„Militante gruppe (mg)“ – Versionsunterschied – Wikipedia


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Die '''militante gruppe''' ('''mg''') war eine in [[Deutschland]] tätige [[LinksradikalismusLinksextremismus|linksradikalelinksextremistische]] militante [[Untergrundorganisation]], die im Jahre 2001 erstmals in Erscheinung trat. Sie fasste Anschläge als legitimen Bestandteil ihres „revolutionären Kampfes“ auf, den sie „auf einer sozialrevolutionären und antiimperialistischen kommunistischen Grundlage“ führte. Im Raum [[Berlin]], [[Brandenburg]] und [[Sachsen-Anhalt]] werden ihr [[Brandanschlag|Brandanschläge]]<ref name="bka">{{Webarchiv |url=http://www.netzeitung.de/deutschland/643450.html |text=Netzeitung: Wie Linksterroristen die Polizei in die Irre führen |wayback=20120314142830}}</ref> und Versendung von scharfer Munition zur Last gelegt. Des Weiteren initiierte sie innerhalb der linksradikalen Zeitschrift ''[[Interim (Zeitschrift)|Interim]]'' eine „[[Militanz]]debatte“. Nach eigenen Angaben hat sich die Gruppe im Juli 2009 aufgelöst. Die Ermittlungsbehörden sehen die Gruppe [[Revolutionäre Aktionszellen]] als Nachfolger der ''mg''.

== Geschichte ==

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=== Tätigkeit des Bundeskriminalamts ===

An einer 2005 in der Zeitschrift ''[[Interim (Zeitschrift)|Interim]]'' geführten „Militanzdebatte“ beteiligte sich das BKA mit zwei unter dem Tarnnamen „Die zwei aus der [[Muppetshow]]“ verfassten Texten. Neben dem Versuch, so „eine Reaktion bei der ‚militante gruppe‘ (mg) zu provozieren“ (Vermerk in einer Sachstands-Handakte des BKA), sollten damit auch mutmaßliche Mitglieder und Sympathisanten der Gruppe auf das [[Website|Webangebot]] des BKA gelockt werden ([[Honeypot]]s), um sie mittels ihrer bei den Internetdiensteanbietern gespeicherten [[IP-Adresse]] zu identifizieren. Die Urheberschaft und Ziel der beiden Texte wurden 2009 als Beweismittel in das laufende Verfahren eingeführt, um zu belegen, wie die mg für Gewalttaten warb und diese vorbereitetebekannt.<ref>[https://www.heise.de/newsticker/meldung/BKA-Honeypot-www-bka-de-209903.html ''BKA-Honeypot www.bka.de''] heise.de, 28. März 2009.</ref><ref>Harald Neuber: [https://www.heise.de/tp/features/Militante-Ermittler-3380714.html ''Militante Ermittler''.] In: [[telepolis]], 1. April 2009</ref>

== Strafverfahren ==

Am 1. August 2007 wurden [[Haftbefehl]]e gegen die vier Berliner Florian L., [[Oliver Rast]], Axel H. und [[Andrej Holm]] unter anderem wegen des Verdachts der [[Bildung terroristischer Vereinigungen|Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung]] ({{§|129a|stgb|dejure}} [[Strafgesetzbuch (Deutschland)|StGB]]) erlassen. Florian L., Oliver R.Rast und Axel H. sollen am 31. Juli 2007 in [[Brandenburg an der Havel|Brandenburg/Havel]] versucht haben, drei Fahrzeuge der Bundeswehr anzuzünden. Sie wurdenobservierende unmittelbarPolizisten nachnahmen demdie TatzeitpunktMänner vorunmittelbar Ortdanach vonam sie observierenden PolizistenTatort festgenommenfest.<ref name=":0">{{Internetquelle |url=http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2007&Sort=3&nr=41882&pos=0&anz=181 |titel=Haftbefehle gegen mutmaßliche Mitglieder der „militanten "militanten gruppe"gruppe“ außer Vollzug gesetzt |abruf=2023-06-05 |hrsg=Bundesgerichtshof |datum=2007-11-28 |titelerg=Mitteilung der Pressestelle Nr. 181/2007}}</ref>

=== Andrej Holm &und Matthias B. ===

Holm geriet durch mehrere Treffen mit dem zu diesem Zeitpunkt observierten Florian L. unter Verdacht, bei denen er konspirativ vorgegangen sein soll, so durch die Verwendung eines pseudonymen E-Mail-Kontos und das Vermeiden, sein Mobiltelefon bei den Treffen mitzuführen. Dem ebenfalls beschuldigten, aber nicht festgenommenen Matthias&nbsp;B. wurde attestiert, er verfüge über „die intellektuellen und sachlichen Voraussetzungen, die für das Verfassen der vergleichsweise anspruchsvollen Texte der militanten Gruppe erforderlich sind“, außerdem verfüge er als Wissenschaftler über die Möglichkeit, die notwendigen Bibliotheksrecherchen unauffällig durchzuführen. Beide Wissenschaftler benutzen in ihren Veröffentlichungen die Begriffe „[[Prekarisierung]]“ sowie „[[Gentrifizierung]]“, die auch in den Texten der „mg“ vorkamen.<ref>[https://www.heise.de/tp/features/Gentrification-und-Prekarisierung-3414969.html „Gentrification“ und „Prekarisierung“.] [[Telepolis]]</ref><ref>[https://www.heise.de/tp/features/Andrej-H-129a-und-die-verdaechtigen-Begriffe-3415116.html ''Andrej H., § 129a und die verdächtigen Begriffe''.] [[Telepolis]]</ref> Nach Angaben der Anwälte wertete die Bundesanwaltschaft diese Tatsachen als Indizien, die für eine Mitgliedschaft in der „mg“ sprechen.<ref>[https://www.heise.de/tp/features/Angeblicher-Schlag-gegen-Militante-Gruppe-3414676.html ''Angeblicher Schlag gegen Militante Gruppe''.] In: [[Telepolis]]; zu den Verhaftungen</ref><ref>[{{Webarchiv|url=http://www.generalbundesanwalt.de/de/showpress.php?themenid=9&newsid=282 |wayback=20170126123510 |text=Presseerklärung der Generalbundesanwaltschaft zu den Verhaftungen]}}</ref><ref>{{Webarchiv|url=http://s157556178.online.de/home.php?id=436&lang=de&action=news |wayback=20160303231943 |text=Presseerklärung der Anwälte zu den Verhaftungen |archiv-bot=2022-03-26 21:49:35 InternetArchiveBot }}</ref> Die Bundesanwaltschaft bestritt, dass die Beschuldigungen wesentlich auf solchen textlichen Ähnlichkeiten beruhten. Weitere Indizien wurden jedoch nicht bekannt.<ref>[http://www.tagesspiegel.de/berlin/terrorverdacht-harms-verteidigt-haftbefehle/1023734.html Terrorverdacht: Harms verteidigt Haftbefehle.] [[Tagesspiegel]], 25. August 2007</ref>

Unterstützung erhielten die vier Verdächtigen von internationalen Wissenschaftlern, die angesichts der Vorwürfe gegen Andrej Holm um die Freiheit der Wissenschaft fürchten. In einem „Offener Brief an die Generalbundesanwaltschaft gegen die Kriminalisierung von kritischer Wissenschaft und politischem Engagement“ bemängelten sie unter anderem, dass ''Prekarisierung'' und ''Gentrifizierung'' geläufige [[Soziologie|soziologische]] Begriffe seien.<ref>[http://einstellung.so36.net/de/offenerbrief Offener Brief an die Generalbundesanwaltschaft]</ref> Andrej Holm wurde am 23. August 2007 aus der Untersuchungshaft unter Auflagen entlassen.<ref>[https://www.zeit.de/online/2007/35/haftverschonung-andrejh Berliner Soziologe freigelassen.] [[Die Zeit|Zeit Online]], 2007.</ref> Am 24. Oktober 2007 wurde der Haftbefehl mangels ausreichenden Tatverdachts vom Bundesgerichtshof aufgehoben.<ref>[http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2007&Sort=3&nr=41477&pos=0&anz=154 Bundesgerichtshof:Haftbefehl gegen Berliner Soziologen aufgehoben]</ref> Im Juli 2010 wurde das Verfahren mangels Tatverdachts eingestellt.

=== Florian&nbsp;L., Oliver&nbsp;R.Rast und Axel&nbsp;H. ===

Während des [[Ermittlungsverfahren]]s gegen die drei in Tatortnähe verhafteten Verdächtigen entschied auf [[Beschwerde (deutsches Recht)|Beschwerden]] der [[Bundesgerichtshof]] im November 2007, dass der Vorwurf der Bildung terroristischer Vereinigungen (§&nbsp;129a StGB) auf die vollendeten oder versuchten [[Brandstiftung (Deutschland)|Brandstiftungen]] und die anderen mutmaßlichen Taten der „mg“ nicht Anwendung finden könne, da die Taten nicht geeignet seien, „durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich [zu] schädigen“. Lediglich der Verdacht der [[Bildung krimineller Vereinigungen]] ({{§|129|StGB|dejure}} StGB) käme stattdessen in Betracht. In der Folge wurden die Haftbefehle gegen [[Auflage (Justiz)|Auflagen]] außer Vollzug gesetzt.<ref name=":0" /><ref>BGH, Beschluss des 3. Strafsenats vom 28. November 2007, Az. {{Rspr|StB 43/07}}.</ref>

=== Urteil des Kammergerichts ===

Am 21. Juni 2008 wurde vor dem [[Staatsschutzsenat]] des Berliner [[Kammergericht]]s gegen die Beschuldigten Anklage erhoben.<ref>[http://www.morgenpost.de/berlin/article737055/Aklage_gegen_Berliner_Linksextremisten.html ''Bundeswehr-Anschlag – Anklage gegen Berliner Linksextremisten''.] [[Berliner Morgenpost]]</ref><ref>{{Webarchiv |url=http://www.tagesschau.de/inland/militantegruppe104.html |text=Anklage gegen mutmaßliche Linksextremisten erhoben |wayback=20100216044948}} [[Tagesschau (ARD)]], 28. Juli 2008</ref> Mit Urteil vom 16. Oktober 2009 wurden die Angeklagten wegen [[Bildung krimineller Vereinigungen|Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung]] undin der[[Tateinheit]] versuchtenmit versuchter Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel und versuchter Brandstiftung in Brandenburg/Havel zu [[Freiheitsstrafe (Deutschland)|Freiheitsstrafen]] zwischen drei und dreieinhalb Jahren verurteilt.<ref name="3 StR 277/10" /><ref>[https://www.welt.de/politik/deutschland/article4871247/Extremisten-fuer-Bundeswehr-Anschlag-verurteilt.html ''Extremisten für Bundeswehr-Anschlag verurteilt'']. Die Welt, 16. Oktober 2009.</ref> Mit Beschluss vom 3. Mai 2011 verwarf der [[Bundesgerichtshof]] die [[Revision (Recht)|Revision]], womit das Urteil rechtskräftig wurde.<ref name="3 StR 277/10">[https://openjur.de/u/168014.html BGH, Beschluss vom 3. Mai 2011, -Az. 3 StR 277/10].</ref><ref>[http://www.tagesspiegel.de/berlin/messerangriff-auf-frau-eines-neonazis/4335236.html ''Tagesspiegel'', 30. Juni 2011]</ref><ref>[http://www.jungewelt.de/2011/06-28/057.php Berliner Antimilitaristen müssen ins Gefängnis.] [[junge Welt]], 28. Juni 2011</ref>

== Verfahren ''Libertad!'' ==

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|26. Februar 2009|| Brandanschlag auf einen Funkwagen der Bundeswehr in [[Burg bei Magdeburg|Burg (Sachsen-Anhalt)]]<ref name="vs_2009" />

<!-- |-|31. Juli 2007|| Versuchter Brandanschlag auf drei LKW der Bundeswehr in Brandenburg/Havel. -->

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|31. Juli 2007|| Versuchter Brandanschlag auf drei LKW der Bundeswehr in Brandenburg/Havel. -->

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== Politische und strategische Positionen ==

Laut [[Bundeskriminalamt (Deutschland)|Bundeskriminalamt]] hat die militante Gruppe eine [[Kommunismus|kommunistische]] ideologische Basis. So wurde in einem Bekennerschreiben eine „revolutionäre Organisation, die sich die Struktur einer [[Partei]] gibt“, als Fernziel genannt. Des Weiteren ruft die „mg“ dazu auf, die linksradikale Bewegung zu stärken und zu unterstützen. Ein weiterer Auszug aus einem Theoriepapier der „mg“ stellt klar „dass für die sozio-ökonomischen Bedingungen in der BRD nur eine Diskussion bspw. des Organisationsaufbaus der [[GRAPO|PCE(r) Grapo]] oder der BR/PCC perspektivisch ist. (…)“.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.geocities.com/militanzdebatte// |text=Militanz - DokumentationMilitanzDokumentation einer Debatte 1. Mai 2003 |wayback=20080215213322}}</ref>

2003 verfasste die mg einen Beitrag aus Anlass des Aufrufs ''27. Juni 1993 - 10199310 Jahre nach dem Tod von [[Wolfgang Grams]]. Glaubt den Lügen der Mörder nicht! Kein Vergeben – Kein Vergessen! Gemeinsam den Kampf um Befreiung organisieren!'', der zuvor in linksradikalen Zeitschriften<ref>''[[Interim (Zeitschrift)|Interim]]'', Nr. 569, 3. April 2003. ''[[Angehörigen Info]]''. Nr. 271, 14. April 2003. ''[[Rote Hilfe e.&nbsp;V.|Rote Hilfe]] Zeitung'', 2/2003</ref> veröffentlicht worden war. Scharfe Kritik übt die mg entsprechend an (potentiellen) „linksliberalen BündnispartnerInnen“: „[[Linksliberale]] Kräfte waren auch historisch, seitdem Kommunistinnen Politik machen, nie ein Katalysator für eine Emanzipation, die den Namen verdient. Ganz im Gegenteil, sie haben ihre Rolle viel mehr im Kanalisieren und Entpolitisieren … von gesellschaftlichen Konflikten gesehen und nicht darin, sie inhaltlich, praktisch und organisatorisch zu revolutionieren“.

Scharfe Kritik übt die mg entsprechend an (potentiellen) „linksliberalen BündnispartnerInnen“: „[[Linksliberale]] Kräfte waren auch historisch, seitdem Kommunistinnen Politik machen, nie ein Katalysator für eine Emanzipation, die den Namen verdient. Ganz im Gegenteil, sie haben ihre Rolle viel mehr im Kanalisieren und Entpolitisieren … von gesellschaftlichen Konflikten gesehen und nicht darin, sie inhaltlich, praktisch und organisatorisch zu revolutionieren“.

== Literatur ==

* Bündnis für die Einstellung der §129(a)-Verfahren: ''Das zarte Pflänzchen der Solidarität gegossen. Zu den Verfahren und dem Prozess wegen Mitgliedschaft in der militanten gruppe (mg).'' [[edition assemblage]], Münster 2011. ISBN 978-3-942885-00-3

* Frank Brunner: Mit aller Härte. Wie Polizei und Staatsschutz Linksradikale jagen, Lübbe 2017, ISBN 978-3-404-60959-8

* [https://www.zeit.de/2007/35/Militante-Berlin ''Welt voller Unbehagen''.] In: ''[[Die Zeit]]'', Nr. 35/2007