„Struwwelpeter“ – Versionsunterschied – Wikipedia


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=== Die Geschichte vom bösen Friederich ===

[[Datei:DBP 1994 1729 Der böse Friederich.jpg|mini|hochkant|[[Briefmarken-Jahrgang 1994 der Deutschen Bundespost|Deutsche Briefmarke von 1994]]]]

„Der Friederich, der Friederich, das war ein arger [[Wüterich (Person)|Wüterich]]!“ Der ''bitterböse Friederich'' [[Tierquälerei|quält Tiere]] zum Scherz, bis er an einen großen Hund gerät: {{" |Da biss der Hund ihn in das Bein, / Recht tief, bis in das Blut hinein.}}

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H Hoffmann Struwwel 04.jpg|Der böse Friederich

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=== Die gar traurige Geschichte mit dem Feuerzeug ===

Die Eltern der jungen Pauline gehen aus und lassen sie mit den beiden Katzen Minz und Maunz daheim. Als Paulinchen Zündhölzer entdeckt, die ihre Eltern auf dem Tisch liegen gelassen haben, entzündet sie diese. Dabei fängt ihr Haar Feuer, und Paulinchen verbrennt bis auf die Schuhe.

Minz und Maunz, die Katzen, fungieren als „Moralapostel“ der Geschichte: {{" |Minz und Maunz, die Katzen, / Erheben ihre Tatzen. / Sie drohen mit den Pfoten: / ‚Der Vater hat’s verboten!‘}} Als Paulinchen trotz der Warnungen verbrannt ist, vergießen die Tiere bittere Tränen. Die Zündhölzer aus der Geschichte werden im Titel „Feuerzeug“ genannt, da zu jener Zeit der Begriff noch allgemein für Utensilien zum Feuermachen benutzt wurde, also auch für [[Streichhölzer]]. Da die seinerzeit noch relativ neu eingeführten Streichhölzer das Feuermachen deutlich erleichterten, konnten sie auch von Kindern benutzt werden, wodurch eine neue Gefahr entstanden war. Die Geschichte ist somit auch eine Reaktion auf ein durch technische Neuentwicklung aktuell gewordenes Problem.

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H Hoffmann Struwwel 07.jpg|Pauline

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=== Die Geschichte von den schwarzen Buben ===

[[Datei:H Hoffmann Struwwel 09.jpg|mini|Die Geschichte von den schwarzen Buben]]

Ein ''[[Mohr]]'' wird von drei Knaben verspottet, die daraufhin vom „Nikolas“ (eigentlich [[Nikolaus von Myra|Nikolaus]]) zur Strafe in schwarze Tinte getaucht werden: {{" |Nun seht einmal, wie [[schwarz]] sie sind, viel schwärzer als das Mohrenkind.}} In der 1859 erschienenen Neuausgabe ersetzte Hoffmann die [[Arabeske]]n in dieser Geschichte<ref>[[s:Lustige Geschichten und drollige Bilder]] S. 5</ref> durch [[Davidstern]]e, möglicherweise um „die bedrückende Situation der Frankfurter Juden in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts“ zu beschreiben.<ref>[[Salomon Korn]]: ''[https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/belletristik/rezension-belletristik-wie-in-der-judenschule-11312021.html?printPagedArticle=true Wie in der Judenschule. Der Struwwelpeter auf jiddisch]''. [[Frankfurter Allgemeine Zeitung]], 14. Oktober 1999, Nr. 239 / Seite 51</ref>

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[[Datei:H Hoffmann Struwwel 09.jpg|mini|Die Geschichte von den schwarzen Buben]]

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=== Die Geschichte vom wilden Jäger ===

Die Geschichte vom Jäger, der vom Hasen überrumpelt wird und in den Brunnen fällt, spielt nicht im kindlichen Milieu. Es ist keine Geschichte über ein unartiges Kind, sondern über eine „verkehrte Welt“, ein sehr beliebtes Motiv im Volksgut. Hier wird die Autorität, der Jäger, anscheinend straflos verhöhnt und sogar besiegt, der Schwächere, der Hase triumphiert.

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H Hoffmann Struwwel 13.jpg|Die Geschichte vom wilden Jäger

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=== Die Geschichte vom Daumenlutscher ===

[[Datei:Daumenlutscher 1845.jpg|mini|Daumenlutscher (1845)]]

Der [[Daumenlutschen|Daumenlutscher]], ein Junge namens Konrad, lutscht stets an seinem Daumen, obwohl es ihm seine Mutter („Frau Mama“) verboten hat. Sie warnt ihn vor dem Schneider, der ihm seine Daumen abschneiden werde, wenn er nicht mit dem Lutschen aufhöre. Doch Konrad hört nicht auf die Warnung. Schließlich kommt der Schneider und schneidet mit einer übertrieben großen Schere dem Jungen beide Daumen ab.<ref>''[https://www.struwwelpeter.com/SP/daumen3.html Die Geschichte vom Daumenlutscher]'' auf struwwelpeter.com, abgerufen am 1. Juli 2022</ref>

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=== Die Geschichte vom Suppen-Kaspar ===

[[Datei:H Hoffmann Struwwel 1816.jpg|mini|Der Suppenkaspar]]Daumenlutscher

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[[Datei:Daumenlutscher 1845.jpg|mini|DaumenlutscherZeichnung von (1845)]]

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=== Die Geschichte vom Suppen-Kaspar ===

Der ''Suppenkaspar'' ist eines der pointiertesten Kapitel des ''Struwwelpeters''. Es erzählt in wenigen Versen die Geschichte eines Jungen, der sich weigert, seine Suppe zu essen, und daher innerhalb weniger Tage [[Hungerstoffwechsel|verhungert]].

Die Geschichte vom Suppenkaspar von 1844 gilt als die erste Beschreibung der [[Anorexia nervosa|Magersucht]] in der Literatur. Die freiwillige Verweigerung von Nahrung war im 19. Jahrhundert, als Teile der Bevölkerung noch immer unter Hunger litten, ein tabuisiertes Thema. Hoffmann, der sowohl als Arzt als auch als Psychiater tätig war, konfrontierte als erster eine breite Öffentlichkeit mit dem Krankheitsbild der ''Anorexia nervosa''.<ref>[https://www.wir-essen-gesund.de/magersucht-eine-krankheit-mit-geschichte/ ''Suppenkasper, eine Geschichte über Magersucht von Daniel Beuschel.''] Aufgerufen am 5. November 2021</ref> Den Struwwelpeter kann man somit auch als kinderärztliches Lehrbuch verstehen.<ref>Gerald Hofner: [https://derkinderarztblog.com/tag/magersucht/ ''Der “Struwwelpeter”, ein kinderärztliches Lehrbuch – hätten Sie das gewusst?''] aufgerufen am 5. November 2021</ref>

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H Hoffmann Struwwel 18.jpg|Der Suppenkaspar

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=== Die Geschichte vom Zappel-Philipp ===

[[Datei:Struwwelpeter 2.jpg|mini|Der Zappelphilipp, Zeichnung von Heinrich Hoffmann, 1844]]

In der Geschichte geht es um den Jungen Philipp, der am Tisch nicht still sitzen kann, mit dem Stuhl kippelt und daraufhin mitsamt der Tischdecke nebst Mahlzeit auf den Boden fällt – „und die Mutter blicket stumm auf dem ganzen Tisch herum“. In neuerer Zeit wurde die Geschichte teilweise als Beschreibung eines Kindes mit [[Hyperaktivität]] empfunden (siehe [[#Bezug zu psychiatrischen Krankheitsbildern|unten]]).

Es gibt drei gut nachvollziehbare Quellen, aus denen Hoffmann die Idee für diese Geschichte u.&nbsp;a. geschöpft hat:

# Recherchen des [[Struwwelpeter-Museum]]s ergaben bereits vor Jahren, dass der am 22. Januar 1911 verstorbene Arzt Philipp Julius von Fabricius (ein guter Bekannter Hoffmanns) sich selbst als Urbild des Zappel-Philipp geoutet hatte. Das Grab von Philipp Julius von Fabricius auf dem [[Hauptfriedhof (Frankfurt am Main)|Hauptfriedhof Frankfurt am Main]] (Grab F XXII) ist deswegen seit 2024 ein [[Ehrengrab]] der Stadt Frankfurt.<ref>Jürgen Walburg: Der "Zappel-Philipp" hat jetzt ein Ehrengrab; in: Taunuszeitung vom 25. Mai 2024, S. 14.</ref>[[Datei:Unterbrochene Mahlzeit Rustige 1838.png|mini|Unterbrochene Mahlzeit, Gemälde von Heinrich von Rustige, 1838]]

# Zur Darstellung des „Zappel-Philipps“ fand Heinrich Hoffmann eine weitere Anregung im Werk seines Malerfreundes [[Heinrich von Rustige]]. Der junge Maler kam 1838 an das [[Städelsches Kunstinstitut|Städelsche Kunstinstitut]] in Frankfurt und schuf im selben Jahr das Ölgemälde ''Unterbrochene Mahlzeit'', das heute in der [[Staatliche Kunsthalle Karlsruhe|Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe]] hängt.

# In seinen ''Lebenserinnerungen'' beschreibt Hoffmann seine Seereise von Amsterdam zurück nach Hamburg am 24. Mai 1836: Stürmisches Wetter, „seekrank [...], dass ich im Mantel die Treppe in die Kajüte hinunterfiel und nun schnell auf Händen und Füßen in meine Koje kroch. Vor meiner Tür aber tafelte und trank lustig ein halbes Dutzend seefester Gesellen, plötzlich hörte ich ein Fallen und Scherbenklingen, einem der Helden war plötzlich schlecht geworden, so dass er vom Stuhle fiel und das Tischtuch mit allem, was draufstand, mit auf den Boden riss. Nun war ich schadenfroh zufrieden.“

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H Hoffmann Struwwel 21.jpg

Frankfurt, Hauptfriedhof, Grab F XXII Fabricius.JPG|Grab von Philipp Julius von Fabricius

Unterbrochene Mahlzeit Rustige 1838.png|Unterbrochene Mahlzeit, Gemälde von Heinrich von Rustige, 1838

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Im gewissen Sinne bündelt diese letzte Geschichte poetisch und sachlich die Eigenart des ganzen Buches: (1) Der kindnahe Blick des Autors, der gerne wie sie das besondere Schicksal der Sachen zeichnerisch und textlich im Auge behält (so auch die Mappe des Hanns Guck-in-die-Luft), nimmt den pädagogischen Lehren das Aufdringliche und reizt die Phantasie. Hier ist es das Sonderschicksal des Hutes und der [[Montgolfière|Luftball]]-Effekt des Schirmes. (2) Seine Erziehungsprobleme müssen nicht die heutigen sein, ihre Lösungen auch nicht – sie sind aber immer realistisch: Vor der Industrialisierung war ‚die Natur‘ für Kinder sehr viel feindseliger; und dass Kinder aus [[Leichtsinn]] Gefährliches begehen, weil sie es nicht überschauen, hat sich nicht geändert.

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=== Vorspruch ===

H Hoffmann Struwwel 25.jpg|Fliegender Robert

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=== Vorspruch ===

Der Vorspruch {{" |Wenn die Kinder artig sind, kommt zu ihnen das Christkind}} ist in der Regel auf der Rückseite des Buches zu finden.

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Dem Buch wird teilweise aufgrund der Einschüchterungsgeschichten mit der [[Moral]]: „Wer nicht hören will, muss fühlen!“ [[Schwarze Pädagogik]] vorgeworfen, während andere die Geschichten lediglich als [[Schwarzer Humor|Schwarzen Humor]] und [[Satire]] sehen, um den Sachverhalt zu verdeutlichen.<ref>[[Jens Jessen (Journalist)|Jens Jessen]]: [https://www.zeit.de/2009/25/Boeser-Friedrich/seite-2 zeit.de ''„Struwwelpeter“. Heinrich Hoffmanns Kinderbuch ist berühmt und umstritten. Wie wird sein „Struwwelpeter“ heute gelesen? An was erinnert man sich?''] In: Die Zeit, 10. Juni 2009, abgerufen am 25. Oktober 2021.</ref><ref>Christian Schröder: [https://www.tagesspiegel.de/kultur/struwwelpeter-wer-nicht-hoeren-will/1534952.html ''Wer nicht hören will. Rebell und Biedermann. Zum 200. Geburtstag des „Struwwelpeter“-Vaters Heinrich Hoffmann'']. In: Der Tagesspiegel, 13. Juni 2009, abgerufen am 25. Oktober 2021.</ref>

== Philatelistisches ==

Im BRD-Jahrgang 1994 erschien in der Reihe ''Für die Jugend'' ein fünfteiliger Briefmarkensatz mit Pauline aus ''Die gar traurige Geschichte mit dem Feuerzeug'' (80 + 40 Pf), dem Hans Guck-in-die-Luft (80 + 40 Pf), dem Struwwelpeter (100 + 50 Pf), dem Friederich aus ''Die Geschichte vom bösen Friederich'' und dem Zappel-Phillipp (200 + 80 Pf). Der Entwurf stammt von Ehmke, Ausgabetag war der 14. April 1994.<ref>suche-briefmarken.de: [https://www.suche-briefmarken.de/marken/brd/d1994018.html ''Für die Jugend 1994, Heinrich Hoffmann (BRD)'']. Aufgerufen am 25. September 2024</ref>

Im BRD-Jahrgang 2009 erschien zum 200 Geburtstag Heinrich Hoffmanns eine Marke mit dem Hans Guck-in-die-Luft und einem der schwarzen Buben (85 ct). Der Entwurf stammt von Arne Sänger. Ausgabetag war der 4. Juni 2009<ref>suche-briefmarken.de: [https://www.suche-briefmarken.de/marken/brd/d2009034.html ''200. Geburtstag Heinrich Hoffmann (BRD)'']]. Aufgerufen am 25. September 2024</ref>

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DBP 1994 1726 Paulinchen.jpg|Paulinchen (1994)

DBP 1994 1727 Hanns Guck-in-die-Luft.jpg|Hans Guck-in-die-Luft (1994)

DBP 1994 1728 Struwwelpeter.jpg|Struwwelpeter (1994)

DBP 1994 1729 Der böse Friederich.jpg|Friederich (1994)

DBP 1994 1730 Zappel-Philipp.jpg|Zappel-Philipp (1994)

DPAG 2009 Heinrich Hoffmann.jpg|Hans Guck-in-die-Luft und einer der schwarzen Buben (2009)

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== Übersetzungen und Umdichtungen ==

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=== Vertonungen ===

1949 schrieb [[Kurt Hessenberg]] die „Struwwelpeter-Kantate“ für ein- bis dreistimmigen Kinderchor, zwei Flöten, Klavier, Schlagzeug ad libitum und Streichorchester.