„Osteosynthese“ – Versionsunterschied – Wikipedia


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* '''Schrauben-Osteosynthese''' mit quer zum Fraktur- oder Osteotomie-Spalt eingesetzten Kompressionsschrauben

* '''[[#Plattenosteosynthese|Platten-Osteosynthese]]''', zu der Schrauben zur Verankerung im Knochen gehören

* [[Fixateur externe|'''Fixateur-externe-Osteosynthese''']]

* '''Intramedulläre Osteosynthese''' „(Marknagelung)“ mit in den Markraum langer Röhrenknochen eingebrachten Nägeln

* '''Verbund-Osteosynthese''' unter Verwendung beispielsweise von [[Knochenzement]] zur Augmentation von [[Osteoporose|osteoporotischem]] Knochen oder mit Auffüllung von Knochendefekten.

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{{Hauptartikel|Patellafraktur}}

Ansonsten werden Drahtosteosynthesen bei '''Zuggurtungsosteosynthesen'''<ref>I. Klute, [[Norbert Michael Meenen]]: ''Die Fraktur der Kniescheibe: Moderne Zuggurtungsosteosynthese im Historischen Kontext.'' Springer, 1998, ISBN 978-3-540-63590-1.</ref> angewandt. Das Prinzip ist von dem Aachener Ingenieur und Orthopäden [[Friedrich Pauwels]], dem Erfinder des Verfahrens, aus dem ingenieurtechnischen Prinzip des [[Spannbeton]]s hergeleitet: Im Verbundbau werden druckfeste mit zugfesten Bauelementen verbunden, was deren Festigkeit wesentlich erhöht. Bei gleichem Volumen ist ein Körper so wesentlich stabiler als Körper, die nur aus einem der beiden Materialien hergestellt werden. Ein Betonbalken, in den zugfeste Stahlstäbe eingegossen sind, kann wesentlich höhere Belastungen aushalten als ein reiner Betonbalken. Wird das zugfeste Element wie beim Spannbeton zusätzlich vorgespannt, so erhöht sich die Belastbarkeit, und man kann bei minimalem Materialaufwand eine maximale Festigkeit erreichen.

Bei einer Zuggurtungs-Osteosynthese mit zugstabilem Draht an druckstabilem Knochen führen die auseinanderziehenden Zugkräfte der Kniestrecksehne durch Kraftumlenkung und asymmetrischerasymmetrische Lage desder Drahtcerclage (Drahtschlinge) zur Kompression der Fragmente und damit zu einer möglichen knöchernen Heilung. Das Zuggurtungsprinzip wird nur in Beugestellung des Kniegelenks verwirklicht. In Streckstellung kommt es zu einem Klaffen der gelenknahen Frakturflächen. Die gewünschte dynamische Kompression der Fragmente erfordert daher eine frühzeitige Gelenkmobilisation durch [[Physiotherapie]]. Eine Ruhigstellung von mit Zuggurtung operierten Patellafrakturen widerspricht dem Prinzip. Die Zuggurtungsosteosynthese wird ausschließlich bei Brüchen der Kniescheibe und am [[Olekranon]]s (dem ellenbogenseitigen Ende der [[Ulna]]) angewandt, bei denen Sehnen an Knochenfragmenten ziehen, ein umlenkendes Gelenkteil (Femurkondyle oder Humerustrochlea) vorhanden ist und damit das Zuggurtungsprinzip wirksam werden kann. Modifiziert und eingeschränkt kann das Verfahren unter Bandspannung auch am Innen- und Außenknöchel angewandt werden. Das Verfahren der Zuggurtung ist sehr kostengünstig und bei perfekter Operationstechnik auch sehr zuverlässig. Eine ausführliche Beschreibung des Verfahrens findet sich bei [[Patellafraktur]].

=== Schraubenosteosynthese ===

Eine Stabilisierung der Fragmente im Schaftbereich langer Röhrenknochen durch Schraubenosteosynthese ist selbst unter optimaler Technik alleine ist nicht ausreichend übungsstabilübungs- oder belastungsstabil wegen der großen Hebelkräfte. Eine gute Anwendung findet sich hingegen bei gelenknahen Brüchen, so bei einfachen Brüchen des Innen- und Aussenknöchels, des Femurkondylus, des Ellenbogengelenks oder im Bereich der Handwurzel, der Finger oder des Fußes.

Als Osteosyntheseverfahren wird bei Schraubenosteosynthesen meist das [[Zugschraubenprinzip]] angewandt. Dazu greift das Schraubengewinde nur im Kopf-fernenkopffernen Frakturteil, im Kopfnahenkopfnahen Knochen gleitet die Schraube frei. Diese Anbringung der Schraube führt zu der gewünschten Kompression der Fragmente. Dazu ist eine entsprechende stufenförmige Bohrung durchzuführen. Zur sicheren Positionierung der Schrauben sind diese und die verwendeten Instrumente kanüliert und können daher über einen Bohrdraht verwendet werden. Der Bohrdraht dient als Leitschiene, wird unter Sicht einer Röntgendurchleuchtung eingebracht und nach Vervollständigung der Osteosynthese regelhaft entfernt.

Für bestimmte Brüche ist die alleinige Schraubenosteosynthese das Standardverfahren, wie z.&nbsp;B. für die Versorgung des [[Kahnbeinbruch]]s der Hand mit der nach ihrem Erfinder benannten [[Herbert-Schraube]]. Diese beinhaltet die Kompressionswirkung in ihrer Konstruktion durch zwei unterschiedliche Gewindesteigungen.

Sehr häufig werden [[Osteotomie]]n im Vorfußbereich mit Schrauben fixiert, dies führt zu einer übungsstabilen Osteosynthese, so dass der Vorfuß zunächst bis zur Knochenheilung entlastet werden muss. Typische Osteosynthesen sind u.&nbsp;a. die [[Chevron-Osteotomie]] oder die [[Scarf-Osteotomie]] des ersten [[Mittelfußknochen]]s bei [[Hallux valgus]] oder die die verkürzende [[Weil-Osteotomie]] des zweiten bis fünften Mittelfußknochens bei [[Krallenzehe]]n-Fehlstellung.

=== Plattenosteosynthese ===

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* Bei den meisten Platten geht der mit einem Gewinde versehene Schraubenkopf mit dem Gewinde im Plattenloch eine kraftschlüssige Schraubverbindung ein, wird u.&nbsp;U. sogar beim Eindrehen kalt verschweißt. In diesem Fall muss die Schraube in einem fest vorgegebenen Winkel zur Plattenoberfläche (meist 90°) platziert werden.

* Der mit einem Gewinde versehene Schraubenkopf schneidet sich in das weichere Plattenmaterial hinein

* Die Schraube wird in das Plattenloch hineingedreht Anschließend wird eine Kappe über den Schraubenkopf gesetzt. Diese Kappe besitzt ein Außengewinde und verschraubt sich fest mit dem Gewinde des Plattenloches. Schraubenkopf und Kappe gehen eine Kraftschlüssigekraftschlüssige Verbindung ein.

Die beiden letztgenannten Verfahren erlauben es, die Schraube in gewissen Grenzen zu angulieren, sie muss dann nicht in einem fest vorgegebenen Winkel eingebracht werden. Man spricht von polyaxialen Systemen, während im ersten Fall ein monoaxiales System vorliegt.

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Herkömmliche Platten sind kraftschlüssige Verfahren. Sie stabilisieren den Knochen dadurch, dass sie die Fragmente mit Schrauben fest an die Platte heranziehen. Ihre Verwendung setzt voraus, dass die Fraktur nahezu anatomisch reponiert ist. Trümmerfrakturen müssen daher gleichsam eines Puzzles nahezu passgenau rekonstruiert werden, da die Platte nur durch die kraftschlüssige Verbindung zwischen Knochen und Platte Kräfte aufnehmen kann. Die Fraktur wird dadurch stabilisiert, dass die Platte fest an den Knochen gepresst wird und Reibungskräfte zwischen Knochen und Platte auftreten. Durch geschicktes platzieren der Schrauben (mehrere Schrauben in unterschiedlicher Richtung) kann jedoch ein formschlüssiges Konstrukt aufgebaut werden, das einen gewissen Widerstand gegen das Ausreißen der Schraube aus dem Knochen bietet: Die Schrauben, die zur Befestigung der Platten verwendet werden, können sich (im Gegensatz zu winkelstabilen Platten) im Plattenloch an sich frei bewegen. Die Bewegung wird dadurch verhindert, dass sie fest angezogen werden und Reibungskräfte zwischen Schraubenkopf und Platte wirken. Kommt es nach der eigentlichen Osteosynthese zu einem sekundären Repositionsverlust (d.&nbsp;h. die Fragmente, die mit den Schrauben gefasst wurden, verändern ihre Position), kann sich die Schraube in der Platte lockern und das Osteosynthesekonstrukt bis zum Versagen der Osteosynthese lockern und die Schrauben sogar aus dem Knochen ausreißen. Daher ist es bei Trümmerfrakturen notwendig, die Fragmente passgenau einzubringen. Dies würde aber eine Ablösung sämtlicher Weichteile von den Fragmenten und damit eine vollständige Zerstörung der wichtigen Blutversorgung der Fragmente bedeuten. Heilungsstörungen werden damit gefördert, weswegen dieses Osteosyntheseverfahren bei Trümmerfraktur zu Gunsten winkelstabiler Implantate verlassen wurde. Auch im osteoporotischen Knochen finden die Schrauben nur geringen Halt oder reißen sogar aus, weswegen in diesem Fall eher winkelstabile Platten zur Anwendung kommen.

Die kraftschlüssigen Platten finden häufig Anwendung bei einfachen Frakturen mit keinem oder nur einem Zwischenfragment. Hier können die Platten ihren Konstruktionsvorteil ausspielen: Die Platte wird zunächst auf einer Seite (A) des gebrochenen Knochens befestigt. Anschließend wird die Fraktur reponiert und die Platte auf der anderen Seite (B) der Fraktur befestigt. Hierbei wir der runde Schraubenkopf exzentrisch in ein ovales Plattenloch gedreht. Das Plattenloch verjüngt sich zum Knochen hin, wodurch der runde Schraubenkopf vom Rand des Loches in die Mitte des Loches gleitet. Die Schraube kann natürlich nicht senkrecht zum gebohrten Loch im Knochen gleiten, vielmehr drückt sie die Platte entlang ihrer Längsachse am Knochen entlang. Dadurch bewegt sich die Platte um wenige Millimeter und zieht dabei das zuvor gefasste Fragment (A) in Richtung der Fraktur. Der Frakturspalt schließt sich, er wird komprimiert. Diese Dynamische Kompressionsplatte (DCP) bewirkt dadurch eine primäre, direkte Knochenheilung. Da die Platte nur funktioniert, wenn sie fest an den Knochen gedrückt wird, kommt es zu Störungen in der Blutversorgung. Diesem Umstand wird begegnet, in demindem die Unterseite der Platte nicht eben, sondern mit Aussparungen versehen ist. Sie liegt somit nicht mit ihrer gesamten Unterfläche auf dem Knochen auf. Dadurch limitiert sich die Kontaktfläche zwischen Knochen und Platte und damit auch das Areal, in dem die periostale Blutversorgung beeinträchtigt wird. Diese Platten bezeichnet man als LC-DCP (Limited Contact Dynamic Compression Plate).

Durch geeignete Kombination von Schraube und Platte und geschickte Besetzung der ovalen Schraubenlöcher (am der Fraktur zugewandten Ende des Loches, in dessen Mitte oder am der Fraktur abgewandten Ende des Loches) können verschiedene biomechanische Konstrukte verwirklicht werden. So ist es möglich, die Fraktur, wie beschrieben unter Kompression zu setzen, einzelne Fragmente zu befestigen oder Fragmente an der Platte abzustützen (Abstützplatte).

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== Geschichte der Osteosynthese ==

Eines der ältesten Osteosyntheseverfahren ist die [[Patellafraktur#Die Fraktur der Kniescheibe im historischen Kontext|Knochennaht]] bei einer Fraktur der Kniescheibe wie sie etwa im 17. Jahrhundert schon oder 1877 von [[Joseph Lister, 1. Baron Lister|Joseph Lister]] durchgeführt wurde. Lange Zeit wurden Frakturen lediglich mit Schienung und Entlastung des gebrochenen Knochens behandelt.<ref>Martin L. Hansis: ''Frakturen.'' In: [[Werner E. Gerabek]], Bernhard D. Haage, [[Gundolf Keil]], Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 419.</ref> Die ersten Osteosynthesen entstanden im 19. Jahrhundert, welche [[Ernst Julius Gurlt]] 1862<ref>[[Ernst Julius Gurlt]]: ''Handbuch der Lehre von den Knochenbrüchen.'' 2 Bände. Meidinger Sohn & Co., Berlin 1862–1864.</ref> erstmals zusammenfassend darstellte. Die erste (bekanntgewordene) Schraubenosteosynthese erfolgte 1858 durch [[Bernhard von Langenbeck]] bei einem Schenkelhalsbruch.<ref>Hermann Ecke, Uwe Stöhr, Klaus Krämer: ''Unfallchirurgie.'' In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.): ''Chirurgie historisch gesehen. Anfang – Entwicklung – Differenzierung.'' Mit einem Geleitwort von [[Rudolf Nissen]]. Dustri-Verlag Dr. Karl Feistle, Deisenhofen bei München 1973, ISBN 3-87185-021-7, S. 204–216, hier: S. 209.</ref> Die heutigen Verfahren wurden in der Mitte des 20. Jahrhunderts<ref>Vgl. etwa Christoph Weißer: ''Osteosynthese um 1930. Technik, Instrumente und Implantate bei Fritz König, Chirurgische Klinik der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.'' In: ''Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie. Mitteilungen und Nachrichten.'' Band 32, 2010, Heft 62, S. 39–43.</ref> entwickelt. Zu den Wegbereitern der eine Ruhigstellung im Gips überflüssig machenden stabilen Osteosynthese mittels Draht und Schrauben zählen der Deutsche [[Fritz König (Mediziner, 1866)|Fritz König]] sowie der Belgier [[Albin Lambotte]] und dessen Bruder Élie Lambotte (1856–1912). Albin Lambotte hatte zudem bereits erste Platten konstruiert, die er bei gelenknahen Knochenbrüchen einsetzte. Mit einer Druckplatte<ref>Vgl. auch V. Petrokov: ''Die Biomechanik der Kallusbildung und experimentelle Bewertung der Druckosteosynthese.'' In: ''Bruns’ Beiträge zur klinischen Chirurgie.'' Band 205, 1962, S. 265 ff.</ref> führte der Belgier [[Robert Danis]] 1930 ein neues Osteosyntheseprinzip ein. Im Jahr 1940 demonstrierte Küntscher dann Marknägel. Maßgeblich zur weiteren Entwicklung hat die 1958 in der Schweiz gegründete [[Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen]] (AO) beigetragen.<ref>Hermann Ecke, Uwe Stöhr, Klaus Krämer: ''Unfallchirurgie.'' 1973, S. 209 f.</ref> Auch die Osteosynthesekonzepte der jüngeren Geschichte waren in den letzten Jahrzehnten zum Teil erhenlichemerheblichem Wandel ausgesetzt. <ref>{{Literatur |Autor=C. Krettek |Titel=Wandel in der Fraktur- und Weichteilversorgung. [Changes in fracture and soft tissue management] |Sammelwerk=Unfallchirurgie (Heidelb) |Band=125 |Nummer=10 |Datum=2022 |PMID=36074147 |Seiten=771-775 |Kommentar= |Online=}}</ref>

Pioniere der Osteosynthese waren:

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* [[Johann Friedrich Dieffenbach]] (1792–1847)

* [[Bernhard von Langenbeck]] (1810–1887)

* [[Ludwig Rehn]] (1849–1930)

* [[Carl Hansmann]] (1852–1917)

* [[Fritz König (Mediziner, 1866)|Fritz König]] (1866–1952)