial]] für [[Zahnkaries|kariöse]] Zähne.<ref>[http://www.discoveriesinmedicine.com/Com-En/Dental-Fillings-Crowns-and-Bridges.html#ixzz4Hl7IoKIf Dental fillings, crowns, and bridges], Medical Discoveries. Abgerufen am 19. August 2016.</ref> Die Goldhämmerfüllung in einem [[Molar (Zahn)|Molar]] (Backenzahn) ist bei der im Jahr 1601 beigesetzten [[Stammliste der Welfen#Neues Haus Lüneburg|Anna Ursula von Braunschweig-Lüneburg]] dokumentiert.<ref>P. Riete, A. Czarnetzki, Amalgam-Goldfolienfüllung Anno Domini 1601. Dtsch Zahnärztl Z 38: 610–616 (1983)</ref> Damals wurde die Goldfüllung im Gegensatz zur Moderne nicht aus verflüssigtem Metall gegossen, sondern mittels ''Kaltverschweißung'' gelegt. Diese beruht auf der Eigenschaft von Gold, in hochreinem Zustand an seiner Grenzfläche [[Kovalente Bindung|Atombindungen]] zu bilden und dadurch auszuhärten. Die Goldfolie wird dabei mit einem Hämmerchen (daher der Name) in den Zahn geklopft (kondensiert). Einen Aufschwung erfuhr die Goldhämmerfüllung in den Vereinigten Staaten 1855 durch [[Robert A. Arthur]]<ref>{{Literatur |Autor=Sharmila Hussain |Titel=Textbook of Dental Materials |Verlag=Jaypee Brothers Publishers |Datum=2008 |ISBN=978-81-8061-330-2 |Seiten=277 |Online={{Google Buch |BuchID=EpQaUi1OPPQC |Seite=277}}}}</ref> sowie durch [[William Gibson Arlington Bonwill]] und hat sich bis in die Neuzeit als Füllungsverfahren erhalten, da sie eine zahnsubstanzschonende Restaurationstechnik darstellt.<ref>W. K. Kamann: {{Webarchiv |url=http://www.sso.ch/doc/doc_download.cfm?uuid=8826DAC6D9D9424C46D7FE01479A5362 |text=''Die Goldhämmerfüllung – Indikation und Technik'' |wayback=20141129133816}}, Schweiz Monatsschr Zahnmed, Vol 110: 6/2000, S. 597–606. Abgerufen am 26. November 2014.</ref>

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Diagramme de Pierre Fauchard sur la restauration des dents.jpg|Dia-<br /> gramme

Instrument créé par Pierre Fauchard.jpg|Spitz-<br /> zange

Instruments créés par Pierre Fauchard.jpg|Instrumente

Roulette de dentiste de Pierre Fauchard.jpg|Bohr-<br /> maschine

Fauchard, Le chirurgien dentiste, 1746 Wellcome L0026750.jpg|Zahn-ersatz

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In seinem Buch ''The Smile Revolution in Eighteenth Century Paris'' (Die Revolution des Lächelns in Paris des 18. Jahrhunderts) beschreibt Colin Jones, dass in der damaligen Zeit das Lächeln, bei dem Zähne sichtbar geworden wären, insbesondere am Hofe, verpönt war. Schmallippiges Lächeln war als Bestandteil der körperlichen Kontrolle erforderlich, um in der Welt des königlichen Hofes [[Ludwig&nbsp;XIV.]] (1638–1715) zu überleben. Es war auch ein soziales Merkmal: kein Höfling wollte mit offenem Mund gesehen, geschweige porträtiert werden. Zahnlücken und hässliche dunkle Zähne waren weit verbreitet, insbesondere auch wegen des dekadenten Lebens und der reichlich zuckerhaltigen Ernährung. Lächeln galt aber auch als ein Zeichen von Leichtgläubigkeit, von Leichtsinn oder schlechter Manieren, im schlimmsten Fall ein Merkmal eines Wahnsinnigen. Im 18. Jahrhundert bewirkten jedoch literarische Werke und Bühnenwerke von [[Samuel Richardson]] (1689–1761) und [[Jean-Jacques Rousseau]] (1712–1778) einen Sinneswandel. Richardsons Werk begründete die Schule der [[Empfindsamkeit|empfindsamen Literatur]]. Gefühle sollten durch ein charmantes Lächeln gezeigt werden, was jedoch nur den sozialen und kulturellen, begüterten Eliten möglich war, die sich teure Zahnbehandlungen leisten konnten. Zähne und Zahnärzte wurden „chic“, was vor allem auf Fauchards besondere Fachkenntnisse zurückzuführen war. Er konnte, zumindest teilweise, die damals üblichen brutalen Zahnreißermethoden ersetzen und widmete sich der Zahnerhaltung und Prävention. [[Nicolas Dubois de Chémant]] fertigte teuren Zahnersatz mit Porzellanzähnen an ([[#Geschichte des Zahnersatzes|s.&nbsp;u.]]).

Ausstellungsbesucher wären im Herbst 1787 am liebsten im Erdboden versunken, als sie an den Wänden des [[Louvre]] ein Selbstporträt der bedeutenden Künstlerin [[Élisabeth Vigée-Lebrun|Marie Louise Elisabeth Vigée Le Brun]] (1755–1844) zu sehen bekamen. Das Problem war ihr Mund. Er lächelte – nicht nur wie das rätselhafte Lächeln der [[Mona Lisa]], sondern mit einem Lächeln, das ihre Zähne zeigte. „War Vigée Le Brun etwa verrückt, eine Schlampe oder gar irgendeine Art von wildgewordener Revolutionärin?“ Das einzige, was den Besuchern übrig blieb, war so zu tun, als wäre ihnen nichts aufgefallen.<ref>Colin Jones: 'The Smile Revolution in Eighteenth Century Paris, Oxford University Press, 25. November 2014, ISBN 0-19-871581-1.</ref> Zunehmend verbreitete sich jedoch mit der [[Französische Revolution|Französischen Revolution]] (1789–1799) das „Pariser Lächeln“ in vielen Varianten. Bald wurde es jedoch vom Terror unterdrückt und ging in ein Lächeln der Resignation über, bis hin zum verzweifelten Lächeln der Opfer auf dem [[Schafott]]. Lächeln war nicht mehr ein Ausdruck von Offenheit, sondern machte verdächtig. Den Menschen verging das Lächeln und damit wurden auch die Zahnärzte – auch durch einige „Reformen“ – an den Rand der Gesellschaft gedrückt und verloren ihre Reputation. Die „Revolution des Lächelns“ fand ein Ende.<ref>John Brewer,: [https://literaryreview.co.uk/grin-city Grin City.], Literary Review von Colin Jones,: ''The Smile Revolution in Eighteenth Century Paris'' (englisch), Oxford University Press, Oxford und/ New York 2014, ISBN 978-0-19-871581-8.</ref>

=== Philipp Pfaff ===

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[[Skorbut]] (engl.: ''Scurvy'') war seit dem 2. Jahrtausend v.&nbsp;Chr. in Ägypten als Krankheit bekannt. Später schrieben auch Hippokrates und Plinius darüber. Es treten neben weiteren [[Skorbut#Symptome und Beschwerden|gravierenden Symptomen]] [[Zahnfleischbluten]] und [[Gingivahyperplasie]]n auf. Die gestörte [[Kollagene|Kollagensynthese]] führt unter anderem zu einer verminderten Synthese der hauptsächlich aus Kollagen bestehenden [[Sharpey-Faser]]n des [[Zahnhalteapparat]]es (Parodontium), was zum [[Zahnverlust]] führt.<ref>{{Literatur |Autor=Eckhart Buddecke |Titel=Biochemische Grundlagen der Zahnmedizin |Verlag=Walter de Gruyter |Datum=1981 |ISBN=3-11-085820-7 |Seiten=61 |Online={{Google Buch |BuchID=bb4gAAAAQBAJ |Seite=61}}}}</ref> Die Erkrankung tritt bei anhaltendem Fehlen von [[Ascorbinsäure]] (Vitamin&nbsp;C) in der Nahrung nach etwa vier Monaten auf und führt unbehandelt zum Tode.

Im [[Zeitalter der Entdeckungen]], etwa vom 15. bis zum 18. Jahrhundert, führte Skorbut zu einem Massensterben von [[Matrose|Seeleuten]]; so verlor zum Beispiel das Schiff von [[Vasco da Gama]] auf einer Reise von 160 Mann Besatzung etwa 100 Mann durch Skorbut. Grund für das häufige Auftreten von Skorbut auf [[Schifffahrt|See]] war die einseitige Ernährung, die – mangels Konservierungsmöglichkeiten – hauptsächlich aus [[Pökeln|Pökelfleisch]] und [[Hartkeks|Schiffszwieback]] bestand. 1734 forderte der Theologe und Mediziner [[Johann Friedrich Bachstrom]] die Verwendung von frischem Obst und Gemüse zur Heilung von Skorbut.<ref>J. F. Bachstrom: ''Observationes circa scorbutum: ejusque indolem, causas, signa, et curam, institutæ, eorum præprimis in usum, qui Groenlandiam & Indiam Orientis petunt''. Conrad Wishoff, Leiden 1734.</ref> Dass [[Zitruspflanzen|Zitrusfrüchte]] gegen Skorbut helfen, war mindestens seit 1600 bekannt, als ein Arzt der ''[[Britische Ostindien-Kompanie|East India Company]]'' sie für diesen Zweck empfohlen hatte, doch hatte sich ihre Verwendung vorerst nicht durchgesetzt. Erst als der britische [[Schiffsarzt]] [[James Lind]] 1754 zeigen konnte, dass Zitrusfrüchte gegen Skorbut helfen, verlor die [[Krankheit]] ihren Schrecken. Lind war der Erste, der ab 1747 ihren Effekt in einem systematischen Versuch untersuchte. Es handelt sich dabei um eine der ersten kontrollierten Vergleichsstudien in der Geschichte der Medizin. Für seinen Versuch teilte er zwölf skorbut-kranke [[Matrose]]n in sechs Gruppen ein. Alle erhielten dieselbe Diät und die erste Gruppe außerdem ein [[Quart (Einheit)|Quart]] (einen knappen Liter) [[Apfelwein]] täglich. Gruppe zwei nahm 25 Tropfen [[Schwefelsäure]] ein, Gruppe drei sechs Löffel [[Essig]], Gruppe vier eine halbe [[Pinte]] (knapp ein Viertel Liter) Seewasser, Gruppe fünf zwei [[Orange (Frucht)|Apfelsinen]] und eine Zitrone und die letzte Gruppe eine Gewürzpaste sowie [[Gerste]]nwasser. Die Behandlung von Gruppe fünf musste abgebrochen werden, als nach sechs Tagen die Früchte ausgingen, aber zu diesem Zeitpunkt war einer der Matrosen bereits wieder dienstfähig und der andere beinahe erholt. Bei den übrigen Versuchsteilnehmern zeigte sich nur in der ersten Gruppe ein gewisser Effekt der Behandlung.<ref>James Lind,: [http://www.jameslindlibrary.org/lind-j-1753/ ''A Treatise on the Scurvy''.], London 1753. Abgerufen am 7. Juli 2015.</ref> An Land trat Skorbut ebenfalls auf, besonders in den [[Winter]]monaten, in [[Belagerung|belagerten]] [[Festung]]en, in [[Gefängnis]]sen oder bei den ersten [[Nordamerika]]-Siedlern, wo Obst und Gemüse anfangs knapp waren. Im 20. Jahrhundert trat Skorbut massenhaft während des [[Erster Weltkrieg|Ersten]] und [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]]<ref>{{Literatur |Autor=Alexander von Domarus |Titel=Grundriß der inneren Medizin: mit 80 zum Teil farbigen Abbildungen |Verlag=Springer-Verlag |Datum=2013 |ISBN=978-3-662-36902-9 |Seiten=534– |Online={{Google Buch |BuchID=K_OfBwAAQBAJ |Seite=534}}}}</ref> sowie in den deutschen [[Konzentrationslager]]n<ref>{{Literatur |Autor=Pascal Cziborra |Titel=Frauen im KZ: Möglichkeiten und Grenzen der historischen Forschung am Beispiel des KZ Flossenbürg und seiner Außenlager |Verlag=BoD – Books on Demand |Datum=2010 |ISBN=978-3-938969-10-6 |Seiten=130 |Online={{Google Buch |BuchID=PuZHWVAZfEMC |Seite=130}}}}</ref> und im sowjetischen [[Gulag]] auf.<ref>{{Literatur |Autor=Alexander Solschenizyn |Titel=Der Archipel GULAG: Vom Verfasser autorisierte überarbeitete und gekürzte Ausgabe in einem Band |Verlag=Fischer E-Books |Datum=2012 |ISBN=978-3-10-400284-2 |Seiten=238 |Online={{Google Buch |BuchID=qltsAgAAQBAJ |SeitenID=PT238}}}}</ref>

Die Bezeichnung ''Ascorbinsäure'' (zuvor ''Hexuronsäure'') ist 1933 durch [[Albert Szent-Györgyi]] und [[Walter Norman Haworth]] von der lateinischen Bezeichnung der Krankheit ''scorbutus'' abgeleitet worden, mit der verneinenden Vorsilbe a- (weg-, un-) – „die antiskorbutische Säure“.<ref>J. L. Svirbely und A. Szent-Gyorgyi: ''The Chemical Nature Of Vitamin C.'' In: ''The Biochemical Journal.'' 1933, Nummer 27, S. 279–285; [http://profiles.nlm.nih.gov/WG/B/B/G/W/_/wgbbgw.pdf PDF] (Volltext, engl.). Abgerufen am 26. Juli 2015.</ref> 1934 begann der Pharmakonzern [[Roche Holding|Roche]] als erste Firma mit der synthetischen Produktion von Vitamin&nbsp;C gegen diese [[Hypovitaminose|Vitaminmangelkrankheit]]. Noch 1936 berichteten Roche-Mitarbeiter, dass die Spezialisten unter den Ärzten die Vitamin-Therapie schlicht ablehnten, 80&nbsp;Prozent würden über den „Vitamin-Fimmel“ sogar lachen. In einem firmeninternen Schreiben hieß es damals, dass zunächst „überhaupt erst das Bedürfnis“ nach Vitaminen geschaffen werden müsse. Regelmäßig werde Vitamin C nur eingenommen, „wenn etwas Hokuspokus gemacht“ werde. Die Nationalsozialisten förderten daraufhin in Deutschland die Versorgung der Bevölkerung mit Vitaminen sehr aktiv. Sie wollten so den „Volkskörper von innen stärken“, weil sie davon überzeugt waren, dass Deutschland den [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] auch als Folge von [[Mangelernährung]] verloren hatte. 1944 bestellte die [[Wehrmacht]] 200 Tonnen Vitamin C, unter anderem bei Roche.<ref>{{Internetquelle |autor=Markus Grill |url=https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/nationalsozialismus-vitaminschub-fuer-den-volkskoerper-a-809998.html |titel=Nationalsozialismus: Vitaminschub für den Volkskörper |datum=2012-01-19 |abruf=2015-07-06}}</ref>

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* Étienne Bourdet (1722–1789), Recherches et observations sur toutes les parties de l’art du dentiste, 1757

* Antonio Campani (1738–1806), Odontologia ossia trattato sopra i denti opera, 1786

* Félix Pérez Arroyo, (1755–1809), Tratado de las operaciones en la dentadura, 1799

* Louis Laforgue, (?–1816), L’Art du dentiste ou Manuel des opérations, qui se pratiquent sur les dents, Paris 1802

* Jean-Baptiste Gariot (1761–1835), Traité des maladies de la bouche, 1805

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Erstmals für die verschiedenen Anwendungen spezialisierte<ref>Research Uni-Leipzig: [https://research.uni-leipzig.de/agintern/Medhist/waldenb/ausstell/wb110t.htm Aus der Geschichte des Zahnziehens - Zahnzange].</ref> Zangen stellte Johann Jakob Heinrich Bücking 1782<ref>Johann Jakob Heinrich Bücking: ''Vollständige Anweisung zum Zahnausziehen von Bücking, der Arzneigelahrtheit und Wundarzneikunst Doktor.'' Stendal 1782.</ref> vor. Extraktionszangen gehen in ihrer heutigen Form auf den englischen Kieferchirurgen [[John Tomes]] (1815–1895) zurück. Die von ihm 1840 entdeckte [[Tomes-Faser]] ist nach ihm benannt, der Zellfortsatz eines [[Odontoblast]]en (Dentinbildner), der sich in den [[Dentin]]kanälchen befindet. Er wurde auf Grund dieser und anderer Verdienste um die Zahnmedizin zum ersten Präsidenten der [[British Dental Association]] gewählt.

Im Jahr 1801 hatte der Arzt [[Benjamin Rush]] den Zusammenhang von Zahnerkrankungen mit anderen [[Herd (Medizin)|Krankheitsherden]] (im Sinne der späteren, 1916 von [[Frank Billings]] (1854–1932) und [[Edward Charles Rosenow]] (* 1875) geförderten Lehre von der Fokalinfektion) erkannt.<ref>[[Paul Diepgen]], [[Heinz Goerke]]: ''[[Ludwig Aschoff|Aschoff]]: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin.'' 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 32 und 61.</ref>

== Historische Behandlungsformen ==

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Es gibt Hinweise darauf, dass [[Amalgamfüllung|Zahnamalgam]] bereits zu Beginn der [[Tang-Dynastie]] ({{zh|c=唐朝|p=táng cháo}}) in China (618–907 n.&nbsp;Chr.) als [[Füllungstherapie|Füllungsmaterial]] verwendet wurde, wie man Schriften des chinesischen Arztes [[Su Kung]] (蔌哭嗯) aus dem Jahre 659 entnehmen kann. Als „silberner Teig“ kehrt Amalgam im ''Ta-Kuan Pent-ts'ao'' (大观被压抑的曹操) um 1107 wieder. Auch in der [[Ming-Dynastie|Ming-Periode]] ({{zh|c=明朝|p=míng cháo}}) wird die [[Legierung]] 1505 und 1596 (von [[Li Shizhen]] 李时珍) erwähnt. 1505 beschreibt [[Liu Wen t'ai]] (刘雯台) die genaue Zusammensetzung: „100 Teile [[Quecksilber]], 45 Teile [[Silber]] und 900 Teile [[Zinn]], die in einem eisernen Topf zu verrühren sind.“<ref name="PMID2694433">G. Bjørklund: ''[The history of dental amalgam].'' In: ''Tidsskrift for den Norske lægeforening: tidsskrift for praktisk medicin, ny række.'' Band 109, Nummer 34–36, Dezember 1989, S.&nbsp;3582–3585, {{ISSN|0029-2001}}. PMID 2694433.</ref>

Obwohl landessprachliche Spezialtraktate zur Zahnbehandlung seit dem 14. Jahrhundert auftreten, ist fachliterarisch „der Ottinger“, nach einem Zahnbehandler benannt, seit dem 15. Jahrhundert belegt.<ref>{{Literatur |Autor=Dominik Groß |Titel=Beiträge zur Geschichte und Ethik der Zahnheilkunde |Verlag=Königshausen & Neumann |Datum=2006 |ISBN=3-8260-3314-0 |Seiten=298 |Online={{Google Buch |BuchID=OqmaneM6AiEC |Seite=298}}}}</ref> 1530 erschien das Mittweidaer ''Zene Artzney Buchlein wider allerlei kranckeyten und gebrechen der tzeen'', ein „kleines Heilbuch für alle Arten von Krankheiten und Gebrechen der Zähne“, das erste Buch, das ganz der Zahnheilkunde gewidmet ist, geschrieben für Barbiere und [[Wundarzt|Wundärzte]], die den Mund behandeln. Es deckt Themen wie [[Prophylaxe (Zahnmedizin)|Mundhygiene]], [[Extraktion (Zahnmedizin)|Zahnextraktion]], Bohren der Zähne und die Anfertigung von [[Goldhämmerfüllung|Goldfüllungen]] ab. Es hält Ratschläge bereit, „wie den kindern zu helffen ist, daß in [ihnen] ir zene leichtlich wagsen“: Man soll die Kleinen häufig baden und danach das Zahnfleisch mit einem Finger, der zuvor in warmes Hühner-, Gänse- oder Entenfett getaucht worden ist, „subtil reiben und trucken“. Wenn die Zähne durchbrechen, so nimmt man „fein subtile“ Wolle vom Hals eines Schafes, taucht sie in warmes [[Kamillenöl]] und legt sie anschließend auf den Hals und die Wangen des Säuglings. Manchmal versuchte man auch, „schweres“ Zahnen dadurch zu erleichtern, dass man dem Kind eine eingefettete Fledermaus um den Hals hing.<ref name="Budjuhn1921">{{Literatur |Autor=Gustav Budjuhn |Titel=Die Zene Artzney 1530–1576: Geschichte des ältesten zahnheilkundlichen Druckes. Artzney Buchlein wider allerlei kranckeyten und gebrechen der tzeen |Verlag=Meusser |Datum=1921 |Online=[http://books.google.com/books?id=0xb7PgAACAAJ {{Google Books]Buch |BuchID=0xb7PgAACAAJ}}}}</ref> Häufiger war vermutlich jedoch – wie schon im Hochmittelalter – die direkte Applikation von Fett.<ref>Werner Gerabek: ''Zahnmedizin im hohen Mittelalter: Hirschnieren – Fett gegen den Schmerz.'' In: ''Zahnärztliche Mitteilungen'', Band 80, 1990, S. 2705–2711.</ref>

Als eine der ersten zahnheilkundlichen Monographien gilt der sogenannte „Nützliche Bericht“ [[Walther Hermann Ryff]]s von 1548: ''Nützlicher bericht, wie man die Augen und das Gesicht, wo dasselbig mangelhafft, bloede dunckel oder befinstert, Scherpfen, gesundt erhalten, stercken und bekrefftigen soll. […] Mit weitterer unterrichtung wie man den Mundt, die Zaen und Biller frisch, rein, sauber, gesund, starck und fest erhalten […]''.<ref>R. Vollmuth: [http://qd.quintessenz.de/index.php?doc=abstract&abstractID=6307 ''Der Nützliche Bericht des Walther Hermann Ryff, erschienen in Würzburg, Johann Myller 1548''.], Abstrakt. In: ''Quintessenz.'' Band 49, 1998, Nummer 8, S. 815; abgerufen am 8. September 2017.</ref>

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[[Datei:Amalgam.jpg|mini|120px|Amalgamfüllung]]

Da das Blei zu weich war, ging die Suche nach einem haltbaren Material weiter. In Deutschland wurde das [[Amalgamfüllung|Amalgam]] wiederentdeckt und erstmals von dem Ulmer Arzt [[Johannes Stocker]] 1528 eingesetzt, der in seinem Arzneibüchlein ''Praxis aurea'' die Herstellung von Amalgam beschreibt, das „in einem Zahnloch härtet wie Stein“.<ref name="Hoffmann-Axthelm1985">{{Literatur |Autor=Walter Hoffmann-Axthelm |Titel=Die Geschichte der Zahnheilkunde |Verlag=Quintessenz, S. 180 |Datum=1985 |ISBN=3-87652-160-2 |OnlineSeiten=[http://books.google.com/books?id=ocNpAAAAMAAJ180 |Online={{Google Books]Buch |BuchID=ocNpAAAAMAAJ}}}}</ref> Seine Einführung in der westlichen Welt erlebte Amalgam jedoch erst in den 1830er Jahren. Noch 1806 benutzte Joseph Fox (1755–1816) eine Legierung aus Wismut, Blei und Zinn (eine von dem Chemiker d’Arcet<!-- [[Jean d’Arcet]] (1724–1801) oder dessen Sohn [[Jean Pierre Joseph d’Arcet]] (1777–1844) --> untersuchte Legierung, das „[[Roses Metall|Darcet’sche Metall]]“). Der Pariser Zahnarzt Louis Nicolas Regnart (1780–1847) schlug 1818<ref>Louis Nicolas Regnart: ''Mémoire sur un nouveau moyen d’obturation des dents.'' 1818.</ref> vor, diese Legierung kleingestückelt in das Zahnloch (die zu füllende Kavität) einzubringen und dort mit einem heißen Stopfer zum Schmelzen zu bringen. Durch Zusatz von einem Zehntel der Masse Quecksilber konnte Regnart den Schmelzpunkt wesentlich herabsetzen.<ref>Ullrich Rainer Otte: ''Jakob Calmann Linderer (1771–1840). Ein Pionier der wissenschaftlichen Zahnmedizin.'' Medizinische Dissertation, Würzburg 2002 (mit Textedition von ''Lehre von den gesammten Zahnoperationen.'' 1834), hier: S. 98.</ref> Anfangs wurde Amalgam durch Mischen von Quecksilber mit einer [[Feilung]] aus Silbermünzen hergestellt.<ref name="PMID2694433" /> 1819 führte [[Auguste Onésime Taveau]] das Amalgam in Frankreich und [[Thomas Bell]] in England ein.<ref name="History" /> Bereits 1833 brach in den USA nach der forcierten Einführung von Amalgam als Füllmaterial durch Crawcorn, der es 1830 aus Europa mitgebracht hatte, der sogenannte „Amalgamkrieg“ aus, der zu einem zeitweiligen Verbot des Amalgams als Füllmaterial führte. Die Zeit ging als ''Crawcorn days'' in die Historie ein. 1855 gaben zwei amerikanische Zahnärzte, [[William M. Hunter]] (1819–1889) und [[Elisha Townsend]] (1804–1858), eine neue Amalgamrezeptur bekannt, die derjenigen der Neuzeit nahekam. Die Pulvermischung bestand aus vier Teilen Silber und fünf Teilen Zinn, pro Gramm dieses Pulvers wurde ein Gramm Quecksilber verarbeitet. Jeder Zahnarzt, der jedoch Amalgam verarbeitete, wurde aus der American Society of Dental Surgeons ausgeschlossen, was 1856 zur Auflösung dieses Verbandes führte.<ref>E.S. Talbot, [http://art-bin.com/art/otalbot1882.html The chemistry and physiological action of mercury as used in Amalgam fillings], (1882), The Art Bin Magazine.</ref> In Deutschland flammte eine ähnliche Diskussion in den 1920er Jahren auf.<ref name="Diss_MS">Ingrid Müller-Schneemayer: ''Die Amalgamkontroverse in den Zwanziger Jahren des 20.&nbsp;Jahrhunderts'' {{URN|nbn:de:bvb:19-19471}}</ref> Während dieser sich mittlerweile über fast zweihundert Jahre hinziehenden Debatte konnte eine wesentliche Gesundheitsgefährdung nicht nachgewiesen werden.

Der Pariser Hofzahnarzt Antoine Malagou Désirabode beschrieb 1845 im Kapitel „De l’obliteration ou plombage des dents“ seines Buches über die Kunst des Zahnarztes eine Zahnfüllung, die auf einem Prinzip aus dem Baugewerbe beruht ([[Fluatierung]]). Dass Fluoride und Fluorosilikate (damals noch „fluate“ genannt) Feuchtigkeit binden und dabei härten, ließ sie im Gemisch mit Aluminiumoxid als Zahnfüllungen tauglich erscheinen.<ref>P. Meiers, [http://www.fluoride-history.de/p-fill.htm "Fillings and sealants containing and releasing fluorides"], abgerufen am 30. Januar 2017</ref> Bald danach gab es zahlreiche Patente für Zahnfüllungen mit Fluoridzusätzen.

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[[Datei:Copy of an Etruscan denture, Europe, 1901-1930 Wellcome L0058137.jpg|mini|Nachbildung eines phönizischen Zahnersatzes aus [[Sidon]], etwa 700 v.&nbsp;Chr., [[World Museum Liverpool]], Sammlung Mayer]]

Im Zusammenhang mit Amalgamfüllungen stellte [[Greene Vardiman Black]] 1892 die nach ihm benannten Blackschen Regeln für die Kavitätenpräparation auf, einschließlich des Grundsatzes ''Extension for prevention'' ([[Englische Sprache|engl.:]]&nbsp;Ausdehnung [der Kavität] zur Vorbeugung). Dadurch sollte der Zahn so weit aufgebohrt werden, dass die Füllungsränder in einen Bereich verlegt wurden, der der Reinigung leicht zugänglich ist. Er teilte ferner die Kavitätenformen in fünf [[Kavitätenklassen]] ein, die bis heute ihre weltweite Bedeutung behalten haben. Er änderte die Zusammensetzung der Feilung, die nun aus 68,5 % Silber, 25,5 % Zinn, 5 % Gold und 1 % Zink bestand, um die Festigkeit zu erhöhen.<ref>Lieselotte Krämer, Überblick über die Entwicklung der gebräuchlichsten Füllungsmaterialien und -methoden in der Zahnheilkunde. Dissertation, (1964) Berlin.</ref> Black erfand ferner das [[Phagodynamometer]] zur Kaudruckmessung, das 1895 der Fachwelt vorgestellt wurde.<ref>{{Literatur |Titel=Transactions / Illinois State Dental Society |Datum=1908 |Online=[http://books.google.com/books?id=PCi1AAAAIAAJ {{Google Books]Buch |BuchID=PCi1AAAAIAAJ}}}}, Phagodynamometer, University of California, S. 237.</ref>

=== Ästhetische und rituelle Zahnkorrekturen ===

[[Datei:Beautiful teeth.png|mini|100px|links|Zahnveränderungen; 1–3: Afrika;<br /> 4–6: Malaysia]]

Das Fachgebiet der [[Ethno-Zahnmedizin]] beschäftigt sich mit den verschiedenen Prozeduren der Zahnveränderungen. Die ersten zahntechnischen Arbeiten wurden Mitte des ersten Jahrtausends vor der Zeitenwende von Etruskern und Phöniziern (heute Libanon) angefertigt. Die Etrusker (heute Norditalien) konnten Goldkügelchen von 0,1&nbsp;mm Durchmesser herstellen und ohne Lötstellen miteinander verbinden. Ihre Metallurgen besaßen folgende Rezeptur: „Wenn man den Saft von drei Gemüsearten und Holzkohlenstaub mit Goldpartikeln mischt, bilden sich wie von Geisterhand winzige Goldperlen.“ Die Abbildung rechts zeigt menschliche oder tierische Ersatzzähne, die mit einem Metallstift an einem Band aus Gold fixiert und an den übrigen Zähnen befestigt wurden. Sie wussten, dass Gold durch den Speichel nicht angegriffen wurde. Frauen und Männer waren gleichgestellt. Auch Sklaven durften vornehme Kleidung und Goldschmuck tragen.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.jokers.at/kultur/kultur-archiv/faszination-gold/die-geschichte-des-goldes/1-jahrtausend-vor-christus.html |text=Geschichte des Goldes |wayback=20150518103607}}, Jokers. Abgerufen am 1. Dezember 2014.</ref> Die Zahnheilkunde lag in den Händen von Ärzten.

Künstliche Deformierungen wurden seit Jahrtausenden vorgenommen – immer in einem rituellen bzw. kulturellen Kontext. In Abhängigkeit von den jeweiligen Völkern unterscheidet man verschiedene Deformationstypen: Es gibt die Spitz-, Lücken-, Flächen- oder Zackenfeilungen der Zähne, Horizontalfeilungen bis hin zum kompletten Absägen der Zahnkrone. Hinzu kommen Furchen-, Zellen- und Relieffeilungen, das Verdrängen von Frontzähnen aus ihrer natürlichen Position, die Schaffung und Vergrößerung von [[Diastema mediale|Diastemata]] bzw. Lücken, das Herausbrechen oder -hebeln einzelner oder mehrerer Zähne mittels Speerspitze oder Steinschlag, die Elongation (scheinbare Verlängerung) mittlerer Frontzähne, der Zahnschmuck und die künstliche Färbung der Zähne.<ref>Roland Garve: ''[https://www.zwp-online.info/archiv/pub/sim/cd/2008/cd0308/cd308_052_060_garve.pdf Ethno-Zahnmedizin] (PDF; 529&nbsp;kB) '', in: Cosmetic dentistry, 3/2008, S. 52–60. Abgerufen am 14. November 2014.</ref>

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==== Zahnschwärzen ====

In Japan war das Zahnschwärzen [[Ohaguro]] ([[Japanische Schrift|jap.]] {{lang|ja|お歯黒}}) seit Mitte des ersten Jahrtausends Mode, wie Spuren von geschwärzten Zähnen in [[Knochen]]funden aus der [[Kofun-Zeit]] (300 bis 710) vermuten lassen. Das ''Ohaguro'' geht auf die [[Heian-Zeit]] (794–1192) zurück. Erstmals schriftlich erwähnt wurde es im [[Genji Monogatari]] ([[Japanische Schrift|jap.]] {{lang|ja|源氏物語}}, dt. Die Geschichte vom Prinzen Genji) im 11. Jahrhundert, obwohl es bereits seit 2879 v.&nbsp;Chr. praktiziert wurde. Durchgeführt wurde ''Ohaguro'' von Frauen und Männern des Hofadels und später durch die [[Samurai]]. Während der [[Edo-Zeit]] (jap. 江戸時代, Edo jidai, 1603 bis 1868) war das Schwärzen der Zähne bei verheirateten Frauen üblich. Es galt als erotisch, da es den Kontrast zur weißen Gesichtshaut erhöhte. Es war deshalb unter den Frauen der [[Bordell]]viertel sehr verbreitet. Gleichzeitig galt es als Symbol ehelicher Treue. Im 18. Jahrhundert wurde Männern das Zähneschwärzen verboten, 1871 weitete die [[Meiji-Zeit|Meiji-Regierung]] (jap. 明治時代 Meiji jidai) schließlich per Kabinettsbeschluss dieses Verbot auch auf das weibliche Geschlecht aus, da dieser Brauch unter westlichem Einfluss als barbarisch eingestuft wurde.<ref>[https://www.dus.emb-japan.go.jp/profile/deutsch/japan_forum/jf_2003/2003_02_schoenheit.htm Schönheitsideale und Schönheitspflege in Japan], Japan Forum Vol. 95, Februar 2003, S. 1–2. Abgerufen am 4. November 2014.</ref> In der [[Nguyễn-Dynastie]] ([[Hán Nôm]]: {{lang|vi-Hani|家阮}}) in Vietnam (1802 bis 1945) hielt sich der Brauch bis ins 20. Jahrhundert. In Südostasien war es ein Zeichen für Stärke und Ehrenhaftigkeit, galt als Schönheitssymbol und signalisierte bei Frauen die Bereitschaft zur Eheschließung.<ref>Emily Shope,: [https://prezi.com/qyly-vbd2wg-/body-decorations-in-south-east-asia/ Body Decorations in South East Asia]. Abgerufen am 19. November 2014.</ref> Zum Färben der Zähne verwendete man eine aufwändig hergestellte Mixtur aus Eisenspänen, die in Tee oder Reiswein eingelegt wurden und [[Oxidation|oxidierten]]. Die so entstandene schwarze Farbe wurde mit einem weichen Pinsel und mit Hilfe von [[Haftmittel|Haftpulver]] auf die Zähne aufgetragen. Wegen der eingeschränkten Haltbarkeit musste die Prozedur alle drei Tage wiederholt werden. Man glaubte auch, durch das Schwärzen die Zähne gesund zu erhalten und einem eventuellen [[Eisenmangel]] in der Schwangerschaft entgegenzuwirken. Neuere Untersuchungen der Zusammensetzung des Färbstoffes bestätigen, dass ein gewisser Schutz vor Karies und [[Demineralisation (Medizin)|Demineralisation]] der Zähne gegeben war.<ref>W. H. Lewis, M. P. F. Elvin-Lewis: ''Medical Botany: Plants Affecting Human Health.'' 2nd Edition, John Wiley and Sons, Hoboken 2003, S. 448, ISBN 0-471-86134-0.</ref>

==== Schmucksteine ====

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<!-- Im Jahr 2700 v.&nbsp;Chr. sollen Zähne mit dünnem [[Blattgold]] dekorativ bedeckt worden sein, wie sich aus Funden einer Grabanlage aus der Zeit um 2700&thinsp;v.&thinsp;Chr. (''Hili Tomb'') in der Sammlung ''Hili Archaeological Park'' im [[Al Ain National Museum]] in [[Abu Dhabi]] ergibt. Es ist eines der letzten Überbleibsel der mysteriösen ''Umm al-Nar''-Kultur, die zwischen 3000 und 2000&nbsp;v.&nbsp;Chr. erstmals in der Region eine größere Zivilisationsepoche begründete. -->Schon 1000 v.&nbsp;Chr. benutzten die Chinesen Zahnfüllungen aus feinstem Blattgold, das in die Karieslöcher gestampft wurde.<ref>Walter Kamann: ''Werkstoffkundliche und klinische Untersuchungen der Füllungstherapie der Zähne mit plastischem Gold.'' Habilitationsschrift, 2000, Universität Witten/Herdecke.</ref> Die ersten prothetischen Arbeiten wurden im Jahr 500&nbsp;v.&nbsp;Chr. von den [[Phönizier]]n angefertigt. In Osteuropa, beispielsweise in [[Tadschikistan]] und im Orient galten Goldzähne in der Front als Zeichen von Reichtum.

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EineBogobofrau von derinselMindanao.jpg|Gefeilte Zähne

COLLECTIE TROPENMUSEUM Tandenvijlen TMnr 10002931.jpg|Herausbrechen<br /> von Zähnen

Dona Japonesa.jpg|Zahn-<br /> schwärzen

Jade-Toothed Skull.jpg|Jade verzierte Fronzähne

Hammaskoru.jpg|Twinkle

DentalGrill.jpg|Grills

Tajikistan gold teeth new.jpg|Goldkronen

Boukhara-Dame souriante.jpg|Usbekistan

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Zeile 373:

[[Datei:Bruck Das Urethroscop.JPG|mini|150px|Stomatoscop und Urethroscop nach Bruck]]

Die im 19. Jahrhundert immer filigraner werdenden Behandlungsverfahren erforderten zunehmend eine bessere Sicht auf das Behandlungsfeld. Der Breslauer Wund- und Zahnarzt [[Julius Bruck (Mediziner)|Julius Bruck]] (1840–1902) griff die Operationsmethode der [[Galvanokaustik (Medizin)|Galvanokaustik]] von [[Albrecht Theodor Middeldorpf]] (1824–1868) auf und veröffentlichte 1865 seine Konstruktion in dem Buch ''Das [[Stomatoscop]] zur Durchleuchtung der Zähne und ihrer Nachbartheile durch galvanisches Glühlicht''. Bereits zwei Jahre später entwickelte er auf dem gleichen Prinzip beruhend das ''[[Ureteroskopie|Urethroscop]] zur Durchleuchtung der Blase und ihrer Nachbartheile''. Er gilt seitdem als Pionier der [[Endoskop]]ie.<ref>Markus Eric Walter,: [https://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/opus4/frontdoor/index/index/year/2003/docId/5319 Der Wund- und Zahnarzt Julius Bruck (1840–1902), sein "Urethroscop"„Urethroscop“ und "Stomatoscop"„Stomatoscop“ und deren Bedeutung für die Entwicklung der Endoskopie], Dissertation (2003), Goethe-Universität, Frankfurt. Abgerufen am 22. Juli 2016.</ref><ref>{{Literatur |Titel=Deutsche Vierteljahrsschrift für Zahnheilkunde |Datum=1866 |Seiten=76 |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=nHwvAAAAIAAJ&pg=PA76 Google Books]|Seite=76}}}}</ref> Er verwendete das „Stomatoscop“ sowohl zur besseren Diagnostik der Mundhöhle (lateinisch ''stoma''; altgriechisch το στομα, to stoma = Mund, Mündung, letzte Öffnung.<ref>Ludwig August Kraus: "''Kritisch-etymologisches medicinisches Lexikon",''. 3. Auflage,. Verlag der Deuerlich- und Dieterichschen Buchhandlung, Göttingen 1844, S. 995.</ref> Vgl. „[[Stomatologie]]“) als auch mittels [[Diaphanoskopie]] zur Kariesdiagnostik. Laut [[Dentalhistorisches Museum Zschadraß|Dentalhistorischem Museum Zschadraß]] erfand den Mundspiegel Joseph Murphy im Jahr 1811.<ref>[http://www.dentalmuseum.eu/index.html Dentalhistorischem Museum Zschadraß]</ref>

=== Weitere Therapieverfahren ===

[[Tiberius Cavallo]] veröffentlichte 1777 sein Buch ''A complete treatise on electricity'', in dem er die Anwendung von elektrischem Strom zur Behandlung von Zahnschmerzen empfahl. Er entwickelte hierfür ein entsprechendes Instrument, mit dem Stromreize gezielt an einen Zahn abgegeben werden konnten.<ref>Joseph F. Keithley: [httphttps://books.google.de/books?id=uwgNAtqSHuQC&pg=PA35 ''The Story of Electrical and Magnetic Measurements.'' S. 35]. Abgerufen am 26. November 2014.</ref> Seine Ideen wurden in der Neuzeit aufgegriffen und Geräte zur elektrischen [[Sensibilitätsprüfung#Elektrischer Test|Sensibilitätsprüfung]] von Zähnen entwickelt, mit denen die Vitalität der Zähne geprüft werden kann.

== Zahnhandel und -transplantationen ==

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Der Engländer Hunter glaubte noch im 18. Jahrhundert, dass ein frisch extrahierter Zahn nur genügend schnell bei einem anderen Patienten eingesetzt werden müsse, um erfolgreich anzuwachsen.<ref>J. Kobler: ''The Reluctant Surgeon; a Biography of John Hunter.'' 1. Ausgabe. Doubleday & Co., 1960, ISBN 1-888173-96-3, S. 141.</ref> Mit gedruckten Anzeigen lockte er ganze Scharen ärmerer ‚Zahnspender‘ an, die sich für ein paar [[Penny (Münze)|Pence]] ihre gesunden Zähne extrahieren ließen, damit diese sofort im Anschluss wohlhabenderen Zeitgenossen eingesetzt werden konnten. Hunters wissenschaftliche Reputation führte dazu, dass seine ‚[[Zahntransplantation]]en‘ nicht nur in Europa, sondern auch in den USA Nachahmer fanden.<ref>W. Moore: ''The Knife Man: Blood, Body Snatching, and the Birth of Modern Surgery.'' Bantam Press, 2005, ISBN 0-593-05209-9, S. 107.</ref> Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde diese Methode, die mit einer hohen Infektionsgefahr (insbesondere [[Syphilis]]) für die Patienten einherging, aufgegeben.<ref>J. Kobler: ''The Reluctant Surgeon; a Biography of John Hunter.'' 1. Ausgabe. Doubleday & Co., 1960, ISBN 1-888173-96-3, S. 142.</ref>

Menschliche Zähne wurden daraufhin von [[Leichenfledderei|Leichenfledderern]] aus Grüften und von Schlachtfeldern erbeutet und durch Zahnärzte in [[Zahnersatz#Totalprothese|Zahnprothesen]] eingebaut. Als [[George Washington]] 1789 erster Präsident der Vereinigten Staaten wurde, war er 57&nbsp;Jahre alt und hatte nur noch einen Zahn. Washington behalf sich mit einer kosmetischen Prothese aus Flusspferdzähnen, [[Elfenbein]] und menschlichen Zähnen,<ref name="Museum" /> die [[John Greenwood (Zahnmediziner)|John Greenwood]] ([[#Schulzahnpflege|s. u.]]) angefertigt hatte. Vormals Tischler und Mechanikus nautischer Instrumente in New York City, hatte dieser als Dentist von sich reden gemacht. Seine Praxis war eine Art Versandhaus für Gebissprothesen. Wer ihm einen Wachsabdruck seiner Zahnlücke schickte, erhielt postwendend das passende Zahnimitat.<ref>Reinhard Tiburzy,: [https://taz.de/!654553/ Der zahnlose Präsident.], taz. Abgerufen am 13. Januar 2017.</ref>

Im Jahr 1799 hielt [[Francisco de Goya]] eine Szene im Gemälde ''A caza de dientes'' ([[Spanische Sprache|span.:]] Jagd auf Zähne) fest, in der eine gut gekleidete Frau einem [[Hängen|Gehenkten]] die Zähne aus dem Mund bricht. Goya kritisierte mit seinen [[Los Caprichos|Caprichos]] die Zustände im damaligen [[Spanien]], vor allem die Geldgier der besitzenden Stände.<ref name="Museum">[https://www.deutsches-museum.de/ausstellungen/sonderausstellungen/rueckblick/2005/ersatzteile/zaehne/zahnlose-geschichte/ Zahnlose Geschichte], Deutsches Museum. Abgerufen am 5. November 2014.</ref> Eine weit größere Quelle für menschliche Zähne für Prothesen war die [[Schlacht bei Waterloo]] (1815), in der mehrere 10.000 Soldaten fielen, darunter viele junge Männer mit gesunden Zähnen. Der Handel mit diesen Zähnen, mit denen Zahnersatz gefertigt wurde, nahm solche Ausmaße an, dass sie später [[Waterloo-Zähne]] ([[Englische Sprache{{enS|engl.:]] ''Waterloo teeth''}}) genannt wurden.<ref>Stephanie Pain,: ''The great tooth robbery.'' In: ''New Scientist'', 2295 (16. Juni 2001), 2295; {{ISSN|0262-4079}}, ([http://www.historyhome.co.uk/c-eight/france/teeth.htm Online])historyhome.co.uk] abgerufen am 1. November 2014.</ref> Das Sammeln von Waterloo-Zähnen gab es aber schon nach der [[Völkerschlacht bei Leipzig]] vom 16. bis zum 19. Oktober 1813. Dort, wo sich rund 600.000 Soldaten aus mehreren europäischen Staaten gegenüberstanden, verloren über 92.000 von ihnen das Leben. Nachdem der Schlachtenlärm abgeklungen war, wurden die Kampfplätze in der Peripherie von Leipzig von einer Schar Plünderer heimgesucht, die versuchten, alles was Wert besaß, zu ergattern. Am schlimmsten waren die Fledderer, „welche den Toten die Kinnladen aufbrachen und die schönsten und weißesten Zähne herausrissen, um sie zum Einsetzen in der Folge zu verkaufen“. Teilweise entrissen sie den noch Sterbenden ihre Zähne.<ref>Jan N. Lorenzen: ''1813 – Die Völkerschlacht bei Leipzig.'' In: Ders.: ''Die großen Schlachten. Mythen, Menschen, Schicksale.'' Campus Verlag, Frankfurt/New York 2006, ISBN 3-593-38122-2, S.&nbsp;133.</ref> Den florierenden Handel mit Zähnen von Schlachtfeldern gibt auch der Würzburger Zahnarzt und Begründer der deutschen wissenschaftlichen Zahnheilkunde<ref>Vgl. H.-H. Eulner: ''Die akademische Frühzeit der Zahnheilkunde in Deutschland.'' In: ''Medizinhistorisches Journal.'' Band 1, 1966, S. 3–15.</ref> [[Carl Joseph Ringelmann]] (1776–1854) in seinem Werk „Der Organismus des Mundes, besonders der Zähne“ aus den 1820er-Jahren wieder.<ref>K. J. Ringelmann, ''Der Organismus des Mundes, besonders der Zähne, deren Krankheiten und Ersetzungen für Jedermann insbesondere für Aeltern, Erzieher- und Lehrer'', Nürnberg 1824, S. 527.</ref> Das Entnehmen von gesunden Zähnen bei lebenden Menschen aus niederen sozialen Schichten für die Reichen hält er für ethisch verwerflich, denn dies sei ein barbarisches Verfahren, „wodurch sich die Heilkunst als eine entweihte Dienerin des höchsten Grades menschlicher Verworfenheit bekundet“.<ref>K. J. Ringelmann, ''Der Organismus des Mundes, besonders der Zähne, deren Krankheiten und Ersetzungen für Jedermann insbesondere für Aeltern, Erzieher- und Lehrer'', Nürnberg 1824, S. 513.</ref> Diese unmoralische Praxis verewigte [[Victor Hugo]] (1802–1885) literarisch in seinem Roman „[[Die Elenden|Les Misérables]]“ (Die Elenden). Dort hat die arbeitslos gewordene Fantine ihre Schneidezähne verkauft, um mit dem Geld ihrer angeblich kranken Tochter Cosette zu helfen.

Als Prothese wurden auch Zähne eines Flusspferdes auf den Kiefer passend geschnitzt. Teilweise wurden an der geschnitzten Prothesenbasis aus Zähnen eines [[Flusspferd|Hippopotamus]] Waterloo-Zähne befestigt. Beides konnten sich nur begüterte Kreise im [[Viktorianisches Zeitalter|Viktorianischen Zeitalter]] leisten. Ein weiteres „Reservoir“ für menschliche Zähne war der [[Sezessionskrieg|Amerikanische Bürgerkrieg]] (1861 bis 1865). Auch dort wurden den Gefallenen Zähne extrahiert und massenhaft nach London verschifft. Diese Zähne nannte man mit dem inzwischen eingebürgerten Begriff ebenfalls Waterloo-Zähne.<ref name="O'Keeffe2014">{{Literatur |Autor=Paul O'KeeffeO’Keeffe |Titel=Waterloo: The Aftermath |Verlag=Random House |Datum= |ISBN=978-1-4464-6633-9 |Seiten=57 |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=L0PLAwAAQBAJ&pg |SeitenID=PT57 Google Books]}}}} Abgerufen am 27. November 2014.</ref> Die Beendigung der Fledderei dürfte durch den veränderten Umgang mit Kriegsgefangenen und Gefallenen nach der Unterzeichnung der ersten [[Genfer Konventionen|Genfer Konvention]] vom 22. August 1864 gewesen sein. Auf der international besetzten Konferenz gingen zwölf europäische Staaten einen revolutionären Schritt hin zu mehr Humanität. In der [[Haager Landkriegsordnung]] von 1907 steht unter Kapitel I. ''Verwundete und Kranke'', Artikel 3 (''Pflicht des Siegers''): „Nach jedem Kampf soll die das Schlachtfeld behauptende Partei Maßnahmen treffen, um die Verwundeten aufzusuchen und sie, ebenso wie die Gefallenen, gegen Beraubung und schlechte Behandlung zu schützen“, ([[Reichsgesetzblatt]], Nummer 25, 8. August 1907, S. 279 ff.).<ref>[http://www.geschichtsthemen.de/haager_landkriegsordnung.htm Haager Landkriegsordnung]</ref> Dies setzte der Praxis der Leichenfledderei ein offizielles Ende. Jedoch lebte sie unter den Nationalsozialisten unter anderem in Form der [[Geschichte des Zahnarztberufs#Zahngold-Verwertung|Zahngold-Verwertung]] der KZ-Opfer, wobei auch Gefangene zur Explantation der Zähne gezwungen<ref>Benjamin Jacobs: ''Zahnarzt in Auschwitz. Häftling 141129 berichtet.'' Aus dem Amerikanischen übersetzt von Birgitta Karle, mit 15 Originalzeichnungen von Wolfgang Gerabek und einem Vorwort von Wilhelm Schulz, Deutscher Wissenschaftsverlag, Würzburg und Boston 2001, ISBN 3-935176-20-1.</ref> wurden, wieder auf.

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A fashionable dentist's practice; healthy teeth are being ex Wellcome L0013320.jpg|Zahntransplantation in der „feinen Gesellschaft“

GWashingtonsteethLOC.jpg|Prothese von George Washington

Francisco de Goya, A caza de dientes (Out Hunting for Teeth), published 1799, NGA 7486.jpg|Goya: A caza de dientes

Dentures with Waterloo Teeth - Military Museum - Dresden - Germany crop.jpg|Waterloo-Zähne

Carving instrument used to make ivory dentures, Europe, 1701 Wellcome L0057114.jpg|Schnitzinstrument

Lower denture with human teeth, England, 1800-1870 Wellcome L0057248.jpg|Hippopotamus-Prothese

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[[Datei:Wilsons CO-RE-GA, Corega chemical co, flesje, foto1.JPG|mini|100px|Historisches Haftpulver Wilsons CO-RE-GA, 1930er Jahre]]

Dem Wunsch nach natürlich aussehendem Zahnersatz wollte 1789 der Franzose [[Nicolas Dubois de Chémant]] nachkommen und meldete die von ihm entwickelten [[Porzellanzahn|Porzellanzähne]] zum [[Patent]] an.<ref name="Dental Guide">{{Webarchiv |url=http://completedentalguide.co.uk/history-of-dentistry/ |text=Geschichte der Zahnmedizin |wayback=20160714150814}}, Complete Dental Guide. Abgerufen am 22. September 2014.</ref> Sie wurden ''incorruptible'' ([[Französische Sprache|franz.:]] unzerstörbar, „unverweslich“) genannt, im Gegensatz zum übelriechenden beinernen Zahnersatz. Chémant griff die Idee des Apothekers [[Alexis Duchâteau]] (1714–1792) auf, der 1774 mit der Herstellung von Porzellanzähnen experimentiert hatte. Der italienische Zahnarzt [[Giuseppangelo Fonzi]] (1768–1840) eignete sich die Kenntnisse an und erlangte 1815 Ruhm durch seine erfolgreiche Produktion von Porzellanzähnen, die er mittels Metallstiften fest mit der Prothesenbasis verband. Der Ruf dieser ''incorruptible'' verbreitete sich bis an den bayerischen Königshof in [[München]], zum russischen Zaren [[Alexander I. (Russland)|Alexander&nbsp;I.]] und von dort zu den spanischen [[Haus Bourbon|Bourbonen]].<ref>Bernard Kurdvk,: [https://www.fauchard.org/publications/43-giuseppangelo-fonzi Giuseppangelo Fonzi], [[Pierre Fauchard Academy]]. Abgerufen am 10. Februar 2016.</ref><ref>Zum Porzellan vgl. auch Heinrich-Alfred Dilsen: ''Das Porzellan und seine Verwendung in der Zahnheilkunde. Eine historische Studie.'' Medizinische Dissertation Köln 1965.</ref>

Am 9. März 1822 wurde dem New Yorker Charles M. Graham ein US-[[Patent]] bewilligt für seine Erfindung einer Verbesserung im Aufbau künstlicher Zähne.<ref>{{Literatur |Autor=Peter Force |Titel=A National Calendar ... |Verlag=Davis and Force |Datum=1823 |Seiten=168 |Online=[https://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=BWY9AAAAYAAJ&pg=PA168 Google Books]|Seite=168}}}}, Band 4, Seite 168. Washington 1823, (englisch). Abgerufen am 11. März 2017.</ref> Im Jahre 1839 erfand [[Charles Goodyear]] die [[Vulkanisation]], ein Verfahren, bei dem [[Naturkautschuk|Kautschuk]] unter Einfluss von Zeit, Temperatur und Druck gegen atmosphärische und chemische Einflüsse sowie gegen mechanische Beanspruchung widerstandsfähig gemacht wird. Daraus resultierten bald die [[Kautschukprothese]]n nach [[Thomas W. Evans]] und [[Clark S. Putnam]] (1864), in die Porzellanzähne eingebaut werden konnten.<ref>Heinrich Schnettelker,: [https://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/249/pdf/Kautschukprothese.pdf Die Geschichte der Kautschukprothese] (PDF) Dissertation, 2001. Abgerufen am 22. April 2015.</ref> Um 1840 wurden etwa 500.000 Porzellanzähne von Paris aus in die USA exportiert, womit eine rasante Zunahme von Zahnärzten und Zahntechnikern einherging.<ref name="Noble" /> Einer Umfrage in den USA zufolge wurden 1940 etwa 70 % aller dortigen Zahnprothesen aus Kautschuk gefertigt.<ref>H. D. Kimball, Modern denture base materials, and what to expect of them. J Am Dent Assoc 25, (1938) S. 243–252.</ref> Der ab 11. Dezember 1802 als Hofzahnarzt von [[Friedrich Karl August (Waldeck-Pyrmont)]] tätige [[Jakob Calmann Linderer]]<ref>[[Dominik Groß]]: [https://www.zm-online.de/archiv/2017/10/gesellschaft/jacob-callmann-linderer-zahnerhalter-der-ersten-stunde/ ''Jacob Callmann Linderer – Zahnerhalter der ersten Stunde''.] (= ''Wegbereiter der Zahnheilkunde.'' Teil 3). In: ''Zahnärztliche Mitteilungen.'' Heft 10, 2017.</ref> (1771–1840), eigentlich ''Callmann Jacob'', kann als in der Tradition von Fauchard, Pfaff, Hunter und Fox stehender Pionier des Zahnersatzes<ref>Jürgen Kinzel: ''Der Zahnersatz in Jakob Calmann Linderers Schrift „Lehre von den gesammten Zahnoperationen“ (1834).'' Medizinische Dissertation, Würzburg 2003, [https://opus.bibliothek.uni-wuerzburg.de/opus4-wuerzburg/frontdoor/deliver/index/docId/1000/file/Linderer.pdf uni-wuerzburg.de] (PDF; 933&nbsp;kB).</ref> und der wissenschaftlichen Zahnmedizin des ersten Drittels des 19. Jahrhunderts bezeichnet werden. Der „Linderer“ (vor 1805/1808 Callmann Jacob) war 1812 Göttinger Universitätszahnarzt, praktiziert später in Erfurt, Berlin und Königsberg und veröffentlichte 1834 das Buch ''Lehre von den gesamten Zahnoperationen''.<ref>Jakob Calmann Linderer: ''Lehre von den gesammten Zahnoperationen nach den besten Quellen und eigener vierzigjährigen Erfahrung.'' Berlin 1834; Neudruck Bremen 1981.</ref><ref name="Kinzel">Jürgen Kinzel, [https://opus.bibliothek.uni-wuerzburg.de/files/1000/Linderer.pdf Der Zahnersatz in Jacob Callman Linderers Schrift „Lehre von den gesammten Zahnoperationen“ (1834)] (PDF; 933&nbsp;kB) Dissertation, 2003. Abgerufen am 22. Dezember 2014.</ref><ref>Ullrich Rainer Otte: ''Jakob Calmann Linderer (1771–1840). Ein Pionier der wissenschaftlichen Zahnmedizin.'' Medizinische Dissertation, Würzburg 2002.</ref><ref>{{Literatur |Titel=Jahresbericht über die Fortschritte der gesamten Medicin in allen Ländern |Verlag=Enke |Datum=1842 |Seiten=4 |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=vRRAAAAAcAAJ&pg |SeitenID=RA4-PA65 Google Books]}}}}</ref>

Auf dem Gebiet der Totalprothetik wurde im Jahre 1864 die [[Funktionsabformung]] von J. Schrott beschrieben, fand aber erst in den 1960er Jahren Eingang in die Praxis.<ref>R. Marxkors,: ''50 Jahre Westfälische Gesellschaft - Ein Rück- und Überblick,''. In: ''Zahnärztliche Mitteilungen'', 24 (2007), 24, S. 82–88.</ref> Bis dahin baute man zur Erzeugung der Saugwirkung und damit des Halts einer Prothese [[Saugnapf|Saugnäpfe]] in Oberkieferprothesen ein. Diese erzeugten jedoch bei langjähriger Verwendung Kieferdefekte bis hin zu Perforationen des [[Gaumen]]s, worauf man dieses Hilfsmittel wieder verließ.

Der Prothesenkunststoff [[Polymethylmethacrylat]] (PMMA) wurde 1928 etwa zur selben Zeit in Deutschland, Großbritannien und Spanien entwickelt. In Deutschland war hieran der Chemiker [[Walter Bauer (Chemiker)|Walter Bauer]] (1893–1968) beteiligt. Durch die Firma Kulzer & Co. wurde im Jahre 1936 das von Bauer entwickelte chemoplastische Verarbeitungsverfahren (Paladonverfahren) vorgestellt.<ref>A. Schmidt,: ''Die Geschichte der Methacrylate in der Stomatologie''. In: ''Zahntechnik'', 1978, 19, 436S. (1978)436.</ref> Es entspricht dem heute verbreiteten Verfahren, [[Polymer]]partikel mit [[Monomer]]flüssigkeit anzuteigen und plastisch in Hohlformen einzubringen. Der Kunststoff wurde in den 1950er Jahren so weit entwickelt, dass er den Kautschuk verdrängt hat. Für Patienten, die über [[Allergie|Kunststoffunverträglichkeiten]] klagen, bietet hierzu auch heutzutage eine Teil- oder [[Totalprothese]] aus Kautschuk eine Alternative.<ref>H. Schnettelker, [https://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/249/pdf/Kautschukprothese.pdf Die Geschichte der Kautschukprothese] (PDF) Dissertation 2001. Abgerufen am 9. November 2014.</ref>

[[Datei:Temporary package Rubber discs.jpg|mini|links|Verpackungstüte von Gummisaugern; in Oberkiefer-Prothesen wurden Metall-Knöpfe eingebaut, an denen diese Sauger zum besseren Halt befestigt wurden. Hersteller ''J. Meunier Burdin'', um 1920.]]

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[[Datei:Chassepot-Papierpatrone.jpg|mini|Papierpatrone eines Chassepotgewehres]]

Die S. S. White Company gab den ''The Dental News Letter'' heraus, eine der ersten Dentalzeitschriften. Sie ging 1939 im renommierten ''[[Journal of the American Dental Association]]'' (JADA) auf, der Fachzeitschrift der [[American Dental Association]] (ADA), der US-amerikanischen Zahnärztevereinigung. Whites Klassenkamerad und Freund [[Thomas W. Evans]], der später Leibzahnarzt von [[Napoleon&nbsp;III.]] wurde, führte Whites innovative Technik in Europa ein, beispielsweise Behandlungseinheiten mit dem [[Doriotgestänge]]. S. S. White wurde Vorsitzender der ADA. In dieser Funktion traf er während des [[Sezessionskrieg]]es (1861–1865) mit [[Abraham Lincoln]] zusammen, um ihm den Aufbau einer zahnärztlichen Versorgung für die Soldaten der [[Nordstaaten|Union]] vorzuschlagen. Wegen logistischer Schwierigkeiten wurde jedoch letztendlich nichts aus seinem Vorschlag. Hintergrund war, dass jeder Soldat mindestens sechs obere und sechs untere Zähne haben musste, um beim Laden seines [[Chassepotgewehr]]es das Ende der [[Papierpatrone]] mit den Zähnen halten und aufreißen zu können. (Aus einer preußischen Dienstanweisung stammt das Zitat: „…&nbsp;beißen soll der Kerl, bis er das Pulver schmeke.“).<ref>[http://www.sswt.com/history.htm Geschichte der S.S. White Technologies, Inc.] (englisch)</ref> Genau aus diesem Grund ließen sich junge Männer ihre gesunden Frontzähne extrahieren, um dem [[Wehrdienst]] zu entgehen.<ref>{{Literatur |Autor=James Wynbrandt |Titel=The Excruciating History of Dentistry: Toothsome Tales & Oral Oddities from Babylon to Braces |Verlag=St. Martin’s Press |Datum=2015 |ISBN=978-1-4668-9014-5 |Seiten=131– |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=ek7ABQAAQBAJ&pg=PA131 Google Books]|Seite=131}}}}</ref>

=== Artikulatoren ===

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Die frühe Geschichte der [[Gnathologie]] beginnt mit den Erkenntnissen von [[Andreas Vesalius|A. Vesalius]] (1514–1564) und geht über [[Francis H. Balkwill]] (1866), [[William Gibson Arlington Bonwill]] (1885), [[Ferdinand von Spee]] (1890), N. G. Bennett (1908), [[George H. Wilson]] (1917), R. L. Hanau (1926), [[Alfred Gysi]] (1929), [[George S. Monson]] (1932), [[Konrad Thielemann]] (1938), und später mit [[Ulf Posselt]] (1952), A. E. Aull (1965), [[Albert Gerber]] (1978), [[Alexander Motsch]] (1978), [[Charles H. Gibbs]] (1982) bis zu C. Riise (1983).<ref name="Anne">Anne End, [ftp://www.image-instruments.de/Rolf/Promotion_End_Anne.pdf Statische und dynamische Okklusionstheorien.] Dissertation, S. 7. Abgerufen am 15. Dezember 2016.</ref>

Später übernahmen [[Arne G. Lauritzen]], [[Peter K. Thomas]], [[Charles E. Stuart (Zahnmediziner)|Charles E. Stuart]] und [[Harry Lundeen]] (1987) die Weiterentwicklung mit zunehmendem Einsatz von [[Gesichtsbogen|Gesichtsbögen]] sowie bei zahnlosen Patienten die Verwendung von [[Stützstiftregistierung|Stützstiftregistraten]].<ref>H. Stemmann, {{Webarchiv |url=http://www.ag-dentale-technologie.de/ADT%20Kurzreferate%202015.pdf |text=Zukunft braucht Herkunft – vom umgebogenen Türscharnier bis zum virtuellen Artikulator |wayback=20151117024417}} (PDF) 44. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Dentale Technologie, Juni 2015, S. 6–13. Abgerufen am 6. September 2015.</ref> In Deutschland übernahmen als erste [[Axel Bauer (Zahnmediziner)|Axel Bauer]] und [[Alexander Gutowski]] diese Konzepte,<ref>Alexander Gutowski, Axel Bauer: ''Gnathologie: Einführung in Theorie und Praxis'', Quintessenz-Verlag, 3. Auflage 1984., ISBN 3-87652-158-0. Abgerufen am 6. September 2015.</ref> in der Schweiz [[George Graber]], [[Dekan (Hochschule)|Dekan]] der medizinischen Fakultät der [[Universität Basel]]. Bis heute gibt es keine Lehre weder der statischen noch der dynamischen Okklusion, welche auf wissenschaftlicher Grundlage und Beobachtung der menschlichen Physiologie ein Konzept entwickelt hat, das nicht artifiziell erdacht ist, sondern die Natur nachahmt und sich somit störungsfrei in das stomatognathe System eingliedern lässt.<ref name="Anne" />

=== Abformmaterialien ===

Nachdem [[Edwin Thomas Truman]] das [[Guttapercha]] entwickelt hatte ([[#Wurzelkanalbehandlung|s.&nbsp;u.]]), fügte 1856 der Londoner Zahnarzt [[Charles Stent|Charles T. Stent]] (1807–1885) insbesondere [[Stearin]] hinzu, das die [[Plastizität (Physik)|Plastizität]] des Materials sowie seine Stabilität verbesserte, [[Talk (Mineral)|Talkum]] als inerten Füllstoff, um dem Material mehr Masse zu geben, ferner Harz und roten Farbstoff und es entstand das nach ihm benannte thermoplastische Material für die [[Abformung (Medizin)|Abformung]] der Kiefer und Zähne.<ref>{{Literatur |Autor=[[Christian Bruhn (Mediziner, 1868)|Christian Bruhn]], F. Gutowski, A. Gysi, F. Hauptmeyer, Stephan Loewe, Karl Kukulies, Paul Wustrow |Titel=Zahnärztliche Prothetik |Verlag=Springer |Datum=2013 |ISBN=978-3-642-99582-8 |Seiten=116 |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=oznMBgAAQBAJ&pg=PA116 books.google.com]|Seite=116}}}}</ref> [[Stent (Abformmaterial)|Stent]] löste das bis dahin gebräuchliche Bienenwachs und Gips als Abdruckmaterial ab.<ref>J. B. Mulliken, R. M. Goldwyn: ''Impressions of Charles Stent.'' In: ''Plastic and reconstructive surgery.'' Band 62, Nummer 2, August 1978, {{ISSN|0032-1052}}, S.&nbsp;173–176, PMID 353841.</ref> Nach dem Tod von Charles Stent übergaben seine Söhne den Vertrieb des Materials an ein Dentalunternehmen namens ''Claudius Ash and Sons''. Nachdem die beiden Söhne Stents um 1900 verstorben waren, kauften die Ash-Brüder alle Rechte und behielten den Namen Stent bei.<ref>Malvin E. Ring, [https://www.fauchard.org/publications/34-the-story-of-dr-charles-stent The Story of Dr. Charles Stent], Pierre Fauchard Academy. Abgerufen am 26. Mai 2016.</ref> Für den Gipsabdruck wurde ein spezieller, leicht brechender Abdruckgips verwendet, der nach dem Abbinden stückweise aus dem Mund herausgebrochen werden konnte. Die Bruchstücke wurde anschließend zusammen geklebt und mit einem Hartgips ausgegossen, um das endgültige Modell herzustellen. Auch die [[Stent]]s, die als medizinisches Implantat, beispielsweise in der [[Stentangioplastie]] an den [[Koronargefäß|Herzkranzgefäßen]] verwendet werden, haben ihn als Namensgeber.<ref>S. Sterioff: ''Etymology of the word „stent“.'' In: ''Mayo Clinic proceedings.'' Band 72, Nummer 4. April 1997, {{ISSN|0025-6196}}, S.&nbsp;377–379, PMID 9121189.</ref>

Der britische [[Chemiker]] und [[Pharmazeut]] [[Edward Curtis Stanford]] gilt als Entdecker des Alginats, der 1880 [[Alginsäure]] aus [[Braunalgen]] extrahierte.<ref>{{Literatur |Autor=Rainer Habekost |Titel=Abformen mit Alginat: Perfekte Abbilder mit Alginat |Verlag=epubli |Datum=2012 |ISBN=978-3-8442-1539-7 |Seiten=20– |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=hSwFj7IfZWsC&pg |SeitenID=PT20 Google Books]}}}}</ref> 1940 wurden die Salze der Alginsäure, die allgemein als Alginate bezeichnet werden, als Abformmaterial in die Zahnheilkunde eingeführt. Alginate sind irreversible [[Hydrokolloide]], weil sie durch eine nicht reversible chemische Reaktion abbinden, bei der [[Natrium|Na-]]Alginat zu [[Calcium|Ca-]]Alginat umgewandelt wird. Mit den reversiblen Hydrokolloiden erfolgte 1925 die Einführung der ersten elastischen Abformmassen. Anfang der 1950er Jahre wurden die [[elastomere]]n Abformmaterialien eingeführt, zunächst die elastomeren [[Polysulfide]] (Thiokole) und die kondensationsvernetzenden [[Silikone]], 1965 gefolgt von den [[Ether#Polyether|Polyethern]] (Impregum, [[3M#3M in Deutschland|3M ESPE]]) und 1975 von den additionsvernetzenden Silikonen (Vinyl-Polysiloxan).<ref>{{Literatur |Hrsg=Heinrich F. Kappert, Karl Eichner |Titel=Zahnärztliche Werkstoffe und ihre Verarbeitung. 1: Grundlagen und Verarbeitung |Verlag=Georg Thieme (Heidelberg 1996), Stuttgart / New York |Datum=2005 |ISBN=3-13-127148-5 |Seiten=274–274 ff. |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=jqjlJK693QEC&pg=PA274 books.google.com]|Seite=274}}}}</ref><ref>[http://solutions.3mdeutschland.de/wps/portal/3M/de_DE/3M_ESPE/Dental-Manufacturers/Dental-Education-Knowledge-Base/Dental-Impression/Die-Abformung-In-Der-Zahnmedizin/ Die Abformung in der Zahnmedizin], 3M. Abgerufen am 2. März 2016.</ref>

=== Kronen ===

Im Mai 1869 beschrieb [[William N. Morrison]] die nach ihm benannte [[Zahnkrone#Ring-Deckel-Krone|Ring-Deckel-Krone]] (''Morrison crown'') im ''Missouri Dental Journal''.<ref>James Harrison Prothero,: [https://www.ebooksread.com/authors-eng/james-harrison-prothero/prosthetic-dentistry-tor/page-84-prosthetic-dentistry-tor.shtml Prosthetic dentistry online]. Abgerufen am 5. April 2015.</ref> Diese Metallbandkronen, auch Bandhülsenkronen genannt, fanden breite Anwendung vor der Etablierung der Gusstechnologie.<ref>K. W. Alt, Historische Entwicklung des Kronen- und Brückenersatzes. In: Strub JR, Türp JC, Witkowski S, Hürzeler MB, Kern M: Curriculum Prothetik Band II. 2. Auflage. Quintessenz, Berlin / Chicago / London (usw.) 1999, ISBN 978-3-86867-027-1, S. 661–663.</ref> Hierzu wurde ein Band aus Gold dem zugeschliffenen Zahn ringförmig angepasst und verlötet. Die Kaufläche („Deckel“) wurde separat gegossen und anschließend mit dem Band verlötet. 1876 entwickelte [[Cassius M. Richmond]] aus [[San Francisco]] die nach ihm benannte Ringstiftkrone (''Richmond crown''), die auch eine Porzellanschale als Verblendung aufweisen konnte.<ref>{{Literatur |Autor=Christian Bruhn, F. Gutowski, A. Gysi, F. Hauptmeyer, Stephan Loewe, Karl Kukulies, Paul Wustrow |Titel=Zahnärztliche Prothetik |Verlag=Springer |Datum=2013 |ISBN=978-3-642-99582-8 |Seiten=624 |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=oznMBgAAQBAJ&pg |Seite=PA624 books.google.com]624}}}}</ref> 1907 erfand William H. Taggert eine Gussmaschine und eine [[Einbettmasse]], die ein direkt modelliertes Gussobjekt in Metall mittels [[Wachsausschmelzverfahren]] (''Lost-wax casting'') und Gussverfahren mit [[Verlorene Form|verlorener Form]] überführen konnte. Die Gussobjekte besaßen eine bis dahin nicht gekannte Passgenauigkeit.<ref>Wolfgang Strübig, Geschichte der Zahnheilkunde. Eine Einführung für Studenten und Zahnärzte. Deutscher Ärzte Verlag, Köln, 1989, S. 96–114., ISBN 3-7691-1099-4.</ref> Die so hergestellten Gusskronen fanden jedoch erst in den 1950er Jahren breite Anwendung.

==== Verblendungen ====

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[[Datei:Caulk´s cement;The Dental cosmos (1914).jpg|mini|150px|Caulk’s Crown and Bridge and Gold Inlay Cement, 1914, Dental Cosmos]]

Zunächst als Füllungsmaterial gedacht, entwickelten die Dresdner [[Sylvestre Augustin Rostaing de Rostagni]] (1794–1866) und sein Sohn [[Charles Augustin Rostaing]] (*&nbsp;1831) den [[Zinkphosphatzement]], den sie 1858 auf den Markt brachten und der schließlich zur Befestigung von Kronen, Brücken und Inlays verwendet wurde.<ref>{{Literatur |Autor=Bernd Reitemeier |Titel=Einführung in die Zahnmedizin |Verlag=Georg Thieme Verlag |Datum=2006 |ISBN=3-13-139191-X |Seiten=5 |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=LfKceJs9blUC&pg |Seite=PA5 Google Books]5}}}}</ref> Nachdem Sylvestre Augustin Rostaing seine Rezeptur mit ins Grab genommen hatte, machte sich der Chemiker, Erfinder und Unternehmer [[Otto Hoffmann (Chemiker)|Carl Franz Otto Hoffmann]] daran, das ''Dentinagene'' nachzubilden. Er brachte das Befestigungsmaterial als ''Hoffmann’s Phosphatzement'' auf den Markt.<ref>[http://hoffmann-dental.com/?page_id=21 Der Pionier der Dentalindustrie], Hoffmann’s. Abgerufen am 26. Februar 2016.</ref> Die Mischung ''Dentinagene'' wurde ab 1892 auch durch die Berliner [[Harvard Dental Company]] als ''Harvard Zement'' vermarktet<ref>{{Literatur |Autor=Fritz Ullmann, Wolfgang Gerhartz, Y. Stephen Yamamoto, F. Thomas Campbell, Rudolf Pfefferkorn, James F. Rounsaville |Titel=Ullmann’s encyclopedia of industrial chemistry |Verlag=VCH |Datum=1987 |ISBN=0-89573-158-4 |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=9M1tAAAAIAAJ books.google.com]}}}}</ref><ref>{{Webarchiv |url=http://www.harvard-dental-international.eu/geschaeftsbereich/das-unternehmen.html?L=0 |text=Das Unternehmen Harvard |wayback=20160227225010}}. Abgerufen am 26. Februar 2016.</ref> dem die Firma ''L. D. Caulk Company'' (später mit [[Dentsply International]] fusioniert) mit den Caulk-Zementen in verschiedenen Farben folgte.

=== Keramik ===

Nachdem Goldkronen, insbesondere in der Front, ästhetisch zu wünschen übrig ließen, stellte Cassius M. Richmond 1870 Zahnkronen aus [[Zelluloid]] her, die dem natürlichen Zahn ähnlich sahen. Bedauerlicherweise verfärbte sich das Material schwarz oder grün, roch schlecht und verschwand deshalb bald wieder vom Markt.<ref>{{Literatur |Autor=Saundra Goodman |Titel=Got Teeth? a Survivor’s Guide: How to Keep Your Teeth Or Live Without Them! |Verlag=Dog Ear Publishing |Datum=2007 |ISBN=978-1-59858-299-4 |Seiten=52 |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=uzF2twPr5msC&pg=PA52 Google Books]|Seite=52}}}}</ref>

Erst die vom Zahnarzt [[Charles Henry Land]] (Detroit, USA) im Jahre 1889 zum Patent angemeldete [[Jacketkrone]] (Mantelkrone) aus Vollkeramik in Zahnfarbe stellte einen Durchbruch dar.<ref>C. H. Land: ''The scientific adaptation of artificial dentures''. 1885, University of Toronto – Harry R. Abbott Dentistry Library. {{archive.org |scientificadapta00land}}</ref><ref>C. H. Land: ''Porzellan dental art''. Detroit 1888, Herausgeber O.S. Gulley, Bornman. {{archive.org |cihm_37126}}</ref> Auf ein gefaltetes [[Platin]]hütchen wurde Keramik aufgebrannt und in die notwendige Form gebracht. Vor dem Einsetzen musste das Platin aus der Innenseite der Krone entfernt werden; anschließend konnte sie einzementiert werden.

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[[Datei:Zirkonoxid Zahnersatz.jpg|mini|links|Brücke [[Zahnschema#FDI-Zahnschema|14–16]] aus Zirkondioxid]]

Nach zahlreichen Versuchen meldeten M. Weinstein, S. Katz und A. B. Weinstein 1952 in den USA als erste ein Patent für eine Aufbrennkeramik an, jedoch platzte diese noch oft ab. Der [[Ausdehnungskoeffizient|Wärmeausdehnungskoeffizient]] (WAK) von Metall und Keramik differierte stark beim Erkalten von der Brenntemperatur von 880&nbsp;°C, was zu Spannungen führte. 1962 gelang es, den WAK zwischen Metall und Keramik anzugleichen und dadurch die Bruchgefahr erheblich zu reduzieren. Zeitgleich entwickelte die Firma ''Whip-Mix Corporation'' die phosphatgebundene [[Einbettmasse]], mit der die ersten hochschmelzenden [[Gold]]-[[Platin]]-[[Legierung]]en von ''J. F. Jelenko Company'' und ''J. Aderer Company'' gegossen werden konnten, die als Gerüst für keramikverblendete Kronen ([[Zahnkrone#Metallbasierte Kronen|VMK-Kronen]]) dienen. Damit waren die seitdem weltweit eingesetzten VMK-Kronen und -Brücken geboren ''(Verbund-Metall-Keramik)''.<ref>K. Krumbholz, Stand und Entwicklung von Dentalkeramiken. ZWR 3, 193–199 (1996)</ref><ref name="Eichner2005">{{Literatur |Autor=Karl Eichner |Titel=Zahnärztliche Werkstoffe und ihre Verarbeitung. 1. Grundlagen und Verarbeitung |Verlag=Georg Thieme Verlag |Datum=2005 |ISBN=3-13-127148-5 |Seiten=329 |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=jqjlJK693QEC&pg=PA329 Google Books]|Seite=329}}}}</ref>

Seit den 1970er-Jahren wird die Entwicklung von Vollkeramiksystemen vorangetrieben. Aufgrund der Festigkeit werden seit 1994 [[Zirconium(IV)-oxid|Zirkonoxidkeramiken]] bevorzugt bei metallfreien Versorgungen im hochbelasteten Seitenzahnbereich verwendet, gerade auch wenn es um die Fertigung industriell hergestellter Rohlinge für die CAD/CAM-Technologie geht.<ref>G. Graber, Ch. Besimo: ''Das DCS-Hochleistungskeramiksystem: Ein neuer Weg zur computergestützten Herstellung von metallfreien Zirkonoxid-Kronen und Brücken.'' In: ''Quintessenz Zahntech'' 1994; 20: 57–64.</ref><ref>{{Literatur |Autor=Joachim Tinschert, Gerd Natt |Titel=Oxidkeramiken und CAD/CAM-Technologien: Atlas für Klinik, Labortechnik und Werkstoffkunde |Verlag=Deutscher Ärzteverlag |Datum=2007 |ISBN=978-3-7691-3342-4 |Seiten=254 ff. |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=XQMenU85dpQC&pg=PA254 books.google.com]|Seite=254}}}}</ref>

=== Hochleistungskunststoff ===

Aus [[Polyetherketone|Polyaryletherketon]] (PAEK), entwickelt von [[E. I. du Pont de Nemours and Company|DuPont]], wurde 1978 [[Polyetheretherketon]] (PEEK), ein [[Hochleistungskunststoffe|Hochleistungskunststoff]] von dem Unternehmen [[Imperial Chemical Industries]] (ICI) in England entwickelt. Die Firma [[Victrex]] übernahm die Vermarktung, bis das Material 2012 über [[Juvora]] Einzug in die Zahnmedizin zur Herstellung von Zahnersatz fand.<ref>B. Siewert, M. Parra: ''[https://www.clinicasomosaguas.com/multimedia/ZZI_02_2013_Aus_der_Praxis_siewert.pdf ''Eine neue Werkstoffklasse in der Zahnmedizin, PEEK als Gerüstmaterial bei 12-gliedrigen implantatgetragenen Brücken].''.] (PDF; 586&nbsp;kB) In: ''Z Zahnärztl Implantol.'' Band 29, 2013, S. 148–159. Abgerufen am 13. Juli 2015.</ref>

== Geschichte des Zahntechnikerhandwerks ==

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Mit der Entwicklung von Materialien und Techniken Anfang des 19. Jahrhunderts bildete sich die Berufsgruppe der [[Zahntechniker]] heraus, die zu diesem Zeitpunkt noch als Zahnkünstler oder Dentisten bezeichnet wurden. [[Claudius Ash]] (1792–1854), ein [[Goldschmied|Silberschmied]], erledigte aus Interesse an Zahnersatz 1837 einen Auftrag für einen Londoner Zahnarzt so geschickt, dass er bald zu seinem eigenen Erstaunen den größten Teil seiner Zeit für zahnärztliche Aufträge verwendete. Er war somit einer der ersten professionellen Zahntechniker. Daraus entwickelte er ein renommiertes internationales Dentalunternehmen ''Claudius Ash and Sons'', das 1924 mit der Firma [[Dentsply International|DeTrey]] zur [[Amalgamated Dental Co. Ltd]] fusionierte und ist heutzutage eine Abteilung von Plandent, einem Tochterunternehmen von [[Henry Schein]].

In den USA trennte 1883 der Bostoner Zahnarzt W. H. Stowe die Herstellung von Zahnersatz von der zahnärztlichen Behandlung und schuf 1887 das erste zahntechnische Laboratorium zusammen mit seinem Cousin Frank F. Eddy in Boston, das als ''Stowe and Eddy'' firmierte.<ref>[https://nbccert.org/about-national-board-certification/history-of-regulation.cfm History, Regulation & Organization in Dental Laboratory Technology], National Board for Certification in Dental Laboratory Technology. Abgerufen am 20. Juli 2015.</ref> Das blühende Geschäft mit dem Zahnersatz (1930 gab es in den USA bereits ca. 3400 zahntechnische Laboratorien), der zudem Patienten per Zeitungsanzeige offeriert und im direkten Kontakt verkauft wurde, provozierte den Widerstand der Zahnärzte.<ref>W.H. Wright: ''The dentist, the dental technician, and the public'', J. Am. Dent. Assoc. 27 (1940) 1932.</ref><ref>''Societies protest bill licensing technicians'', J. Am. Dent. Assoc. 51 (Juli 1955) 102.</ref> An der Schwelle zum 20. Jahrhundert entstanden in Europa die ersten zahntechnischen Laboratorien. Der Schweizer Zahntechniker Arnold Biber eröffnete im Oktober 1886 sein Laboratorium in [[Pforzheim]]. Die Bezeichnung ''Zahntechniker'' wurde erstmals in der [[Reichsversicherungsordnung]] (RVO) von 1911 erwähnt. Zuvor gab es die ''Gebissarbeiter'' und die ''Innungen der Zahnkünstler''. Im Jahr 1930 bekam, auf Beschluss des Deutschen Handwerks- und Gewerbekammertages und des Reichsverbandes des Deutschen Handwerks, „das Gewerbe der Zahntechniker, die sich nicht mit Heilbehandlung befassen …“ seine Anerkennung als selbständiges Handwerk. Dieser Beschluss wurde 1951 mit dem ''Ulmer Abkommen'' zwischen dem Bundesverband der Zahnärzte e.&nbsp;V. (BDZ, später [[Bundeszahnärztekammer]]) und dem ''Bundesverband der rein gewerblichen zahntechnischen Laboratorien'' (BGZL) bestätigt.<ref>Uwe Seebacher,: [https://www.zahniportal.de/fileadmin/mediensammlung/dentalfresh/2011_03/df0311_12_14_zt.pdf Der Zahntechniker – ein Beruf im Wandel] (PDF; 296&nbsp;kB) dentalfresh#3 2011. Abgerufen am 20. Juli 2015.</ref> Im Jahr 1956 wurde als Nachfolgeorganisation der [[Verband Deutscher Zahntechniker-Innungen]] (VDZI) gegründet. Im ''Hamburger Abkommen'' haben der VDZI und der BDZ eine komplementäre Zusammenarbeit vereinbart. Die Zahntechniker verzichteten auf die Eingliederung des Zahnersatzes am Patienten, und die Zahnärzte sicherten ihre Bereitschaft zu, die Existenz eines leistungsfähigen handwerklichen Zahntechnikerstandes zu unterstützen und zu fördern. Dieses Abkommen vom 15. November 1958 ebnete den Weg zur Selbstständigkeit des Zahntechniker-Handwerks, denn es stellte die Erfüllung der rein handwerklich gewerblichen Tätigkeit sicher.<ref>[https://www.vdzi.de/der-vdzi/geschichte.html Geschichte des VDZI], Verband Deutscher Zahntechniker-Innungen. Abgerufen am 20. Juli 2015.</ref> 1977 wird das Zahntechniker-Handwerk mit Erlass des [[Gesundheitsreform in Deutschland#Gesundheitsreformen 1976–1983|Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes]] in die Reichsversicherungsordnung einbezogen, dem 1983 die Einführung des [[Bundeseinheitliches Leistungsverzeichnis|Bundeseinheitlichen Leistungsverzeichnisses für zahntechnische Leistungen]] (BEL-I) und 2004 des BEL II folgten, der Höchstpreisliste für zahntechnische Leistungen bei Versicherten der [[Gesetzliche Krankenversicherung|gesetzlichen Krankenversicherung]].<ref>[https://www.ziw.de/ziw/wir-ueber-uns/chronik/ Chronik], Zahntechnikerinnung Baden-Württemberg. Abgerufen am 23. Juli 2015.</ref>

== Geschichte der zahnärztlichen Anästhesie ==

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Ärzte des Mittelalters kannten und nutzten unter anderem die schmerzlindernde Wirkung von [[Schlafmohn]]. Er wurde von [[Yuhanna ibn Masawaih]] zur Behandlung bei Zahnschmerzen verwendet. Der islamische Gelehrte [[at-Tabarī]] erklärte, dass ein Extrakt aus Schlafmohn tödlich sein könne und Schlafmohnextrakte sowie [[Opium]] als Gifte angesehen werden müssen.<ref>{{Literatur |Autor=Sami Hamarneh |Titel=Pharmacy in medieval islam and the history of drug addiction |Sammelwerk=Medical History |Band=Vol. 16 |Nummer=3 |Datum=1972-07 |Seiten=228 |Sprache=en |DOI=10.1017/s0025727300017725 |PMC=1034978 |PMID=4595520}}</ref>

Der französische Chirurg [[Guy de Chauliac]] schrieb 1386 die ''[[Chirurgia magna]]'', in der er sich (auch) der [[Pathologie]] und [[Therapie]] der Zähne widmete. Darin wird unter anderem die Anwendung von [[Opium]] und [[Alraune (Kulturgeschichte)|Mandragora]] bei schmerzhaften Erkrankungen beschrieben, aber auch vor den [[Nebenwirkung]]en gewarnt.<ref name="Chauliac1997">{{Literatur |Autor=Guy De Chauliac |Titel=Guigonis de Caulhiaco (Guy de Chauliac) Inventarium sive Chirurgia magna: Text |Verlag=BRILL |Datum=1997 |ISBN=90-04-10706-1 |Online=[http://books.google.com/books?id=Z4aQ0i5VhlUC {{Google Books]Buch |BuchID=Z4aQ0i5VhlUC}}}}</ref>

[[Anästhetikum|Narkosemittel]] fanden erst sehr viel später breitere Anwendung. Zunächst wurde das [[Distickstoffmonoxid|Lachgas]] (N<sub>2</sub>O) 1772 von [[Joseph Priestley]] synthetisiert. Die besondere medizinische Wirkung entdeckte der Chemiker [[Humphry Davy]] 1799 bei Selbstversuchen. [[Horace Wells]] (1815–1848), einer der führenden Zahnärzte in [[Hartford (Connecticut)]], entdeckte das Lachgas als taugliches Narkosemittel für die zahnärztliche Praxis. Wells hatte dessen schmerzstillende (Neben-)Wirkung bei einer Lachgasvorführung beobachtet, die [[Gardner Quincy Colton]] (1814–1898), ein Chemiker mit abgebrochenem Medizinstudium, am 10. Dezember 1844 in dem Ort veranstaltet hatte. Während der Vorführung der humoristischen Effekte des Lachgases zog sich einer der Teilnehmer der Lachgasshow eine tiefe blutende Beinwunde zu, aber empfand dabei keine Schmerzen durch die Verletzung.<ref>{{Literatur |Autor=Horace Wells |Titel=A History of the Discovery of the Application of Nitrous Oxide Gas, Ether and Other Vapors to Surgical Operations |Verlag=J. Gaylord Wells |Datum=1847 |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=exNtlBi8T4EC Google Books]}}}}</ref> Horace Wells, der mit dem „Vater der Parodontologie“ [[John Mankey Riggs]] ([[#Parodontologie|s.&nbsp;u.]]) eine Praxisgemeinschaft betrieb, war es, der sich daraufhin im Selbstversuch am darauffolgenden Tag, dem 11. Dezember 1844, einen oberen [[Weisheitszahn]] schmerzfrei durch Riggs extrahieren ließ, während Colton das Lachgas mit seiner Apparatur verabreichte.<ref>{{Literatur |Autor=Tom Sherlock |Titel=Colorado’s Healthcare Heritage |Verlag=iUniverse |Datum=2013 |ISBN=978-1-4759-8026-4 |Seiten=38 |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=T46bBnZIX6sC&pg=PA38 Google Books]|Seite=38}}}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Thomas E. Keys |Titel=Die Geschichte der chirurgischen Anaesthesie |Verlag=Springer, |Ort=Berlin/ Heidelberg |Datum=2013 |ISBN=978-3-662-11494-0 |Seiten=43–44 |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=nsWpBgAAQBAJ&pg |Seite=PA43 Google Books]43}}}}</ref> Geschätzte eine Million Zähne habe nachfolgend Colton (und seine Assistenten) unter Lachgas [[Extraktion (Zahnmedizin)|extrahiert]].<ref>[http://query.nytimes.com/mem/archive-free/pdf?res=9803EFDA1139E433A25751C1A96E9C94699ED7CF Gardner Q. Colton dead] (PDF) New York Times, 12. August 1898. Abgerufen am 15. April 2015.</ref> Im Jahre 1868 entwickelten George Barth und J. Coxeter ein Verfahren zur Verflüssigung von Lachgas, so dass es in Gasflaschen in den Handel gelangen konnte. Der bereits erwähnte William Gibson Arlington Bonwill (s. o.) propagierte ein Verfahren zur [[Anästhesie]] bei kleineren chirurgischen Eingriffen, während der Geburt und bei zahnärztlichen Eingriffen durch eine forcierte Atmung des Patienten ([[Hyperventilation]]). Hierzu müsse der Patient 80–100 Atemzüge pro Minute durchführen. Es wurde 1875 unter dem Titel „The air an anaestetic“ (engl.: ''Die Luft ein Anästhetikum'') am ''Franklin Institute'' vorgestellt. Bonwill behauptete auf Grund seiner 20-jährigen Berufserfahrung damit auf Lachgas verzichten zu können.<ref>''Before the Lamaze Method.'' In: ''Anesthesiology.'' 124, 2016, S.&nbsp;258, [[doi:10.1097/01.anes.0000476059.02255.c8]].</ref><ref>[https://journals.lww.com/surveyanesthesiology/Citation/1964/08000/RAPID_BREATHING_AS_A_PAIN_OBTUNDER_IN_MINOR.54.aspx ''Rapid breathing as a pain obtunder in minor surgery, obstetrics. The general practice of medicine and of denistry.''] In: ''Survey of anesthesiology.'' Band 8, Nummer 4, August 1964, S. 348.</ref>

[[Diethylether|Äther]]- und [[Chloroform]]narkosen folgten dem Lachgas. Der US-amerikanische Zahnarzt [[William Thomas Green Morton]] konnte mit einer Äthernarkose am 16. Oktober 1846 einen Patienten schmerzfrei von seinem Leiden befreien. Bereits am 30. März 1842 hatte [[Crawford W. Long|Crawford Williamson Long]] einem Patienten einen Tumor am Nacken schmerzfrei entfernt, wobei er ein mit Äther getränktes Handtuch verwendete. Er unterließ aber eine Publikation und brachte sich so um die Anerkennung seines Prioritätsanspruchs. So gilt seitdem W. T. G. Morton als Begründer der Äthernarkose. Wenn die Stümpfe und Wurzeln defekter Zähne entfernt werden mussten, verlangten die Patienten eine schmerzfreie Behandlung. [[Charles Thomas Jackson]], bei dem Morton famuliert hatte, machte ihn auf die berauschende Wirkung von [[Diethylether|Schwefeläther]] aufmerksam, die bereits [[Michael Faraday]] 1818 in einer Abhandlung beschrieben hatte.<ref>[https://www.general-anaesthesia.com/michael-faraday.html Bergman NA. Michael Faraday and his contribution to anesthesia. Anesthesiology 1992; 77(4):812–816]</ref> Am 30. September 1846 kam der Cellist [[Eben Frost]] mit so starken Zahnschmerzen in Mortons Praxis, dass er mit einer Erprobung des Äthers bei der [[Extraktion (Zahnmedizin)|Extraktion]] seines vereiterten Backenzahns einverstanden war.<ref>''Illustrierte Geschichte der Medizin'' (1992), Band 6, S. 3281, u. Karger-Decker (1984), S. 149., ISBN 3-86070-204-1.</ref> Als der Patient aus seiner Betäubung erwachte, bestätigte er Morton, dass er keinerlei Schmerz beim Zahnziehen empfunden habe. Morton versuchte zu verschleiern, welchen Wirkstoff er verwendet hatte, um von einer Patentierung zu profitieren. Bei einer Operation am 7. November 1846 wurde er vom Auditorium gezwungen, sein Geheimnis zu lüften. Morton wurde durch die Kosten um einen Patentstreit ruiniert. Die sukzessive Anerkennung des von Morton entwickelten Verfahrens erfolgte nach der erfolgreichen Oberschenkelamputation bei einer zwanzigjährigen Patientin durch [[Henry Jacob Bigelow]] am 7. November 1846.<ref>Heinz Schott: ''Die Chronik der Medizin.'' Bechtermünz, Augsburg 1997., ISBN 978-3-86047-135-7. S. 276.</ref> 1884 erfolgte die erste orale Lokalanästhesie durch Einsatz von Kokain durch [[William S. Hallsted]] und [[Richard J. Hall]].<ref name="Bienengräber">{{Literatur |Autor=Volker Bienengräber |Titel=Die Zahnmedizin zum Zeitpunkt der Gründung des Central-Vereins deutscher Zahnärzte – ein historischer Rückblick |Sammelwerk=Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift |Nummer=Heft 66 (1) |Verlag=Deutscher Ärzte-Verlag |Datum=2011 |Seiten=57–58 |Online=[https://www.dgzmk.de/fileadmin/user_upload/editors/PDFs/AK_GZ/DZZ_01_2011_Bienengraeber.pdf dgzmk.de] |Format=PDF |KBytes= |Abruf=2017-09-19}}</ref>

Dadurch, dass es zur japanischen Tradition gehörte, Behandlungsverfahren geheim zu halten, wurde erst 1963 erkannt, dass bereits am 13. Oktober 1804 der japanische Arzt [[Hanaoka Seishū]] erstmals eine [[Narkose|Vollnarkose]] mit seinem Narkosemittel [[Hanaoka Seishū#Tsūsensan|Tsūsensan]] bei einer Brustkrebsoperation erfolgreich durchgeführt hat.<ref>Akira Hori,: [https://www.aerzteblatt.de/archiv/101386/Die-erste-Vollnarkose-1804-in-Japan ''Die erste Vollnarkose: 1804 in Japan''.], In: ''Dtsch Arztebl'', 1991;, 88(47):, S. A-4151.; Abgerufenabgerufen am 14. August 2016.</ref>

Es gab durchaus Widerstände dagegen, in die [[Schöpfung]] auf diese Art einzugreifen und den Schmerz abzustellen, der als göttliches Mittel der Erziehung akzeptiert war. Doch viele Kirchenvertreter, wie [[Protheroe Smith]], ein anglikanischer Fachmann für [[Geburtshilfe]], Reverend [[Thomas Chalmers (Theologe)|Thomas Chalmers]], Moderator der [[Free Church of Scotland]], oder Rabbi [[Abraham de Sola]] (1825–1886), der erste [[Rabbiner]] Kanadas, unterstützten die Verfechter der Anästhesie.

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[[Datei:Rostock Gedenktafel Moral.jpg|mini|Gedenktafel für Hans Moral im Foyer des Hauptgebäudes der Universität Rostock]]

Die ersten [[Cocastrauch|Cocasträucher]] kamen 1750 aus [[Südamerika]] nach [[Europa]]. Im Winter 1859/60 isolierte [[Albert Niemann (Chemiker)|Albert Niemann]] im Laboratorium von [[Friedrich Wöhler]] in [[Göttingen]] die aktiven Komponenten des Cocastrauches. Er gab dem [[Alkaloide|Alkaloid]] den Namen ''[[Kokain|Cocain]]''.<ref>Albert Niemann: Über eine neue organische Base in den Cocablättern, in: Arch. Pharm 1860; 153:129-155, S. 291–308. [[doi:10.1002/ardp.18601530202]]</ref> 1879 entdeckte [[Vassili von Anrep]] (1852–1927) an der [[Julius-Maximilians-Universität Würzburg]] die schmerzstillende Wirkung des Cocains.<ref>S. M. Yentis, K. V. Vlassakov: ''Vassily von Anrep, forgotten pioneer of regional anesthesia.'' In: ''Anesthesiology.'' Band 90, Nummer 3, März 1999, S.&nbsp;890–895, PMID 10078692.</ref><ref>[[Dietrich Henschler]]: ''Zur Entwicklung von Pharmakologie und Toxikologie.'' In: ''Vierhundert Jahre Universität Würzburg. Eine Festschrift.'' Hrsg. von Peter Baumgart, Degener & Co., Neustadt an der Aisch 1982, S. 1031–1046; hier: S. 1033</ref> Um 1884 kam es als lokales [[Anästhetikum]] in Deutschland in den klinischen Gebrauch, nachdem der [[Augenheilkunde|Augenarzt]] [[Carl Koller]] (1857–1944) erkannt hatte, dass Cocain bei Verkostung die Zunge betäubt und er es daraufhin zur Betäubung bei Eingriffen am Auge einsetzte.<ref>G. Kluxen: [https://www.aerzteblatt.de/archiv/101251/Sigmund-Freud-Ueber-Coca-Versaeumte-Entdeckung ''Sigmund Freud: Über Coca – Versäumte Entdeckung.''] In: ''Deutsches Ärzteblatt.'' Band 88, Nummer 45, 1991, S.&nbsp;A-3870. Abgerufen am 26. September 2014.</ref> Ihm folgte 1885 der Chirurg [[William Stewart Halsted]] (1852–1922), der erstmals Cocain in der Zahnmedizin benutzte. Nach ersten Tierversuchen wendete er das Verfahren zur [[Lokalanästhesie (Zahnmedizin)|Lokalanästhesie]] des [[Nervus mandibularis]] als [[Lokalanästhesie (Zahnmedizin)#Leitungsanästhesie am Foramen mandibulae|Leitungsanästhesie]] an. Neben der Oberflächen- und Leitungsanästhesie entwickelte sich daraus die [[Lokalanästhesie (Zahnmedizin)#Infiltrationsanästhesien|Infiltrationsanästhesie]]. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde auch [[Chlorethan]] als Lokalanästhetikum in der Zahnheilkunde benutzt.<ref>H. Orth, I. Kis: ''Schmerzbekämpfung und Narkose.'' In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.): ''Chirurgie historisch gesehen. Anfang – Entwicklung – Differenzierung.'' Dustri-Verlag, Deisenhofen bei München 1973, ISBN 3-87185-021-7, S. 1–32, hier: S. 14.</ref> 1905 verlängerte der Leipziger Chirurg [[Heinrich Braun (Mediziner, 1862)|Heinrich Braun]] die Wirkdauer und -tiefe des von [[Alfred Einhorn]] entwickelten ''Procains'', welcher dem Wirkstoff den Namen [[Procain|Novocain]] zuordnete, durch die Beigabe von [[Adrenalin]]. Die Reindarstellung Adrenalins war bereits 1901 dem [[japan]]ischen [[Pharmakologie|Pharmakologen]] [[Takamine Jōkichi|Jokochi Takamine]] gelungen, der in [[New York City|New York]] ein eigenes Laboratorium eingerichtet hatte.<ref>Jokichi Takamine: ''Adrenalin the active principle of the suprarenal glands and its mode of preparation.'' In: ''The American Journal of Pharmacy'' 73, 1901, S.&nbsp;523–535.</ref> Von ihm stammt die Wortschöpfung „Adrenalin“ ({{laS|ad}} ‚an‘ und {{lang|la|''ren''}} ‚Niere‘),<ref>N. Ph. Tendeloo, [httphttps://books.google.com/books?id=9Z-fBgAAQBAJ&pg=PA654 Allgemeine Pathologie], 9. März 2013, Springer-Verlag, S. 654, ISBN 978-3-642-92320-3. Abgerufen am 15. September 2015.</ref> das er patentieren und von der Firma Parke, Davis & Co. vermarkten ließ, die heute in [[Pfizer]] Inc. aufgegangen ist. Dem aus Heilbronn stammenden Chemiker [[Friedrich Stolz (Chemiker)|Friedrich Stolz]] war es 1905 im Auftrag von [[Hoechst]] gelungen, das [[Hormon]] künstlich herzustellen. Damit waren die Grundlagen für eine moderne zahnärztliche Therapie gelegt. Im selben Jahr entwickelte August Braun die Idee der Stammanästhesie des [[Nervus trigeminus]]. Zeitgleich sind als Wegbereiter der Lokalanästhesie in der Zahnheilkunde [[Hans Moral]] (1855–19331885–1933) gemeinsam mit [[Guido Fischer (Zahnmediziner)|Guido Fischer]] (1877–1959) anzusehen, die sich neben der klinischen Anwendung mit den [[Anatomie|anatomischen]] und [[Physiologie|physiologischen]] Grundlagen beschäftigten.<ref>Christoph Benz{{NDB|18|79|80|Moral, [https://www.deutsche-biographie.de/pnd119519402.html Hans|Christoph Moral] in: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 79 f. Abgerufen am 14. Februar 2016.Benz|119519402}}</ref> Der Zahnarzt und Anatom [[Harry Sicher]] beschrieb 1920 in seinem Lehrbuch „Anatomie und Technik der Leitungsanästhesie im Bereiche der Mundhöhle“ die exakte Vorgehensweise bei der Durchführung der verschiedenen Lokalanästhesien im Mundbereich.<ref>{{Literatur |Autor=Harry Sicher |Titel=Anatomie und Technik der Leitungsanästhesie im Bereiche der Mundhöhle: Ein Lehrbuch für den Praktischen Zahnarzt |Verlag=Springer-Verlag |Datum=2013 |ISBN=978-3-642-92263-3 |Online=[https://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=PJ-fBgAAQBAJ Google Books]}}}}</ref>

[[Lidocain]] war das erste [[Aminogruppe|Amino]]-[[Amide|Amid]]-Lokalanästhetikum, das durch die schwedischen Chemiker [[Nils Löfgren]] (1913–1967) und [[Bengt Lundqvist]] (1922–1953) im Jahre 1943 synthetisiert wurde.<ref name="von Sinatra/Jahr/Watkins-Pitc">{{Literatur |Autor=von Sinatra/Jahr/Watkins-Pitc |Titel=The Essence of Analgesia and Analgesics – Sinatra/Jahr/Watkins-Pitc |Datum= |ISBN=1-139-49198-9 |Seiten=280 |Online={{Google Buch |BuchID=ZwPIjKg0XukC |Seite=280}}}}</ref> Sie verkauften die Patentrechte des Lidocains an den schwedischen Pharmakonzern [[AstraZeneca|Astra AB]]. 1957 schritt die Entwicklung der Lokalanästhetika mit Synthetisierung des [[Mepivacain]]s, 1958 des [[Prilocain]]s, 1960 des [[Bupivacain]]s voran.<ref>{{Literatur |Autor=H. C. Niesel, H. Wulf, H. K. Van Aken |Titel=Lokalanästhesie, Regionalanästhesie, Regionale Schmerztherapie |Auflage=3. |Verlag=Georg Thieme |Datum=2010 |ISBN=978-3-13-795403-3 |Seiten=5 |Online={{Google Buch |BuchID=WmWN_jFmDbwC |Seite=5}}}}</ref> 1974 synthetisierten [[Roman Muschaweck]] und [[Robert Rippel]] das [[Articain]] (Ultracain).<ref>R. Muschaweck, R. Rippel: ''A new local anesthetic (carticaine) from the thiopene-series (author’s transl).'' In: ''Praktische Anästhesie, Wiederbelebung und Intensivtherapie.'' Band 9, Nummer 3, Juni 1974, S.&nbsp;135–146, PMID 4459901.</ref> Articain ist das in Kontinentaleuropa am häufigsten verwendete Lokalanästhetikum.<ref name="Niesel2010">{{Literatur |Autor=Hans Christoph Niesel |Titel=Lokalanästhesie, Regionalanästhesie, regionale Schmerztherapie: 117 Tabellen |Verlag=Georg Thieme Verlag |Datum=2010 |ISBN=978-3-13-795403-3 |Seiten=598 |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=lJOBpNk-8TsC&pg=PA598 Google Books]|Seite=598}}}}</ref> Alle Substanzbezeichnungen leiten sich vom Wortstamm des Cocains ab.

Im Jahre 1981 wurde als neue Anästhesiemethode die [[Lokalanästhesie (Zahnmedizin)#Intraligamentäre Anästhesie|intraligamentäre Anästhesie]] entwickelt. Dabei werden geringe Mengen des Lokalanästhetikums am Rand des Zahnes injiziert. Erste Versuche hierzu gab es bereits 1920 in Frankreich, wo von der ''Anesthésie par injections intraligamenteuses'' (dt.: Anästhesie durch intraligamentäre Injektionen) berichtet wird. Sie basierte auf der Entwicklung des ''Wilcox-Jewett obtunders'' zur Injektion von Kokain zur örtlichen Betäubung des Zahnfleisches.<ref>K. Freeman: ''Wilcox-Jewitt obtunder syringe.'' In: ''Texas dental journal.'' Band 130, Nummer 7, Juli 2013, S.&nbsp;622, PMID 24015454.</ref> setzte sich aber nicht als Standardmethode durch.<ref>A. Langbein: [https://edoc.ub.uni-muenchen.de/13659/1/Langbein_Andrea.pdf.pdf ''Patientenschonende Lokalanästhesie bei zahnärztlichen therapeutischen Maßnahmen unter besonderer Betrachtung der intraligamentären Anästhesie als primäre Methode der Schmerzausschaltung.''] (PDF; 710&nbsp;kB) Dissertation, Ludwig-Maximilians-Universität zu München 2011. Abgerufen am 1. September 2014.</ref>

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[[Datei:Dental anaesthetic syringe, cased with accessories, England, Wellcome L0058125.jpg|mini|Record-Spritze (1897)]]

Nachdem schon [[Robert Boyle]] und [[Christopher Wren]] im 17. Jahrhundert mit Spritzen experimentiert hatten, wird die Spritze dem französischen Feldchirurgen aus der Zeit von [[Ludwig&nbsp;XIV.]] [[Dominique Anel]] (1679–1730) zugeschrieben, der damit Wunden säuberte.<ref>[http://www.discoveriesinmedicine.com/Ra-Thy/Syringe.html ''Inventing the Syringe.''] Medical Discoveries; abgerufen am 27. Mai 2015.</ref> [[Charles-Gabriel Pravaz]] (1791–1853) entwickelte 1850 für die subkutane Injektion eine Spritze, die als Prototyp der Injektionsspritze überhaupt gilt. Zu den geschickten Instrumentenmachern Frankreichs gehörte der in [[Braunschweig]] geborene [[Georg Wilhelm Amatus Lüer|Georges Guillaume Amatus Lüer]] (1802–1883), dessen Spritzenmodell auf den Prinzipien des Engländers [[Daniel Ferguson]] aufbaute. Fergusons Spritze diente ursprünglich ebenfalls zur subkutanen Injektion zum Verätzen einer Hautveränderung mittels [[Eisen(III)-chlorid|Eisenchloridlösung]].<ref>J. B. Blake: ''Mr. Ferguson’s hypodermic syringe.'' In: ''[[Journal of the History of Medicine and Allied Sciences]].'' Band 15, 1960, S. 337–341.</ref> Die Hohlnadel hatte der irische Arzt [[Francis Rhynd]] (1801–1861) erfunden und 1844 an einer Patientin ausprobiert. Zur Applikation eines Anästhetikums patentierte das ''Maison Lüer'' 1897 eine Ganzglasspritze, die spätestens 1909 durch eine Konstruktion der Berliner Instrumentenmacher Dewitt & Hertz Konkurrenz bekam. Deren auseinandernehmbare „Record–Präzisionsspritze“ aus Glas und Metall zeichnete sich durch hohe Dichtigkeit aus und konnte die Injektionslösung vollständig entleeren. Ihr Kanülenanschluss hatte allerdings einen anderen Durchmesser als Lüer-Spritzen und es mussten entweder passende Kanülen oder Adapter verwendet werden. Das „Auskochen“ von „[[Record-Spritze]]n“ sollte bis zur Einführung entsprechender Einmalartikel Mitte des 20. Jahrhunderts die [[Hygiene#Hygiene in der Medizin|Hygienebedingungen]] erfüllen, die man in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als notwendig erkannt hatte.<ref>Axel Helmstädter: [https://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=4318 ''Kurze Geschichte langer Nadeln''.] In: ''Pharmazeutische Zeitung'', 50/2007; abgerufen am 27. Mai 2015.</ref>

Der neuseeländische [[Apotheker]], [[Tierarzt]] und Erfinder [[Colin Murdoch]] (1929–2008) hat die aus Kunststoff gefertigte [[Spritze (Medizin)|Einwegspritze]] erfunden. Murdoch präsentierte seine Erfindung beim Gesundheitsamt, wo sie allerdings als „zu futuristisch“ eingestuft wurde. Mangels finanzieller Unterstützung kam die Weiterentwicklung seiner Idee für einige Jahre zum Stillstand. Als er 1956 das Patent zugesprochen bekam, wurde die Einwegspritze ein weltweiter Erfolg und ist noch im 21. Jahrhundert täglich millionenfach in Verwendung.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.nzedge.com/colin-murdoch/ |text=Colin Murdoch |wayback=20150713091146}} (englisch), nzedge.com, 20. Dezember 1999. Abgerufen am 17. Mai 2015.</ref> Der Kanülenansatz richtet sich bis heute nach dem [[Luer-System|Lüer-Standard]], benannt nach dem deutschen, aber in Paris wirkenden Instrumentenmacher [[Hermann Wülfing Luer]].<ref>C. Ball, R. Westhorpe: ''Intravenous equipment–the ongoing development of the syringe.'' In: ''Anaesthesia and intensive care.'' Band 28, Nummer 2, April 2000, {{ISSN|0310-057X}}, S.&nbsp;125, PMID 10788962.</ref> Dessen Patent übernahmen 1898 Maxwell W. Becton und Fairleigh S. Dickinson und gründeten das Medizintechnikunternehmen [[Becton Dickinson]]. Das Unternehmen entwickelte später die Erfindung Murdochs weiter und brachte 1961 ''BD Plastipak'' auf den Markt.

Der US-amerikanische Arzt [[Harvey Samuel Cook]] (1888–1934) entwickelte 1917 die weit überwiegend in der Zahnheilkunde verwendete [[Zylinderampullenspritze]].<ref>''Die Wege zur Lokalanästhesie in der Zahnmedizin''. Teil 2. [[Aventis]] Pharma Deutschland GmbH, Frankfurt/Main (forum-med-dent), Frankfurt am Main, 2001, S. 5. In: Carmen Cornelia Hohmann, {{Internetquelle |autor=Carmen Cornelia Hohmann |url=http://ediss.sub.uni-hamburg.de/volltexte/2008/3876/pdf/Diss_Hohmann-Teil2.pdf |titel=5. Türkheim als Wissenschaftler |werk=uni-hamburg.de |seiten=127 |format=PDF; 4,0&nbsp;MB |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20141210203339/http://ediss.sub.uni-hamburg.de/volltexte/2008/3876/pdf/Diss_Hohmann-Teil2.pdf |archiv-datum=2014-12-10 |abruf=2022-10-18 |kommentar=Teil der Dissertation}}</ref> Hierbei wird eine Karpule (Zylinderampulle), die das Lokalanästhetikum enthält, ein zylindrischer Glaskörper, dessen vorderes Ende mit einer Membran verschlossen und von einer Kanüle durchstechbar ist, in ein Spritzenbesteck eingelegt. Das hintere Ende der Ampulle ist von einem axial verschiebbaren Kolbenstopfen dichtend abgeschlossen. Der Kolbenstopfen wird mit dem Gestänge verhakt und kann dadurch für den [[Lokalanästhesie (Zahnmedizin)#Aspirationstest|Aspirationstest]] zurückgezogen werden. Die Innenseite der Zylinderampulle wird [[Silikone|silikonisiert]], um ein leichtgängigeres Gleiten des Kolbenstopfens zu ermöglichen.

=== Siehe auch ===

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[[Datei:Roentgen2.jpg|mini|links|120px|Wilhelm Conrad Röntgen]]

„Ach, wenn es doch ein Mittel gäbe, den Menschen durchsichtig zu machen wie eine Qualle!“, so träumt der junge Landarzt ''Redlich'' in der Hoffnung um Bestätigung seiner Diagnose bei einem örtlichen Pfarrer. Den Wunsch kaum ausgesprochen, erscheint dem Arzt die weibliche Lichtgestalt ''Elektra'' und übergibt ihm „zum Heile der Menschheit“ eine Büchse, deren magisches Licht den Körper gänzlich durchsichtig macht. Damit kann er die Diagnose stellen und den Pfarrer von [[Trichinen]] heilen. Er erforscht und analysiert das Agens, stellt es künstlich her und übergibt es als Geschenk der gesamten Menschheit. „Eine neue glorreiche Zeit für uns Mediziner ist nun angebrochen.“ Der deutsche Mediziner und Schriftsteller [[Ludwig Hopf (Mediziner)|Ludwig Hopf]] publizierte unter seinem Pseudonym ''Philander'' 1892 ''Elektra, ein physikalisch-diagnostisches Märchen aus dem zwanzigsten Jahrhundert'', das nur drei Jahre später tatsächlich Realität wurde.<ref>Eva Rosenstock,: [https://www.academia.edu/1257753/_Philander_Ludwig_Hopf_aus_Esslingen_und_seine_Medizinischen_und_anthropologischen_Märchen_ „Philander“: Ludwig Hopf aus Esslingen und seine „Medizinischen und anthropologischen Märchen“]. Esslinger Studien 44, 2006, S. 109. Abgerufen am 9. August 2015.</ref> Am 8. November 1895 entdeckte der Physiker [[Wilhelm Conrad Röntgen]] die sehr durchdringungsfähige unsichtbare Strahlung, die er der [[Physikalisch-Medizinische Gesellschaft|Physikalisch-Medizinischen Gesellschaft]] am 23. Januar 1896 vorstellte. Dabei wurde die Hand des [[Anatomie|Anatomen]] und [[Physiologie|Physiologen]] [[Albert von Koelliker]] als Anschauungsobjekt benutzt. Nach der Vorstellung schlug Kölliker die Benennung als [[Röntgenstrahlung#Entdeckungsgeschichte|Röntgenstrahlen]] vor. Bis dahin hatte Röntgen die Bezeichnung ''X-Strahlen'' („X“ für „unbekannt“) benutzt. In [[Mitteleuropa|Zentral-]] und [[Osteuropa]] werden sie – in entsprechender sprachlicher Anpassung – Röntgenstrahlen genannt. In anderen Sprachräumen dominiert die Bezeichnung ''X-Strahlen'' wie beispielsweise im englischen Sprachraum als ''X-Rays'', im Französischen als ''Rayons X''.

Ebenso im Januar 1896 hat sich der Zahnarzt [[Otto Walkhoff]], bei dem Röntgen Patient war, die ersten Röntgenaufnahmen seiner Zähne durch seinen Hochschullehrer und Freund [[Friedrich Giesel|Friedrich Oskar Giesel]] zusammen mit Wilhelm König (1859–1936) anfertigen lassen, bei einer Belichtungszeit von 25&nbsp;Minuten.<ref>Otto Walkhoff, "Die erste Anwendung der Röntgenstrahlen und des Radiums in der Zahnheilkunde", Correspondenz Blatt für Zahnärzte, Oktober 1928, n° 10, pp. 307–310.</ref><ref name="Zahnrat" /> Bei manchem Patienten konnte Haarausfall nach dem Röntgen beobachtet werden. Der jahrelange ungeschützte, unbekümmerte Umgang mit strahlenden Substanzen forderte schließlich seinen Tribut. Nach langem und quälendem Siechtum ist Giesel 1927 im Alter von 75 Jahren an Krebs verstorben, der durch extreme Strahlenschäden an seinen Händen verursacht worden war.<ref>Kavas H. Thunthy, {{Webarchiv |url=http://c.ymcdn.com/sites/www.aaomr.org/resource/resmgr/aaomr_history/early_pioneers_of_oral_and_m.pdf |text=Early Pioneers of Oral and Maxillofacial Radiology |wayback=20151222172735}} (PDF) Abgerufen am 12. August 2015.</ref> [[Frank Harrison]] fertigte zeitgleich in England erste Röntgenaufnahmen der Zähne an, William James Morton jun., der Sohn von William Thomas Green Morton ([[#Geschichte der zahnärztlichen Anästhesie|s. o.]]) in den USA.

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[[Datei:Ehrenmal der Radiologie (Hamburg-St. Georg).1.ajb.jpg|mini|Ehrenmal der Radiologie (Hamburg-St. Georg)]]

Die Anwendung der Röntgenstrahlen bei der Diagnose in der Zahnheilkunde wurde durch die Pionierarbeit von [[C. Edmund Kells]] (1856–1928, [[#Assistenzberufe|s.&nbsp;u.]]), einem Zahnarzt aus [[New Orleans]], ermöglicht, der diese bereits im Juli 1896 vor Zahnärzten in [[Asheville]] vorführte.<ref>P. H. Jacobsohn, M. L. Kantor, B. L. Pihlstrom: ''The X-ray in dentistry, and the legacy of C. Edmund Kells: a commentary on Kells CE. [https://www.ada.org/~/media/ADA/Publications/Files/Feb_Commentenary_Centennial.ashx The X-ray in dental practice].] In: ''J Natl Dent Assoc'', 1920;, 7(3):, S. 241–272.'' In: ''Journal of the American Dental Association (1939).'', 1939, Band 144 Spec No, Oktober 2013, S.&nbsp;15S–19S, {{ISSN|1943-4723}}, S.&nbsp;15S–19S, PMID 24141813.</ref> Kells verübte nach einer langen Leidensgeschichte durch strahlenverursachten Krebs, [[Suizid|Selbstmord]]. Ihm wurde ein Finger nach dem anderen amputiert, später die ganze Hand, gefolgt vom Unterarm und dann dem ganzen Arm. Er ging – wie viele andere – als „Märtyrer für die Wissenschaft“ in die Geschichte ein.<ref>Ida D. Jeffries, {{Webarchiv |url=http://c.ymcdn.com/sites/www.aaomr.org/resource/resmgr/aaomr_history/dentistinventorsscientist.pdf |text=Dentist, Inventor, Scientist |wayback=20160304054802}} (PDF) Abgerufen am 12. August 2015.</ref> Sarah Zobel von der [[University of Vermont]] verweist in ihrem Artikel ''The Miracle and the Martyrs'' (engl.: „Das Wunder und die Märtyrer“) auf ein Bankett, das zu Ehren vieler Pioniere des Röntgens im Jahre 1920 abgehalten wurde. Es gab Huhn zum Abendessen: „Kurz nachdem das Essen serviert war, konnte man sehen, dass einige der Teilnehmer nicht in der Lage waren, die Mahlzeit zu genießen. Nach Jahren der Arbeit mit Röntgenstrahlen, hatten viele Teilnehmer Finger oder Hände wegen der Strahlenexposition verloren und konnten das Fleisch nicht selbst schneiden.“<ref>Sarah Zobel,: [http://sarahzobel.com/images/publications/VermontMedicine.pdf The Miracle and the Martyrs.] (PDF; 1,7&nbsp;MB) Vermont University, Nummer 4, 2011, S. 10–17. Abgerufen am 16. August 2015.</ref> Der erste Amerikaner, der wegen der Strahlenexposition starb, war [[Clarence Madison Dally]], Assistent von [[Thomas Alva Edison]]. Edison begann Röntgenstrahlen fast unmittelbar nach Röntgens Entdeckung zu untersuchen und delegierte diese Aufgabe an Dally. Sein Tod veranlasste Edison jedoch im Jahr 1904, jegliche weitere Röntgenforschung aufzugeben.

Der Zahnarzt [[William Herbert Rollins]] (1852–1929) forderte im Jahr 1901, dass bei der Arbeit mit Röntgenstrahlen [[Schutzbrille]]n mit Bleiglas getragen werden sollten, die Röntgenröhre mit Blei zu umschließen sei und alle Bereiche des Körpers mit [[Bleischürze]]n bedeckt sein müssten. Er veröffentlichte über 200 Artikel über die möglichen Gefahren der Röntgenstrahlen, jedoch wurden seine Vorschläge lange Zeit ignoriert. Ein Jahr später schrieb Rollins voller Verzweiflung, dass seine Warnungen über die mit Röntgenstrahlen verbundenen Gefahren sowohl von der Industrie als auch von seinen Kollegen nicht beachtet würden. Zu diesem Zeitpunkt hatte Rollins bereits nachgewiesen, dass Röntgenstrahlen Versuchstiere töten können und Fehlgeburten bei Meerschweinchen verursachen. Rollins Verdienste wurden erst spät anerkannt. Seitdem ging er als „Vater des Strahlenschutzes“ in die Geschichte der Radiologie ein. Er wurde Mitglied der ''Radiological Society of North America'' und ihr erster Schatzmeister.<ref>Stuart C. White, {{Webarchiv |url=http://c.ymcdn.com/sites/www.aaomr.org/resource/resmgr/aaomr_history/wm_rollins.pdf |text=William Rollins |wayback=20160720142017}}. American Academy of Oral and Maxillofacial Radiology. Abgerufen am 20. Juli 2016.</ref><ref>Stuart C. White, {{Webarchiv |url=http://c.ymcdn.com/sites/www.aaomr.org/resource/resmgr/aaomr_history/rollinshistory.pdf |text=Who was William Rollins and what can we learn? |wayback=20160720142430}}. American Academy of Oral and Maxillofacial Radiology. Abgerufen am 20. Juli 2016.</ref>

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Im Jahr, als Kells starb, wurden die ersten Strahlenschutzvorschriften durch den [[International Congress of Radiology]] (ICR) erlassen. Kells hatte 1925 die [[International Commission on Radiation Units and Measurements]] gegründet. Wilhelm Konrad Röntgen selbst wurde dieses Schicksal durch eine Angewohnheit erspart. Er trug die unbelichteten Photoplatten ständig in seinen Taschen mit sich herum und stellte fest, dass diese belichtet wurden, wenn er während der Strahlenexposition im selben Raum blieb. So verließ er regelmäßig das Zimmer bei der Anfertigung von Röntgenaufnahmen. Zwischen 1920 und 1940 konnten in den USA 51 tödliche und 62 schwere Stromunfälle bei der Anwendung von Röntgengeräten durch Hochspannungsunfälle ermittelt werden. Dies betraf sowohl Ärzte als auch Patienten.<ref>Gerrit J. Kemerink, Gerhard Kütterer u.&nbsp;a.: ''Forgotten electrical accidents and the birth of shockproof X-ray systems.'' In: ''Insights into Imaging.'' 4, 2013, S.&nbsp;513, [[doi:10.1007/s13244-013-0238-8]]. {{PMC|3731463}}.</ref> Sie konnten erst durch strengere Vorschriften reduziert werden, insbesondere durch bessere Isolierung der Anschlusskabel. Ein [[Ehrenmal der Radiologie]] im Garten des [[Asklepios Klinik St. Georg|Krankenhauses St. Georg]] in [[Hamburg-St. Georg]] erinnert seit dem 4. April 1936 an 359 Opfer aus 23 Ländern unter den ersten medizinischen Anwendern der Röntgenstrahlung.<ref>H. Vogel: ''Das Ehrenmal der Radiologie in Hamburg. Ein Beitrag zur Geschichte der Röntgenstrahlen.'' [[RöFo|Fortschr Röntgenstr]] 2006; 178(8): 753-756 [[doi:10.1055/s-2006-948089]]</ref>

In Deutschland wurde erstmals im Jahre 1941 eine [[Röntgenverordnung (Deutschland)|Röntgenverordnung]] ([[Reichsgesetzblatt|RGBl.]] I S. 88) erlassen und galt ursprünglich für nichtmedizinische Betriebe. Die letzte Neufassung der {{§§|röv_1987|buzer|text=Röntgenverordnung}} wurde am 8. Januar 1987 ausgefertigt, gefolgt von einer Neubekanntmachung vom 30. April 2003 zur Umsetzung zweier [[Richtlinie (EU)|EU-Richtlinien]] über den Gesundheitsschutz von Personen gegen die Gefahren ionisierender Strahlung bei medizinischer Exposition.<ref>96/29/EURATOM des Rates vom 13. Mai 1996 zur Festlegung der grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch [[ionisierende Strahlung]]en ([[Amtsblatt der Europäischen Union|ABl.]] EG -Nummer L 159 S. 1)</ref><ref>97/43/EURATOM des Rates vom 30. Juni 1997 über den Gesundheitsschutz von Personen gegen die Gefahren ionisierender Strahlung bei medizinischer Exposition und zur Aufhebung der Richtlinie 84/466/EURATOM (ABl. EG -Nummer L 180 S. 22)</ref>

=== Geräte ===

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[[Max Gebbert]] sorgte dafür, dass sich bereits 1896 die Fabrikation durch die Firma [[Reiniger, Gebbert & Schall]] (RGS) vor allem auf Röntgenröhren und -apparate konzentrierte. Der Physiker [[Joseph Rosenthal (Physiker)|Joseph Rosenthal]], den Gebbert eingestellt hatte, war es schließlich, der eine spezielle Röntgenröhre für die medizinische Diagnostik konstruiert und bei der Firma [[Emil Gundelach]] in Thüringen herstellen ließ.<ref>[http://www.medmuseum.siemens.com/museumsgeschichten/roentgentechnik Wie man Unsichtbares sichtbar macht]. Siemens MedMuseum. Abgerufen am 21. Februar 2016.</ref> Das Unternehmen RGS wurde später von ''Siemens'' (''Sirona'') übernommen.

Zeitgleich begann in den USA die Produktion des ''Große Flamme'' genannten Röntgengerätes durch [[Albert Koett]], der das Know-how aus Deutschland mitbrachte. Zusammen mit J. Robert Kelley brachte es die Firma [[Kelley-Koett]] auf den Markt.<ref name="Kleber2015">{{Literatur |Autor=John E. Kleber |Titel=The Kentucky Encyclopedia |Verlag=University Press of Kentucky |Datum=2015 |ISBN=978-0-8131-5901-0 |Seiten=485–485 ff. |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=CcceBgAAQBAJ&pg |Seite=PA485 Google Books]485}}}}</ref> 1919 gründen der Physiker [[Alfred Ungelenk]] und der Glasbläser [[Otto Kiesewetter]] die Firma Ungelenk & Kiesewetter zur Herstellung von Glühkathoden-Röntgenröhren. Der Hamburger Röhrenbauer [[Philips Medizin Systeme|C. H. F. Müller]] und dessen Mutterkonzern [[Philips]] bringen 1929 die erste [[Röntgenröhre#Drehanode|Drehanodenröhre]] unter dem Namen „Rotalix“ auf den Markt, die von [[Albert Bouwers]] (1893–1972) entwickelt worden war.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.philips-historische-producten.nl/xray-uk.html |text=Philips X-Ray |wayback=20150924072338}}. Abgerufen am 9. August 2015.</ref> Der Prototyp kam 1937 in Chicago zur Anwendung. Wegen Designproblemen, aber auch wegen des Zweiten Weltkriegs erschien es erst 1947 unter dem Handelsnamen ''Oralix'' auf dem Markt. 1933 wurde von [[Siemens]] eine Drehanodenröhre mit dem Namen ''Pantix'' entwickelt. Damit waren die Grundlage für die Entwicklung moderner Röntgenröhren gelegt. Ein Jahr später brachte Siemens die Röntgenkugel auf den Markt, die weltweit bis in die 1970er Jahre etwa 30.000 malMal verkauft worden ist.<ref>Bianca Braun,: [https://www.siemens.com/history/de/aktuelles/1194_pantix.htm ''Mai 1933 – Die erste Siemens-Drehanodenröhre „Pantix“ erobert den Markt''.], In: Florian Kiuntke,: „Mit''Mit Röntgen auf Kurs – Das Röntgenröhrenwerk der Siemens AG in Rudolstadt 1919–1939“1919–1939''. Siemens, S. 164–194,; Siemens. Abgerufenabgerufen am 9. August 2015.</ref> Zahnärzte entdeckten zu jener Zeit das Röntgen als [[Marketinginstrument]] und warben mit dem Zusatz „Röntgen“ auf ihrem Praxisschild.

=== Zahnfilm-Röntgen ===

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[[Datei:Opg-2015-02-04.jpg|mini|220px|OPG – Panoramaröntgenaufnahme]]

Der Japaner [[Hisatugu Numata]] entwickelte 1933/34 das erste [[Orthopantomographie|Panorama-Röntgengerät]]. Es folgte die Entwicklung der intraoralen Panoramaröntgengeräte, bei denen sich der [[Röntgentubus]] intraoral (innerhalb des Mundes) und der [[Röntgenfilm]] extraoral (außerhalb des Mundes) befinden. Parallel waren 1943 der Dresdner [[Horst Beger]] und 1946 der Schweizer Zahnarzt [[Walter Ott (Zahnmediziner)|Walter Ott]] damit beschäftigt, woraus die Geräte Panoramix ([[Koch & Sterzel]]), Status X ([[Siemens]]) und Oralix ([[Philips]]) entstanden.<ref name="Bailoor2005">{{Literatur |Autor=Durgesh M. Bailoor |Titel=Fundamentals of Oral Medicine and Radiology |Verlag=Jaypee Brothers Publishers |Datum=2005 |ISBN=81-8061-514-6 |Seiten=312 |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=4YRreVE0lw8C&pg=PA312 Google Books]|Seite=312}}}}</ref>

[[Yrjö Veli Paatero]] (1901–1963) aus Finnland entwickelte zusammen mit dem Ingenieur [[Timo Nieminen]] die Technik Numatas weiter und gab dem von ihm entwickelten Gerät zunächst den Namen „Parabolography“, den er 1950 in „Pantomography“ änderte, bevor er 1958 auf Anregung des Japaners [[Eiko Sairenji]] den Namen „Orthopantomography“ (OPG) prägte.<ref>{{Literatur |Autor=Durgesh M. Bailoor |Titel=Fundamentals of Oral Medicine and Radiology |Verlag=Jaypee Brothers Publishers |Datum=2005 |ISBN=81-8061-514-6 |Seiten=313–313 ff. |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=4YRreVE0lw8C&pg |Seite=PA313 Google Books]313}}}}</ref><ref>Y. V. Paatero: ''Pantomography in theory and use.'' In: ''Acta radiologica.'' Band 41, Nummer 4, April 1954, {{ISSN|0001-6926}}, S.&nbsp;321–335, PMID 13158133.</ref><ref>Leyli Behfar,: [https://ediss.sub.uni-hamburg.de/volltexte/2006/2818/pdf/Dissertation.pdf Fehlpositionierungsbedingte „Verzerrungen“ der Panoramaschichtaufnahme] (PDF) Dissertation, 2005. Abgerufen am 9. März 2015.</ref> Das finnische Unternehmen ''PaloDEx'' (zuvor ''Ruusuvaara Oy'') brachte in Europa zusammen mit ''Sirona'' 1964 den ''Orthopantomograph'' auf den Markt.<ref>[http://www.palodexgroup.com/en/history/ Palodex Group History]. Palodex. Abgerufen am 21. Februar 2016.</ref><ref>[https://www.sirona.com/de/unternehmen/geschichte/ Sirona Geschichte]. Sirona. Abgerufen am 21. Februar 2016.</ref> In den USA wurde es unter dem Namen ''Panorex'' von der Firma S. S. White vertrieben.<ref name="Publishers2006">{{Literatur |Autor=Jaypee Brothers, Medical Publishers |Titel=Textbook of Dental and Maxillofacial Radiology by Karjodkar |Verlag=Jaypee Brothers Publishers |Datum=2006 |ISBN=81-8061-854-4 |Seiten=20 |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=BXO1OYJiaPgC&pg |SeitenID=PT20 Google Books]}}}} Eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.</ref> Dabei kreisen die Röntgenröhre und der Röntgenfilm synchron um den Kopf des Patienten.

Den Röntgenfilmen wurden fluoreszierende Folien als [[Röntgenverstärkerfolie]]n hinzugefügt, wodurch die Filmschwärzung zu 90 % durch die [[Lumineszenz]] und nur noch zu 10 % durch direkte Röntgenstrahleneinwirkung erreicht wurde und die zu einer erheblichen Reduzierung der [[Strahlenexposition|Strahlenbelastung]] geführt hat.<ref name="AckermannBouwers2013">{{Literatur |Autor=L. Ackermann, A. Bouwers, C. Carlsson, K. Dümmling, U. Goering, O. Haxel, R. Krebs, S. Ledin, K. Lidén, L. Lorentzon, G. A. Magni, H. Mergler, F. W. Spiers, H. Schleussner, M. P. Visser, F. Wachsmann, E. S. Wasser, E. Zieler, H. Vieten |Titel=Physikalische Grundlagen und Technik Teil 1 / Physical Principles and Techniques |Verlag=Springer |Ort=Berlin Heidelberg |Datum=2013 |ISBN=978-3-642-95042-1 |Seiten=222–223 |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=iDynBgAAQBAJ&pg=PA222 books.google.com]|Seite=222}}}}</ref> Mitarbeiter von Thomas A. Edison fanden im März 1896 heraus, dass das blau leuchtende [[Calciumwolframat]] (CaWO<sub>4</sub>) ein geeigneter Leuchtstoff ist, der schnell zum Standard für Verstärkerfolien wurde.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.zaek-nr.de/pdf/roentgen/roentgenkurs_skript1.pdf |text=Röntgenkurs Script |wayback=20110925001333}} (PDF; 2,2&nbsp;MB)</ref> Erst in den siebziger Jahren wurde das Calciumwolframat abgelöst durch noch besser verstärkende und feiner zeichnende Verstärkerfolien mit Leuchtstoffen ([[Lanthanoxybromid]], [[Gadoliniumoxysulfid]]) auf der Basis von [[Metalle der Seltenen Erden|Seltenen Erden]].

Die intraoralen Panoramageräte wurden Ende der 1980er Jahre endgültig verlassen, da die Strahlenbelastung im unmittelbaren Kontakt mit der [[Zunge]] und der [[Mundschleimhaut]] durch den intraoral befindlichen Tubus zu hoch war.

=== Digitales Röntgen ===

[[Datei:RotatingPan.gif|mini|220px|DXIS (Direct X-ray Imaging System)<br /> in Echtzeitdarstellung]]

1987 brachte [[Trophy Imaging|Trophy Radiology]] (Frankreich) das erste [[Digitales Röntgen|digitale Röntgengerät]] für [[Röntgenfilm|Zahnfilme]] unter dem Namen „Radiovisiographie“ (RVG) auf den Markt. 1995 wurde DXIS, das erste digitale Panoramaröntgengerät, entwickelt von [[Catalin Stoichita]], durch Signet S.A.S. (Frankreich) eingeführt, wobei auch analoge Geräte nachgerüstet werden konnten. 1997 folgte SIDEXIS (Siemens, später [[Sirona (Unternehmen)|Sirona]]) mit dem Orthophos Plus. An Stelle eines Films werden [[Röntgenspeicherfolie]]n verwendet.<ref>{{Literatur |Autor=Eliot L. Siegel, Robert M. Kolodner |Titel=Filmless Radiology |Verlag=Springer |Datum=2001 |ISBN=0-387-95390-6 |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=c2WRdrEOjGUC&pg |Seite=PA158 books.google.com]158}}}}</ref> Ein [[Szintillator]] wandelt auftreffende Röntgen[[photon]]en entweder in sichtbares Licht oder direkt in elektrische Impulse. Die im Detektor erfassten Daten werden digital an einen Computerbildschirm weitergegeben.<ref>{{Literatur |Autor=Richard Carlton, Arlene Adler |Titel=Principles of Radiographic Imaging: An Art and A Science |Verlag=Cengage Learning |Datum=2012 |ISBN=978-1-4390-5872-5 |Seiten=323 ff. |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=5mbrJ43Oo7IC&pg |Seite=PA323 books.google.com]323}}}}</ref>

Die „Cone beam computed tomography“ (Cone-Beam CT (CBCT)) wurde durch die italienische Forschergruppe Attilio Tacconi, Piero Mozzo, Daniele Godi und Giordano Ronca 1996 entwickelt (NewTom 9000) und ist im deutschsprachigen Raum als [[Digitale Volumentomographie|Dentale Volumentomographie]] (DVT) (auch Digitale Volumentomographie) bekannt.<ref>{{Literatur |Autor= |Titel=Digitale Volumentomographie |Hrsg=Heinz-Theo Lübbers, Karl Dula |Verlag=Springer |Ort=Berlin |Datum=2021 |ISBN=978-3-662-57404-1}}</ref><ref>[https://festival2013.festivalscienza.it/site/home/programma/giorno-per-giorno/25-ottobre/dalla-scienza-alla-bellezza-dalla-radiolo.html Dalla scienza alla bellezza, dalla radiologia all’arte]. Abgerufen am 24. März 2015.</ref><ref>D. C. Hatcher: ''Operational principles for cone-beam computed tomography.'' In: ''Journal of the American Dental Association (1939).'' Band 141 Suppl 3, Oktober 2010, {{ISSN|1943-4723}}, S.&nbsp;3S–6S, PMID 20884933.</ref>

== Meilensteine zur modernen Zahnheilkunde ==

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==== Zahnbürste ====

In China wurde die erste [[Zahnbürste]] aus Schweineborsten gefunden, die einer modernen Zahnbürste ähnelt, aber aus der Zeit der Tang-Dynastie (619–907) stammt. Im Jahre 1223 machte der japanische [[Zen]]-Meister [[Dōgen]] Kigen ([[Japanische Schrift|japanisch]] 希玄, 永平) in seinem Hauptwerk [[Shōbōgenzō]] (jap.: 正法眼蔵) Aufzeichnungen darüber, dass Mönche in China ihre Zähne mit Bürsten aus [[Rosshaar|Pferdeschwanzhaaren]] putzen. Reisende brachten die Zahnbürsten nach Europa, wo sie sich im 17. Jahrhundert verbreiteten.<ref>{{Literatur |Autor=SS Hiremat |Titel=Textbook of Preventive and Community Dentistry |Verlag=Elsevier India |Datum=2011 |ISBN=978-81-312-2530-1 |Seiten=403 f. |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=Tz9cWJ3yUycC&pg |Seite=PA403 books.google.com]403}}}}</ref> Diverse Zahnputzhölzer wurden verwendet ([[#Zahnputzhölzer|siehe oben]]). Die [[Borstenhaar|Borsten]] bestanden aus den Nackenhaaren eines Schweins und wurden an Griffen aus [[Knochen]] oder [[Bambus]] befestigt. Die Borsten dieser [[Bürste|Naturborsten]]-Zahnbürsten führen zu Zahnschäden, weil sie bei der Herstellung geschnitten werden, was zu scharfen Enden führt, die wiederum den [[Zahnschmelz]] beschädigen. Darüber hinaus gelten sie als unhygienisch. Angeblich wurde [[William Addis]] wegen einer aufrührerischen Tätigkeit ins Gefängnis geworfen und bastelte dort eine Zahnbürste. Nach seiner Entlassung begann er die erste Massenproduktion von Zahnbürsten um 1780 in England.<ref>[https://mikerendell.com/william-addis-and-the-story-of-the-modern-toothbrush/ William Addis, and the story of the modern toothbrush]. Abgerufen am 24. März 2015.</ref> Der Zahnarzt [[Levi Spear Parmly]] aus [[New Orleans]] empfahl seinen Patienten im Jahr 1815 [[Seide]]nfäden zur Reinigung der Zahnzwischenräume. Die erste kommerziell hergestellte ungewachste [[Zahnseide]] wurde 1882 hergestellt, wobei sich [[Johnson & Johnson]] im Jahre 1898 dafür ein Patent sicherte. 1840 setzte in Frankreich, Deutschland und Japan die Massenproduktion von Zahnbürsten ein. [[Wallace Hume Carothers]] erfand 1934 das [[Polyamide#Nylon|Nylon]], das als Erstes Verwendung in der Herstellung von Nylonzahnbürsten 1938 durch die Firma [[E. I. du Pont de Nemours and Company|DuPont]] unter dem Namen „Doctor West’s Miracle Toothbrush“ fand.<ref name="Stern">{{Literatur |Autor=Alan G. Robinson, Sam Stern |Titel=Corporate Creativity |Verlag=Berrett-Koehler Publishers |Datum= |ISBN=978-1-60994-153-6 |Seiten=187 |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=7E-c6ni5MfYC&pg |Seite=PA187 books.google.com]187}}}}</ref> Kunststoffborsten verfügen über abgerundete und damit schonende Spitzen an den einzelnen Borsten durch das Abschmelzen der Kunststoffenden. Die erste elektrische Zahnbürste „Broxodent“ wurde 1954 in der Schweiz von [[Philippe-Guy Woog]] entwickelt und ab 1956 von [[Bristol-Myers Squibb|Squibb]] vertrieben.<ref>{{Webarchiv |url=http://gesundheit.11665.com/de/gesundheit/201307/148159.html |text=Geschichte der Electronic Zahnbürste |wayback=20150402122654}}. Abgerufen am 25. März 2015.</ref>

==== Zahnseide ====

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==== Fluoridierung ====

[[Datei:F McKay.jpg|mini|Frederick Sumner McKay, 1915]]

Seit 1874 werden „Fluoridpastillen“ zur Kariesprävention eingesetzt, die auf [[Karl Wilhelm Eugen Erhardt]] (1812–1875) zurückgehen.<ref>Peter Meiers,: [http://www.fluoride-history.de/Erhardt.pdf Dr. Erhardts („Hunter’sche“) Fluoridpastillen.] (PDF; 214&nbsp;kB) Abgerufen am 21. April 2016.</ref><ref name="Bienengräber" /> Die ersten [[Fluoridierung|fluoridhaltigen]] Mundpflegeprodukte (Zahnpasta, Zahnpulver und Mundwasser) wurden 1895 hergestellt. Angeregt durch die Arbeiten von Albert Deninger wurden sie durch die Chemiefirma Karl Friedrich Töllner aus Bremen unter dem Markennamen „Tanagra“ vermarktet.<ref>A. Rohrer: ''Zahnpulver und Mundwasser.'' Verlag von Georg Siemens, Berlin 1910, S. 104. {{OCLC| 493815193}}.</ref><ref>P. Meiers: [http://www.fluoride-history.de/Deninger.pdf Fluoride-History-Website] (PDF; 41&nbsp;kB) Abgerufen am 27. November 2014.</ref> Allerdings hat in Europa trotz einer relativ langen Vorgeschichte (seit Beginn des 19. Jahrhunderts) und frühen lokal begrenzten Einzelaktivitäten die Fluoridanwendung zur Kariesprophylaxe erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs größeres Interesse gefunden. Gründe dafür waren vor allem widersprüchliche Analysedaten, geringes Echo in zahnmedizinischen Kreisen und auch das toxische Potential von Fluoriden.<ref>W. Jankowiak: ''Die Vorgeschichte der Kariesprophylaxe mit Fluoriden.'' Dissertation Universität Berlin 1974, S. 28.</ref> Breiteren Einzug hielten fluoridhaltige Zahnpasten erst, nachdem man in den USA ihre [[Zahnkaries|kariesprotektive]] Wirkung erkannt hatte.<ref>P. Meiers, [http://www.fluoride-history.de/p-dentifrice.htm Early dental fluoride preparations], Fluoride-History-Website. Abgerufen am 27. November 2014.</ref> Stark erhöhte natürliche Fluoridkonzentrationen im Trinkwasser in einigen Gebieten der USA wurden 1931 als Ursache für [[Fluorose|Zahnschmelz-Verfärbungen]] festgestellt. Dem gingen Forschungen durch [[Frederick Sumner McKay]] (1874–1959) und Greene Vardiman Black seit 1909 in [[Colorado Springs]] voraus, wo die [[Fluorose#Zahnfluorose|Zahnverfärbungen]] als „Colorado Brown Stain“ bezeichnet wurden.<ref>[https://www.nidcr.nih.gov/oralhealth/Topics/Fluoride/TheStoryofFluoridation.htm The Story of Fluoridation], National Institute of Dental and Craniofacial Research (NIDR). Abgerufen am 10. April 2015.</ref> In den betroffenen Regionen zeigte sich gleichzeitig ein auffallend niedrigerer Kariesbefall.<ref>Hans Ludigs,: [http://kops.ub.uni-konstanz.de/handle/urn:nbn:de:bsz:352-280226 Fluorid und die Geschichte der US-amerikanischen Zahnmedizin, ca. 1900 bis 1950], Universität Konstanz 2013. Abgerufen am 1. Januar 2015.</ref> Aus [[William John Gies|William John Gies']] Vision von einer ''Trinkwasserhygiene unter Aufsicht der Zahnärzteschaft''<ref>William J. Gies: The status of dentistry. Notes on the question whether dental practice should be included in medical practice, with comment on a substitute for state medicine. J dent Res 12 (1932) 945–990</ref> wurde nach epidemiologischen Studien schließlich die Idee entwickelt, das Leitungswasser zur Kariesprophylaxe mit Fluorid anzureichern. Fluorid-Lösungen und Gele zur topischen Anwendung in der Zahnarztpraxis wurden getgetestet und schließlich wurden seit den 1950ern auch fluoridhaltige Zahncremes intensiv beworben. Laut neuesten Forschungen entfalten Fluoride ihre kariesprotektive Wirkung vorwiegend bei lokaler Anwendung.

estet und schließlich wurden seit den 1950ern auch fluoridhaltige Zahncremes intensiv beworben. Laut neuesten Forschungen entfalten Fluoride ihre kariesprotektive Wirkung vorwiegend bei lokaler Anwendung.

==== Oralepidemiologie ====

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==== Zahnversiegelung ====

[[Datei:Fissurit.JPG|mini|120px|ApllikationsspritzeApplikationsspritze des Lacks zur Fissurenversiegelung]]

Als „excellent dentistry“ bezeichnete [[Frederick Sumner McKay]] die Präventionsmaßnahmen, mit denen Zahnärzte in den 1940er Jahren Kauflächen kariesfreier Zähne vorsorglich mit Füllungen versahen, was zwar einerseits den DMFT/S-Index verfälscht, andererseits aber in den Fissuren die Entstehung kariöser Läsionen verhütet.<ref>F. S. McKay an H. T. Dean, Schreiben vom 18. August 1947, in den [https://oculus.nlm.nih.gov/cgi/f/findaid/findaid-idx?c=nlmfindaid;id=navbarbrowselink;cginame=findaid-idx;cc=nlmfindaid;view=reslist;subview=standard;didno=dean;focusrgn=C02;byte=9596337 H. Trendley Dean Papers 1914–1961], National Library of Medicine.</ref> Weniger invasiv war das von [[Michael G. Buonocore]] (1918–1981) erstmals 1955 beschriebene Prinzip der [[Zahnversiegelung]].<ref>Michael. G. Buonocore: ''A simple method of increasing the adhesion of acrylic filling materials to enamel surfaces.'' In: ''Journal of dental research.'' Band 34, Nr. 6, Dezember 1955, {{ISSN|0022-0345}}, S.&nbsp;849–853, PMID 13271655.</ref> Kontrollierte klinische Studien hat er zusammen mit [[Eriberto Ivan Cueto]] Mitte der 1960er durchgeführt.<ref name="PMID5338243">E. I. Cueto, M. G. Buonocore: ''Sealing of pits and fissures with an adhesive resin: its use in caries prevention.'' In: ''Journal of the American Dental Association (1939).'' Band 75, Nr. 1, Juli 1967, {{ISSN|0002-8177}}, S.&nbsp;121–128, PMID 5338243.</ref> Am häufigsten wird sie bei Kindern und Jugendlichen für den Schutz von [[Fissur (Zahn)|Fissuren]] (Grübchen) auf den Kauflächen eingesetzt, wie auch der [[Zahnbelag|plaqueretentiven]] bukkalen und palatinalen Fissuren einschließlich der Grübchen am Übergang zu den [[Tuberculum carabelli|Tubercula Carabelli]] und den [[Foramen caecum dentis|Foramina caeca]] an oberen [[Schneidezahn|Schneidezähnen]]. Hierbei werden die Fissuren mit einem [[Lichthärtung|lichthärtenden]] Lack aufgefüllt, der am zuvor angeätzten [[Zahnschmelz]] [[Mikroretention|mikroretentiv]] haftet. 1976 wurde das Verfahren von der [[American Dental Association]] (ADA), der Vereinigung US-amerikanischer Zahnärzte, als sicher und effektiv anerkannt und fand anschließend weltweite Verbreitung in der Kariesprävention.<ref>Richard J. Simonsen, {{Webarchiv |url=http://www.aapd.org/assets/1/25/Simonsen5-02.pdf |text=Pit and fissure sealant: review of the literature |wayback=20150402092224}} (PDF) [[American Academy of Pediatric Dentistry]]. Abgerufen am 18. März 2015.</ref>

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[[Datei:Queensland State Archives 2553 View of surgery inside Department of Public Instruction Rail Dental Clinic Car Roma Street Brisbane 1929.png|mini|links|Kinderzahnheilkunde in einem Zugwaggon in [[Brisbane]]]]

1743 hat der Franzose [[Robert Bunon]] in seinem Buch ''Essay sur les Maladies des Dents'' umfassende Ausführungen zur Kinderzahnheilkunde gemacht. Er wies dort auf die diesbezügliche Bedeutung der richtigen Ernährung während der Schwangerschaft und der Kindheit hin. [[John Greenwood (Zahnmediziner)|John Greenwood]] warb als Erster in seiner New Yorker Praxis in den 1780er Jahren für die zahnärztliche Behandlung von Kindern zu reduzierten Gebührensätzen. Ihm folgte Anfang des 19. Jahrhunderts [[Christophe François Delabarre]] (1787–1862), der sich um die zahnärztliche Versorgung von Kindern in [[Waisenhaus|Waisenhäusern]] in [[Paris]] kümmerte.<ref>E. M. Miel: ''Recherches sur l’art de diriger la seconde dentition en général.'' 1826. {{archive.org |recherchessurlar00miel}}</ref> Das erste bekannte Kinderprophylaxeprogramm wurde 1851 durch [[Amédée-Jules-Louis François dit Talma]] (A.-F. Talma, 1792–1864) in [[Brüssel]] ins Leben gerufen, den Zahnarzt des belgischen Königs [[Leopold I. (Belgien)|Leopold&nbsp;I.]] Palma gilt auch als der Begründer der belgischen Zahnmedizin. Alle Kinder im Alter zwischen fünf und zwölf Jahren sollten seitdem einer zahnärztlichen Untersuchung und Behandlung unterzogen werden.<ref>{{Literatur |Autor=Goran Koch, Sven Poulsen |Titel=Pediatric Dentistry: A Clinical Approach |Verlag=John Wiley & Sons |Datum=2013 |ISBN=978-1-118-68719-2 |Seiten=1 |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=7Xdh8wb6zFsC&pg=PA1 Google Books]|Seite=1}}}}</ref> In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die ersten Kliniken für [[Kinderzahnheilkunde]] in [[Straßburg]], [[Hannover]] (durch [[Karl Kühns (Zahnmediziner)|Karl Kühns]]), [[Offenbach am Main]] und [[Würzburg]] gegründet. Die erste Gesetzgebung zur Schulzahnpflege erfolgte 1898 durch das preußische Kultusministerium. Die ersten Reihenuntersuchungen erfolgten 1900<ref>[[Paul Weindling|Paul J. Weindling]]: ''Health, race, and German politics between national unification and Nazism. 1870–1945.'' Cambridge MA 1989, S. 211.</ref> an Straßburger Schulen.

Im Oktober 1902 wurde dann in Straßburg die weltweit erste Schulzahnklinik durch [[Ernst Jessen]], der als „Vater der Schulzahnpflege“ gilt, eröffnet. Die Schaffung des „Deutschen Zentralkomitees für Zahnpflege in Schulen“ durch die Spitzenverbände der Renten- und Krankenversicherungsträger, die Vertreter der Gebietskörperschaften, der Zahnärzte und Dentisten im Jahre 1909 war die Geburtsstunde der [[Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege|Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege]] (DAJ). 1909 gibt es bereits 40 Schulzahnpflegestätten in Deutschland, die insgesamt 700.000 Schulkinder betreuen. Nach dem Ersten Weltkrieg steigt die Zahl der Schulzahnpflegestätten von 229 im Jahre 1919 auf über 1000 im Jahr 1930. Mangels einer einheitlichen gesetzlichen Regelung kommt es zu einem Systemstreit verschiedener Modelle. [[Alfred Kantorowicz (Zahnmediziner)|Alfred Kantorowicz]], der (wie Lem'i Belger<ref>Metin Gürlük: ''Die Entwicklung der türkischen Zahnheilkunde unter Lem'i Belger. Eine Studie zu den deutsch-türkischen Beziehungen auf dem Gebiet der Zahnheilkunde.'' Medizinische Dissertation Würzburg 1985.</ref>) ab 1933 für die Entwicklung der Zahnmedizin in der [[Türkei]] von großer Bedeutung war, 1936 auch auf dem 9. Internationalen Zahnärztekongress der ''Fédération dentaire international'' in Wien für die Schulzahnpflege eintrat und in der Türkei auch noch 1948 auf die Erfordernisse von Mundhygiene und Zahnpflege bzw. Kariesprophylaxe hinwies,<ref>Ali Vicdani Doyum: ''Alfred Kantorowicz unter besonderer Berücksichtigung seines Wirkens in İstanbul (Ein Beitrag zur Geschichte der modernen Zahnheilkunde).'' Medizinische Dissertation, Würzburg 1985.</ref> entwickelte das „Bonner System“, [[Hans Joachim Tholuck]] das Frankfurter System. Daneben gab es noch das Mannheimer System, ein Überweisungssystem zu niedergelassenen Zahnärzten.<ref>Elisabeth Schenck: ''Die Bedeutung der Schulzahnklinik für die Schulzahnpflege.'' In: ''[[Der sozialistische Arzt]]'', 4. Jg. (1928), Heft 3–4 (Dezember), S. 25–30, {{archive.org |DSAIV192834/DSA_IV_1928_3-4 |Blatt=n26}}</ref><ref>Max Jarecki. ''Die Bedeutung der Schulzahnklinik für die Schulzahnpflege.'' In: ''[[Der sozialistische Arzt]],'' 5. Jg. (1929), Heft 2 (Juni), S. 73–76 [https://archive.org/stream/DSA_V_1929_2#page/n26/mode/1up Digitalisat]</ref><ref>Otmar Müller, Gabriele Prchala, {{Webarchiv |url=https://zm-online.de/dl/1/5/0/0/ZM_09_2003.pdf |text=Prophylaxe lebt von Pluralität |wayback=20150524115121}} (PDF) [[Zahnärztliche Mitteilungen]] zm 93, Nr. 9, 1. Mai 2003,(1092) S. 36–37. Abgerufen am 20. Mai 2015.</ref>

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Für die erste kostenlose Zahnklinik für Kinder, die von den Mitgliedern des Zahnärztlichen Verbandes von [[Rochester (New York)]] für bedürftige Kinder im Jahre 1901 gegründet wurde, übernahm [[George Eastman]], Gründer der [[Kodak|Eastman Kodak Company]], die gesamte finanzielle Bürde. Es wurde im Oktober 1915 eine Körperschaft gegründet, die als [[Eastman Dental Dispensary]] (EDD) bekannt wurde. 1917 wurde das Gebäude eingeweiht. Es wurde eine Dentalhygienikerschule angegliedert.<ref name="Ring">Malvin E. Ring, Geschichte der Zahnmedizin, Könemann Verlag (1997), ISBN 3-89508-599-5.</ref> 1914 stand Deutschland auf dem Gebiet sozialhygienischer Vorsorge an der Spitze aller Kulturstaaten. Norwegen führte 1919 als erstes Land die staatlich finanzierte Schulzahnpflege ein. In den Kreisen [[Landkreis Jüterbog-Luckenwalde|Jüterbog-Luckenwalde]] wurde ein Auto als [[Schul-Zahnklinik]] in den Dienst gestellt, welches die Schulkinder auf ihre Zähne untersucht und behandelt. Im [[Gliedstaat|Bundesstaat]] [[Queensland]] im Nordosten [[Australien]]s wurde 1929 ein Behandlungsraum in einem Zug eingerichtet, um Kinder in entlegenen Orten behandeln zu können. In den Zeiten der Weltkriege kam nach anfänglicher [[Nationalsozialistische Propaganda|NS-Propaganda]] die Jugendzahnpflege zum Stillstand.

Am 8. Juli 1949 wurde der „Deutsche Ausschuß für Jugendzahnpflege“ gegründet, womit flächendeckend die [[Gruppenprophylaxe]] („Schulzahnarzt“) etabliert wurde. Daneben bildete sich langsam die Spezialisierung zur [[Kinderzahnheilkunde]] aus.<ref>[https://www.daj.de/fileadmin/user_upload/60_Jahre_DAJ.pdf 60&nbsp;Jahre DAJ] (PDF; 590&nbsp;kB) Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege, Pressemitteilung vom 8. Juli 2009. Abgerufen am 5. Dezember 2014.</ref><ref>{{Literatur |Autor=Friedrich Römer |Titel=Die Deutsche Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde: wie sie wurde – was sie ist |Verlag=Mein Buch oHG |Datum=2004 |ISBN=3-86516-153-7 |Seiten=16– |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=UUMYU39Rh5AC&pg=PA16 Google Books]|Seite=16}}}}</ref>

Die älteste Schulzahnklinik der Schweiz wurde 1908 in Zürich gegründet.<ref>{{Webarchiv |url=https://www.stadt-zuerich.ch/content/dam/stzh/ssd/Deutsch/Gesundheit%20Praevention/Schulzahnarzt/Weitere%20Dokumente/100%20Jahre%20SZD.pdf |text=stadt-zuerich.ch |wayback=20161019151139 |archiv-bot=2022-11-07 22:18:20 InternetArchiveBot}} (PDF)</ref> Für die Zahnkontrolle ist heute der [[Schulärztlicher Dienst|Schulärztliche Dienst]] zuständig, der auch den Schulzahnarzt einstellt. Geregelt wird der Dienst wie das Schulwesen kantonal.

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[[Datei:Le Petit Journal - Bazar de la Charité.jpg|mini|120px|Brand im Bazar de la Charité]]

Es werden einige Fälle, insbesondere seit dem Mittelalter, berichtet, in denen Identifikationen anhand des Gebisses vorgenommen worden sind.<ref>{{Literatur |Autor=David R. Senn, Paul G. Stimson |Titel=Forensic Dentistry, Second Edition |Verlag=CRC Press |Datum=2010 |ISBN=978-1-4200-7837-4 |Seiten=11 |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=e27rSo99bA4C&pg |Seite=PA11 books.google.com]11}}}}</ref> 1881 wurde nach dem [[Ringtheaterbrand|Brand des Wiener Ringtheaters]] an den geborgenen und stark zerstörten Leichen erstmals die Methode einer Identifizierung anhand der Zahnstellung praktiziert und damit eine Grundlage für die später renommierte „Wiener Schule der Kriminalistik“ gelegt. Die Zahl der Todesopfer betrug nach offiziellen Angaben 384. [[Ludwig Eisenberg]] schreibtschrieb von nahezu 1000 Toten.<ref>[[Ludwig {{Eisenberg]]: ''Großes biographisches Lexikon der Deutschen Bühne im XIX. Jahrhundert''. Verlag von [[Paul List]], Leipzig -1903, S. 476 ({{archive.org |ludwigeisenberg00eiseuoft |BlattS=476}})</ref><ref>Juliane Mikoletzky: [https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=fer-002:1997:69::123 ''Der Brand des Wiener Ringtheaters 1881 und die Folgen''], ETH-Bibliothek, 1997, Band 69 (1997), S. 59–68.; Abgerufenabgerufen am 23. November 2016.</ref> Der Zahnarzt [[Oscar Amoëdo y Valdes]] (1863–1945) aus [[Kuba]] wird hingegen als ''Vater der forensischen Zahnmedizin'' bezeichnet. Anlass war 1897 eine tragische Brandkatastrophe auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung in [[Paris]], dem [[Bazar de la Charité]], bei der 129 Menschen den Tod fanden. Amoëdo war nicht selbst an der Identifikation der Brandopfer beteiligt, befragte jedoch die beteiligten Personen und veröffentlichte die Ergebnisse im ersten Buch zur forensischen Zahnheilkunde ''L’Art Dentaire de Medicine Legale''. Er selbst nennt aber Albert Hans, den [[Paraguay]]ischen Konsul als Urheber der forensischen Zahnheilkunde. Dieser habe die behandelnden Zahnärzte der Brandopfer zusammengerufen, um mit deren Hilfe die Opfer zu identifizieren.<ref>O. Amoëdo,: ''The role of the dentists in the identification of the victims of the catastrophe of the “Bazar de la Charite,”Charite”''. Paris, 4. Mai 1897. Dental Cosmos 39:905–912.</ref> In den 1940er Jahren gingen Zahnärzte dazu über, in die Prothese den Namen des Patienten einzugravieren. Dadurch gelang es, falls nötig, Personen mit so markierten Prothesen leichter zu identifizieren. Der Zahnarzt [[Paul Revere (Freiheitskämpfer)|Paul Revere]] baute diese Identifikationsmöglichkeiten aus und gilt seitdem als Mitbegründer der [[Forensische Zahnmedizin|forensischen Zahnmedizin]].<ref>Marsha A. Völker,: [https://www.dentalcare.com/en-US/dental-education/continuing-education/ce401/ce401.aspx?ModuleName=coursecontent&PartID=1&SectionID=-1 Forensic Dentistry History.], Dental Care.; Abgerufenabgerufen am 7. Dezember 2014.</ref><ref>{{Literatur |Autor=Saundra Goodman |Titel=Got Teeth? a Survivor’s Guide: How to Keep Your Teeth Or Live Without Them! |Verlag=Dog Ear Publishing |Datum=2007 |ISBN=978-1-59858-299-4 |Seiten=52–53 |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=uzF2twPr5msC&pg |Seite=PA52 Google Books]52}}}}</ref> [[Werner Hahn (Mediziner)|Werner Hahn]] (1912–2011), ehemaliger Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der [[Christian-Albrechts-Universität zu Kiel]], gründete in Deutschland – &nbsp;als Vorstandsmitglied der DGZMK &nbsp;– im Jahre 1976 den [[Forensische Zahnmedizin#Fachgesellschaften|Arbeitskreis für Forensische Odonto-Stomatologie]] (AKFOS) und war mehr als 20 Jahre lang sein Vorsitzender. Er setzte sich von Anbeginn an für die Weiterbildung zum „Fachzahnarzt für Forensische Odonto-Stomatologie“ ein, jedoch ohne Erfolg.<ref>Claus Grundmann,: [http://www.zm-online.de/hefte/Der-Zahnarzt-als-Sachverstaendiger_38003.html#1 Der Zahnarzt als Sachverständiger.], In: ''Zahnärztliche Mitteilungen'', Heft 24/2008.; abgerufen am 15. Februar 2016.</ref>

[[Datei:Smt090.jpg|mini|120px|links|Modellgussgerüst auf Gipsmodell]]

=== Edelmetallfreie Legierungen ===

Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte der US-Amerikaner [[Elwood Haynes]] eine [[Cobalt]]-Basis-Legierung (Ausgangspunkt für die Gruppe der [[Stellite]]), die er 1907 zum Patent anmeldete. Sie bildet die Grundlage der bis heute in der Zahnheilkunde verwendeten [[Chrom-Cobalt-Molybdän-Legierung]]en, die 1932 als ''Vitallium'' eingeführt wurde, für [[Modellgussprothese]]n und für die Kronen- und Brückentechnik.<ref>Lee M. Pike, {{Webarchiv |url=http://www.haynesintl.com/100plusYEARSWROUGHTalloyDEVatHAYNESintl.pdf |text=100+ Years of Wrought Alloy Development at Haynes International, 8th International Symposium on Superalloy 718 and Derivatives, 2014. Abgerufen am 26. Januar 2015. |wayback=20150209070218}} (PDF)</ref> In der Regel unterscheiden sich die aufbrennfähigen Cobalt-Chrom-Legierungen von den Modellguss-Legierungen durch das Zulegieren von [[Wolfram]]. Eine der ersten Cobalt-Chrom-Legierungen, die mit den niedrigschmelzenden und hochexpandierenden Keramiken verblendet werden kann, entwickelte die [[BEGO|Bremer Goldschlägerei BEGO]] im Jahre 1999.<ref>Thorsten Hoopmann,: [http://www.diss.fu-berlin.de/diss/servlets/MCRFileNodeServlet/FUDISS_derivate_000000012421/Diss_Hoopmann.pdf?hosts= Einfluss der Washbrand-Temperatur auf das Temperatur-Wechsellastverhalten aufbrennfähiger Cobalt-Chrom-Legierungen] (PDF) Dissertation 2012.; Abgerufenabgerufen am 26. Januar 2015.</ref>

=== Befestigung von Teilprothesen ===

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[[Datei:Vier kanalige endo ondermolaar.jpg|mini|150px|Wurzelkanaleingänge an einem Molaren]]

[[Datei:Edward Maynard, Dental summary. (1908).jpg|mini|150px|links|Edward Maynard]]

Auf die Tätigkeit von [[Louis I. Grossman]] in [[Philadelphia]] und seinen Nachfolgern am nach ihm benannten Lehrstuhl, [[Leif Tronstad]] und [[Syngcuk Kim]], ist der Weltruhm von Philadelphia und sein großer Einfluss auf die Entwicklung der [[Endodontie]] über nahezu zwei Jahrhunderte zurückzuführen, obwohl erste Versuche bereits – wie geschildert – auf Fauchard, Hunter und Pfaff zurückgehen.<ref name="Baumann">Michael A. Baumann, [https://www.dget.de/downloads/dgendo_chronik.doc Endodontie: State of the Art]. Endodontie: Rückblick und Ausblick, S. 11. Abgerufen am 16. März 2015.</ref> Die erste Monographie zur Endodontie verfasste [[Eduard Albrecht]] 1858; ihr folgte die Einführung von [[Arsen]] als Devitalisationsmittel durch [[John R. Spooner]] (1836).<ref name="Bienengräber" /> Als Erfinder der Exstirpationsnadel (1840) und der damit verbundenen [[Wurzelkanalbehandlung#Indikationen|Vitalexstirpation]] gilt [[Edward Maynard]] (1813–1891), der sie aus Uhrenfedern feilte. Maynard war unter anderem Zahnarzt des russischen Zaren [[Nikolaus I. (Russland)|Nikolaus&nbsp;I.]], des Königs von Preußen [[Friedrich Wilhelm&nbsp;IV.]] und des schwedischen Königs [[Oskar I. (Schweden)|Oskar&nbsp;I.]]<ref>Edward Maynard: ''Dental summary'', Volume 28, (1908), Ransom & Randolph, Toledo OH, S. 269. {{archive.org |dentalsummary2819unse/dentalsummary2819unse |Blatt=n284}}</ref> Der Schweizer [[Alfred Gysi]] erfand 1889 die ''Triopaste'' ([[Paraformaldehyd]], [[Kresole#Darstellung|Trikresol]] und [[Creolinum anglicum]]) und schlug vor, den [[Zahnwurzel|Wurzelkanal]] mit [[Wasserstoffperoxid]] (H<sub>2</sub>O<sub>2</sub>) das auf [[Louis Jacques Thénar d]] (1818) zurückgeht, zu reinigen. [[Natriumhypochlorit]] (NaOCl) wird 1915 von [[Henry Drysdale Dakin]] erfolgreich im [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] zunächst als Wunddesinfiziens benutzt und fand als ''Dakinsche Lösung'' in die Endodontie Einzug. Grossman und [[Benjamin W. Meiman]] demonstrieren Mitte der 1940er Jahre die Fähigkeit von NaOCl zur Gewebeauflösung im Wurzelkanal und begründeten damit die Ära der Wurzelkanalspülung. 1922 wechselte Otto Walkhoff an die Universität Würzburg. Er befasste sich mit der Feinstruktur und der [[Pathologie]] der Zähne, einschließlich der [[Wurzelkanalbehandlung]]. Die nach ihm benannte Walkhoff-Paste, eine [[Iodoform|Jodoform]]-Paste, welche zusätzlich noch mit [[Chlorphenole|Chlorphenol]]-[[Campher|Kampfer]]-[[Menthol]] (ChKM) versetzt ist, wird als therapeutische, temporäre Wurzelkanalfüllung bis heute verwendet.<ref>{{Literatur |Autor=Ashraf F. Fouad |Titel=Endodontic Microbiology |Verlag=John Wiley & Sons |Datum=2009 |ISBN=978-0-8138-0728-7 |Seiten=249– |Online=[http://books.google.com/books?id=R5SfiVrS2J0C&pg=PA249 Google Books]}}</ref> Dem Zahnarzt Harry B. Johnston aus [[Atlanta]] (Georgia) wird die Begriffsfindung „Endodontie“ ({{grcS|ἔνδον|endon|de=innen}}, {{grcS|ὀδών|odon|de=Zahn}}) zugeschrieben, der 1928 eine eigene Praxis ''Limited to endodontics'' eröffnete. Im selben Jahr entwickelte der Franzose [[Henri Lentulo]] eine Vielzahl von Behandlungstechniken, die bis heute von Zahnärzten in der ganzen Welt angewandt werden. Hierzu gehört sein später nach ihm benannter spiralförmiger Wurzelfüller zur maschinellen [[Wurzelkanalbehandlung|Füllung von Wurzelkanälen]] und eine Wurzelkanalfüllpaste.<ref>H. Lentulo: Présentation d’un instrument pour l’obturation des canaux dentaires. L’odontologie, 1928, 66, n°2, p.87-95.</ref><ref>E. M. Amadeo: ''Remembering an international master of dentistry and pioneer in endodontics: Henry Lentulo 1889–1981.'' In: ''Revista de la Asociación Odontológica Argentina.'' Band 71, Nummer 5, September 1983, S.&nbsp;150–152, {{ISSN|0004-4881}}. PMID 6374777.</ref>

Auf die Tätigkeit von [[Louis I. Grossman]] in [[Philadelphia]] und seinen Nachfolgern am nach ihm benannten Lehrstuhl, [[Leif Tronstad]] und [[Syngcuk Kim]], ist der Weltruhm von Philadelphia und sein großer Einfluss auf die Entwicklung der [[Endodontie]] über nahezu zwei Jahrhunderte zurückzuführen, obwohl erste Versuche bereits – wie geschildert – auf Fauchard, Hunter und Pfaff zurückgehen.<ref name="Baumann">Michael A. Baumann, [https://www.dget.de/downloads/dgendo_chronik.doc Endodontie: State of the Art]. Endodontie: Rückblick und Ausblick, S. 11. Abgerufen am 16. März 2015.</ref> Die erste Monographie zur Endodontie verfasste [[Eduard Albrecht]] 1858; ihr folgte die Einführung von [[Arsen]] als Devitalisationsmittel durch [[John R. Spooner]] (1836).<ref name="Bienengräber" /> Als Erfinder der Exstirpationsnadel (1840) und der damit verbundenen [[Wurzelkanalbehandlung#Indikationen|Vitalexstirpation]] gilt [[Edward Maynard]] (1813–1891), der sie aus Uhrenfedern feilte. Maynard war unter anderem Zahnarzt des russischen Zaren [[Nikolaus I. (Russland)|Nikolaus&nbsp;I.]], des Königs von Preußen [[Friedrich Wilhelm&nbsp;IV.]] und des schwedischen Königs [[Oskar I. (Schweden)|Oskar&nbsp;I.]]<ref>Edward Maynard: ''Dental summary'', Volume 28, (1908), Ransom & Randolph, Toledo OH, S. 269. {{archive.org |dentalsummary2819unse/dentalsummary2819unse |Blatt=n284}}</ref> Der Schweizer [[Alfred Gysi]] erfand 1889 die ''Triopaste'' ([[Paraformaldehyd]], [[Kresole#DarstellungHerstellung|Trikresol]] und [[Creolinum anglicum]]) und schlug vor, den [[Zahnwurzel|Wurzelkanal]] mit [[Wasserstoffperoxid]] (H<sub>2</sub>O<sub>2</sub>) das auf [[Louis Jacques Thénar d]] (1818) zurückgeht, zu reinigen. [[Natriumhypochlorit]] (NaOCl) wird 1915 von [[Henry Drysdale Dakin]] erfolgreich im [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] zunächst als Wunddesinfiziens benutzt und fand als ''Dakinsche Lösung'' in die Endodontie Einzug. Grossman und [[Benjamin W. Meiman]] demonstrieren Mitte der 1940er Jahre die Fähigkeit von NaOCl zur Gewebeauflösung im Wurzelkanal und begründeten damit die Ära der Wurzelkanalspülung. 1922 wechselte Otto Walkhoff an die Universität Würzburg. Er befasste sich mit der Feinstruktur und der [[Pathologie]] der Zähne, einschließlich der [[Wurzelkanalbehandlung]]. Die nach ihm benannte Walkhoff-Paste, eine [[Iodoform|Jodoform]]-Paste, welche zusätzlich noch mit [[Chlorphenole|Chlorphenol]]-[[Campher|Kampfer]]-[[Menthol]] (ChKM) versetzt ist, wird als therapeutische, temporäre Wurzelkanalfüllung bis heute verwendet.<ref>{{Literatur |Autor=Ashraf F. Fouad |Titel=Endodontic Microbiology |Verlag=John Wiley & Sons |Datum=2009 |ISBN=978-0-8138-0728-7 |Seiten=249–249 ff. |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=R5SfiVrS2J0C&pg |Seite=PA249 Google Books]249}}}}</ref> Dem Zahnarzt Harry B. Johnston aus [[Atlanta]] (Georgia) wird die Begriffsfindung „Endodontie“ ({{grcS|ἔνδον|endon|de=innen}}, {{grcS|ὀδών|odon|de=Zahn}}) zugeschrieben, der 1928 eine eigene Praxis ''Limited to endodontics'' eröffnete. Im selben Jahr entwickelte der Franzose [[Henri Lentulo]] eine Vielzahl von Behandlungstechniken, die bis heute von Zahnärzten in der ganzen Welt angewandt werden. Hierzu gehört sein später nach ihm benannter spiralförmiger Wurzelfüller zur maschinellen [[Wurzelkanalbehandlung|Füllung von Wurzelkanälen]] und eine Wurzelkanalfüllpaste.<ref>H. Lentulo: Présentation d’un instrument pour l’obturation des canaux dentaires. L’odontologie, 1928, 66, n°2, p.87-95.</ref><ref>E. M. Amadeo: ''Remembering an international master of dentistry and pioneer in endodontics: Henry Lentulo 1889–1981.'' In: ''Revista de la Asociación Odontológica Argentina.'' Band 71, Nummer 5, September 1983, S.&nbsp;150–152, {{ISSN|0004-4881}}. PMID 6374777.</ref>

[[André Schröder (Zahnmediziner)|André Schröder]] stellte im Jahre 1954 den ersten Vertreter der Wurzelfüllpasten auf [[Eugenol|Zinkoxid-Eugenol]]-Basis als AH26 [[Epoxidharz]]-[[Sealer (Zahnmedizin)|Sealer]] vor.<ref>A. Schröder, ''[The impermeability of root canal filling material and first demonstrations of new root filling materials].'' In: ''Schweizerische Monatsschrift für Zahnheilkunde = Revue mensuelle suisse d’odonto-stomatologie / SSO.'' Band 64, Nummer 9, September 1954, {{ISSN|0036-7702}}, S.&nbsp;921–931, PMID 13225678.</ref> 1959 wurde durch die beiden Schweizer [[Angelo G. Sargenti]] (1917–1999) und [[Samuel L. Richter]] mit ''N2'' ein Medikament und Sealer eingeführt, das [[Formaldehyd]] und weitere fragwürdige Bestandteile enthält, auf welches manche Zahnärzte schworen, andere hingegen kritisierten, dass es massive Irritationen der Pulpa bis hin zur Entstehung periapikaler Läsionen verursacht hat.<ref>Angelo G. Sargenti and Samuel L. Richter, [https://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=mdp.39015007429833;view=1up;seq=5 Rationalized root canal treatment], AGSA Scientific Publications, 1959.</ref> Es folgte die ''Ledermixpaste'' durch André Schröder im Jahre 1962, einer Kombination eines Antibiotikums ([[Tetracyclin]]) und eines Cortisonderivates ([[Triamcinolon]]). Die Unzufriedenheit mit den Wurzelkanalfüllmaterialien zeigt sich an der Vielfalt zahlreicher Pasten zu denen neben den genannten [[Polydimethylsiloxan]], [[Calciumhydroxid]]-Sealer, [[Glasionomerzement|Glasionomer]]-Sealer oder [[guttapercha]]basierte Sealer oder Füllmaterialien auf [[Ketone|Polyketon]]-Basis (Diaket), auf [[Methacrylsäure|Methacrylat]]-Basis und [[Salicylsäure|Salicylat]]-Basis zählen.<ref>E. Schäfer: {{Webarchiv |url=http://www.sso.ch/doc/doc_download.cfm?uuid=88270EC6D9D9424C4D504AF0953CC40D |text=''Wurzelkanalfüllmaterialien'' |wayback=20150402174343}}, Schweiz Monatsschr Zahnmed, Vol 110: 8/2000, S. 849–861. Abgerufen am 22. März 2015.</ref>

[[André Schröder (Zahnmediziner)|André Schröder]] stellte im Jahre 1954 den ersten Vertreter der Wurzelfüllpasten auf [[Eugenol|Zinkoxid-Eugenol]]-Basis als AH26 [[Epoxidharz]]-[[Sealer (Zahnmedizin)|Sealer]] vor.<ref>A. Schröder, ''[The impermeability of root canal filling material and first demonstrations of new root filling materials].'' In: ''Schweizerische Monatsschrift für Zahnheilkunde = Revue mensuelle suisse d’odonto-stomatologie / SSO.'' Band 64, Nummer 9, September 1954, {{ISSN|0036-7702}}, S.&nbsp;921–931, PMID 13225678.</ref> 1959 wurde durch die beiden Schweizer [[Angelo G. Sargenti]] (1917–1999) und [[Samuel L. Richter]] mit ''N2'' ein Medikament und Sealer eingeführt, das [[Formaldehyd]] und weitere fragwürdige Bestandteile enthält, auf welches manche Zahnärzte schworen, andere hingegen kritisierten, dass es massive Irritationen der Pulpa bis hin zur Entstehung periapikaler Läsionen verursacht hat.<ref>Angelo G. Sargenti and Samuel L. Richter, [https://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=mdp.39015007429833;view=1up;seq=5 Rationalized root canal treatment], AGSA Scientific Publications, 1959.</ref> Es folgte die ''Ledermixpaste'' durch André Schröder im Jahre 1962, einer Kombination eines Antibiotikums ([[Tetracyclin]]) und eines Cortisonderivates ([[Triamcinolon]]). Die Unzufriedenheit mit den Wurzelkanalfüllmaterialien zeigt sich an der Vielfalt zahlreicher Pasten, zu denen neben den genannten [[Polydimethylsiloxan]], [[Calciumhydroxid]]-Sealer, [[Glasionomerzement|Glasionomer]]-Sealer oder [[guttapercha]]basierte Sealer oder Füllmaterialien auf [[Ketone|Polyketon]]-Basis (Diaket), auf [[Methacrylsäure|Methacrylat]]-Basis und [[Salicylsäure|Salicylat]]-Basis zählen.<ref>E. Schäfer: {{Webarchiv |url=http://www.sso.ch/doc/doc_download.cfm?uuid=88270EC6D9D9424C4D504AF0953CC40D |text=''Wurzelkanalfüllmaterialien'' |wayback=20150402174343}}, Schweiz Monatsschr Zahnmed, Vol 110: 8/2000, S. 849–861. Abgerufen am 22. März 2015.</ref>

[[Datei:Endodontic instruments.jpg|mini|links|150px|Wurzelkanalinstrumente aus Stahl und Nickel-Titan]]

In der Endodontie ist [[Guttapercha]] bislang das am wenigsten umstrittene [[Füllungsmaterial]]. Guttaperchastifte, die bei der Technik der [[Wurzelkanalbehandlung#Füllung|lateralen Kondensation]] verwendet werden, bestehen aus 20–40&nbsp;Prozent β-Guttapercha, 30–60&nbsp;Prozent [[Zinkoxid]], [[Wachs]]en oder [[Kunststoff]], [[Sulfate|Schwermetallsulfaten]], Farbstoffen und einigen [[Spurenelement]]en. Die [[Sealer (Zahnmedizin)|Sealer]] sollen zusätzlich den Restraum im Wurzelkanallumen füllen. Nachdem 1847 [[Edwin Thomas Truman]] (1818–1905) ''Gutta Percha'' als Füllungsmaterial verwendet hatte, eine Absonderung von Bäumen der [[Breiapfelbaum|Sapotillafamilie]], kam diese im Jahre 1850 vermischt mit [[Calciumcarbonat|Kalk]], [[Quarz]] und [[Feldspat]] als Füllungsmaterial unter dem Namen des Entwicklers [[Asa Hill]] als ''Hill’s Stopping'' auf den Markt.<ref>Arnaldo Castellucci,: [https://www.endoexperience.com/filecabinet/texbook%20Exerpts/Castellucci%20Text/chapter_01.pdf A Brief History of Endodontics] (PDF) Abgerufen am 22. März 2015.</ref><ref>[http://www.diss.fu-berlin.de/diss/servlets/MCRFileNodeServlet/FUDISS_derivate_000000002993/1_Kapitel1.pdf?hosts= Historie der Knochenzemente] (PDF) Dissertation. Abgerufen am 22. März 2015.</ref> Nachdem G. A. Bowman 1867 erstmals mit konisch geformten Guttaperchastiften Wurzelkanäle an einem extrahierten [[Molar (Zahn)|Molaren]] zu Demonstrationszwecken gefüllt hatte, brachte S. S. White 1887 konfektionierte Guttapercha-Stifte auf den Markt.<ref>{{Literatur |Autor=John Ide Ingle, Leif K. Bakland, J. Craig Baumgartner |Titel=Ingle’s Endodontics 6 |Verlag=PMPH-USA |Datum=2008 |ISBN=978-1-55009-333-9 |Seiten=1019 |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=aV1kEf7mlckC&pg |Seite=PA1019 books.google.com]1019}}}}</ref>

Die Aufbereitung des Wurzelkanals ist durch die Ablösung des etwa ein Jahrhundert bevorzugten Werkstoffs Edelstahl für Wurzelkanalinstrumente durch [[Nitinol]]instrumente, einer Nickel-Titan-Legierung, die zu den [[Formgedächtnislegierung]]en gehört, revolutioniert worden. Sie wurden von [[Harmeet D. Walia]] et al. 1988 entwickelt und haben weltweit für einen qualitativen Schub gesorgt, da die Aufbereitung schwieriger Wurzelkanalkrümmungen durch die höhere Bruch- und Biegefestigkeit dieser Instrumente sicherer geworden ist.<ref name="Baumann" /> Nitinol selbst wurde 1958 am [[Naval Ordnance Laboratory]] (USA) von William J. Buehler und Frederick Wang entwickelt.<ref>W.J. Buehler, J.W. Gilfrich & R.C. Wiley, „Effects of low-temperature phase changes on the mechanical properties of alloys near composition TiNi,“ ''Journal of Applied Physics'' '''34''' (1963) p 475. [[doi:10.1063/1.1729603]]</ref><ref>F.E. Wang, W.J. Buehler & S.J. Pickart, „Crystal structure and a unique martensitic transition of TiNi,“ ''Journal of Applied Physics'' '''36''' (1965) p 3232-3239.</ref>

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Dem zunächst von Jourdain entwickelten und bereits von Pierre Fauchard beschriebenen Handbohrer<ref>[https://www.slideshare.net/indiandentalacademy/rotary-instruments-dental-implant-courses-by-indian-dental-academy Rotary instruments], Indian dental academy. Abgerufen am 17. Oktober 2017.</ref> folgte 1790 die erste, von dem bereits erwähnten Zahnarzt [[George Washington]]s, [[John Greenwood (Zahnmediziner)|John Greenwood]] (1760–1819) erfundene Fußtretbohrmaschine. Als Vorlage diente ihm das [[Spinnrad]] seiner Mutter.<ref>[https://web.archive.org/web/20080426130152/http://www.ada.org/public/resources/history/timeline_18cent.asp History of dentistry], ADA. Abgerufen am 19. Oktober 2017 aus dem [[Internet Archive]].</ref> Daneben wurde 1803 ein Bohrer mit Handkurbel von Von Lautenschläger<ref>Jakob Calmann Linderer: ''Bemerkung über des Herrn Lautenschlägers Zahninstrument und Beschreibung über die Bohrmaschine.'' In: ''([[Justus Christian Loder]]s) Journal für Chirurgie, Geburtshilfe und gerichtliche Arzneikunde.'' Band 4, 1805, 3. Stück, S. 437.</ref> entwickelt. 1838 ließ sich J. Lewis einen solchen als ersten patentieren. 1846 führte Wescott einen mit einem Ring am Finger befestigten Bohrer ein. Im Jahr 1864 folgte die Erfindung des ''Erado'' durch den [[Vereinigtes Königreich|britischen]] Zahnarzt [[George Fellows Harrington]], der einen Dentalbohrer an ein [[Federwerk]] eines [[Uhrwerk]]s anschloss. Das Federwerk wurde zuvor aufgezogen und lief dann lärmend für etwa zwei Minuten.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.bda.org/museum/collections/dental-equipment/clockwork-drill-and-dental-engine |titel=BDA Museum: Collections: Dental equipment: Clockwork drill and dental engine |hrsg=[[British Dental Association]] |datum=2013-06-07 |abruf=2016-07-03}}</ref> [[James B. Morrison]] entwickelte 1871 einen pedalbetriebenen Zahnbohrer, der auf dem Prinzip der [[Nähmaschine]] aufgebaut war. Der erste elektrische Zahnbohrer wurde 1875 von [[George F. Green]] patentiert. In der Reihe der Erfinder findet sich auch William Gibson Arlington Bonwill mit seiner ''Bonwill dental engine'', wobei 1875 eine ähnliche, aber batteriebetriebene Entwicklung von S. S. White auf den Markt gebracht worden ist. 1893 begann die Ära der [[Doriotgestänge]], einem Riemengetriebe zur Drehkraftübertragung von einem Elektromotor auf zahnärztliche Hand- und Winkelstücke, das vom Pariser Zahnarzt [[Constant Doriot]] erfunden wurde und fast 70 Jahre lang zur Standardausrüstung einer Zahnarztpraxis gehörte. Auch hydraulisch betriebene Bohrmaschinen wurden verwendet (engl. Water-Motor Dental Engine). Bis 1914 konnten Elektro-Dentalbohrer Geschwindigkeiten von bis zu 3000 Umdrehungen pro Minute erreichen.<ref>[http://www.discoveriesinmedicine.com/Com-En/Dental-Drill.html Dental drill], Medical Discoveries. Abgerufen am 16. Dezember 2014.</ref> Der Belgier [[Emile Huet]] (1874–1944) hatte bereits 1911 einen Motor für die zahnärztliche Behandlung konstruiert, der eine Drehzahl von 10.000/min schaffte, jedoch waren die damaligen Handstücke nicht für solche Drehzahlen ausgelegt.

[[Robert B. Black]] entwickelte 1945 das erste Gerät namens ''Air Dent'' (Air-Flow, [[Air-Polishing]]) zur Anwendung in der Kavitätenpräparation und zur [[Prophylaxe (Zahnmedizin)|Prophylaxe]]. Es enthielt ein hoch [[Abrasio dentium|abrasives]] [[Natriumhydrogencarbonat|Natriumbicarbonat]]-Pulver.<ref>Black, R. B., Black: ''Technic for nonmechanical preparation of cavities and prophylaxis''. In: ''[[Journal of the American Dental Association]]'', (1945), Heft 32:, S. 955–965.</ref> 1949 konstruierte [[John Patrick Walsh]] zusammen mit Mitarbeitern des ''Dominion Physical Laboratory'' in [[Neuseeland]] das Luftturbinenhandstück. 1950 wurde das [[Handstück (Zahnmedizin)|Handstück]] zum [[Winkelstück]] weiterentwickelt. 1965 stellten die Firmen [[Kerr Dental]] und [[Siemens]] (später [[Sirona (Unternehmen)|Sirona]], seit 2015 [[Dentsply International]]) die ersten zahnärztlichen Mikromotoren her. Da der Mikromotor direkt auf das Hand- oder Winkelstück aufgesteckt wurde, entfiel das Problem einer Kraftübertragung über eine größere Strecke. Es folgte 1957 die Entwicklung eines [[Turbine (Zahnmedizin)#Geschichte|Hochgeschwindigkeits-Luftturbinenhandstücks]] durch [[John Borden]], namens ''Airotor'' ([[Dentsply International|Dentsply]]), das mit bis zu 300.000 Umdrehungen pro Minute die Präparation von Zähnen und Zahnkavitäten erheblich beschleunigte.<ref>Shannon Pace Bringer,: [http://cpsmagazine.com/?dental-team=dental-handpieces The History, Evolution, and Necessity of Dental Handpieces], Contemporary Product Solutions. Abgerufen am 24. September 2014.</ref> Turbinen waren zu Beginn noch nicht in das Behandlungsgerät eingebaut. Ein Luft-/Wassergemisch ([[Zerstäuben|Spray]]) kühlt durch ein bis vier Düsen die Zahnoberfläche während des Schleifens. Ein integrierter [[Lichtleiter]] sorgt seit 1987 für bessere Sicht im Behandlungsfeld.<ref>Karlheinz Kimmel: ''Impulsgeber für den technischen Fortschritt in Zahnmedizin und Zahntechnik. Die Geschichte der Firma Kaltenbach & Voigt 1909–2009'', Görres-Verlag, 2009, ISBN 978-3-935690-71-3. Auszüge {{Webarchiv |url=http://www.springermedizin.at/artikel/10647-impulsgeber-fuer-den-technischen-fortschritt-in-der-zahnmedizin |text=onlineSpringerMedizin. |wayback=20141112115633}} bei SpringerMedizin. Abgerufenabgerufen am 28. September 2014.</ref>

=== Parodontologie ===

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[[Datei:Posterior scaler on teeth.jpg|mini|130px|Débridement bei Parodontitis]]

Die Parodontologie führt ihren Ursprung auf [[John Mankey Riggs]] (1811–1885) zurück. Die [[Parodontitis]] wurde seit der Vorstellung seiner Behandlungstechniken 1876 als ''Riggs-Krankheit'' bezeichnet. Er war ein Gegner der [[Zahnfleisch|Gingivaresektion]], die damals praktiziert wurde und propagierte die [[Zahnstein]]entfernung einschließlich [[Débridement]] und Zahnpolitur. Ferner betonte er die Wichtigkeit der [[Prophylaxe (Zahnmedizin)|Mundhygiene]] zur Parodontitisprävention. Der Schriftsteller [[Mark Twain]], der Riggs zur Behandlung seiner Parodontitis aufsuchte, brachte Riggs'Riggs’ Fertigkeiten in seinem kurzen Essay ''Happy Memories of the Dental Chair'' zu Papier.<ref>W. J. Maloney: ''A Periodontal Case Report by Dr.&nbsp;S. L. Clemens.'' In: ''Journal of Dental Research.'' 89, 2010, S.&nbsp;676, [[doi:10.1177/0022034510366677]].</ref><ref>{{Literatur |Autor=Mark Twain, Frederick Anderson, Lin Salamo, Bernard L. Stein |Titel=Mark Twain’s Notebooks & Journals |Band=Band II: ''(1877–1883)'' |Verlag=University of California Press |Datum=1975 |ISBN=0-520-90553-9 |Seiten=53 |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=NfZHzBHUX7cC&pg |Seite=PA53 books.google.com]53}}}}</ref>

Im 19. Jahrhundert hatten die Parodontopathien zahlreiche Bezeichnungen, wie Alveolarpyorrhöe, ''Alveolitis infectiosa'', ''Caries alveolaris'', Geissel medicorum, ''pyorrhee interalveolodentaire'' oder ''Pyorrhoea alveolaris''. Ihre Behandlung beschränkte sich auf die Zahnsteinentfernung, das Schröpfen der Gingiva und die Exzision des hyperplastisch veränderten Gewebes. In Deutschland gilt [[Oskar Weski]] (1879–1925) als Vorreiter in der Parodontalbehandlung. Er prägte 1921 die Begriffe ''Paradentium'' und ''Paradentose'' (die später durch die [[Etymologie|etymologisch]] korrekten Begriffe [[Zahnhalteapparat|Parodontium]] und [[Parodontitis]] abgelöst worden sind).<ref>Günter Koch, Oskar Weski: sein Leben und Wirken vor allem als Pionier der Paradeontologie, Dissertation LMU München (1969).</ref><ref>Oskar Weski,: [https://quod.lib.umich.edu/d/dencos/0527912.0074.001/220:119?rgn=main;view=image ''Review of Current Dental Literature: New Denomination of the So-Called Alveolar Pyorrhea''.], In: ''The Dental cosmos;'', Volume 74, Issue 2, Februar, 1932, S. 200–201.; Abgerufenabgerufen am 27. April 2016.</ref>

[[Charles Cassedy Bass]] (1875–1975) versuchte sich an einer medikamentösen Behandlung der [[Parodontitis]]. Er bezeichnete die Erkrankung noch als ''Pyorrhea'', für die er ''[[Endameba buccalis]]'' (''Entamoeba gingivalis'') verantwortlich machte.<ref>C. C. BASS: ''Habitat of Endameba buccalis in lesions of periodontoclasia.'' In: ''Proceedings of the Society for Experimental Biology and Medicine. Society for Experimental Biology and Medicine.'' Band 66, Nummer 1, Oktober 1947, {{ISSN|0037-9727}}, S.&nbsp;9–12, PMID 20270656.</ref> Er entwickelte die [[Zahnputztechnik#Zahnputztechnik nach Bass (Rütteltechnik)|Bass-Technik]] (Rütteltechnik) zum Zähneputzen.

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[[Datei:Dental-implant.gif|mini|Einsetzen der Suprakonstruktion (Zahnkronen) auf Titanimplantate]]

Die ersten Implantationen zum Ersatz von Zähnen sind aus dem 7. bis 8. Jahrhundert bei den [[Maya]]s durch den italienischen Professor für Implantologie an der [[Universidade Católica de Santos|Universität von Santos]] (Brasilien), [[Amedeo Bobbio]], nachgewiesen. In einem Fragment des Unterkieferknochens einer jungen Frau befinden sich drei Implantate aus einer zugeschliffenen Muschelschale. Auf Grund der röntgenologisch nachgewiesenen Osseointegration wurden diese Muschelimplantate zu Lebzeiten und nicht [[post mortem]] eingesetzt. Ein anderes Fragment aus der Zeit der Mayas, das durch den Archäologen R. R. Andrews gefunden und beschrieben wurde, in das ein „schwarzer Stein“ als Unterkieferfrontzahn eingepflanzt gewesen sein sollte, ist nicht mehr auffindbar. Bis zum Nachweis durch Bobbio im Jahre 1970 galten die Muschelimplantate als post mortem eingesetzt, im Sinne eines Begräbnisrituals.<ref>Amedeo Bobbio,: ''Maya, the first authentic alloplastic, endosseous dental implant. A refinement of a priority.'' In: ''Rev Assoc Paul Cir Dent.'' 1973Januar–Februar Jan–Feb;1973, 27 (1), S. 27–36. PMID 4620759</ref>

Andere Versuche, fehlende Zähne zu ersetzen, sind nicht als Implantate zu bezeichnen, wie beispielsweise die [[Transplantation]] oder [[Reimplantation]] von Zähnen und Zähnen aus organischen oder anorganischen Materialien, wie beispielsweise Elfenbein oder Walrosszähnen und deren Befestigung an den vorhandenen Zähnen mittels Goldfäden oder Goldbändern. Hierzu zählten auch vorgenommene Transplantation der Zähne von Toten, wie sie etwa im Mittelalter bei [[Abulcasis]] und in der Frühen Neuzeit bei [[Pierre Fauchard]] und [[Ambroise Paré]] und vielen anderen sowie während der [[Schlacht bei Waterloo]] (1815) und anderen Kriegen erwähnt wird.<ref>{{Literatur |Autor=Abū al-Qāsim Khalaf ibn ʻAbbās al-Zahrāwī |Titel=مقالة في العمل باليد |Verlag=University of California Press |Datum=1973 |ISBN=0-520-01532-0 |Seiten=276 ff. |Online=[https://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=mjVra87nRScC&pg |SeitenID=PR276 Google Books]}}}}</ref><ref>P. Fauchard, [https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k106170j Le Chirurgien Dentiste] Urschrift, [[Gallica]].</ref><ref>La méthode curative des Playes, & Fractures de la Teste humaine, 1561.</ref><ref name="PMID770274" /><ref>Stephanie Pain,: ''The great tooth robbery.'' In: ''New Scientist'', 2295 (16. Juni 2001), 2295; {{ISSN|0262-4079}}, ([http://www.historyhome.co.uk/c-eight/france/teeth.htm Online])historyhome.co.uk] Abgerufenabgerufen am 22. April 2017.</ref>

1806 hat [[Giuseppangelo Fonzi]] (1768–1840) den künstlichen Keramikzahn erfunden, eine Entdeckung, die für die zukünftige Entwicklung der Implantatologie von großer Bedeutung war. Er stellte künstliche Zähne her, die mit Platinhaken direkt in die Alveole eingepflanzt wurden und sowohl ästhetische als auch funktionale Anforderungen erfüllten. Ein erstes Metallimplantat aus Gold wurde von dem Italiener [[J. Maggiolo]] im Jahre 1809 entworfen und in eine frische menschliche Extraktionswunde eingesetzt. Maggiolo praktizierte in Paris und veröffentlichte seine Erkenntnisse in seinem Buch ''Le Manuel de l’Art du Dentiste'' in Nancy.<ref>J. Maggiolo: ''Le manuel de l’art du dentiste, ou, L’État actuel des découvertes modernes sur la dentition: les moyens de conserver les dents en bon état: les mécaniques nouvelles inventées par M. Maggiolo: et tous les détails pratiques et moyens d’exécution des dents artificielles, etc.'' Wellcome, 1807. {{archive.org |b2201407x}}</ref>

Um 1840 versuchten sich [[Chapin Aaron Harris]] andund [[Horace Henry Hayden]], Gründer des ''Baltimore College of Dental Surgery'', an enossalen Implantaten mit Zähnen aus Eisen, später aus Blei.<ref>Paolo Zampetti,: ''L’evoluzione dei materiali utilizzati in implantologia. Considerazioni storico-cliniche.'' Odontoiatria. Rivista degli Amici di Brugg. 2003, 22 (1), S. 65–72.</ref> Mehrere ähnliche Fallberichte folgten durch Rogers (1845), Younger (1885), Edmunds (1886), Edwards (1889) und Payne (1898). 1895 berichtete [[William Gibson Arlington Bonwill]] über Gold- und Iridiumpfeiler, die er in Alveolen implantiert hat, um einzelne Zähne zu ersetzen und ganze Zahnbögen wiederherzustellen.<ref>Robert J. Rudy, Paul A. Levi, Jr. et al.: [https://www.dentalaegis.com/cced/2008/05/intraosseous-anchorage-of-dental-prostheses-an-early-20th-century-contribution ''Intraosseous Anchorage of Dental Prostheses – An Early 20th Century Contribution''.] In: ''Compendium of Continuing Education in Dentistry''. Mai 2008, Band 29, Ausgabe 4. Abgerufen am 22. April 2017.</ref>

[[Alvin Strock]] setzte 1937 in den USA das erste [[Vitallium]] Schraubenimplantat als [[Zahnimplantat|Zahnwurzelersatz]] ein. Vitallium war das erste [[Biokompatibilität|biokompatible]] Metall, das ein Jahr zuvor von [[Charles Venable]], einem orthopädischen Chirurgen, entwickelt worden war.<ref name="Dental Guide" /> Der Beginn der enossalen Implantologie wird [[Manlio Formigini]] zugeschrieben, der eine Helikoidalschraube ([[Altgriechische Sprache|griech.]]: ἑλικοειδής ''helikoeidēs'' ‚wie gewunden‘) aus [[Tantal]] empfahl. Er wird als Vater der modernen Implantologie bezeichnet. Es folgten die Schraube nach [[Raphaël Cherchève]] oder die Tantalschrauben und Nadelimplantate nach [[Jacques Scialom]] und [[Ernst-Helmut Pruin]].<ref>K. Müller: ''Kleines Handbuch der oralen Implantologie'', 1978, ISBN 3-9800176-2-1.</ref> Einen Seitenweg bildeten die komplikationsbehafteten subperiostalen, unter der Knochenhaut sitzenden Gerüstimplantate, die 1937 von Müller entwickelt worden waren und in den 1950er und 1960er Jahren Verbreitung fanden.<ref name="Schwenzer2000">{{Literatur |Autor=Norbert Schwenzer |Titel=Zahnärztliche Chirurgie: 35 Tabellen |Verlag=Georg Thieme Verlag |Datum=2000 |ISBN=3-13-116963-X |Seiten=127 |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=IY-mdD8uJm4C&pg=PA127 Google Books]|Seite=127}}}}</ref>

[[Datei:Blattimplantate in der oralen Chirurgie um 1980 (Film Klaus F. Mueller).webm|mini|Blattimplantat: Operatives und prothetisches Vorgehen um 1980]]

In den 1960er Jahren wurde das [[Zahnimplantat#Blattimplantate|Blattimplantat]] von [[Leonard I. Linkow]] konzipiert (''Linkow-Blade''),<ref>David L. Hoexter, [https://www.dental-tribune.com/articles/news/usa/3754_a_tribute_to_dr_leonard_i_linkow_a_guiding_light.html A tribute to Dr Leonard I. Linkow: A guiding light], Dental Tribune, 22. Dezember 2010. Abgerufen am 23. September 2014.</ref> ebenso das stabilisierte Klingenimplantat 1975 von [[Benedict Heinrich]].<ref>{{Literatur |Autor=Bruno E. Gysi, Peter Schärer |Titel=Schwerpunkte in der oralen Implantologie und Rekonstruktion |Verlag=Quintessenz |Datum=1983 |ISBN=3-87652-288-9 |Seiten=143 |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=_g5qAAAAMAAJ books.google.com]}}}}</ref> Die Entwicklung der Implantologie wurde mit der Entdeckung der Biokompatibilität der [[Titan (Element)|Titanoberfläche]] durch den schwedischen [[Orthopädie|Orthopäden]] [[Per-Ingvar Brånemark]] (1929–2014) im Jahre 1967 fortgesetzt, der den Begriff der [[Osseointegration]] (funktioneller und struktureller Verbund zwischen dem Knochengewebe und der Implantatoberfläche) prägte und seine Ergebnisse 1982 der wissenschaftlichen Öffentlichkeit präsentierte.<ref>H. J. Hartmann, [http://www.hartmann-tutzing.de/media/pdf/Zmed-GeschichtederImplantologie-Hartmann.pdf Vom Extensionsimplantat zur Hightech-Schraube] (PDF) zm, 99, Nr. 22 A, 16. November 2009. Abgerufen am 23. September 2014.</ref> 1974 führte [[Werner Lutz Koch]] (1929–2005) das IMZ-Implantat als gefenstertes Zylinderimplantat mit intramobilem Kunststoffelement ein, das als Stoßdämpfer wirken sollte,<ref>K. Müller: Die Quintessenz der oralen Implantologie,

Berlin: Quintessenz-Verlag, 1980, Kap. 8 S. 105–107, ISBN 3-87652-807-0.</ref> welches von [[Axel Kirsch]] weiterentwickelt wurde. Es neigte ebenso wie die vollkeramischen Systeme aus [[Aluminiumoxid#Mechanische Eigenschaften|Aluminiumoxidkeramik]] wie das 1976 entwickelte Tübinger Sofortimplantat nach [[Willi Schulte]] (1929–2008) und [[Günther Heimke]], trotz sehr gutem Einheilverhaltens, häufig zu Implantatfrakturen. 1977 entwickelte [[Philippe Daniel Ledermann]] (* 19441944–2024) das einteilige, selbstschneidende Titan-Plasma-Spray beschichtete TPS-Schraubenimplantat das 1988 zur neuen [[Ledermannschraube]] (NLS) aus Titan weiter entwickelt wurde. Es wurde zur sofortprothetischen Versorgung des zahnlosen Unterkiefers mit vier interforaminär (zwischen den beiden [[Foramen mentale|Foramina mentalia]]) inserierten, mittels Steg verblockten Implantaten verwendet.<ref>Annette Rabel,: [http://www.diss.fu-berlin.de/diss/servlets/MCRFileNodeServlet/FUDISS_derivate_000000003371/2_Literaturuebersicht3.pdf?hosts= Geschichte der dentalen Implantologie] (PDF) Dissertation, Untersuchung zur Primärstabilität zweier dentaler Implantatsysteme mittels Resonanz-Frequenz-Analyse in vivo, 2007, S. 9. Abgerufen am 23. März 2015.</ref> Mit den [[Zahnimplantat#TitanimplantateTitan|Titanimplantaten]] begann die weltweite Verbreitung der Zahnimplantate. Knochenregenerationsverfahren [[Guided Bone Regeneration]] (GBR) lassen Implantatversorgungen bei erhöhtem Knochenabbau zu.

[[Datei:Zahnschema OK 1.jpg|mini|Zahnmodell mit FDI-Zahnschema Oberkiefer]]

=== Zahnschema ===

Historisch sind die [[Zahnschema]]ta nach [[Adolph Zsigmondy|Zsigmondy]] (1816–1880) und [[Victor Haderup|Haderup]] (1845–1913) von Bedeutung. [[IBM]] ließ sich 1928 ein 80-Spalten-[[Lochkarte#80 Spalten|Lochkarten]]-Format mit rechteckigen Löchern patentieren, das bis in die 1970er Jahre hinein als ''IBM-Card'' weite Verbreitung fand.<ref>[http://www-03.ibm.com/ibm/history/history/year_1928.html IBM: ''„IBM card,“''] IBM Archiv in englischEnglisch. Abgerufen am 14. Juni 2015.</ref> Die [[Freie Universität Berlin]] benutzte ein Zahnschema seit 1960, das auf diesem Lochkartenformat aufsetzte und vom Berliner Hochschullehrer [[Joachim Viohl]] entwickelt worden war. Durch die Limitierung auf 80 Spalten, gleich 80 Zeichen, wurde das Zahnschema auf nur zwei Ziffern komprimiert. Damit war der Einstieg in die [[Datenverarbeitung]] geschaffen. 1970 verabschiedete die [[FDI World Dental Federation|Fédération Dentaire Internationale]] (FDI) auf ihrer Jahrestagung in Bukarest das von Viohl empfohlene Zahnschema als international gültiges Zahnschema.<ref>[https://www.zaek-berlin.de/kammer/mbz-online.html?no_cache=1&cid=1035&did=1833&sechash=e6a552c9 Erfinder des Zahnschemas, Joachim Viohl zum 80. Geburtstag] Mitteilungsblatt Berliner Zahnärzte (MBZ) 06/2013, S. 38.</ref><ref>Józef Kulas: Modelowanie koron zębów. Długołęka k. Wrocławia: 1983, s. 6–10., ISBN 83-200-0551-5.</ref> Es wird seitdem auch von der [[Weltgesundheitsorganisation]] mit der Bezeichnung WHO-Zahnschema verwendet. Es ist auch als ISO 3950 Notation bekannt.<ref>[https://www.iso.org/iso/catalogue_detail.htm?csnumber=41835 ISO-Norm 3950:2009]</ref> Andere Quellen nennen ''Theilman'' als Urheber, der es im Jahre 1932 entwickelt haben soll. Im amerikanischen Zahnschema (''Universal Numbering System''), das 1883 vom Briten [[George Cunningham (Zahnmediziner)|George Cunningham]] (1852–1919) entwickelt wurde,<ref>G. Cunningham, ''On a system of dental notation, being a code of symbols from the use of dentists in recording surgery work'', J. Br. Dent. Assoc. 4:456., 1883.</ref> werden die Zähne beginnend beim oberen rechten Weisheitszahn und endend beim unteren rechten Weisheitszahn im Uhrzeigersinn von 1&nbsp;bis&nbsp;32 durchnummeriert. Es wird unverändert bevorzugt in den USA verwendet. Im Vereinigten Königreich wird das Zahnschema nach [[Corydon Palmer|Palmer]] (1820–1917) verwendet.

=== Laser ===

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[[Datei:Polymerisationslampe an 20090930 03.JPG|mini|150px|Polymerisationslampe für Komposit]]

[[Dentin-adhäsive Befestigung]]en dienen zur Befestigung von [[Füllungstherapie|Füllungsmaterial]] (Komposit) oder [[Zahnersatz]] am Zahn. Erste Versuche unternahm der Schweizer Chemiker [[Oskar Hagger]] bereits 1948 mit Glycerophosphorsäure-dimethylacrylat, die inzwischen zur 7. Generation der Dentinadhäsive geführt haben.<ref>{{Literatur |Autor=Josef Schmidseder |Titel=Ästhetische Zahnmedizin |Verlag=Georg Thieme Verlag |Datum=2008 |ISBN=978-3-13-158792-3 |Seiten=108 |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=G0rME2YujsMC&pg=PA108 Google Books]|Seite=108}}}}</ref> Die dünnflüssigen [[Dentin-adhäsive Befestigung|Dentinhaftvermittler]] dringen in die Oberflächenstrukturen des Zahnes ein und bilden nach chemischer Aushärtung einen mikromechanischen Verbund zwischen [[Dentin]] und der Kompositfüllung oder Befestigungskunststoffen von Zahnersatz. Daneben erfolgt eine [[Mikroretention]] am Zahnschmelz.

=== Kofferdam ===

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Um 1880 erfolgte insbesondere durch die Zahnmikroskopie eine wissenschaftliche Förderung der Zahnheilkunde. Durch die dabei führenden Amerikaner erfuhr die konservative Technik einen Aufschwung.<ref>[[Paul Diepgen]], [[Heinz Goerke]]: ''[[Ludwig Aschoff|Aschoff]]/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin.'' 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 45.</ref> Am 15. Januar 1907 präsentierte Shirley W. Bowles, DDS, ein zahnärztliches Mikroskop bei einem Vortrag vor der Columbia Dental Society.<ref>Shirley W. Bowle: ''A new adaptation of the microscope to dentistry''. In: ''The Dental cosmos'', 1907, S. 358. {{archive.org |dentalcosmos4919whit/dentalcosmos4919whit |Blatt=358}}</ref>

Im September 1921 hat [[Carl Olof Siggesson Nylen]] bei einem Eingriff im [[Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde|Hals-Nasen-Ohren-Bereich]] ein [[Operationsmikroskop]] eingesetzt. Der an der HNO-Klinik der [[Julius-Maximilians-Universität Würzburg]] tätige R. R. Baumann verwendete 1975 ein Mikroskop moderner Bauart erstmals in Deutschland auch bei einer zahnärztlichen Tätigkeit. Im Jahre 1982 empfahl S. Selden<ref>H. S. Selden: ''The dental-operating microscope and its slow acceptance.'' In: ''Journal of endodontics.'' Band 28, Nummer 3, März 2002, S.&nbsp;206–207, [[doi:10.1097/00004770-200203000-00015]], PMID 12017182.</ref> dessen Einsatz insbesondere im Bereich der Endodontie und in der Oralchirurgie, weil damit minimalinvasive, präzisere Behandlungen möglich seien.<ref>{{Literatur |Autor=Wolfgang Klimm |Titel=Endodontologie: Grundlagen u. Praxis |Verlag=Deutscher Zahnärzte Verlag |Datum=2003 |ISBN=3-934280-13-7 |Seiten=189 |Online={{Google Buch |BuchID=B4YgaAz-McIC |Linktext=Seite 189 |Seite=189}}}}</ref><ref>[https://www.zeiss.de/content/dam/Corporate/pressandmedia/downloads/innovation_ger_13.pdf Innovationen für die Gesundheit] (PDF; 11,6&nbsp;MB) Zeiss, Innovationen, S. 4–9, {{ISSN|1431-8040}}. Abgerufen am 26. September 2014.</ref>

=== Weltraumzahnmedizin ===

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<gallery mode="packed-hover">

Internationale Dental-Schau IDS 2009 Cologne 021.JPG|Moderne Behandlungseinheit

2Z7A0286.jpg|CAD/CAM-System

Implant retained bridge model.jpg|Implantatgetragene Brücke

Kronengerüst Laser gesindert 2ß13 PD 3.JPG|Kronengerüste im Lasersinterverfahren hergestellt

Disc with dental implants made with WorkNC.jpg|Gefräste Kronen- und Brückengerüste

Zahnmobil Hannover.jpg|Mobiles Behandlungszimmer

</gallery>

== Geschichte der Kieferorthopädie ==

[[Datei:Hunter Mandibula.png|mini|Wachstumsverlauf des Unterkiefers nach Hunter:<br /> A = Alter 1 Jahr;<br /> B = Alter 6 Jahre;<br /> C = Alter 12 Jahre;<br /> D = Alter 18 Jahre.]]

Aus Schriften des Aulus Cornelius Celsus stammen auch Hinweise auf eine [[Kieferorthopädie|kieferorthopädische Behandlung]]. Er riet zur Entfernung von [[Milchgebiss|Milchzähnen]] zur Steuerung des Durchbruchs von bleibenden Zähnen. Der Leibarzt von [[Mark Aurel|Marc Aurels]], [[Galenos]] von Pergamon, griff die zahnregulierende Idee auf und beschreibt, wie man durch Verschmälern von Zähnen (durch Befeilen) Engstände vermindert.

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[[Étienne Bourdet]] (1722–1789), nach Fauchard der bedeutendste Zahnheilkundler<ref>Walter Hoffmann-Axthelm: ''Die Geschichte der Zahnheilkunde.'' 1985, S. 239 f.</ref> des 18. Jahrhunderts, führte (mit dem Pelikan) Extraktionen zur Platzschaffung bei Engständen durch.<ref>Étienne Bourdet, Recherches et observations sur toutes les parties de l’art du dentiste, 1757</ref>

[[Friedrich C. Kneisel]] verfasste 1836 das erste Werk über kieferorthopädische Apparaturen. Es folgtenfolgte die Einführung des regulierbaren Klammerbandes mit zahnfixierten Schrauben durch [[Alexis J. M. Schangé]] im Jahre 1841. Fünf Jahre später wurden diese durch [[Claude Lachaise]] und [[Elisha G. Tucker]] mittels elastischer Gummizüge für orthodontische Zwecke ergänzt.<ref name="Bienengräber" /> 1841 beschrieb [[Joachim Lefoulon]] kieferorthopädische Behandlungen in seinem Buch ''Nouveau traité théorique et practique de l’art du dentiste''.<ref name="Lefoulon(París)1841">{{Literatur |Autor=J. Lefoulon |Titel=Nouveau traité théorique et practique de l’art du dentiste |Verlag=Fortin, Masson et Cie |Datum=1841 |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=klG8NHmuzDQC Google Books]}}}}</ref>

=== Klassifizierungen ===

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[[Datei:Invisalign aligner.jpg|mini|Aligner]]

Angle hat erstmals die Technik der festen [[Zahnspange#Geschichte|Zahnspange]] verwendet. Hierbei werden [[Brackets]] zur Befestigung von Drahtbögen eingegliedert ([[Edge-Wise Technik]]).<ref>S. Peck: ''A biographical portrait of Edward Hartley Angle, the first specialist in orthodontics, part 1.'' In: ''The Angle orthodontist.'' Band 79, Nummer 6, November 2009, S.&nbsp;1021–1027, {{ISSN|0003-3219}}. [[doi:10.2319/021009-93.1]]. PMID 19852589.</ref> Die Kieferorthopädie entwickelte sich langsam aus ihrer Nischenposition, die sie trotz der Entwicklungen durch Angle innehatte. Die heutige Multibandtechnik wurde 1868 durch [[W. Erie Magill]] mit eingeleitet, indem er als Erster orthodontische Bänder auf Zähnen zementierte. Das älteste System herausnehmbarer Zahnspangen war die [[Crozat-Gerät|Crozat-Apparatur]] von [[George B. Crozat]] (1894–1966), der in [[New Orleans]] praktizierte, und seinem deutschen Mitarbeiter Albert Wiebrecht. Sie entwickelten sie, als in der Orthodontie festsitzende Band-Bogen-Apparaturen aus Edelmetallen gebräuchlich und Zahnextraktionen bei Engständen üblich waren. Dazu ersetzten sie die Befestigungsbänder dieser Zahnspangen durch Halteklammern, wie sie in der Zahnprothetik bereits bekannt waren. Primär erleichterte diese 1919 eingeführte Methode dem Patienten die [[Prophylaxe (Zahnmedizin)|Mundhygiene]] und dem Behandler das Nachstellen. Sie reduzierte die Gefahr von [[Zahnwurzelresorption]]en durch überdosierte orthodontische Kräfte und eignete sich auch für Patienten mit parodontal geschädigten Gebissen.<ref>{{Literatur |Autor=Fritz Schwarzkopf, Erdmann Vogl |Titel=Die Crozat-Technik: Kieferorthopädie-präprothetische Orthopädie |Verlag=Verlag Neuer Merkur GmbH |Datum=1980 |ISBN=3-921280-36-2 |Seiten=11 |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=zY4il71LeQUC&pg=PA11 Google Books]|Seite=11}}}}</ref> [[Viggo Andresen]] und [[Karl Häupl]] untersuchten in [[Oslo]] den Einfluss der Mundmuskulatur auf die Entstehung und Heilung von Fehlstellungen der Zähne. Daraus entwickelten sie die [[Funktionskieferorthopädie]] und den [[Aktivator (Kieferorthopädie)|Aktivator]] als ihr grundlegendes Behandlungsmittel. Die Berliner Zahnärztliche Poliklinik war mit dem „Institut für Fortbildungskurse in den Fächern der operativen, prothetischen und orthopädischen Zahnheilkunde“ verbunden, das [[Alfred Körbitz]] leitete. Körbitz hat das Angle-System gewissermaßen in Europa eingeführt und sprach sich für die „biologische Orthodontie“ aus, bei der die Bewegung von Zähnen unter Anwendung geringster Kräfte erfolgt. Er erkannte am Schädel die [[Raphe-Median-Ebene]] (sagittale Schädelmittelebene) als Hilfslinie für den Symmetrievergleich.<ref name="MBZ" />

[[Datei:Retainer.jpg|mini|links|Retainer. Oberkiefer (rot), Unterkiefer (gelb)]]

Zeile 824 ⟶ 826:

=== Aligner ===

Das Verfahren, Zahnfehlstellungen mit transparenten Kunststoffschienen zu korrigieren, wurde 1945 entwickelt. Der Kieferorthopäde [[Harold D. Kesling]] führte damals den Therapieansatz ein, das Behandlungsziel mit elastischen Geräten schrittweise zu erreichen. Diese [[Aligner-Therapie]] geht mit Hilfe eines speziellen Computergrafik-Verfahrens vom Ist-Zustand der Zahnreihen aus, der in Kiefermodellen festgehalten wird. Ein vorher bestimmtes Behandlungsziel wird dreidimensional dargestellt und in einzelne Behandlungsphasen unterteilt. Für jede dieser Phasen werden einzelne individuelle Kunststoffschienen, die [[Aufbissschiene|Knirscherschienen]] ähneln, produziert, die jeweils zirka zwei Wochen lang getragen werden. Dadurch werden die Zähne schrittweise in die Zielposition geschoben.<ref>{{Literatur |Autor=Gerhard Polzar |Titel=Internetfachbuch: Alignertherapie in der Kieferorthopädie |Verlag=BoD – Books on Demand |Datum=2012 |ISBN=978-3-8482-3508-7 |Seiten=5 |Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=IZksAQAAQBAJ&pg=PA5 Google Books]|Seite=5}}}},</ref><ref>{{Literatur |Autor=Theodore Eliades, Athanasios E. Athanasiou |Titel=Orthodontic Aligner Treatment, A Review of Materials, Clinical Management, and Evidence |Datum=2021 |ISBN=978-3-13-241148-7 |Online=https://shop.thieme.de/Orthodontic-Aligner-Treatment/9783132582279}}</ref>

== Geschichte der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie ==

Zeile 833 ⟶ 835:

Neben der Entwicklung der Zahnmedizin nahm die Kieferchirurgie eher ein Schattendasein als Nische im Bereich der allgemeinen Chirurgie ein. Erste kieferchirurgische Eingriffe erfolgten durch den französischen Chirurgen Baron [[Guillaume Dupuytren]] (1777–1835). 1812 entfernte er eine Knochengeschwulst am Unterkiefer durch eine Teilresektion des Unterkiefers. 1843 wagte der italienische Chirurg [[Bartolomeo Signorini]] (1797–1844) die Totalextirpation des Unterkiefers. Der erste Kieferchirurg, ärztlich und zahnärztlich ausgebildet, dürfte [[Simon P. Hullihen]] (1810–1857) gewesen sein, der in den 1840er Jahren in [[Wheeling (West Virginia)]], U.S.A., eine Spezialklinik für „Oral Surgery“ eröffnete und Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, Mundhöhlenkarzinome, Kieferhöhlen und Kieferplastiken operierte. Die erste Klinik für ''Oral Surgery'', die 1840 dem ''Philadelphia College of Dental Surgery'' angegliedert wurde und 1856 in die [[Pennsylvania College of Dental Surgery]] überging, leitete der Arzt und Zahnarzt [[James Garretson]] (1828–1895). Er etablierte die Kieferchirurgie in Amerika als selbständiges Fachgebiet.<ref name="AGKi">F. Härte: [Die Entwicklung der Arbeitsgemeinschaft für Kieferchirurgie]. In: ''Dtsch. Zahnärztl Z'', 44, 1989, S. 924–931; abgerufen am 16. Dezember 2015.</ref>

1890 wurde der in Chirurgie [[Habilitation|habilitierte]] [[Carl Partsch]] (1855–1932) zum Direktor des in [[Breslau]] neugegründeten Zahnärztlichen Instituts ernannt. Um 1908 führte er die wissenschaftlich fundierte Methodik der [[Wurzelspitzenresektion]]<ref>[[Paul Diepgen]], [[Heinz Goerke]]: ''[[Ludwig Aschoff|Aschoff]]/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin.'' 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 61.</ref> ein. Er nahm für sich in Anspruch, „dem Zahnarzt das Messer in die Hand gedrückt zu haben“ und gilt als Vater der zahnärztlichen Chirurgie.<ref name="AGKi" /> Partsch entwickelte insbesondere die Operationsmethoden der Wurzelspitzenresektion, 1892 die nach ihm benannte [[Odontogene Zyste#Zystostomie|Zystostomie]] (''Partsch &nbsp;I'') und 1910 die [[Odontogene Zyste#Zystektomie|Zystektomie]] (''Partsch &nbsp;II''). Die Schnittführung bei diesen Operationen trägt ebenfalls seinen Namen: ''Bogenschnitt nach Partsch''.<ref>{{NDB|20|77|78|Partsch, Carl|Christoph Benz|116048824}}</ref> Den ersten plastischen Ersatz der Resektionsstelle mit einem Knochentransplantat nahm 1891 der Kölner Chirurg [[Bernhard Bardenheuer]] vor. Er verwendete dazu einen gestielten Haut-Periost-Knochenlappen aus der Stirngegend. Mit der Entdeckung von Anästhesieverfahren, insbesondere der Lokalanästhesien, nahmen kieferchirurgische Eingriffe langsam zu. Die Entwicklung des Faches [[Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie]] geht auf die besonderen Anforderungen bei der Versorgung von [[Kriegsversehrter|Kriegsverletzungen]] im [[Erster Weltkrieg|Ersten]] und Zweiten Weltkrieg zurück. Es ist aus der [[Chirurgie]] und der sich im vorigen Jahrhundert konsolidierenden Zahnmedizin entstanden. Nach 1918 beschäftigten sich die Chirurgen und Zahnärzte mit den Nachbehandlungen der Kiefer-/Gesichtsverletzten. Die erste Kieferklinik Europas war 1914 in [[Wien]] zur Versorgung der Kriegsverletzten von dem Chirurgen [[Anton von Eiselsberg|Anton Freiherr von Eiselsberg]] (1860–1939) gegründet und mit seinem Schüler [[Hans Pichler (Zahnmediziner)|Hans Pichler]] (1877–1949) besetzt worden. 11918 wurde die Kieferstation in Düsseldorf in die [[Westdeutsche Kieferklinik]] umgewandelt. Ihr Vorsteher wurde [[August Lindemann (Mediziner)|August Lindemann]] (1880–1970). 1925 wurde in Berlin die zweite kieferchirurgische Fachklinik im [[Rudolf-Virchow-Krankenhaus]] gegründet, der [[Martin Waßmund]] (1892–1956) vorstand. 1930 wurde in der [[Charité]] Berlin die dritte Fachklinik eingeweiht. Als Chefarzt wurde [[Georg Axhausen]] (1877–1960) gewählt.<ref name="Axthelm">Walter Hoffmann-Axthelm, [https://www.quintessenz.de/books.php?idp=40400 Die Geschichte der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie], Quintessenz Verlag 1995, ISBN 978-3-87652-077-3.</ref>

918 wurde die Kieferstation in Düsseldorf in die [[Westdeutsche Kieferklinik]] umgewandelt. Ihr Vorsteher wurde [[August Lindemann (Mediziner)|August Lindemann]] (1880–1970). 1925 wurde in Berlin die zweite kieferchirurgische Fachklinik im [[Rudolf-Virchow-Krankenhaus]] gegründet, der [[Martin Waßmund]] (1892–1956) vorstand. 1930 wurde in der [[Charité]] Berlin die dritte Fachklinik eingeweiht. Als Chefarzt wurde [[Georg Axhausen]] (1877–1960) gewählt.<ref name="Axthelm">Walter Hoffmann-Axthelm, [https://www.quintessenz.de/books.php?idp=40400 Die Geschichte der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie], Quintessenz Verlag 1995, ISBN 978-3-87652-077-3.</ref>

Das Ende des Zweiten Weltkrieges bedeutete auch das Ende der [[Kriegschirurgie]]. Die Chirurgen und Zahnärzte waren nach dem Kriegsende jedoch noch lange Zeit mit der definitiven Versorgung schwerer Kiefer- und Gesichtsverletzten beschäftigt. Die operativ tätigen Kriegszahnärzte verloren in der Friedenszeit ihre Selbständigkeit. Da sie nicht doppelapprobiert waren, wurden sie einem [[Facharzt für Chirurgie]] oder einem doppelapprobierten Facharzt unterstellt. Eine junge Generation von Kieferchirurgen — unter der Führung von Martin Waßmund — setzte sich für eine eigenständige Kieferchirurgie ein, losgelöst von der „grossen Chirurgie“. Die Aufnahme der Berufsbezeichnung „Gesichts- und Kieferchirurgie“ stieß auf Widerstand der [[Plastische Chirurgie|plastischen Chirurgen]]. Sie verlangten, dass sich das Arbeitsgebiet des doppelapprobierten Kieferchirurgen nur auf die Zähne, den Kieferknochen und das Kiefergelenk beschränken sollte. Jedoch konnte sich Waßmund durchsetzen, womit der Grundstein für die Schaffung eines Facharztes für Kieferchirurgie und eine eigene Standespolitik in Deutschland, Österreich und der Schweiz gelegt wurde.<ref name="Axthelm" />

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Der Beruf der [[Zahnmedizinischer Fachangestellter|Zahnmedizinischen Fachangestellten]] gehört zu den klassischen, überwiegend von Frauen ausgeübten [[Gesundheitsfachberuf|Assistenzberufen]] im [[Gesundheitssystem|Gesundheitswesen]]. Mitte des 19. Jahrhunderts halfen bei der Zahnbehandlung die „barmherzigen Töchter“ aus „höheren Familien“.

Dem Zahnarzt [[C. Edmund Kells]] (1856–1928) aus [[New Orleans]] wird der erstmalige Einsatz einer Zahnarzthelferin zugeschrieben. Seit dem Jahre 1885 machte seine Frau diverse Hilfsarbeiten, wie Putzen und Führen der Akten. Einige Jahre später bildete er [[Malvina Cueria]] (1893–1991) zur ersten „Lady assistant“ aus. Die Anwesenheit einer „Lady in attendance“ ermöglichte es ferner einer Frau, eine Zahnarztpraxis ohne einer ''Chaperone'' (engl.: Anstandsdame) zu besuchen, was sonst als unschicklich gegolten hat. Kells setzte sowohl eine „Chairside Zahnarzthelferin“ (''chairside'' engl.: ‚am Behandlungsstuhl‘) zur Behandlungsassistenz, als auch eine Verwaltungsmitarbeiterin ein. Die Vorteile sprachen sich bald herum und andere Zahnärzte folgten dem Beispiel Kells und bildeten selbst Zahnarzthelferinnen aus.<ref>Tija Hunter,: [http://dentistry.about.com/od/careersindentistry/a/dentalassistan.htm The History of Dental Assistants and The American Dental Assistants Association]. The American Dental Assistants Association. Abgerufen am 21. Februar 2016.</ref> Auf Kells geht auch die Entwicklung von chirurgischen Absauganlagen zurück.<ref name="PMID11794365">C. M. Kracher: ''C. Edmund Kells (1856–1928).'' In: ''Journal of the history of dentistry.'' Band 48, Nummer 2, Juli 2000, S.&nbsp;65–69, PMID 11794365.</ref>

In den USA war [[Alfred Fones|Alfred Civilion Fones]] (1869–1938) überzeugt, dass die Entfernung von Plaque und Zahnstein von den Oberflächen der Zähne Zahnverlust verhindern kann. Im Jahre 1906 bildete Fones seine Sprechstundenhilfe und Cousine [[Irene M. Newman]] zur ersten [[Dentalhygieniker]]in (DH) der Welt aus, eine Berufsbezeichnung (''Dental hygienist''), die er schuf. Dies war nur wenige Jahre nach der Entdeckung der bakteriellen Ursachen für Zahnerkrankungen durch Willoughby D. Miller. 1913 eröffnete er in [[Bridgeport (Connecticut)]], die ''Fones School of Dental Hygiene''.<ref>Meg Zayan, {{Webarchiv |url=http://www.cdha-rdh.com/home/historyofdentalhygiene.html |text=History of Dental Hygiene |wayback=20150721152032 |archiv-bot=2022-11-07 22:18:20 InternetArchiveBot}}, Connecticut Dental Hygienists’ Association. Abgerufen am 19. Juli 2015.</ref> Irene Newman wurde die erste Präsidentin der ''Connecticut Dentalhygienist Association''. Fons hatte einerseits die präventive Betreuung von Schulkindern im Fokus, andererseits wollte er weniger begüterten Kreisen, die sich einen Zahnarztbesuch nicht leisten können, Prophylaxeleistungen kostengünstiger durch Dentalhygieniker ermöglichen. [[Juliette Southard]] wurde durch Henry Fowler, einem New Yorker Zahnarzt 1911 als ''Dental assistant'' angestellt und wurde 1924 die erste Präsidentin der [[American Dental Assistent Association]] (ADAA).<ref>[http://dentistry.about.com/od/careersindentistry/a/dentalassistan.htm The History of Dental Assistants and The American Dental Assistants Association], [[American Dental Assistants Association]], abgerufen am 22. Februar 2016.</ref> Inzwischen gibt es 200 Dentalhygienikerschulen und 120.000 registrierte Dentalhygieniker in den USA.<ref>{{Internetquelle |url=http://bridgeport.ct.schoolwebpages.com/education/components/scrapbook/default.php?sectiondetailid=22838 |titel=Dental Hygiene Movement Started in Bridgeport, Connecticut |hrsg=Central High School |datum=2004-09-03 |sprache=en |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20040903083804/http://bridgeport.ct.schoolwebpages.com/education/components/scrapbook/default.php?sectiondetailid=22838 |archiv-datum=2004-09-03 |abruf=2022-10-18}}</ref>

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[[Datei:Bourgelat médaillon.jpg|mini|150px|[[Vignette]] mit einem Porträt Bourgelats]]

In der Frühgeschichte der Tierzahnheilkunde ging es um die Behandlung und Bewertung des [[Zahnformel#Pferd|Pferdegebisses]]. Pferdezahnheilkunde wurde von den Chinesen bereits 600 v.&nbsp;Chr. praktiziert. Im [[Pferdehandel]] war die [[Zahnaltersschätzung]] eines Pferdes ein wichtiger Faktor bei der Bestimmung seines Wertes. Die [[griechische Kultur]] verbesserte die [[Altersbestimmung (Biologie)|Altersbestimmung]] und untersuchte die Zahndurchbruchszeiten im Leben eines Pferdes. [[Simon von Athen]] beschrieb im 5. Jahrhundert v.&nbsp;Chr. die Technik der Altersbestimmung von Pferden und ihren Durchbruch. Eine separate Abhandlung über die Tier-, speziell die [[Pferdemedizin|Pferdeheilkunde]] verfasste [[Flavius Vegetius Renatus]] in seinem Werk ''Digesta Artis Mulomedicinae'', in welcher er von den „Thüringern“, den [[Sächsisch-Thüringisches Schweres Warmblut|Sächsisch-Thüringisches Schweren Warmblütlern]] als einer für den Kriegsdienst besonders tauglichen Pferderasse schreibt.<ref>{{Literatur |Autor=Publius Vegetius Renatus |Titel=Vegetius Renatus of the Distempers of Horses, and of the Art of Curing Them: As Also of the Diseases of Oxen, and of the Remedies Proper for Them; And |Verlag=BiblioBazaar |Datum=2010 |ISBN=978-1-171-00750-0 |Online=[http://books.google.com/books?id=PwDAbwAACAAJ {{Google Books]Buch |BuchID=PwDAbwAACAAJ}}}}</ref> Zur Zeit der Römer bestanden frühe veterinäre Zahnbehandlungen bei Hunden aus chirurgischen Verfahren, mit denen die ''Lyssa'', ein Teil der Zunge, entfernt wurde. Bei Hunden und Katzen findet sich im Zungenboden ein bindegewebiger Strang in Längsrichtung, der als „Tollwurm“ ''(Lyssa)'' bezeichnet wird. Dieser wurde in früherer Zeit mit der [[Tollwut]]-Erkrankung in Zusammenhang gebracht.<ref>Franz-Viktor Salomon et al. (Hrsg.): ''Anatomie für die Tiermedizin.'' Enke Stuttgart, 2. erw. Aufl. 2008, ISBN 978-3-8304-1075-1.</ref> Die Methode der Altersschätzung geht auf [[Pessina von Czechorod]] zurück, der Ende des 18. Jahrhunderts an der [[Wien]]er Militärtierarzneischule unterrichtete. Mit der Entwicklung verlässlicher Kriterien konnte man nun Altersangaben der Vorbesitzer überprüfen. Nur bei Schenkungen war das Alter gleichgültig: „Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul“ ist noch heute als Sprichwort bekannt. „[[Rosstäuscher]]“ versuchten daraufhin, unter anderem durch Einbrennen von ''Kunden'', Pferde wieder jünger aussehen zu lassen. Als [[Zahnaltersschätzung#Zeittabelle|Kunden]] ({{laS|Infundibulae}}) bezeichnet man becherartige Schmelzeinstülpungen an den [[Schneidezahn|Schneidezähnen]]. Sie sind beim durchbrechenden Schneidezahn im Oberkiefer 12&nbsp;mm, im Unterkiefer 6&nbsp;mm tief und nutzen sich etwa 2&nbsp;mm/Jahr ab.<ref>Franz-Viktor Salomon: ''Zähne''. In: Franz-Viktor Salomon, Hans Geyer, Uwe Gille (Hrsg.): ''Anatomie für die Tiermedizin''. Enke, Stuttgart 2004, ISBN 3-8304-1007-7, S. 251–264.</ref>

[[Datei:Fotothek df tg 0006764 Biologie ^ Veterinärmedizin ^ Pferd ^ Zahn.jpg|mini|links|120px|Carlo Ruini, Aufbau der Pferdezähne]]

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<gallery mode="packed-hover">

Incisivi Pferd-6.jpg|Kunden an Schneidezähnen eines Pferdes

Horse dentistry2003.jpg|Zahnbehandlung beim Pferd

Equine Dentistry.jpg|Zahnuntersuchung beim Pferd

Usuwanie kamienia.jpg|Zahnsteinentfernung beim Hund

U.S. Air Force military working dog (MWD) Ddewey, assigned to the 376th Expeditionary Security Forces Squadron, undergoes dental surgery to remove a fractured tooth, at the Transit Center at Manas, Kyrgyzstan 130814-F-WK680-145.jpg|Zahnextraktion beim Hund

US Navy 030317-N-5319A-015 Signalman 2nd Class Diver (DV) Harlold Bickford a mammal handler from Commander Task Unit (CTU-55.4.3) brushes the teeth of a Bottle Nose Dolphin.jpg|Zahnreinigung beim Delphin

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[[Datei:Dental-Zschadraß.jpg|mini|links|Dentalhistorisches Museum Zschadraß]]

70&nbsp;Jahre nach Kriegsende gab die Ärztekammer für Wien am 16. April 2015 bekannt, dass sie sich der Aufarbeitung ihrer NS-Vergangenheit stellen will. Das Projekt wurde dem [[Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien#Institute|Institut für Rechts- und Verfassungsgeschichte der Universität Wien]] übertragen.<ref>{{Webarchiv |url=http://www2.aekwien.at/1964.py?Page=1&id_news=8723 |text=NS-Zeit: Ärztekammer stellt sich der Aufarbeitung ihrer Vergangenheit |wayback=20160304045132 |archiv-bot=2022-11-07 22:18:20 InternetArchiveBot}}, Ärztekammer für Wien, 16. April 2015. Abgerufen am 21. Mai 2015.</ref>

Es gibt derzeit im deutschsprachigen Raum vier auf die Historie der Zahnmedizin spezialisierte Museen, die öffentlich zugänglich sind, darunter das [[Linz]]er Museum für Geschichte der Zahnheilkunde und Zahntechnik in Oberösterreich.<ref>[http://www.zahnmuseum-linz.at/ Linzer Museum für Geschichte der Zahnheilkunde und Zahntechnik in Oberösterreich]. Abgerufen am 23. November 2014.</ref> Das Zahnmuseum in der Universitätszahnklinik [[Wien]]. Begründet wurde die Sammlung von [[Georg Carabelli]], Edler von Lunkaszprie, der 1821 als Erster universitäre Vorlesungen über „Zahnarzneykunde“ hielt.<ref>[http://www.zahnmuseum.at/ Zahnmuseum Wien]. Abgerufen am 23. November 2014.</ref> Die dentalhistorische [[Gustav Korkhaus|Gustav-Korkhaus]]-Sammlung ist am Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der [[Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn|Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn]] ausgestellt.<ref>{{Webarchiv |url=https://www.ukb.uni-bonn.de/42256BC8002AF3E7/vwWebPagesByID/ED0BD743D39289FFC12579C100339995 |text=Gustav-Korkhaus-Sammlung für die Geschichte der Zahnheilkunde |wayback=20141129050340 |archiv-bot=2022-11-07 22:18:20 InternetArchiveBot}}. Abgerufen am 23. November 2014.</ref> Das [[Dentalhistorisches Museum Zschadraß|Dentalmuseum in Zschadrass]]<ref>[https://www.zweimuldenland.de/dentalmuseum/Dentalmuseum-Zschadrass---Sachsens-groesstes-Dentalmuseum-.html Dentalmuseum Zschadraß]. Abgerufen am 23. November 2014.</ref> besteht aus über einhundert kleinen und großen Privatsammlungen, zahlreichen namhaften Dentalfirmenarchiven, der Sammlung Thiedmar Oehlert, dem früheren Privatmuseum Bodirsky und dem Museum Winkelmann.<ref>Andreas Haesler,: [http://www.dentalmuseum.eu/download/40/0/Saechsische-Heimatblaetter-02-2009.html Das Dentalmuseum und der Zahn im Wandel der Zeit.], In: ''[[Sächsische Heimatblätter]]'', 2/2009, S.&nbsp;138–142.; Abgerufenabgerufen am 18. Dezember 2014.</ref>

Darüber hinaus haben mehrere Zahnkliniken Lehr- und Forschungssammlungen zu internen Schulungszwecken. Das in Deutschland gegenwärtige zahnmedizinhistorische Sammlungsgut liegt verstreut in Universitäten, Museen, Firmen oder Standesorganisationen. Ein großer Teil der Sammlungen ging verloren, da es immer wieder versäumt wurde, die wertvollen Gegenstände zu bewahren. Mit einem um 1986 bewusst einsetzenden Bewahrungsprozess konnten nur erschwert Stücke gesichert werden.<ref>Nicole Kalisch,: [http://www.diss.fu-berlin.de/diss/servlets/MCRFileNodeServlet/FUDISS_derivate_000000011472/04.08.09_online-Veroeffentlichung.pdf?hosts= 7 000 Zähne und noch mehr – Die Geschichte einer Sammlung.], (PDF) Dissertation, 2009.; Abgerufenabgerufen am 21. September 2016.</ref>

== Kritik ==

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|Verlag=Braunmüller

|Datum=1831

|Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=Euc-AAAAcAAJ Google Books]}}}}

* [https://www.dgzmk.de/dgzmk/fachgruppierungen/arbeitskreis-geschichte-der-zahnheilkunde/publikationen-des-ak-geschichte-2000-2011.html Publikationen des Arbeitskreises „Geschichte der Zahnheilkunde“] in der [[Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde|Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde]].; Abgerufenabgerufen am 5. November 2014.

* Fritz Driak: ''Anteil der Wiener Schule an der Zahnheilkunde des XVIII. und XIX. Jahrhunderts.'' In: ''Wiener klinische Wochenschrift.'' Band 49, 1936, S. 951–964.

* H.-H. Eulner: ''Die akademische Frühzeit der Zahnheilkunde in Deutschland.'' In: ''Medizinhistorisches Journal.'' Band 1, 1966, S. 3–15.

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* [[Dominik Groß]], [[Werner E. Gerabek]]: ''Zahnarzt'', ''Zahnbrecher'', ''Zahnextraktion'', ''Zahnkaries'' und ''Zahnwurm''. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1515–1524.

* [[Walter Hoffmann-Axthelm]]: ''Die Geschichte der Zahnheilkunde.'' Die Quintessenz, Berlin 1973.

** 2., neubearbeitete Auflage: {{Literatur |Autor=Walter Hoffmann-Axthelm |Titel=Die Geschichte der Zahnheilkunde |Verlag=Quintessenz |Ort=Berlin |Datum=1985 |ISBN=3-87652-160-2 |Online=[http://books.google.com/books?id=ocNpAAAAMAAJ {{Google Books]Buch |BuchID=ocNpAAAAMAAJ}}}}

* [[Walter Hoffmann-Axthelm,]]: [https://www.quintessenz.de/books.php?idp=40400 Die Geschichte der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie], Quintessenz, Berlin 1995, ISBN 978-3-87652-077-3.

* Jakob Calmann Linderer: ''Lehre von den gesammten Zahnoperationen […].'' Berlin 1834<ref>Ullrich Rainer Otte: ''Jakob Calmann Linderer (1771–1840). Ein Pionier der wissenschaftlichen Zahnmedizin.'' Medizinische Dissertation, Würzburg 2002 (mit Textedition)</ref>

* Ulrich Lohse: ''Instrumente, zahnärztliche.'' ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' 2005, S. 675–680.

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|ISBN=978-3-662-41001-1

|Seiten=6 ff.

|Online=[http://books.google.com/books?id{{Google Buch |BuchID=GlZ9BwAAQBAJ&pg=PA6 Google Books]|Seite=6}}}}

* Alfred Renk: ''Werkstoffkunde, zahnärztliche.'' In: Werner E. Gerabek u.&nbsp;a. (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' S. 1472 f.

* Alfred Renk: ''Zahnfüllungen.'' In: Werner E. Gerabek u.&nbsp;a. (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' S. 1517.

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{{Wiktionary|Zahnmedizingeschichte}}

{{Commonscat|History of dentistry|Geschichte der Zahnmedizin}}

* [https://www.ada.org/en/about-the-ada/ada-history-and-presidents-of-the-ada/ada-history-of-dentistry-timeline History of Dentistry Timeline.] (englisch), [[American Dental Association]]. (englisch); Abgerufen am 9. November 2014.

* [https://www.biusante.parisdescartes.fr/sfhad/debut.htm Histoire de l’art dentaire.] (französisch), Société française d’histoire de l’art dentaire. Abgerufen(französisch); abgerufen am 11. August 2015.

* Frank Möller,: [http://www.kfokompakt.de/frontend/templates/default/default/images/pdfiles/geschichtekfo_dt.pdf Geschichte der Kieferorthopädie.] (PDF) Weimar, 1999–2001.; Abgerufenabgerufen am 13. August 2015.

* [http://www.adha.org/timeline Timeline – History of dental hygienists.], American Dental Hygienists Association (ADHA).; Abgerufenabgerufen am 15. März 2016.

* [https://www.ranker.com/list/notable-dentist_s%29/reference List of famous dentists], (englisch) Ranker; Liste berühmter Zahnärzte. Abgerufen am 21. Juli 2016.

* Dominik Groß: [http://www.zm-online.de/hefte/Die-Geschichte-des-Zahnarztberufs_315844.html Die Geschichte des Zahnarztberufs], [[Zahnärztliche Mitteilungen]], 12 Folgen, Heft 21/2015–Heft 15/2016, Deutscher Ärzteverlag Köln. Abgerufen am 21. Januar 2017.