„Phoneminventar“ – Versionsunterschied – Wikipedia


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Das '''Phoneminventar''' (auch: '''phonologisches Inventar''') einer [[natürlicheNatürliche Sprache|natürlichen Sprache]] setzt sich zusammen aus der Menge der von der Sprache verwendeten [[Phonem]]e. Phoneme sind die kleinstekleinsten bedeutungsunterscheidenden Einheiten einer gesprochenen Sprache. Jede Sprache hat ihr eigenes Phoneminventar. Jedem Phoneminventar liegt ein ''Phonemsystem'' zugrunde, das auf der Grundlage der [[Phonologie|phonologischen]] Merkmale der Phoneme bestimmt werden kann.

Alle Sprachen haben sowohl [[Konsonant]]en als auch [[Vokal]]e in ihrem Phoneminventar.<ref>Abigail Cohn: ''Phonology.'' In: [[Mark Aronoff]], Janie Rees-Miller (Hrsg.): ''The Handbook of Linguistics.'' Blackwell, Malden MA u. a. 2003, ISBN 0-631-20497-0, Kapitel 8, S. 180–212.</ref> Diese werden entsprechend als ''Konsonantenphoneme'' und ''Vokalphoneme'' bezeichnet.

Die Phoneminventare der bekannten Sprachen haben sehr unterschiedliche Größen. Die Größe von [[Konsonant]]en<nowiki />inventaren reicht von sechs im [[Rotokas]] (einer [[Sprachen Papua-Neuguineas|papua-neuguineanischen Sprache]]) bis zu 122 Konsonanten im [[!Xóõ]] (einer [[Khoisansprachen|Khoisan-Sprache]]).<ref>[http://wals.info/chapter/1 Maddieson, Ian (2011). ''Consonant Inventories''. In: Dryer, Matthew S. & Haspelmath, Martin (Hrsg.) The World Atlas of Language Structures Online. München: Max Planck Digital Library, Kapitel 1.]</ref> Die Größe von [[Vokal]]<nowiki />inventaren reicht von nur zwei Vokalen im [[Yimas]] (ebenfalls einer papua-neuguineanischen Sprache) bis zu 14 im [[Deutsche Sprache|Deutschen]].<ref>[http://wals.info/chapter/2 Maddieson, Ian (2011). ''Vowel Inventories''. In: Dryer, Matthew S. & Haspelmath, Martin (Hrsg.) The World Atlas of Language Structures Online. München: Max Planck Digital Library, Kapitel 2.]</ref>

== Größe von Phoneminventaren ==

==Isolationsverfahren==

Die Größe der Phoneminventare der bekannten Sprachen ist sehr unterschiedlich.

Die Ermittlung und [[Isolierung]] der einzelnen Phoneme ist Aufgabe der '''Phonemanalyse'''. Sie ermittelt die Phoneme im Phonetiklabor mittels [[Klassifikation]] und [[Segmentierung (Sprachwissenschaft)|Segmentierung]]. In Europa kommt dabei vorwiegend das Verfahren der [[Prager Schule]] zum Zuge, bei dem phonetische [[Minimalpaar]]e gebildet werden. Die Unterscheidungsmerkmale der einzelnen Phoneme werden durch die [[Opposition (Linguistik)|Opposition]] analysiert.

Die US-amerikanische [[Taxonomie|taxonomische]] Linguistik verwendet vorwiegend den [[Kommutation]]stest, um Zusammenhänge und Unterschiede der Phoneme bei der Wortbildung ([[syntagma]]tische und [[paradigma]]tische Variationen der Phoneme) zu ermitteln und sie damit zu isolieren.

Die Größe von Konsonanteninventaren reicht von sechs im [[Rotokas]] (einer [[Sprachen Papua-Neuguineas|papua-neuguineischen Sprache]]) bis zu 122 Konsonanten im {{lang|khi|[[Taa-Sprache|ǃXóõ]]}} (einer [[Khoisansprachen|Khoisan-Sprache]]). Das [[Mittelwert|durchschnittliche]] Konsonanteninventar umfasst 22,7 Phoneme. Besonders kleine Konsonanteninventare finden sich vor allem in Sprachen aus [[Neuguinea]] und dem [[Amazonasbecken]], besonders große Inventare findet man vor allem in Sprachen [[Afrika]]s südlich des [[Äquator]]s und in Sprachen, die im Nordwesten [[Nordamerika]]s gesprochen werden.<ref>Ian Maddieson: ''Consonant Inventories.'' In: Matthew S. Dryer, [[Martin Haspelmath (Linguist)|Martin Haspelmath]] (Hrsg.): ''The World Atlas of Language Structures Online.'' Max Planck Digital Library, München 2011, [http://wals.info/chapter/1 Kapitel 1].</ref>

==Sammlungen==

Die Phoneminventare werden seit [[1984]] gesammelt in der '''UCLA Phonological Segment Inventory Database''' (UPSID). Bislang sind in der Datenbank die phonetischen Inventare von 451 Einzelsprachen aufgeführt. Sie enthält 921 verschiedene Phoneme, 652 Konsonanten und 269 Vokale.

Die Größe von Vokalinventaren reicht von nur zwei Vokalen im [[Yimas]] (ebenfalls einer papua-neuguineischen Sprache) bis zu 15 im [[Deutsche Sprache|Deutschen]].<ref name="Maddieson_Vowels">Ian Maddieson: ''Vowel Inventories.'' In: Matthew S. Dryer, Martin Haspelmath (Hrsg.): ''The World Atlas of Language Structures Online.'' Max Planck Digital Library, München 2011, [http://wals.info/chapter/2 Kapitel 2].</ref> Im Durchschnitt umfasst ein Vokalinventar ungefähr acht Phoneme.<ref>T. Alan Hall: ''Phonologie. Eine Einführung''. Walter de Gruyter, Berlin u. a. 2000, ISBN 3-11-015641-5.</ref> In [[Amerikanische Sprachen|amerikanischen Sprachen]] finden sich überdurchschnittlich oft kleine Vokalinventare von drei oder vier Phonemen, auch [[australische Sprachen]] verfügen oft nur über ein kleines Inventar. In [[Afrikanische Sprachen|afrikanischen Sprachen]] dominieren große Vokalinventare (dies scheint mit der Präferenz zur [[Vokalharmonie]] in den [[Niger-Kongo-Sprachen|Niger-Kongo-]], [[Nilosaharanische Sprachen|nilosaharanischen]] und den [[Afroasiatische Sprachen|afroasiatischen Sprachen]] zusammenzuhängen). Auch in Sprachen [[Südostasien]]s und den europäischen Sprachen finden sich überdurchschnittlich viele Vokalphoneme. Die große Zahl von Vokalen im Deutschen erklärt sich daraus, dass sich Kontraste in der [[Vokallänge]] in Kontraste der [[Vokalqualität]] geändert haben.<ref name="Maddieson_Vowels" />

Diese sind bezüglich ihrer [[Sprachverwandtschaft]] zueinander gewichtet. So sind z.&nbsp;B. die Unterschiede einer einzelnen [[Westgermanische Sprachen|westgermanischen]] Unterfamilie gegenüber der [[Indoeuropäische Sprachen|indoeuropäischen Sprachfamilie]] auswertbar. Gründungsvater der UPSID ist der [[Phonetiker]] [[Ian Maddieson]] von der [[University of California, Los Angeles]] (UCLA).

Die Größe von Phoneminventaren nimmt tendenziell mit größerer Entfernung von Afrika ab; dies wird als [[Gründereffekt]] interpretiert und als Bestätigung der [[Out-of-Africa-Theorie|Out-of-Africa-Hypothese]], die den Ursprung der Menschheit in Afrika verortet, gesehen.<ref>Quentin D. Atkinson: ''Phonemic Diversity Supports a Serial Founder Effect Model of Language Expansion from Africa.'' In: ''[[Science]].'' Bd. 332 = Nr. 6027, 2011, S. 346–349, {{doi|10.1126/science.1199295}}.</ref>

== Isolationsverfahren ==

Die Ermittlung und [[Isolierung]] der einzelnen Phoneme ist Aufgabe der '''Phonemanalyse'''. Sie ermittelt die Phoneme im Phonetiklabor mittels [[Klassifikation]] und [[Segmentierung (Sprachwissenschaft)|Segmentierung]]. In Europa kommt dabei vorwiegend das Verfahren der [[Prager Schule]] zum Zuge, bei dem phonetische [[Minimalpaar]]e gebildet werden. Die Unterscheidungsmerkmale der einzelnen Phoneme werden durch die [[Opposition (Linguistik)|Opposition]] analysiert. Die US-amerikanische [[Taxonomie|taxonomische]] Linguistik verwendet vorwiegend den [[Kommutation]]stest, um Zusammenhänge und Unterschiede der Phoneme bei der Wortbildung ([[syntagma]]tische und [[paradigma]]tische Variationen der Phoneme) zu ermitteln und sie damit zu isolieren.

== Sammlungen ==

Die Phoneminventare werden seit [[1984]] gesammelt in der '''UCLA Phonological Segment Inventory Database''' (UPSID).<ref>{{Internetquelle |url=http://phonetics.linguistics.ucla.edu/sales/software.htm |titel=Phonetik-Software |abruf=2023-01-31}}</ref> Bislang sind in der Datenbank die Inventare von 451 Einzelsprachen aufgeführt. Sie enthält 921 verschiedene Phoneme, 652 Konsonanten und 269 Vokale. Diese sind bezüglich ihrer [[Sprachverwandtschaft]] zueinander gewichtet. So sind z.&nbsp;B. die Unterschiede einer einzelnen [[Westgermanische Sprachen|westgermanischen]] Unterfamilie gegenüber der [[Indoeuropäische Sprachen|indoeuropäischen Sprachfamilie]] auswertbar. Gründungsvater der UPSID ist der [[Phonetiker]] [[Ian Maddieson]] von der [[University of California, Los Angeles]] (UCLA).

Eine weitere Datenbank ist das '''Stanford Phonological Archive''' (SPA), welches 196 Einzelsprachen zur Verfügung stellt.

== Lautsystem - Phonemsystem/ -inventar ==

Die [[Lautsystem]]e sind Gegenstand der [[Phonetik]]; man muss sie von den [[Phonemsystem]]en/ -inventaren unterscheiden. Nicht alle [[Sprachlaut]]e und nicht alle ihre phonetischen Eigenschaften sind phonologisch bedeutsam. Im Deutschen etwa ist die [[Aspiration (Phonetik)|Aspiration]] (Behauchung) der [[Verschlusslaut]]e phonetisch wichtig, nicht aber phonologisch. Das gleicheGleiche gilt für den sog. [[Knacklaut]], der meistim Deutschen als rein phonetische Erscheinung betrachtet wird, die aber phonologisch nicht relevant ist.

== Literatur ==

* C.Charles F. Hockett: ''A Course of Modern Linguistics.'' Macmillan, New York u. a. 1958

* I.Ian Maddieson: ''Patterns of Sounds.'' With a chapter contributed by Sandra Ferrari Disner. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 1984, ISBN 0-521-26536-3.

* [[Helmut Glück]] (Hrsg.), unter Mitarbeit von [[Friederike Schmöe]]: ''Metzler-Lexikon Sprache.'' Dritte3., neubearbeitete Auflage. Metzler, Stuttgart/Weimar 2005u. a. 2005, ISBN 3-476-02056-8.

== Einzelnachweise ==

<references />

== Weblinks ==

{{Wiktionary|Phoneminventar}}

{{Wiktionary|Phonemsystem}}

* [http://www.linguistics.ucla.edu/faciliti/sales/software.htm#upsid UPSID bestellen]

* [http://mails.fju.edu.tw/~phono/handout10.htm Aufbau der UPSID]

*[http://www.zas.gwz-berlin.de/index.html?phonlab Phonetiklabor der ZAS]

[[Kategorie:Phonologie]]

[[Kategorie:Phonetik]]

[[en:UCLA Phonological Segment Inventory Database]]

[[nl:Klankinventaris]]