„Sancta Susanna“ – Versionsunterschied – Wikipedia


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'''Sancta Susanna''' ist eine [[Oper]] in einem [[Akt (Theater)|Akt]] von [[Paul Hindemith]]. Als Text verwendete er die 19131914 erschienene Szene ''Ein Gesang der Mainacht'' von [[August Stramm]]. Die Uraufführung fand am 26. März 1922 im [[Alte Oper|Opernhaus Frankfurt am Main]] statt.

== Handlung ==

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Die Oper spielt in einer Mainacht in einer Klosterkirche. Der Mond scheint. Vor dem Altar brennt das ewige Licht, vorne links in einer Mauernische vor dem überlebensgroßen Kruzifix eine große Kerze. Susanna liegt in religiöser Andacht vor dem blumengeschmückten Marienaltar rechts neben dem Kruzifixaltar, die Stirn auf der untersten Stufe, die Arme über die oberen Stufen ausgebreitet. Ihre Mitschwester Klementia ruft sie zur Besinnung. Die Turmuhr schlägt. Der Wind reißt ein Fenster auf, so dass der Duft eines Fliederstrauchs hineinströmt. Draußen ist „erstickt in wimmernder Lust“ die Stimme einer Frau zu hören. Susanna lässt sie, eine Magd, hereinführen, um ihr ins Gewissen zu reden. Die Magd wirkt erst verstört, bricht dann aber plötzlich in Lachen aus. Kurz darauf pocht es an der Chortür. Ein Knecht, der Geliebte der Magd, kommt herein, um sein Mädchen zu holen. Klementia führt die beiden nach draußen. Während die Tür schließt, fährt ein Windstoß herein und löscht die Kerze vor dem Kruzifix. Die Kirche liegt im Dunkeln, und Susanna schreit entsetzt auf: „Satanas!“

Klementia kehrt zurück, um die Kerze wieder anzuzünden, doch es gelingt ihr nicht. Susanna geht langsam zwischen den [[Kirchengestühl|Betstühlen]] nach vorne, um das Licht des Wachsstocks zu holen. Das Geschehen erinnert Klementia an eine andere Nacht, von der sie Susanna erzählt, während draußen zwei Nachtigallen trällern: Vor dreißig oder vierzig Jahren lag sie selbst betend vor dem Altar, als die Nonne Beata völlig unbekleidet die Kirche betrat, zum Kruzifix hinaufstieg und das Bild des Heilands umarmte und küsste. Als Klementia sie ansprach, fiel sie leblos die Stufen herunter. Die Nonnen verhüllten daraufhin dem Bildnis die Lenden mit einem Tuch, stellten vor dem Kruzifix eine große Kerze auf und mauerten Beata dahinter ein. Seitdem brennt die Sühnekerze, und Klementia hat immer noch Beatas leise Klage vernehmen können. Susanna ist erschüttert, dass sie selbst die endlich erloschene Kerze wieder entzündet hat. Eine faustgroße Spinne kriecht aus dem Dunkel hinter dem Altar hervor, läuft über den Altar und verschwindet an der anderen Seite. Die beiden Nonnen betrachten sie entsetzt. Während Klementia feststellt, dass Beatas Klagerufe verstummt sind, gerät Susanna in Ekstase. Sie löscht den Wachsstock aus, legt ihn auf den Altar und steigt langsam die Stufen herunter. Dann lacht sie kurz auf, legt ihre Kleidung ab und verkündet: „Schwester Klementia… ich bin schön…!“ Klementia hält ihr das Kreuz entgegen, um sie zur Besinnung zu bringen und erinnert sie an ihr Gelübde: „Keuschheit… Armut… Gehorsam“. Doch Susanna reißt das Lendentuch vom Kruzifix und sinkt davor in die Knie. Die Spinne fällt vom Arm des Kreuzes herunter in ihr Haar. Susanna schreit auf und schlägt mit der Stirn auf den Altar. Die Spinne verschwindet dahinter.

In diesem Moment verkündet die [[Stundengebet|Horenglocke]] die zwölfte Stunde. Betende Nonnen treten herein und versammeln sich im Halbkreis um Susanna. Diese springt auf und verlangt, wie einst Beata eingemauert zu werden. Eine alte Nonne hebt das Kreuz ihres Rosenkranzes über ihr Haupt und fordert sie auf zu beichten. Klementia und die anderen Nonnen stimmen in ihren Ruf ein: „Beichte!!!“ Der Wind heult auf. Susanna ruft: „Nein!!!“ Die Nonnen schreien „Satana!!!“ Während ihr Echo verklingt, steht Susanna hoch aufgerichtet in „unberührter Hoheit“ da.

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== Werkgeschichte ==

''Sancta Susanna'' ist der dritte von Hindemiths drei Opern-Einaktern des Jahres 1921. Zuvor waren bereits ''[[Mörder, Hoffnung der Frauen (Oper)|Mörder, Hoffnung der Frauen]]'' und ''[[Das Nusch-Nuschi]]'' aufgeführt worden.<ref name="piper" />

[[August Stramm]] veröffentlichte seine Szene ''Ein Gesang der Mainacht'' 1914 in der von [[Herwarth Walden]] herausgegebenen Zeitschrift ''[[Der Sturm (Zeitschrift)|Der Sturm]].'' Hindemith verwendete den 1921 im zweiten Band der Gesamtausgabe erschienenen Druck. Er begann am 19. Januar 1921 mit der Komposition und stellte sie bereits am 5. Februar fertig.<ref name="piper" />

Ursprünglich plante Hindemith, seine drei Einakter als [[Triptychon]] zusammen in Stuttgart aufzuführen. Doch die Empörung über den als gotteslästerlich empfundenen Text verhinderte dies.<ref name="harenberg" /> Zur Uraufführung kam es daher erst am 26. März 1922 im [[Alte Oper|Frankfurter Opernhaus]]. Es sangen Emma Holl (Susanna), Betty Mergler (Klementia) und [[Magda Spiegel]] (alte Nonne). Die musikalische Leitung hatte [[Ludwig Rottenberg]],<ref>{{Almanacco|Sancta Susanna|26|3|1922}}.</ref> Regie führte [[Ernst Lert]], und das Bühnenbild stammte von [[Ludwig Sievert]].<ref>[https://dewww.schott-music.com/shopde/sancta-susanna-1no152759.html ''Sancta Susanna'' bei Schott Music], abgerufen am 31. Oktober 2016.</ref> Die Aufführung geriet zum Skandal. Selbst der Dirigent [[Fritz Busch]], der bereits die beiden anderen Einakter geleitet hatte, hielt die Oper für „obszön“. Der christlich-konservative Bühnenvolksbund bemühte sich um eine Absetzung vom Spielplan. Der Katholische Frauenbund veranstaltete eine dreitägige Andacht zur Sühne, und der Interkonfessionelle Verein zur Hebung der Sittlichkeit hielt eine Reihe von Vorträgen.<ref name="piper" /> Der Kritiker der ''Zeitschrift für Musik'' schrieb:

{{Zitat

|Text=Die Bücher der drei Einakter ([…] Stramm’s (sic), Sancta Susanna eine perverse, wahrhaft unsittliche Angelegenheit) sollten tatsächlich von jedem als absolut wertlos empfunden werden. Hindemiths Musik kreist in den Bahnen des rastlosen Expressionismus; ohne jedes melodische Empfinden […] werden von dem überladenen Orchester ungeheuerliche Akkorde getürmt, dann wieder herrscht gähnende Leere.

|Quelle=''Zeitschrift für Musik,'' Juli 1922<ref name="mt20" />{{Rp|177}}

|ref=<ref name="mt20" />{{Rp|177}}

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|Text=Es ist eine musikalische Phantasie über ein einziges Thema von seltsam klagendem, sehnsuchtsvollem Reiz, das immer größere Kreise der Leidenschaft und des Begehrens zieht bis zur gewitterhaften Entladung und Befreiung.

|Autor=[[Paul Bekker]]

|Quelle=''Hindemith „Drei Einakter“'', S.&nbsp;114&nbsp;f.<ref name="mt20" />{{Rp|176}}

|ref=<ref name="mt20" />{{Rp|176}}

}}

Erst als [[Alexander von Zemlinsky]] im folgenden Jahr 1923 das Werk am Landestheater Prag zusammen mit den beiden anderen Einaktern aufführte, wurde es seinem Rang gemäß gewürdigt. 1925 wurde es am [[Hamburgische Staatsoper|Hamburger Stadttheater]] unter der Leitung von [[Egon Pollak (Dirigent)|Egon Pollak]] zusammen mit Igor Strawinskys ''[[Histoire du soldat]]'' gespielt. Die Regie hatte [[Leopold Sachse]]. Obwohl die Aufführung vom Publikum gut aufgenommen wurde, erwirkten Kirchen und Rechtsparteien eine sofortige Absetzung. 1934 zog Hindemith das Werk mit Einschränkungen, 1958 vollständig zurück. Auch seine Erben erteilten bis Mitte der 1970er Jahre keine Aufführungsgenehmigung. Anschließend gab es szenische Produktionen u.&nbsp;a. in Rom, Wuppertal und Amsterdam sowie mehrere konzertante Aufführungen.<ref name="piper" /> Eine Kölner Inszenierung von [[Günter Krämer (Regisseur)|Günter Krämer]] erreichte 2001 größere Aufmerksamkeit.<ref name="harenberg" /> 2016 wurde ein Video-Mitschnitt der Lyoner Produktion von 2012 im Rahmen der ''Opera Platform'' im Internet übertragen.<ref name="operaplatform">{{Webarchiv | url=http://www.theoperaplatform.eu/de/opera/hindemith-sancta-susanna | wayback=20161031215709 | text=''Hindemith – Sancta Susanna'' auf ''The Opera Platform''}}.</ref> 2024 war Hindemiths Kurzoper der Auftakt zum Musiktanztheater ''Sancta'' von [[Florentina Holzinger]] am [[Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin|Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin]]. Die musikalische Leitung hatte Marit Strindlund.<ref>Anna Schors: ''Feel good!'' Rezension der Produktion in Schwerin 2024. In: ''[[Opernwelt]].'' Ausgabe Juli 2024, S.&nbsp;26 ([https://www.der-theaterverlag.de/opernwelt/archiv/artikel/feel-good/ eingeschränkte Vorschau]; Abonnement für den vollständigen Text erforderlich).</ref>

== Aufnahmen ==

* 2. November 1980 (live aus Wuppertal): [[Hans-Martin Schneidt]] (Dirigent), Städtisches Orchester Wuppertal, Chor der [[Wuppertaler Bühnen|Oper Wuppertal]]. Mildred Tyree (Susanna), Danièle Grima (Klementia), Marianne Dorka (eine alte Nonne).<ref name="ommer" />{{Rp|7191}}

* Juni 1983 (Studio-Aufnahme): [[Gerd Albrecht (Dirigent)|Gerd Albrecht]] (Dirigent), [[Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin]], Damen des [[RIAS Kammerchor]]es Berlin. [[Helen Donath]] (Susanna), [[Gabriele Schnaut]] (Klementia), [[Gabriele Schreckenbach]] (eine alte Nonne). Wergo CD: 60 106-50 (1 CD), Wergo LP: 60 106 (1 LP).<ref name="ommer" />{{Rp|7192}}

* Mai 1997 (Studio-Aufnahme): [[Yan Pascal Tortelier]] (Dirigent), [[BBC Philharmonic Orchestra]], [[Leeds Festival Chorus]]. [[Susan Bullock]] (Susanna), [[Della Jones]] (Klementia), Ameral Gunson (eine alte Nonne). Chandos CHAN9620 (1 CD).<ref name="ommer" />{{Rp|7193}}

* 2. und 4. März 2001 (live aus dem [[Hebbel-Theater]] Berlin): [[Hermann Bäumer]] (Dirigent), RIAS-Jugendorchester Berlin. Nina von Möllendorf (Susanna), Márta Rósza (Klementia), Annekathrin Laabs (eine alte Nonne).<ref name="ommer" />{{Rp|7194}}

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* DATUM (BEMERKUNG): DIRIGENT (Dirigent), ORCHESTER, CHOR. SÄNGER (Susanna), SÄNGER (Klementia), SÄNGER (eine alte Nonne). PRODUCTCODE.<ref>BELEG</ref>

-->

== Literatur ==

* [[Siglind Bruhn]]: ''Sancta Susanna: Plädoyer für die Sinnlichkeit.'' In: ''Hindemiths große Bühnenwerke'' (= ''Hindemith-Trilogie'' Band 1). Edition Gorz, Waldkirch 2009, ISBN 978-3-938095-11-9, S.&nbsp;21–42.

<!--* <ref name="grove">{{Grove Music Online|O904625|Geoffrey Skelton|Sancta Susanna}}.</ref> -->

== Weblinks ==

* {{IMSLP2|id=Sancta_Susanna,_Op.21_(Hindemith,_Paul)|cname=''Sancta Susanna, Op.21''}}

* [https://opera-guide.ch/operas/sancta+susanna/ Werkinformationen] bei Opera-Guide

* {{Opera-Guide|170|s}}

* {{Operone|sancta|o|Sancta Susanna von Hindemith}}

* {{Opera|o|Susanna|Hindemith}}

* [http://www.dicoseunpo.it/H_files/Sancta_Susanna.pdf Libretto (italienisch/deutsch, PDF) bei dicoseunpo.it]

* August Stramm: [httphttps://www.projekt-gutenberg.spiegel.deorg/buchstramm/sancta-susanna-6478/1susanna.html ''Sancta Susanna – Ein Gesang der Mainacht''.]

== Einzelnachweise ==

<references>

<!-- <ref name="grove">{{Grove Music Online|O904625|Geoffrey Skelton|Sancta Susanna}}.</ref> -->

<ref name="piper">Annegrit Laubenthal: ''Sancta Susanna.'' In: ''Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters.'' Band 3: ''Werke. Henze – Massine.'' Piper, München&nbsp;/ Zürich 1989, ISBN 3-492-02413-0, S.&nbsp;63–64.</ref>

<ref name="harenberg">''Sancta Susanna.'' In: ''Harenberg Opernführer.'' 4.&nbsp;Auflage. Meyers Lexikonverlag, 2003, ISBN 3-411-76107-5, S.&nbsp;381.</ref>

<ref name="kloiber">[[Wulf Konold]]: ''Sancta Susanna.'' In: [[Rudolf Kloiber]], Wulf Konold, Robert Maschka: ''Handbuch der Oper.'' Deutscher Taschenbuch Verlag / Bärenreiter, 9., erweiterte, neubearbeitete Auflage 2002, ISBN 3-423-32526-7, S.&nbsp;300.</ref>

<ref name="mt20">[[Hanns-Werner Heister]]: ''Spät- und Nachexpressionismus.'' In: [[Silke Leopold]] (Hrsg.): ''Musiktheater im 20. Jahrhundert'' (= ''Geschichte der Oper.'' Band 4). Laaber, 2006, ISBN 3-89007-661-0.</ref>

<ref name="ommer">''Paul Hindemith.'' In: [[Andreas Ommer]]: ''Verzeichnis aller Operngesamtaufnahmen.'' [[Zeno.org]], Band 20.</ref>

</references>