„Wollhaarmammut“ – Versionsunterschied – Wikipedia


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Das Wollhaarmammut war ein an die Kälte angepasstes Tier und bevorzugte [[Boreales Klima|boreales]] bis [[Tundrenklima|subarktisches Klima]]. Es entstand vor rund 800.000 bis 600.000&nbsp;Jahren im Innern Sibiriens und breitete sich im späten Mittelpleistozän vor rund 300.000 bis 250.000&nbsp;Jahren in Eurasien aus. In Mitteleuropa ist es in der [[Saale-Kaltzeit]] (vor 300.000 bis 126.000&nbsp;Jahren) nachgewiesen, unter anderem aus dem [[Geiseltal]] ([[Sachsen-Anhalt]]). Am Ende dieser Vereisungsperiode zog sich die Tierart aber recht schnell wieder in seine Ursprungsgebiete zurück.<ref name="Kahlke 1994">Ralf-Dietrich Kahlke: ''Die Entstehungs-, Entwicklungs- und Verbreitungsgeschichte des oberpleistozönen Mammuthus-Coelodonta-Faunenkomplexes in Eurasien (Großsäuger).'' Abhandlungen der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft 546, Frankfurt am Main 1994.</ref>

Im Ausgang der [[Eem-Warmzeit]] (vor 126.000 bis 115.000&nbsp;Jahren) begann das Wollhaarmammut eine erneute Expansionsphase Richtung Süden, Südwesten und Südosten, aber auch in den Norden. Dass diese zweite Ausbreitungswelle sehr zügig vonstatten gegangenvonstattengegangen sein muss, zeigen Funde aus Averley ([[Essex]], [[England]]), wo es bereits in späten warmzeitlichen [[Sedimente und Sedimentgesteine|Sedimenten]] nachgewiesen ist. In der darauf folgenden [[Letzte Kaltzeit|letzten Kaltzeit]] (vor 115.000 bis etwa 12.000&nbsp;Jahren) erreichte das Verbreitungsgebiet des Wollhaarmammuts seine maximale Ausdehnung. So trat die Tierart im westlichen Eurasien flächendeckend von [[Westeuropa|West-]] über [[Mitteleuropa|Mittel-]] bis [[Osteuropa|Ost-]] und den südlichen Teil [[Nordeuropa]]s auf; Ausnahmen blieben die eisbedeckten Gebiete wie der nördliche Teil von [[Fennoskandinavien]]. Darüber hinaus drang es auch nach [[Südeuropa]] vor, wo es auf der [[Iberische Halbinsel|Iberischen Halbinsel]] in [[Granada]] ([[Spanien]]) bei 37° nördlicher Breite seinen südlichsten Punkt in Europa erreichte. Weiterhin ist es aber auch bis auf die [[Apennin-Halbinsel|Apennin-]], die [[Balkanhalbinsel]] und bis zum [[Schwarzes Meer|Schwarzen Meer]] vorgestoßen.<ref name="Alvarez 2009">Diego J. Álvarez-Lao, Ralf-Dietrich Kahlke, Nuria García, Dick Mol: ''The Padul mammoth finds – On the southernmost record of Mammuthus primigenius in Europe and its southern spread during the Late Pleistocene.'' Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology. 278, 2009, S. 57–70.</ref><ref name="Alvarez">Diego J. Álvarez-Lao, Nuria García: ''Geographical distribution of Pleistocene cold-adapted large mammal faunas in the Iberian Peninsula.'' [[Quaternary International]] 233, 2011, S. 159–170.</ref><ref name="Kahlke 2015">Ralf-Dietrich Kahlke: ''The maximum geographic extension of Late Pleistocene Mammuthus primigenius (Proboscidea, Mammalia) and its limiting factors.'' Quaternary International 379, 2015, S. 147–154, [[doi:10.1016/j.quaint.2015.03.023]].</ref>

In [[Westasien]] erreichte das Wollhaarmammut die südliche [[Kaukasus]]region, während es in [[Zentralasien]] unter Umgehung der [[Wüste]]nregionen der [[Kysylkum]] auch in [[Kasachstan]] auftrat. Weiter im Osten besiedelte es auch den nördlichen Teil der [[Mongolei]]. In [[Ostasien]] drang es in den Nordosten [[China]]s vor, wo seine südlichsten Fundstellen am [[Huang He]] etwa bei 35° bis 36° nördlicher Breite liegen, was gleichzeitig die weltweit südlichste Verbreitungsgrenze dieser [[Rüsseltiere|Rüsseltierart]] darstellt. Im äußersten Osten Asiens sind Funde vom nördlichen Teil der [[Koreanische Halbinsel|koreanischen Halbinsel]], von [[Kamtschatka]], [[Sachalin]] (beides [[Russland]]) und von [[Hokkaidō]] ([[Japan]]) bekannt.<ref name="Kahlke 1994" /><ref name="Alvarez 2009" />

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=== Lebensraum ===

Das Wollhaarmammut bevorzugte offene Landschaften und war an die Hartgras- und Strauchvegetation der kaltzeitlichen [[Löss]]steppe und Steppentundra angepasst. Aus diesem Grund besiedelte es überwiegend [[FlachlandEbene (Geographie)|Flachlandregionen]]regionen und Niederungen, kam unter für ihn günstigen Klimabedingungen auch in Hochlagen und [[Gebirge|gebirgigem]] Gelände vor, mied aber weitgehend Wüstengebiete. Besonders häufig trat es in wasserreichen Arealen wie Flusstälern oder Seeufern auf.<ref name="Koch 1994">Ute Koch: ''Lebensraum Mammutsteppe.'' In: Ulrich Joger, Ute Koch (Hrsg.): ''Mammuts aus Sibirien.'' Darmstadt, 1994, S. 55–73.</ref><ref name="Musil">Rudolf Musil: ''Überlebensstrategien von Elefanten.'' In: Harald Meller (Hrsg.): ''Elefantenreich – Eine Fossilwelt in Europa.'' Halle/Saale, 2010, S. 323–336.</ref> Aufgrund der hohen Verbreitung während der letzten Kaltzeit lebte es in seinen südlichen Verbreitungsgebieten unter Umständen auch in einem stärker bewaldeten oder parkähnlichen, aber immer noch deutlich steppenartigen Biotop.<ref name="Alvarez 2009" /><ref name="Musil" /> Während wärmerer Klimaphasen der letzten Vereisungsperiode bewohnte es im westlichen Russland ebenfalls ein waldsteppenartiges Habitat.<ref>A. K. Markova, A. N. Simakova, A. Yu. Puzachenko, L. M. Kitaev: ''Eastern European mammoth distribution and environments during the Middle Valdai Briansk Interstade (33,000-24,000 BP).'' In: G. Cavarretta, P. Gioia, M. Mussi, M. R. Palombo: ''The World of Elephants – International Congress. Consiglio Nazionale delle Ricerche.'' Rom, 2001, S. 299–304.</ref>

Das Wollhaarmammut war nicht nur Namensgeber, sondern auch ein wichtiger Bewohner der [[Mammutsteppe]], die weite Teile Eurasiens und Nordamerikas während der Kaltzeiten einnahm. Diese ''Mammutsteppe'', eine Mischform aus Steppen- und [[Tundra|Tundrenvegetation]], war charakterisiert durch eine hohe [[Sonneneinstrahlung]] und eine, hervorgerufen durch die nahe Lage an den Gletscherrändern, vorherrschende, lang andauernde [[Hochdruckgebiet|Hochdrucklage]]. Dies resultierte in der Ausbildung einer nährstoffreichen Pflanzendecke. In diesem unter den heutigen Klimabedingungen nicht mehr existierenden Landschaftsraum gedieh der in den Kaltzeiten des späten Mittel- und des Jungpleistozäns auftretende s.&nbsp;g. ''Mammuthus-Coelodonta-Faunenkomplex'', dessen Charaktertier neben dem [[Wollnashorn]] auch das Wollhaarmammut war. Andere Begleitelemente dieses Faunenkomplexes waren der [[Bison]], das [[Ren]], die [[Saiga-Antilope]] und der [[Moschusochse]].<ref name="Koch 1994" /><ref name="Koenigswald 2002">Wighart von Koenigswald: ''Lebendige Eiszeit. Klima und Tierwelt im Wandel.'' Stuttgart, 2002, S. 42–53.</ref>

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Ein sehr wichtiger und für die Mammutforschung hervorragender Fundplatz stellt der ''Mammutfriedhof'' in einer Flussschlinge des [[Bjorjoljoch (Indigirka)|Bjorjoljoch]] in Sibirien dar, der 1970 entdeckt und auf ein Alter von rund 12.000&nbsp;Jahre datiert wurde. Der gesamte 'Friedhof' enthielt mehr als 8800&nbsp;Mammutknochen von insgesamt 156&nbsp;Individuen. Herausragend dabei ist ein 175&nbsp;cm langes Hinterbein eines Wollhaarmammuts, das noch komplett mit Haut und Haaren bedeckt war; einzelne Haare sind hier teilweise über einen Meter lang. Warum hier so viele Tiere starben, ist strittig, da aber mehr weibliche Tiere vorliegen, geht man davon aus, dass mehrere Herden oder ein großer Herdenverband bei der Überquerung des Flusses ertranken. Da vollständige Skelette fehlen, fand das Ereignis höchstwahrscheinlich an einer anderen Stelle flussaufwärts statt.<ref name="Joger">Ulrich Joger: ''Geschichte(n) der Mammutfunde.'' In: Ulrich Joger, Ute Koch (Hrsg.): ''Mammuts aus Sibirien.'' Darmstadt, 1994, S. 9–23.</ref><ref name="Boeskorov">Gennady G. Boeskorov und Dick Mol: ''Quaternary Mammal Collections in the Museums of Yakutsk (Eastern Siberia, Yakutia, Russia).'' Cranium 21 (1–2), 2004, S. 19–32.</ref> Ein ähnlicher, nicht ganz so umfangreicher 'Friedhof' kam 1988 am Ufer der Sewa südlich von [[Moskau]] zu Tage, wo insgesamt 4000&nbsp;Knochenfragmente von 10 bis 15&nbsp;Individuen aller Altersgruppen gefunden wurden. Das Alter der Fundstelle wird auf 13.950&nbsp;Jahre datiert.<ref name="Lister 1997" />

Auch aus Deutschland sind zahlreiche Fundstellen von Mammutknochen bekannt, darunter sechs vollständige Skelette. Das forschungsgeschichtlich älteste stammtist ausdas [[Mammut von Klinge]], das 1903 bei [[Cottbus]] ([[Brandenburg]]) undgefunden wurde 1903 gefunden. Ein weiteres war 1909 bei Borna nahe [[Leipzig]] ([[Sachsen]]) geborgen worden und wird im dortigen [[Museum für Völkerkunde zu Leipzig|Völkerkundemuseum]] ausgestellt. Es wurde während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] zerstört. Das Skelett eines 3,2&nbsp;m hohen Wollhaarmammuts kam 1910 bei [[Ahlen]] ([[Nordrhein-Westfalen]]) zum Vorschein und steht heute im [[Geologisch-Paläontologisches Museum Münster|Geologisch-Paläontologischen Museum]] der [[Westfälische Wilhelms-Universität|Westfälischen Wilhelms-Universität]] in [[Münster]], während ein weiteres 1936 an der Autobahn [[Koblenz]] – [[Trier]] bei Polch ausgegraben wurde. Das ''Mammut von Pfännerhall'' kam 1953 bei Tagebauarbeiten im Geiseltal zum Vorschein und ist heute im [[Landesmuseum für Vorgeschichte (Halle)|Landesmuseum für Vorgeschichte]] in [[Halle (Saale)|Halle]] (Sachsen-Anhalt) ausgestellt.<ref>Volker Toepfer: ''Die Mammutfunde von Pfännerhall im Geiseltal''. Veröffentlichungen des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle 16.Halle/Saale, 1957.</ref> Der jüngste Fund eines Wollhaarmammuts stammt aus [[Siegsdorf]] bei [[Traunstein]] ([[Bayern]]) und wurde 1975 durch zwei Schüler, darunter [[Bernard von Bredow]], entdeckt, aber erst zehn Jahre später vollständig ausgegraben. Es steht heute als rund 3,6&nbsp;m hohe Skelettrekonstruktion im [[Südostbayerisches Naturkunde- und Mammut-Museum Siegsdorf|Südostbayerischen Naturkunde- und Mammut-Museum Siegsdorf]].<ref name="Koenigswald 2002, S. 47">Wighart von Koenigswald: ''Lebendige Eiszeit. Klima und Tierwelt im Wandel.'' Stuttgart, 2002, S. 47.</ref>

Ein gut erhaltenes Skelett eines Mammuts kam in der [[Schweiz]] 1969 in einer Kiesgrube bei [[Le Brassus]] im [[Bezirk Jura-Nord vaudois]] zum Vorschein. Es lag im Bereich einer späteiszeitlichen [[Moräne]]. Das Exemplar ist das vollständigste Skelett dieser Tierart in der Schweiz und ist im [[Kantonales Geologiemuseum|Kantonalen Geologiemuseum]] in [[Lausanne]] ausgestellt.<ref>[https://www.mammutmuseum.ch/ausstellung/naturgeschichte/fund-praz-rodet Vallée de Joux VD]. Auf der Website des Mammutmuseums Niederweningen.</ref><ref>Marc Weidmann: ''Le mammouth de Praz-Rodet (Le Brassus, Vaud). Note préliminaire.'' Bulletin de la Société vaudoise des Sciences naturelles 70, 1969, S. 229–243 ([https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=bsv-002:1968:70::544]).</ref>

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[[Datei:Mamut enano-Beringia rusa-NOAA.jpg|mini|Das Mammutkalb „Dima“ am Fundort in der einstigen Mammutsteppe von [[Beringia]]]]

Im Eis des seit der letzten Vereisungsphase nicht oder kaum aufgetauten [[Permafrostboden]]s jenseits des 60. nördlichen Breitengrades sind sowohl im nördlichen und nordöstlichen [[Sibirien]] (hauptsächlich in Jakutien) als auch im nördlichen Nordamerika (Alaska, Kanada) konservierte Wollhaarmammute gefunden worden. Solche Funde sind besonders wichtig, um das Aussehen, die Ernährungs- und auch die Lebensweise dieser pleistozänen Rüsseltierart zu rekonstruieren.

Einer der frühesten wissenschaftlich untersuchten [[Kadaver]] wurde 1799 vom [[Tungusische Völker|tungusischen]] [[Elfenbein]]händler Ossip Schumachow im Delta der [[Lena (Arktischer Ozean)|Lena]] gefunden. Er war während eines Erdrutsches teilweise, aber erst im Sommer 1806 durch weitere [[Erosion (Geologie)|Erosion]] vollständig freigelegt worden. Schumachow beraubte den Kadaver der Stoßzähne und verkaufte sie dem [[Jakuten|jakutischen]] Händler Roman Boltunow. Dieser reiste zum Fundort und fertigte eine Skizze des Kadavers an, der, abgesehen von [[Raubtiere|Raubtierfraß]] an [[Rüssel]] und [[Ohr]]en, vollständig war. Diese Skizze gelangte letztendlich an die [[Russische Akademie der Wissenschaften]] in [[Sankt Petersburg]], wo sie der deutsch-russische Botaniker und Naturforscher Michael Friedrich Adams (1780–1838) einsah. Adams organisierte eine Expedition zum Fundgebiet, zu dem ihn Schumachow 1806 führte. Der Mammutkadaver war zu diesem Zeitpunkt bereits zur Hälfte Opfer von Raubtieren geworden, die linke Körperseite wies aber noch eine gute Haar- und Hautkonservierung auf. Bei der Bergung des Skelettes gingen jedoch bis auf die Kopfhaut und die Fußsohlen alle Weichteile verloren. Das Skelett wurde anschließend nach Sankt Petersburg gebracht und dort seit 1808 in der [[Kunstkammer (Sankt Petersburg)|Kunstkammer]] aufgestellt. Es ist somit das erste montierte Wollhaarmammut-Skelett weltweit und wird nach seinem Ausgräber als ''[[Adams-Mammut]]'' bezeichnet.<ref name="Lister 1997" /><ref name="Joger" />

{{Zitat

|Text=In dem neuesten Bande der Mémoires de l'Académie Impériale des Sciences de Saint-Petersbourg liest man eine Abhandlung von dem Naturforscher [[Wilhelm Gottlieb Tilesius von Tilenau|Tilesius]], der mit [[Adam Johann von Krusenstern|Krusenstern]] die Reise um die Welt gemacht hat, über einen höchst merkwürdigen Elephanten, der vor Kurzem ganz unversehrt, mit Haut, Haar und Fleisch unweit der Mündung des Lena Flusses aus dem Eise ist hervorgegraben worden. Hunde fraßen von seinem Fleische, Haut und Haare aber wurden portionenweise in die vornehmsten [[Naturalienkabinett|Kabinette]] von Europa verschickt. Die Haare waren von zweierlei Gattung: die einen braun und, zumal längs dem Rückgrate, über zwei Fuß lang, die andern, welche der Wurzel von jenen zur Einfassung dienten, gröber, wollig und von röthlicher Farbe. Dieser Umstand beweist, daß die Elephanten, deren Knochen in allen Nordländern so gemein sind, nicht, wie die heutzutägigen, der heißen Zone angehörten, sondern daß die Natur sie auf eine Art ausgestattet und verwahrt hatte, daß sie in kalten Ländern fortkommen konnten. Aus einer von Hrn. Tilesius angeführten Stelle des Hrn. [[Martin Heinrich Klaproth|Klaproth]] ergibt sich, daß solche noch mit Fleisch, welches das Eis vor Verwesung bewahrt hat, belegte Elephanten Cadaver eben keine besondere Seltenheit sind.

|ref=<ref>{{ANNO|elw|31|03|1817|3|Kleinere Lesefrüchte|HERVORHEBUNG=In&#32;dem&#32;neueſten&#32;Bande}}</ref>}}

Schumachow beraubte den Kadaver der Stoßzähne und verkaufte sie dem [[Jakuten|jakutischen]] Händler Roman Boltunow. Dieser reiste zum Fundort und fertigte eine Skizze des Kadavers an, der, abgesehen von [[Raubtiere|Raubtierfraß]] an [[Rüssel]] und [[Ohr]]en, vollständig war. Diese Skizze gelangte letztendlich an die [[Russische Akademie der Wissenschaften]] in [[Sankt Petersburg]], wo sie der deutsch-russische Botaniker und Naturforscher Michael Friedrich Adams (1780–1838) einsah. Adams organisierte eine Expedition zum Fundgebiet, zu dem ihn Schumachow 1806 führte. Der Mammutkadaver war zu diesem Zeitpunkt bereits zur Hälfte Opfer von Raubtieren geworden, die linke Körperseite wies aber noch eine gute Haar- und Hautkonservierung auf. Bei der Bergung des Skelettes gingen jedoch bis auf die Kopfhaut und die Fußsohlen alle Weichteile verloren. Das Skelett wurde anschließend nach Sankt Petersburg gebracht und dort seit 1808 in der [[Kunstkammer (Sankt Petersburg)|Kunstkammer]] aufgestellt. Es ist somit das erste montierte Wollhaarmammut-Skelett weltweit und wird nach seinem Ausgräber als ''[[Adams-Mammut]]'' bezeichnet.<ref name="Lister 1997" /><ref name="Joger" />

Erst 1846 wurde von russischen Landvermessern an der [[Indigirka]] in Sibirien erneut ein gut erhaltener Kadaver gefunden, an dem sich noch Fellreste befanden und dessen Mageninhalt erhalten war. Der Kadaver war durch das Frühjahrshochwasser freigespült worden und steckte mit den Hinterbeinen noch im Erdreich. Bei der Bergung ging jedoch durch den sofort einsetzenden [[Biotische Zersetzung|Zersetzungsprozess]] ein Großteil der Weichteile verloren.<ref name="Kahlke&Mol_2005">Ralf-Dietrich Kahlke, Dick Mol: ''Eiszeitliche Großsäugetiere der Sibirischen Arktis. Die Cerpolex/Mammuthus-Expeditionen auf Tajmyr.'' E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2005.</ref> Im Jahre 1900 fand man das nach seinem Fundort an einem Nebenfluss der [[Kolyma]] in Nordostsibirien benannte ''[[Berjosowka-Mammut]]''. Eine im folgenden Jahr von der Akademie der Wissenschaften ausgestattete Expedition konnte das Mammut erfolgreich bergen, welches in sitzender Haltung im Erdreich steckte. Bis auf den durch [[Wolf|Wölfe]], [[Bären]], [[Rotfuchs|Rot-]] oder [[Polarfuchs|Polarfüchse]] angefressenen Rüssel und Teile des Kopfes war es vollständig. Es besaß neben der Zunge auch noch bis zu 15&nbsp;kg Nahrungsreste im Magen. Eine [[Dermoplastik]] sowie das [[Skelett]] des Mammutbullen sind heute im [[Zoologisches Museum Sankt Petersburg|Zoologischen Museum]] der [[Russische Akademie der Wissenschaften|Russischen Akademie der Wissenschaften]] in [[Sankt Petersburg]] zugänglich.<ref name="Joger" />

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{{Anker|Tajmyr}}Ein vorzüglich erhaltenes, partiell [[Mumifikation#Kältemumien|mumifiziertes]] Skelett, bei dem nur unwesentliche Knochen fehlten, wurde 1948 an einem linken Nebenfluss (''Reka Mamonta'' „Fluss des Mammuts“) der Schrenk im Nordosten der Taimyr-Halbinsel entdeckt und im folgenden Jahr geborgen. Weil das Blumenbachs [[Erstbeschreibung (Biologie)|Erstbeschreibung]] zugrunde liegende Typusmaterial nicht mehr verfügbar war, wurde dieses als [[Taimyr-Mammut]] bekannt gewordene Exemplar seiner guten Überlieferungsqualität und typischen [[Morphologie (Biologie)|Morphologie]] wegen zum [[Neotypus]] von ''Mammuthus primigenius'' erklärt.<ref name="Kahlke&Mol_2005" /> Im selben Jahr entdeckte man in Alaska in der Nähe von [[Fairbanks]] eines der am besten erhaltenen jungen Wollhaarmammute. Konserviert waren nur Kopf, Vorderbein und Schulter des Tieres, aber insbesondere die Haut und die Muskeln waren sehr gut erhalten. [[Desoxyribonukleinsäure|DNS]]-Untersuchungen an diesem Fund haben wesentlich zur Feststellung der [[Evolution]] dieser Tierart beigetragen. Das Exemplar, bekannt unter dem Namen ''Effie'', ist heute im [[American Museum of Natural History]] in [[New York City|New York]] ausgestellt.<ref name="Lister 1997" />

{{Anker|Schandrin}}Das 1972 in [[Jakutien]] am [[Schandrin]], einem Nebenfluss der [[Indigirka]], entdeckte, nahezu vollständige Skelett des ''Schandrin-Mammuts'' besaß zwar keine gute Erhaltung der äußeren Weichteile, dafür waren die [[Inneres Organ|inneren Organe]] hervorragend überliefert und erlaubten erstmals einen Einblick in den inneren Aufbau des Wollhaarmammuts und einen Vergleich zu den rezenten Elefanten. Weiterhin enthielt der Kadaver, der zu einem alten, aber nicht sehr großen Bullen gehörte, 291&nbsp;kg Nahrungsüberreste. Im Jahr 1977 wurde weiterhin der Kadaver eines jungen weiblichen Tieres am rechten Ufer der [[Juribei (Gydan)|Juribei]] auf der [[Gydan-Halbinsel]] gefunden, während im selben Jahr in Schwemmsanden am linken Ufer der [[Chatanga (Fluss)|Chatanga]] in Nordsibirien von Rentierhirten ebenfalls ein als ''Chatanga-Mammut'' bekannt gewordener Kadaver entdeckt und in einer zweijährigen Grabungskampagne ergraben werden konnte.<ref name="Mol 2003" />

{{Anker|Dima}}Im Kolyma-Becken am Fluss Kirgiljach im [[Rajon]] [[Sussuman]] in der [[Oblast Magadan]] entdeckte ein Arbeiter ebenfalls 1977 bei der Goldgewinnung die Eismumie eines vollständig erhaltenen männlichen Mammutkalbs. Das berühmt gewordene ''Kirgiljach-'' oder ''Magadan-Mammutbaby'', das den Namen „Dima“ erhielt, starb vor etwa 39.000&nbsp;Jahren im Alter von sechs bis acht Monaten.<ref name="Kahlke&Mol_2005" /> Das Kalb war 1,15&nbsp;m lang und 1,04&nbsp;m hoch und wog zum Todeszeitpunkt etwa 100&nbsp;kg. An den [[Lage- und Richtungsbezeichnungen#Generelle Lage- und Richtungsbezeichnungen|distalen]] Enden der Beine waren noch Haarreste erhalten, denn diese Körperpartien frieren nach Eintritt des Todes als erste ein. Die inneren Organe „Dimas“ unterscheiden sich kaum von denen rezenter Elefanten, seine [[Ohrmuschel]]n jedoch haben nur ein Zehntel der Fläche eines gleichaltrigen [[Afrikanischer Elefant|Afrikanischen Elefanten]] (''Loxodonta africana'').<ref>C. R. Harington: ''Woolly mammoth.'' Aus: ''Canadian Museum of Nature'' in ''[[Yukon Beringia Interpretive Centre]]'' ([http://www.beringia.com/exhibit/ice-age-animals/woolly-mammoth online]) und ([http://www.tc.gov.yk.ca/publications/Woolly_Mammoth_1996.pdf PDF]).</ref>

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==== Das 21. Jahrhundert ====

Bereits 1990 war am Ufer der Oberen Taimyra im zentralen Teil der Taimyr-Halbinsel ein Kadaver bekannt geworden, der alsbald wieder überflutet wurde. Zehn Jahre später entdeckte ihn jedoch S. Pankewitsch beim Fischen wieder, weshalb er als ''Fischhaken-Mammut'' bezeichnet wird. Der Fund wurde anschließend teilweise ausgegraben, der hintere Teil zusammen mit den inneren Organen und dem Mageninhalt allerdings in einem Block geborgen und zu Studienzwecken in dieselbe künstliche und, gekühlte Höhle an der Chatanga wie das ''Jarkow-Mammut'' ausgeflogen.<ref name="Mol 2003" /><ref>Dick Mol, Ralf-Dietrich Kahlke: ''The fishhook mammoth – a Late Pleistocene (Early Sartanian) individual of Mammuthus primigenius with preserved gut contents from the Upper Taimyra River (Taimyr Peninsula, Arctic Siberia).'' Abstracts of the 18th International Senckenberg Conference 25. bis 30. April 2004 in Weimar.</ref><ref>Dick Mol, A.&nbsp;N. Tikhonov, R.&nbsp;D.&nbsp;E. MacPhee, C. Flemming, B. Buigues, C. de Marliave, Y. Coppens, L.&nbsp;D. Agenbroad: '' The Fishhook Mammoth: rediscovery of a Woolly Mammoth carcass by the CERPOLEX/Mammuthus Team, Taimyr Peninsula, Siberia.'' In: G. Cavarretta, P. Gioia, M. Mussi, M.&nbsp;R. Palombo (Hrsg.): ''The World of Elephants – International Congress. Consiglio Nazionale delle Ricerche.'' Rom, 2001, S.&nbsp;310–313.</ref> Das ''Jukagir-Mammut'' wurde 2002 von V.&nbsp;Gorochow an der Maksunuocha im Norden Jakutiens entdeckt und im Sommer 2004 von einem internationalen Team, bestehend aus Russen, Jakuten und Japanern, ausgegraben. Es zeichnet sich vor allem durch einen exzellent erhaltenen Schädel mit Weichteilbedeckung und beiden vollständig erhaltenen Ohren aus. Rekonstruiert war das Tier etwa 2,83&nbsp;m hoch.<ref name="Mol 2006">Dick Mol, Jeheskel Shoshani, Alexei Tikhonov, Bas van Geel, Shin-ichi Sano, Peter Lazarev, Gennady Boeskorov, Larry D. Agenbroad: '' The Yukagir Mammoth: Brief history, 14C Dates, individual age, gender, size, physical and environmental conditions and storage.'' Scientific Annals, School of Geology Aristotle University of Thessaloniki (AUTH), special volume 98, 2006, S.&nbsp;310–313.</ref> Ebenfalls aus dem Jahr 2004 stammt der Kadaver eines Kalbes aus einer Mine auf dem [[Hochland von Oimjakon]]. Das Tier war zum Zeitpunkt des Todes gut anderthalb Jahre alt und starb wohl durch ein Schädeltrauma.<ref>E. N. Maschenko, G.&nbsp;G. Boeskorov, V.&nbsp;A. Baranov: ''Morphology of a Mammoth Calf (Mammuthus primigenius) from Ol’chan (Oimiakon, Yakutia).'' Paleontological Journal 47 (4), 2013, S.&nbsp;425–438, [[doi:10.1134/S0031030113040096]].</ref>

Einer der jüngeren Funde stammt aus dem Jahr 2007 und wurde von einem Rentierzüchter am Oberlauf des [[Juribei (Jamal)|Juribei]] auf der Jamal-Halbinsel geborgen. Es handelt sich hierbei um ein nur einen Monat altes Kalb, das den Namen ''[[Ljuba (Mammut)|Ljuba]]'' erhielt und eine hervorragende Erhaltung aufweist.<ref name="iceb">Tom Mueller: ''Ice Baby A near-perfect frozen mammoth resurfaces after 40,000 years, bearing clues to a great vanished species.'' National Geographic Mai 2009 ([httphttps://ngmwww.nationalgeographic.com/2009magazine/05article/mammoths/mueller-text]), abgerufen am 3017. AprilFebruar 20112023.</ref><ref>Daniel C. Fisher, Alexei N. Tikhonov, Pavel A. Kosintsev, Adam N. Rountrey, Bernard Buigues, Johannes van der Plicht: ''Anatomy, death, and preservation of a woolly mammoth (Mammuthus primigenius) calf, Yamal Peninsula, northwest Siberia.'' Quaternary International 255, 2012, S.&nbsp;94–105, [[doi:10.1016/j.quaint.2011.05.040]].</ref> Das ''Yuka-Mammut'' wurde im Jahr 2009 an der Küste der [[Laptew-Straße]] etwa 30&nbsp;km westlich der Mündung des Kondratievo-Flusses (Republik [[Sacha]]) von Einheimischen aufgefunden. Das weibliche Jungtier war im Alter von etwa neun Jahren gestorben und wies eine Körperlänge von rund 2,05&nbsp;m bei einer Schulterhöhe von 1,6&nbsp;m auf. Dem Kadaver fehlten lediglich der linke Hinterfuß und einzelne Teile des Rückens und des Nackens. Als bisher einziger Fund enthielt er auch Reste des Gehirns, dessen Volumen rekonstruiert rund 4100&nbsp;cm³ betrug. Radiometrischen Daten zufolge ist der Fundkörper zwischen 28.000 und 39.000 Jahre alt.<ref>Eugene Maschenko, Olga Potapova, Gennady Boeskorov, Valery Plotnikov, Larry Agenbroad: ''Preliminary data on the new partial carcass of the Woolly mammoth, Mammuthus primigenius, from Yakutia, Russia.'' Journal of Vertebrate Paleontology 32 (suppl. 2), 2012, S.&nbsp;137.</ref><ref>Gennady G. Boeskorov, Olga R. Potapova, Eugeny N. Mashchenko, Albert V. Protopopov, Tatyana V. Kuznetsova, Larry Agenbroad, Alexey N. Tikhonov: ''Preliminary analyses of the frozen mummies of mammoth (Mammuthus primigenius), bison (Bison priscus) and horse (Equus sp.) from the Yana-Indigirka Lowland, Yakutia, Russia.'' Integrative Zoology 9, 2014, S.&nbsp;471–480.</ref><ref>Anastasia S. Kharlamova, Sergei V. Saveliev, Albert V. Protopopov, Busisiwe C. Maseko, Adhil Bhagwandin, Paul R. Manger: ''The Mummified Brain of a Pleistocene Woolly Mammoth (Mammuthus primigenius) Compared With the Brain of the Extant African Elephant (Loxodonta africana).'' The Journal of Comparative Neurology 523, 2015, S.&nbsp;2326–2343.</ref>

Aus dem Jahr 2012 wurde die Entdeckung eines Kadavers eines ausgewachsenen männlichen Individuums berichtet, das die Bezeichnung ''Zhenya-Mammut'' oder ''Sopotschnaja-Karga-Mammut'' erhielt. Dieser kam nahe der Mündung des Jenissei am Uferhang der [[Sopotschnaja (Jenissei)|Sopotschnaja]] zu Tage. ÜberliefertErhalten blieben neben dem nahezu vollständigen Skelett ein Teil der rechten Hautbedeckung einschließlich des Ohrs und verschiedeneverschiedener innereinnerer Organe. Zu Lebzeiten war das Tier etwa 2,3&nbsp;m groß und wog rund 2,5&nbsp;t. Es hatte vermutlich die sexuelle Reife erreicht und verstarbstarb möglicherweise infolge eines Rivalenkampfes mit einem anderen Mammutbullen.<ref>Evgeny N. Maschenko, Olga R. Potapova, Alisa Vershinina, Beth Shapiro, Irina D. Streletskaya, Alexander A. Vasiliev, Gleb E. Oblogov, Anastasia S. Kharlamova, Eugene Potapov, J. van der Plicht, Alexey N. Tikhonov, Natalia V. Serdyuk, Konstantin K. Tarasenko: ''The Zhenya Mammoth (Mammuthus primigenius (Blum.)): Taphonomy, geology, age, morphology and ancient DNA of a 48,000 year old frozen mummy from western Taimyr, Russia.'' Quaternary International 445, 2017, S.&nbsp;104–134, [[doi:10.1016/j.quaint.2017.06.055]].</ref> Das gleiche Jahr erbrachtebrachte einen Kadaver auf der [[Kleine Ljachow-Insel|Kleinen Ljachow-Insel]] ans Licht und wurde entsprechend ''Maloliachovski-Mammut'' genannt. Gefunden von Elfenbeinsammlern und im Jahr darauf von Wissenschaftlern geborgen, handelt es sich um ein rund 2,4&nbsp;m großes weibliches Individuum, das neben dem Skelett des vorderen Körpers mit Schädel und den Stoßzähnen noch über gut erhaltene Haut mit Fell und einen 181&nbsp;cm langen Rüssel verfügte. DasDie Datierung ergab ein Alter wird aufvon rund 33.000 Jahre vor heute datiertJahren.<ref>Semyon E. Grigoriev, Daniel C. Fisher, Theodor Obadă, Ethan A. Shirley, Adam N. Rountrey, Grigory N. Savvinov, Darima K. Garmaeva, Gavril P. Novgorodov, Maksim Yu. Cheprasova, Sergei E. Vasilev, Artemiy E. Goncharov, Alexey Masharskiy, Viktoriya E. Egorova, Palmira P. Petrova, Eya E. Egorova, Yana A. Akhremenko, Johannes van der Plicht, Alexei A. Galanin, Sergei E. Fedorov, Evgeny V. Ivanov, Alexei N. Tikhonov: ''A woolly mammoth (Mammuthus primigenius) carcass from Maly Lyakhovsky Island (New Siberian Islands, Russian Federation).'' Quaternary International 445, 2017, S. 89–103, [[doi:10.1016/j.quaint.2017.01.007]].</ref>

Aus den Goldminen am [[Klondike River]] im [[Kanada|kanadischen]] Territorium [[Yukon (Territorium)|Yukon]] stammt der Kadaver eines Neugeborenensehr jungen Tieres, dasder im Jahr 2022 entdeckt wurde. Das gut 1,4&nbsp;m lange Tier starb vor rund 30.000 Jahren und war zu diesem Zeitpunkt etwa einen Monat alt. Es erhielt den Namen ''Nun cho ga'', was in der Sprache der Angehörigen der [[Tr’ondek Hwech’in First Nation]] soviel wie „Großes Tierbaby“ bedeutet. An dem Fund sind sowohl Haut, Haare als auch Zehennägel erhalten.<ref>Spiegel: ''Goldgräber entdecken Wollhaarmammutbaby.'' auf Spiegel.de, 26. Juni 2022 ([https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/goldgraeber-entdecken-wollhaarmammutbaby-a-19fa45ca-3cb9-4412-990d-5907a9bfe3f1]).</ref>

==== Sonstige Kadaverfunde ====

Außerhalb der Permafrostgebiete stammen konservierte Mammutfunde aus Starunia ([[Ukraine]]). Diese wurden 1907 zusammen mit dem mumifizierten Kadaver eines Wollnashorns in einer [[Ölschiefer]]grube gefunden, in der sie im mit [[Salze]]n durchsetzten [[Erdwachs]] in einer Tiefe von 12 bis 17&nbsp;m unter der Erdoberfläche erhalten geblieben waren. Allerdings war das Fell bereits vergangen.<ref>Maciej J. Kotarba, Marek Dzieniewicz, Włodzimierz J. Mościcki, Enryk Sechman: ''Unique Quaternary environment for discoveries of woolly rhinoceroses in Starunia, fore-Carpathian region, Ukraine: Geochemical and geoelectric studies.'' Geology 36 (7), 2008, S. 567–570.</ref>

== Aussehen und Lebensweise ==

=== Erscheinungsbild ===

[[Datei:Mammoth skeleton 01.JPG|mini|Skelettrekonstruktion eines Wollhaarmammuts im Anthropos-Museum [[Brno]] ([[Tschechien]])]]

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Weiterhin können im Querschnitt Strukturen beobachtet werden, die über die Wachstumsringe hinausgehen und eine [[Rosette (Architektur)|rosettenartige]] Maserung aus abwechselnd hellen und dunklen Linien bilden. Diese als ''Schreger-Linien'' bezeichneten Bildungen gehen auf einen regelmäßigen Wechsel des Kollagengehaltes im Dentin zurück. Die Winkel, mit denen sich die Linien regelmäßig treffen, sind aufgrund der starken Krümmung des Mammutstoßzahns spitzer als bei den rezenten Elefanten und variieren zwischen 25 und 40 Grad je nach Lage im Stoßzahn.<ref name="Koenigswald 2002" /><ref>Martina Ábelová: ''Schreger pattern analysis of Mammuthus primigenius tusk: analytical approach and utility.'' Bulletin of Geosciences 83 (2), 2008, S. 225–232.</ref>

Die Funktion der Stoßzähne war sicher vielfältig. Zum Eineneinen dienten sie der Darstellung der Dominanz einzelner Tiere im Paarungs- oder Ritualkampf. Hierbei war aber ein Aufspießen wie bei den rezenten Elefantenarten nicht möglich. Weiterhin könnten sie ein Warnsignal an Nahrungskonkurrenten im interspezifischen Wettbewerb oder aber auch an große Raubtiere gewesen sein. Sehr häufig wurden die Stoßzähne aber für die Nahrungssuche eingesetzt. Dies zeigen Schliffspuren, die sich überwiegend an der Unterkante, gelegentlich aber auch auf der Oberseite und der Spitze befinden.<ref>Grant D. Zazula, Duane G. Froese, Alice M. Telka, Rolf W. Mathewes, John A. Westgate: ''Plants, bugs, and a giant mammoth tusk: Paleoecology of Last Chance Creek, Yukon Territory.'' Yukon Explorationand Geology, 2002, S. 252–258.</ref> Meist werden diese Schliffspuren mit dem Freischaufeln des mit Schnee bedeckten Erdbodens bei der Suche nach Nahrung erklärt, doch könnten sie auch allgemein beim Herauswühlen von Pflanzen oder Umbiegen von Sträuchern entstanden sein. Solche Spuren sind auch bei rezenten Elefanten häufig zu finden.<ref name="Lister 1997" />

=== Genetische Merkmale ===

Lange Zeit konnten keine Gene identifiziert werden, die die starke Behaarung des Wollhaarmammuts im Vergleich zu den heutigen Elefantenformen hervorrufen. Einzelne Kandidaten, wie das [[Fgf5]]-Gen, das bei vielen Säugetieren für verlängerte Haare verantwortlich und bei langhaarigen Mäusen, Katzen und Hunden häufig zerstört ist, ergaben im Sequenzvergleich zwischen dem Wollhaarmammut und verschiedenen heutigen Elefantenformen kaum Mammut-spezifische Besonderheiten. Ähnliches gilt für das Gen [[KRTHAP1]], das zumindest zum Teil die unterschiedlich starke Behaarung zwischen Menschen und anderen [[Menschenaffen]] bewirkt, bei den [[Afrikanische Elefanten|Afrikanischen Elefanten]] und dem Wollhaarmammut jeweils intakt vorkommt. Auch verschiedene [[Keratin]]-Gene wie KRT25, KRT27 und KRT83 zeichnen nicht für die Unterschiede zwischen heutigen Elefanten und dem Wollhaarmammut verantwortlich.<ref>A. L. Roca, Y. Ishida, N. Nikolaidis, S. O. Kolokotronis, S. Fratpietro, K. Stewardson, S. Hensley, M. Tisdale, G. Boeskorov, A. D. Greenwood: ''Genetic variation at hair length candidate genes in elephants and the extinct woolly mammoth.'' BMC Evolutionary Biology 9, 2009, S.&nbsp;232, [[doi:10.1186/1471-2148-9-232]].</ref> In einer genetischen Analyse aus dem Jahr 2023, die knapp zwei Dutzend Individuen des Wollhaarmammuts aus einem Zeitraum von gut 700.000 Jahren einband, ließen sich aber mehrere [[Mutation|mutierte]] Gene identifizieren, die beim Menschen zu Haarwuchsstörungen wie [[Keratoderma]] führen. Weitere Genmutationen betreffen das [[Immunsystem]] oder die Befähigung zur Fettspeicherung als Anpassungen an die kalten Klimabedingungen. Auffällig ist auch die Mutation des [[FLG (Gen)|FLG]]-Gens, welches [[Protein]]e für die Keratinfaserbindung kodiert. Bei Mäusen führen Defekte in diesem Gen zu einem verminderten Ohrwachstum. Vermutlich verursachte das FLG-Gen beim Wollhaarmammut die Ausbildung der charakteristisch kleinen Ohren. Da das Gen die größten Veränderung innerhalb der 700.000 Jahre erfuhr kann angenommen werden, dass frühe Vertreter des Wollhaarmammuts noch größere Ohren aufwiesen.<ref>David Díez-del-Molino, Marianne Dehasque, J. Camilo Chacón-Duque, Patrícia Pečnerová, Alexei Tikhonov, Albert Protopopov, Valeri Plotnikov, Foteini Kanellidou, Pavel Nikolskiy, Peter Mortensen, Gleb K. Danilov, Sergey Vartanyan, M. Thomas P. Gilbert, Adrian M. Lister, Peter D. Heintzman, Tom van der Valk, Love Dalén: ''Genomics of adaptive evolution in the woolly mammoth.'' Current Biology 33, 2023, S. 1–12, [[doi:10.1016/j.cub.2023.03.084]].</ref>

Weiterhin wies der DNA-Code für das [[Hämoglobin]] eines 43.000&nbsp;Jahre alten Wollhaarmammuts drei vom Hämoglobin eines Asiatischen Elefanten abweichende Sequenzen auf. Das Hämoglobin-Gen des Wollhaarmammuts wurde 2010 in Bakterien eingeschleust, worauf diese das Mammutprotein produzierten. Aus der unterschiedlichen Sauerstoffsättigung zwischen dem Hämoglobin des Wollhaarmammuts und dem des Asiatischen Elefanten erhofft man sich Erkenntnisse über die Kälteanpassung der Mammute.<ref>Kevin L Campbell, Jason E. E. Roberts, Laura N. Watson, Jörg Stetefeld, Angela M. Sloan, Anthony V. Signore, Jesse W. Howatt, Jeremy R. H. Tame, Nadin Rohland, Tong-Jian Shen, Jeremy J. Austin, Michael Hofreiter5, Chien Ho, Roy E. Weber, Alan Cooper: ''Substitutions in woolly mammoth hemoglobin confer biochemical properties adaptive for cold tolerance.'' Nature Genetics 42, 2010, S. 536–540, [[doi:10.1038/ng.574]].</ref>

== Lebensweise ==

=== Ernährungsweise ===

Das Wollhaarmammut war ein an Steppengebiete angepasstes Tier, wie der gedrungene Körperbau und vor allem die kräftigen, auf lange Wanderungen spezialisierten Gliedmaßen zeigen. Da in Steppen hauptsächlich [[Gras|Gräser]] als Nahrungsquelle zur Verfügung standen, wurde forschungsgeschichtlich schon sehr früh vermutet, dass das Rüsseltier ein ausgewiesener Grasfresser war. Dafür gibt es auch anatomische Merkmale, wie die sehr hochkronigen Backenzähne mit ihren zahlreichen Schmelzfalten. Da Gräser nicht sehr nährstoffhaltig sind, musste das Wollhaarmammut sehr große Mengen verzehren. Die hohen Zahnkronen glichen dabei die durch die hohe Nahrungsmenge verursachte größere Abkauung wieder aus. Da Gräser zusätzlich noch [[kieselsäure]]haltig und damit sehr hart sind, verhinderte die hohe Schmelzfaltendicke ebenfalls einen stärkeren Abrieb.<ref name="Koch" />

Einige der im sibirischen Permafrost entdeckten Mammutkadaver enthielten noch Mageninhalte, wie zum Beispiel das ''Schandrin-Mammut'' oder das ''Berjosowka-Mammut''; letzteres wies sogar noch Nahrungsreste auf der Zunge beziehungsweise im Maul auf. Die Untersuchungen dieser Nahrungsreste bestätigten die anatomischen Hinweise. So überwiegen vor allem Gräser, wie [[Fuchsschwanzgräser]], [[Gerste (Gattung)|Gerste]], [[Straußgräser]], [[Salzschwaden]] und [[Seggen]], darüber hinaus sind [[Hahnenfuß]] und [[Moose]] nachgewiesen. In geringerem Umfang kamen auch Reste von [[Weiden (Botanik)|Weiden-]]- und [[Lärchen]]zweigen vor, ebenso wie Teile von [[Weiden (Botanik)|Weiden]], [[Erlen (Botanik)|Erlen]] und [[Kiefern]]. Das Vorkommen von [[Gehölz]]pflanzen in der Nahrung des Wollhaarmammuts zeigt, dass die Steppe nicht vollständig strauch- und baumfrei war. Die Aufnahme solcher Pflanzenarten war überdies wichtig, um an Nährstoffe zu gelangen, die für das Wachstum benötigt wurden. Die große Vielfalt an verzehrten Pflanzen deckte gleichzeitig auch den [[Aminosäure]]bedarf, den das Wollhaarmammut im Gegensatz zu den großen [[Wiederkäuer]]n vollständig über die Nahrungsaufnahme regeln musste.<ref name="Lister 1997" /><ref name="Koch" /> Der erhaltene Darminhalt des ''Yukagir-Mammuts'' zeigt aber, dass die Tiere auch in völlig baumfreier Kältesteppe leben konnten. Die notwendigen Nährstoffe stammten hier anscheinend überwiegend aus zwergwüchsigen subarktischen Weidenarten.<ref>Bas van Geel, André Aptroot, Claudia Baittinger, Hilary H. Birks, Ian D. Bull, Hugh B. Cross, Richard P. Evershed, Barbara Gravendeel, Erwin J.O. Kompanje, Peter Kuperus, Dick Mol, Klaas G.J. Nierop, Jan Peter Pals, Alexei N. Tikhonov, Guido van Reenen, Peter H. van Tienderen: ''The ecological implications of a Yakutian mammoth's last meal''. Quaternary Research 69, 2008, S. 361–376, [[doi:10.1016/j.yqres.2008.02.004]].</ref>

Ein einzelnes Tier benötigte je nach Jahreszeit 150 bis 300&nbsp;kg Nahrung täglich, wobei die Menge der aufgenommenen Pflanzen abhängig vom Trocknungsgrad war, d.&nbsp;h. im Frühjahr mit frisch gewachsenem Gras brauchte ein Tier weniger als im Sommer und Herbst mit trockenem Pflanzenwuchs. Auf den allgemein hohen Nahrungsbedarf weist neben Vergleichen mit rezenten Elefanten auch der Mageninhalt des ''Schandrin-Mammuts'' hin, der mehr als 290&nbsp;kg umfasste. Der Abbau der pflanzlichen [[Zellulose]] erfolgte beim Wollhaarmammut im [[Blinddarm]]. Dies ermöglichte ihm bei sinkendem [[Proteine|Eiweiß-]] und steigendem Fasergehalt größere Mengen zu fressen und so den Großteil des Tages mit der Nahrungsaufnahme zu verbringen.<ref name="Musil" /><ref name="Koch" />

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=== Individuelle Lebensweise ===

[[Datei:Woolly mammoth (Mammuthus primigenius) - Mauricio Antón.jpg|mini|Rekonstruktion des Wollhaarmammuts und seiner Umwelt]]

Das Wollhaarmammut erreichte ein Alter von 60 bis 65&nbsp;Jahren. Dies geht zum Eineneinen aus der Größe der Tiere hervor, zum Anderenanderen auf den charakteristischen, allen Elefantenarten eigenen „horizontalen“ Zahnwechsel zurück. Der letzte Molar, der dritte, ist ungefähr im Alter von 60 Jahren abgekaut und fällt aus. Alte Tiere können dann nicht mehr genügend Nahrung aufnehmen und sterben schließlich.

Man geht davon aus, dass das Wollhaarmammut, ähnlich wie die heutigen Elefantenarten, in [[Matriarchat|matriarchalisch]] geprägten Familienverbänden zusammen lebten. Das älteste Muttertier leitete dabei die Gruppe, die normalerweise aus zwei bis maximal 20&nbsp;Tieren bestand. Bullen dagegen führten ein weitgehend einzelgängerisches Leben oder formierten sich bei Bedarf in „Junggesellengruppen“, mit den Kühen kamen sie nur während der [[Brunft]] zusammen. Diese war vermutlich aufgrund der starken jahreszeitlichen Temperaturschwankungen saisonabhängig und fand im Sommer statt, im Gegensatz zu den heutigen, an das [[Tropisches Klima|tropische Klima]] angepassten Elefanten mit einer ganzjährigen Paarungsbereitschaft. Nach 22-monatiger Tragzeit wurde das Jungtier dann im Frühjahr geboren, wobei dieses wohl rund 90&nbsp;kg wog. Junge Bullen wurden dann mit 9 bis 12 Jahren von der Herde vertrieben.<ref name="Musil" /><ref>R. D. Guthrie: ''Reconstructions of Woolly Mammoth life history.'' In: G. Cavarretta, P. Gioia, M. Mussi, M. R. Palombo (Hrsg.): ''The World of Elephants – International Congress. Consiglio Nazionale delle Ricerche.'' Rom, 2001, S. 276–279.</ref> Wie bei den rezenten Elefanten ist auch beim Wollhaarmammut die [[subcutan]] am Kopf zwischen Auge und Ohr liegende [[Musth]]-[[Drüse]] nachgewiesen, die im jährlichen Zyklus [[Sekret]]e ausschied, welches eine erhöhte [[Aggressivität]] im Dominanz- und Paarungsverhalten verursachte.<ref>Jeheskel Shoshani: ''Understanding proboscidean evolution: a formidable task.'' Tree 13, 1998, S. 480–487.</ref> Zusätzliche Hinweise auf die Musth finden sich in den Wachstumsringen der Stoßzähne, die den variierenden [[Testosteron]]spiegel abspeichern. Dies ließ sich sowohl bei den heutigen Elefanten als auch bei einem Individuum des Wollhaarmammuts von der Wrangelinsel dokumentieren.<ref name="Cherney et al. 2023">Michael D. Cherney, Daniel C. Fisher, Richard J. Auchus, Adam N. Rountrey, Perrin Selcer, Ethan A. Shirley, Scott G. Beld, Betnard Buigues, Dick Mol, Gennady G. Boeskorov, Sergey L. Vartanyan, Alexei N. Tikhonov: ''Testosterone histories from tusks reveal woolly mammoth musth episodes.'' Nature, 2023, [[doi:10.1038/s41586-023-06020-9]].</ref>

Ein ausgewachsenes Wollhaarmammut hatte keine natürlichen Feinde, Jungtiere konnten hingegen von großen Raubtieren wie dem [[Höhlenlöwe]]n von der Herde getrennt und anschließend gerissen werden. Einzig der frühe Mensch war als aktiver Jäger mit [[Fernwaffe|Distanzwaffen]] dem Wollhaarmammut gefährlich. Darüber hinaus gab es aber verschiedenste Gefahren, die auf das Leben des Wollhaarmammuts einwirkten. Rutschige Hänge, hochwasserführende Flüsse im Frühjahr oder einbrechende [[Thermokarst]]e konnten zu schweren Stürzen bis hin zum Tod einzelner Individuen führen. Gelegentlich zeugen einzelne gebrochene Knochen, wie zum Beispiel am [[Schulterblatt]], von solchen Ereignissen. Möglicherweise ist ein Großteil der Eismumien auf solche zufälligen Ereignisse zurückzuführen.<ref name="Lister 1997" />

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Wie bei den rezenten Elefanten ist zu vermuten, dass das Wollhaarmammut sehr emotional auf den Tod vom Artgenossen, vornehmlich Herdenmitgliedern, reagierte und oftmals bis zu mehreren Stunden am Sterbeplatz verweilte. Da die zurückgebliebenen Tiere später diese Orte meist mieden, kann dieses Verhalten auch Einfluss auf die Jagdstrategien und Sammeltätigkeiten der frühen Menschen Auswirkung gehabt haben.<ref name="Musil" />

Über das Wanderungsverhalten eines individuellen Wollhaarmammuts in seinem Lebenslauf ist nur wenig bekannt. Im Jahr 2021 wurde eine Studie veröffentlicht, die auf [[Isotopenanalyse]]n an rund 340.000 Einzelstellen eines rund 1,7&nbsp;m langen Abschnitts eines Stoßzahns beruhen. Dieser stammte ursprünglich aus dem Gebiet der [[North Slope]] im nördlichen [[Alaska]]. Der Stoßzahn gehörte genetischen Daten zufolge einem männlichen Tier, das gemäß der Wachstumsringe rund 28 Jahre alt wurde und vor etwa 17.100 Jahren lebte. Die Isotopenwerte wurden mit denen von fossilen [[Nagetiere]]n verglichen, die als relativ ortstreu gelten. Demnach wurde das Tier im zentralen Alaska im Tal des [[Yukon River]] geboren und verbrachte die erste Zeit in der Region. Die Familiengruppe, in der das Jungtier offensichtlich lebte, hatte aber einen weit größeren Aktionsraum, da sie gelegentlich auch Ausflüge in weiter nördlich und südlich gelegene Areale unternahm. Ein deutlicher Bruch in den Isotopenwerten mit nachfolgenden stärkeren Schwankungen im Alter von 15 oder 16 Jahren weist wohl darauf hin, dass das junge Mammut die mütterliche Herde verließ. Das Tier erweiterte in der folgenden Zeit seinen Aktionsraum und erschloss weite Bereiche östlich und westlich seines Ursprungsgebietes. In seiner letzten Wanderung bewegte es sich von der [[Seward-Halbinsel]] Richtung Nord zur North Slope, wo es letztendlich im Gebiet des [[Colville River]] verhungerte. Berechnungen zufolge legte das Tier in seinem gesamten Leben gut 70.000&nbsp;km zurück.<ref>Matthew J. Wooller, Clement Bataille, Patrick Druckenmiller, Gregory M. Erickson, Pamela Groves, Norma Haubenstock, Timothy Howe, Johanna Irrgeher, Daniel Mann, Katherine Moon, Ben A. Potter, Thomas Prohaska, Jeffrey Rasic, Joshua Reuther, Beth Shapiro, Karen J. Spaleta, Amy D. Willis: ''Lifetime mobility of an Arctic woolly mammoth.'' Science 373 (6556), 2021, S. 806–808, [[doi:10.1126/science.abg1134]].</ref> Umfangreiche Wanderungen wurden auch mit Hilfe des gleichen Untersuchungsverfahrens an einem Mahlzahn eines Individuums aus dem östlichen [[Mitteleuropa]] ermittelt. Demnach wechselte das Tier in seinen letzten, rund ein Dutzend Lebensjahren jährlich zwischen seinen winterlichen Refugien im heutigen südpolnischen Bergland zu seinen sommerlichen Weidegründen im nördlich gelegenen Tiefland. Dabei überwand es jeweils zwischen 250 und 400&nbsp;km in einer Richtung. Das Individuum starb vor gut 29.000 Jahren.<ref>Nina Kowalik, Robert Anczkiewicz, Wolfgang Müller, Christoph Spötl, Luca Bondioli, Alessia Nava, Piotr Wojtal, Jarosław Wilczyński, Marta Koziarska, Milena Matyszczak: ''Revealing seasonal woolly mammoth migration with spatially-resolved trace element, Sr and O isotopic records of molar enamel.'' Quaternary Science Reviews 306, 2023, S. 108036, [[doi:10.1016/j.quascirev.2023.108036]].</ref>

=== Pathologien und Parasiten ===

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Untersuchungen unter anderem am ''Berjosowka-'', ''Kirgiljach-'' und am ''Schandrin-Mammut'' erbrachten Hinweise auf mehrere [[Parasit]]en. So sind mit ''[[Cobboldia]]'' und ''[[Protophormia]]'' zwei äußere Parasiten aus der Gruppe der [[Zweiflügler]] nachgewiesen. Magenreste enthielten außerdem Reste von [[Fadenwürmer|Faden-]] und [[Bandwürmer]]n als innere Parasiten.<ref>Н. В. Сердюк, Е. Н. Мащенко: ''Обзор известных паразитов Шерстистого мамонта.'' Труды Зоологического института РАН 322 (3), 2018, S. 306–314.</ref>

== WollhaarmammutSystematik und MenschGenetik ==

<div class="float-right" style=" width:248px; border: #99B3FF solid 2px;"><div style="text-align:center;font-size:smaller;">Innere Systematik der Elefanten nach Meyer et al. 2017.<ref name="Meyer et al. 2017">Matthias Meyer, Eleftheria Palkopoulou, Sina Baleka, Mathias Stiller, Kirsty E. H. Penkman, Kurt W. Alt, Yasuko Ishida, Dietrich Mania, Swapan Mallick, Tom Meijer, Harald Meller, Sarah Nagel, Birgit Nickel, Sven Ostritz, Nadin Rohland, Karol Schauer, Tim Schüler, Alfred L Roca, David Reich, Beth Shapiro, Michael Hofreiter: ''Palaeogenomes of Eurasian straight-tusked elephants challenge the current view of elephant evolution.'' eLife 6, 2017, S. e25413, [[doi:10.7554/eLife.25413]].</ref></div>

=== Das Wollhaarmammut als Nahrungs- und Rohstofflieferant ===

{{Klade|style=white-space:nowrap;font-size:75%;line-height:100%

Wie bei vielen pleistozänen Großsäugetieren ist eine aktive Bejagung durch den frühen Menschen schwer nachweisbar, da die meist aus organischem Material bestehenden [[Jagdwaffe]]n äußerst selten aufgefunden werden. Prinzipiell ließen sich alle Überreste eines Wollhaarmammuts verwerten, so natürlich Fleisch, Fett und Knochenmark als Nahrung, Knochen und Elfenbein als Rohmaterial für Geräte, Werkzeuge und [[Schmuck]], das Fell als Kleidung oder Bedeckung für Wohnbauten wie [[Zelt]]e, und Sehnen für Fäden und Schnüre.<ref name="Hock 1994">Hans-Peter Hock: ''Die Welt der Mammutjäger.'' In: Ulrich Joger, Ute Koch (Hrsg.): ''Mammuts aus Sibirien.'' Darmstadt 1994, S. 78–93.</ref> Im November 2012 ist das fast vollständige Skelett eines Wollhaarmammuts in [[Changis-sur-Marne]], [[Département Seine-et-Marne]] ausgegraben worden. Offenbar wurden dabei auch Feuersteinsplitter entdeckt. Ob das Tier gejagt wurde oder Verwendung fand, nachdem es möglicherweise im Schlamm versunken war, wird noch erforscht.<ref>Muséum national d´Historie naturell: ''Rapport d'activité 2012.'' ([http://www.mnhn.fr/sites/mnhn.fr/files/documents/2012_rapport_activite_museum.pdf], PDF (4,51&nbsp;MB)).</ref>

|label1=[[Elephantidae]]&nbsp;

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[[Datei:MammothVsMastodon.jpg|mini|Rekonstruktion von Wollhaarmammut (links) und [[Amerikanisches Mastodon|Amerikanischem Mastodon]] (rechts)]]

Das Wollhaarmammut als Vertreter der [[Gattung (Biologie)|Gattung]] ''[[Mammuthus]]'' gehört zur [[Familie (Biologie)|Familie]] der [[Elefanten]] (Elephantidae), der weiterhin die rezenten Gattungen ''[[Elephas]]'' mit dem Asiatischen Elefanten (''Elephas maximus''), ''[[Loxodonta]]'' mit dem [[Afrikanischer Elefant|Afrikanischen Elefanten]] (''Loxodonta africana'') und dem [[Waldelefant]]en (''Loxodonta cyclotis'') und die ausgestorbene Gattung ''[[Primelephas]]'' zugewiesen werden. Allen Vertretern der Elefanten gemein ist der lamellenartige Aufbau und die ausgeprägte Hochkronigkeit ([[Hypsodontie]]) der Backenzähne beziehungsweise die Bildung der Stoßzähne aus den oberen Schneidezähnen.<ref>Jan van der Made: ''The evolution of the elephants and their relatives in context of a changing climate and geography.'' In: Harald Meller (Hrsg.): ''Elefantenreich – Eine Fossilwelt in Europa.'' Halle/Saale, 2010, S. 340–360.</ref><ref>Ute Koch: ''Das Mammut und seine Verwandten.'' In: Ulrich Joger, Ute Koch (Hrsg.): ''Mammuts aus Sibirien.'' Darmstadt, 1994, S. 33–37.</ref> Mit Hilfe des [[Genom]]s des Wollhaarmammuts, das aus über 4&nbsp;Gb ([[Vorsätze für Maßeinheiten|Giga]]-[[Basenpaar]]e) besteht, konnte ein geschätzter genetischer Unterschied zum Afrikanischen Elefanten von weniger als 0,6 % festgestellt werden, was nur etwa halb so groß ist wie der zwischen [[Gemeiner Schimpanse|Schimpanse]] und Mensch. Mit dem Asiatischen Elefanten ist das Wollhaarmammut noch näher verwandt.<ref name="Miller 2008">Webb Miller, Daniela I. Drautz, Aakrosh Ratan, Barbara Pusey, Ji Qi, Arthur M. Lesk, Lynn P. Tomsho, Michael D. Packard, Fangqing Zhao, Andrei Sher, Alexei Tikhonov, Brian Raney, Nick Patterson, Kerstin Lindblad-Toh, Eric S. Lander, James R. Knight, Gerard P. Irzyk, Karin M. Fredrikson, Timothy T. Harkins, Sharon Sheridan, Tom Pringle, Stephan C. Schuster: ''Sequencing the nuclear genome of the extinct woolly mammoth.'' Nature 456, 2008, S. 387–390.</ref> In absoluten Altersdaten ausgedrückt bedeutet dies, dass sich die Linien ''Elephas'' und ''Mammuthus'' vor 6,7&nbsp;Millionen Jahren trennten, während ''Loxodonta'' sich schon vor 7,6&nbsp;Millionen Jahren abgespaltet hatte. Die [[Mammutidae|Mammutiden]], eine urtümliche, mit den Elefanten nur entfernt verwandte Rüsseltierlinie, zu denen auch das bis ins Jungpleistozän überlebende [[Amerikanisches Mastodon|Amerikanische Mastodon]] (''Mammut americanum'') gehört, gingen bereits vor 26&nbsp;Millionen Jahren ihren eigenen evolutiven Weg.<ref>Nadin Rohland, Anna-Sapfo Malaspinas, Joshua L. Pollack, Montgomery Slatkin, Paul Matheus, Michael Hofreiter: ''Proboscidean Mitogenomics: Chronology and Mode of Elephant Evolution Using Mastodon as Outgroup.'' PLoS Biology 5 (August), 2007, S. 1663–1671.</ref><ref name="Gilbert 2008">M. Thomas P. Gilbert, Daniela I. Drautz, Arthur M. Lesk, Simon Y. W. Ho, Ji Qi, Aakrosh Ratan, Chih-Hao Hsu, Andrei Sher, Love Dalén, Anders Götherström, Lynn P. Tomsho, Snjezana Rendulic, Michael Packard, Paula F. Campos, Tatyana V. Kuznetsova, Fyodor Shidlovskiy, Alexei Tikhonovj, Eske Willerslev, Paola Iacumin, Bernard Buigues, Per G. P. Ericson, Mietje Germonpré, Pavel Kosintsev, Vladimir Nikolaev, Malgosia Nowak-Kemp, James R. Knight, Gerard P. Irzyk, Clotilde S. Perbost, Karin M. Fredrikson, Timothy T. Harkins, Sharon Sheridan, Webb Miller, Stephan C. Schuster: '' Intraspecific phylogenetic analysis of Siberian woolly mammoths using complete mitochondrial genomes.'' PNAS 105 (24), 2008, S. 8327–8332.</ref><ref>Cristian Capelli, Ross D. E. MacPhee, Alfred L. Roca, Francesca Brisighelli, Nicholas Georgiadis, Stephen J. O’Brien, Alex D. Greenwood: ''A nuclear DNA phylogeny of the woolly mammoth (Mammuthus primigenius).'' Molecular Phylogenetics and Evolution 40, 2006, S. 620–627.</ref>

Dabei ist das Wollhaarmammut aus dem [[Steppenmammut]] (''Mammuthus trogontherii'') hervorgegangen und bildet mit ihm eine Schwesterlinie zum [[Präriemammut]] (''Mammuthus columbi'') und dem [[Zwergmammut]] (''Mammuthus exilis'') auf dem amerikanischen Kontinent. [[Molekulargenetik|Molekulargenetischen]] Untersuchungen zufolge trennten sich beide Linien vor etwa zwei Millionen Jahren.<ref name="Enk" /> Die enge Verwandtschaft zwischen dem Wollhaarmammut, dem Steppenmammut und dem Präriemammut ließ sich im Jahr 2021 ebenfalls genetisch bestätigen. Verwendet wurden hierbei drei Mammutzähne aus dem nordöstlichen Sibirien, von denen ein Fund aus Chukochya mit rund 0,5 bis 0,8 Millionen Jahren einen der ältesten bekannten Reste des Wollhaarmammuts repräsentiert, die beiden anderen aus Adycha und Krestovka mit einem Alter zwischen 1,2 und 1,0 Millionen Jahren ähneln morphologisch denen des Steppenmammuts. Jedoch stehen die beiden Funde aus Adycha und Krestovka nicht in einer direkten Verwandtschaftslinie zueinander, da letzterer einen Seitenzweig bildet, während ersterer weitgehend dem Steppenmammut entspricht. Die Krestovka-Linie entwickelte sich aus genetischer Sicht später zum Präriemammut weiter, war jedoch einem stärkeren [[Genfluss]] aus der Steppenmammut-Wollhaarmammut-Linie ausgesetzt.<ref>Tom van der Valk, Patrícia Pečnerová, David Díez-del-Molino, Anders Bergström, Jonas Oppenheimer, Stefanie Hartmann, Georgios Xenikoudakis, Jessica A. Thomas, Marianne Dehasque, Ekin Sağlıcan, Fatma Rabia Fidan, Ian Barnes, Shanlin Liu, Mehmet Somel, Peter D. Heintzman, Pavel Nikolskiy, Beth Shapiro, Pontus Skoglund, Michael Hofreiter, Adrian M. Lister, Anders Götherström, Love Dalén: ''Million-year-old DNA sheds light on the genomic history of mammoths.'' Nature 591, 2021, S. 265–269, [[doi:10.1038/s41586-021-03224-9]].</ref>

Frühe Zusammenfunde von menschlichen Hinterlassenschaften mit Resten des Wollhaarmammuts stammen aus dem [[Mittelpaläolithikum]] (vor 300.000 bis 40.000 Jahren) der ersten Hälfte der Weichsel-Kaltzeit. An der rund 60.000 Jahre alten Fundstelle [[Salzgitter-Lebenstedt (archäologischer Fundplatz)|Salzgitter-Lebenstedt]] (Niedersachsen) sind neben anderen Tierresten Knochen und Zähne von mindestens 16 Mammutindividuen zusammen mit rund 1000 [[Feuersteinwerkzeug|Feuersteinartefakten]] nachgewiesen. Ob das Wollhaarmammut aber von den damaligen [[Neandertaler]]n auch erlegt wurde, ist nicht bekannt. Da am Fundplatz das Ren mit etwa 80&nbsp;Individuen dominiert, handelt es sich wohl eher um eine Gruppe spezialisierter Rentierjäger.<ref>Sabine Gaudzinski: ''Ein mittelpaläolithisches Rentierlager bei Salzgitter-Lebenstedt.'' In: Manfred Boetzkes, Ingeborg Schweitzer und Jürgen Vespermann (Hrsg.): ''EisZeit – Das große Abenteuer der Naturbeherrschung. Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung.'' Hildesheim 1999, S. 121–136.</ref> Auch in der rund 90.000&nbsp;Jahre alten Fundschicht A von [[Königsaue]] (Sachsen-Anhalt) im Nordharzvorland wurden Reste von mindestens vier jüngeren Mammutindividuen gefunden, die mit Geräten des [[Micoquien]] vergesellschaftet sind.<ref>Dietrich Mania, V. Toepfer: ''Königsaue. Gliederung, Ökologie und mittelpaläolithische Funde der letzten Eiszeit.'' Veröffentlichungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle/Saale 26, Berlin, 1973.</ref> Eine mögliche direkte Verwertung eines Wollhaarmammuts vor Ort oder gar eine aktive Bejagung könnte der Befund von [[Asolo]] (Italien) darstellen, der mehr als 50&nbsp;Knochenreste eines erwachsenen weiblichen Mammuts in direkter Verbindung mit fünf Feuersteinartefakten, darunter zwei [[Levalloistechnik|Levalloisspitzen]], umfasst.<ref>Margherita Mussi, Paola Villa: ''Single carcass of Mammuthus primigenius with lithic artifacts in the Upper Pleistocene of northern Italy.'' Journal of Archaeological Science 35, 2008, S. 2606–2613.</ref> Auch in Sibirien sind mehrere Fundstellen aus dem Mittelpaläolithikum bekannt, an denen Mammutknochen mit menschlichen Hinterlassenschaften assoziiert sind, so im nördlichen Teil allein acht<ref name="Vasilev">Sergey A. Vasil’ev: ''Man and Mammoth in Pleistocene Siberia.'' In: G. Cavarretta, P. Gioia, M. Mussi, M. R. Palombo (Hrsg.): ''The World of Elephants – International Congress. Consiglio Nazionale delle Ricerche.'' Rom 2001, S. 363–366.</ref> und im südlichen Teil am [[Oberlauf]] des [[Jenissei]] wenigstens zwei.<ref name="Kutzmin 2011">Yaroslav V. Kutzmin: ''Mammalian Fauna from Palaeolithic sites in the Upper Yenisei River Basin (Southern Siberia): Review of the current zooarchaeological evidence.'' International Journal of Osteoarchaeology 21, 2011, S. 218–228.</ref> Die Nutzung von Mammutknochen als Rohmaterial zeigt der bekannte beinerne, rund 15&nbsp;cm lange [[Faustkeil von Rhede]] (Nordrhein-Westfalen)<ref>Gernot Tromnau: ''Ein Mammutknochen-Faustkeil aus Rhede, Kr. Borken (Westfalen).'' Archäologisches Korrespondenzblatt 13, 1983, S. 287–289.</ref> oder einzelne bearbeitete Knochen aus der Kůlna-Höhle in [[Mähren]].<ref>Karel Valoch: ''Die Erforschung der Kůlna-Höhle 1961–1976.'' Anthropos 24, Brno, 1988.</ref> Ein unikater Fund stammt aus [[Tata (Ungarn)|Tata]] ([[Ungarn]]), wo eine Lamelle eines unteren Mammutmolars von Neandertalern vollständig poliert, die Kanten gerundet und die Oberflächen mit Ocker bedeckt wurden. Da dieses Objekt zwar überarbeitet, aber nicht benutzbar war, gehört es zu den seltenen Funden von ''non-utilitarian objects'' (nicht benutzten Objekten), die schon beim Neandertaler ein mögliches frühes Aufkeimen von künstlerischem Ausdruck aufzeigen.<ref name="Dobosi">V. T. Dobosi: ''Ex Proboscideis – Proboscidean remains as raw material at four Palaeolithic sites, Hungary.'' In: G. Cavarretta, P. Gioia, M. Mussi, M. R. Palombo (Hrsg.): ''The World of Elephants – International Congress. Consiglio Nazionale delle Ricerche.'' Rom 2001, S. 429–431.</ref><ref>Joachim Schäfer: ''Die Wertschätzung außergewöhnlicher Gegenstände (non-utilitarian objects) im Alt- und Mittelpaläolithikum.'' Ethnographisch-Archäologische Zeitschrift 36, 1996, S. 173–190.</ref>

Schon Anfang des 21.&nbsp;Jahrhunderts zeigten DNA-Untersuchungen an immerhin sechs verschiedenen Individuen, dass das Wollhaarmammut offenbar aus zwei genetischen Gruppen besteht.<ref>G. S. Rautian, I. A. Dubrovo: '' Genetic data indicating that Mammuthus primigenius includes two species.'' In: G. Cavarretta, P. Gioia, M. Mussi, M. R. Palombo (Hrsg.): ''The World of Elephants – International Congress. Consiglio Nazionale delle Ricerche.'' Rom, 2001, S. 552–556.</ref> Spätere Analysen an mindestens 18&nbsp;sibirischen Funden – beispielsweise vom ''Jarkow-Mammut'', dem ''Fischhaken-Mammut'', ''Dima'' und vom ''Adams-Mammut'' – bestätigten diese Ansicht. Die beiden Wollhaarmammut-Linien wurden dabei Klade I und Klade II genannt. Während Vertreter von Klade I weit über das nördliche Eurasien und Nordamerika verbreitet waren, beschränkten sich jene der Klade II bisher auf die Region zwischen der Lena und der Kolyma. Außerdem scheint sie schon vor wenigstens 33.000&nbsp;Jahren erloschen zu sein.<ref name="Gilbert 2008" /> Was die Trennung der beiden Gruppen verursachte, ob [[Selektion (Evolution)|Selektion]] oder [[Gendrift]], ist bisher nicht geklärt, anatomische oder funktionelle Änderungen scheinen sie nicht bewirkt zu haben. Die Aufspaltung der beiden Kladen geschah nach bisherigen Untersuchungen bereits vor ein oder zwei Millionen Jahren.<ref name="Miller 2008" /><ref name="Gilbert 2008" /><ref>Ian Barnes, Beth Shapiro, Adrian Lister, Tatiana Kuznetsova, Andrei Sher, Dale Guthrie, Mark G. Thomas: ''Genetic Structure and Extinctionof the Woolly Mammoth, Mammuthus primigenius.'' Current Biology 17, 2007, S. 1072–1075, [[doi:10.1016/j.cub.2007.05.035]].</ref> Eine weitere, fossil bisher nicht identifizierte Linie konnte mittels [[Umwelt-DNA]] nachgewiesen werden.<ref name="Wang et al. 2021" />

Im darauf folgenden Jungpaläolithikum (vor 40.000 bis 11.600&nbsp;Jahren), dessen Träger der anatomisch moderne Mensch war, war das Wollhaarmammut ebenfalls eine wichtige Rohmaterialressource. Aber auch hier gibt es trotz des riesigen Verbreitungsgebietes nur ganz wenige Hinweise auf eine aktive Jagd auf dieses Großsäugetier.<ref name="Kutzmin 2011" /> Aus den [[aurignacien]]zeitlichen Fundschichten der [[Vogelherdhöhle]] (Baden-Württemberg) sind mehr als 3500 Reste von wenigstens 28 Mammutindividuen bekannt. Dabei wurde sicher nicht nur das Fleisch verzehrt, sondern auch Knochen und Elfenbein verarbeitet, wie Funde von Elfenbeinstäben zeigen, die – ausgehend von der natürlichen Krümmung der Stoßzähne – gerade gebogen wurden.<ref>Laura Niven: ''The role of mammoths in Upper Palaeolithic economies of southern Germany.'' In: G. Cavarretta, P. Gioia, M. Mussi, M. R. Palombo (Hrsg.): ''The World of Elephants – International Congress. Consiglio Nazionale delle Ricerche.'' Rom, 2001, S. 323–327.</ref><ref>Laura Niven: '' From carcass to cave: Large mammal exploitation during the Aurignacian at Vogelherd, Germany.'' Journal of Human Evolution 53, 2007, S. 362e382.</ref> Ein ähnlicher, etwa zeitgleicher Befund stammt aus der Istállóskö-Höhle im [[Bükk-Gebirge]] (Ungarn).<ref name="Dobosi" /> Während des nachfolgenden [[Gravettien]] stieg die Nutzung des Wollhaarmammuts als Ressource im südlichen und südöstlichen Mitteleuropa (hier auch [[Pavlovien]] genannt) deutlich an. An der Station [[Krems-Wachtberg]] in [[Niederösterreich]] ist die Tierart die dominante Spezies. Vor allem an Wirbeln und Rippen zeigen sich deutliche Schnittspuren, die offensichtlich bei der Entfernung des Fleisches entstanden. Einzelne Rippen sind auch zu Geräten weiterverarbeitet worden.<ref>F. A. Fladerer: '' The Krems-Wachtberg camp-site: mammoth carcass utilization along the Danube 27,000 years ago.'' In: G. Cavarretta, P. Gioia, M. Mussi, M. R. Palombo (Hrsg.): ''The World of Elephants – International Congress. Consiglio Nazionale delle Ricerche.'' Rom, 2001, S. 432–438.</ref> Hervorzuheben sind die Anhäufungen von Wollhaarmammutknochen an der ebenfalls dem Gravettien angehörenden Fundstelle [[Dolní Věstonice]] (Mähren), wo auf einer Fläche von etwa 12 mal 45&nbsp;m über 6300&nbsp;Knochen- und Zahnreste von mehr als 156&nbsp;Mammutindividuen gefunden wurden. Ähnliche Befunde gibt es auch von Predmosti und Milovice (beide ebenfalls Mähren).<ref>Bohuslav Klíma: ''Die große Anhäufung von Mammutknochen in Dolní Vestonice.'' Acta Scientiarum Naturalium Brno 3 (6), 1969, S. 1–52.</ref><ref>Martin Oliva: ''Some thoughts on pavlovian adaptions and their alternatives.'' In: Wil Roebroeks, Margherita Mussi, Jiří Svoboda und Kelly Fennema (Hrsg.): ''Hunters of the Golden Age.'' Leiden, 2000, S. 219–230.</ref>

Darüber hinaus zeigten Analysen der [[Mitochondriale DNA|mitochondrialen DNA]] von 160&nbsp;Mammutindividuen aus der gesamten [[Holarktis]], dass sich das Wollhaarmammut offenbar nicht nur über die Beringstraße nach Nordamerika ausbreitete, sondern auch gelegentlich nach Eurasien zurückkehrte und so ein dynamisches Besiedlungsverhalten besaß. Dabei wurden fünf [[Haplogruppe]]n (A bis E) identifiziert, von denen die Gruppe&nbsp;C ursprünglich bis vor 47.000&nbsp;Jahren nur in Nordamerika beheimatet war und offensichtlich die ursprüngliche Einwanderungswelle darstellte. Bis vor 22.000&nbsp;Jahren wanderten die Vertreter der vier anderen Gruppen ebenfalls über die Beringstraße nach Nordamerika, während die dortige Population nun auch im nördlichen Eurasien anzutreffen war. Die gemischten Gruppen überlebten dann bis zum Ende der letzten Vereisungsphase, während die Vertreter der Gruppe E die letzten Wollhaarmammute auf der Wrangelinsel waren.<ref>Regis Debruyne, Genevieve Chu, Christine E. King, Kirsti Bos, Melanie Kuch, Carsten Schwarz, Paul Szpak, Darren R. Gröcke, Paul Matheus, Grant Zazula, Dale Guthrie, Duane Froese, Bernard Buigues, Christian de Marliave, Clare Flemming,8 Debi Poinar, Daniel Fisher, John Southon, Alexei N. Tikhonov, Ross D.E. MacPhee, Hendrik N. Poinar: '' Out of America: Ancient DNA Evidence for a New World Origin of Late Quaternary Woolly Mammoths.'' Current Biology 18, 2008, S. 1–7.</ref>

Besonders bedeutend war die Nutzung der Knochen und Stoßzähne des Wollhaarmammuts im östlichen Europa. Allein in [[Mesyn]] wurden Reste von mehr als 100&nbsp;Mammuten gefunden, während es in [[Meschyritsch (Kaniw)|Meschyritsch]] (ebenfalls Ukraine) 110 waren. Beide Fundstellen gehören dem osteuropäischen [[Epigravettien]] (entspricht dem Magdalénien Mitteleuropas) an und datieren um 15.000&nbsp;BP. Spektakulär sind die Mammutknochenhäuser von beiden Fundstellen, aber auch von Dobranichevka und Kiev, Kirillovskaja Ulica (alle Ukraine). Allein in Mezin sind fünf Hüttenreste überliefert; der am besten erhaltene Rest hatte einen Durchmesser von 5&nbsp;m. An seiner Peripherie befanden sich 14&nbsp;Schädel des Rüsseltiers nebst Lang- und Beckenknochen, während im Innern vor allem Schulterblätter und Unterkiefer lagen. Diese bildeten offensichtlich die Wandung der Rundhütte, welche später einstürzte.<ref name="Hock 1994" /><ref>I. G. Pidoplichko: ''Upper Palaeolithic dwellings of mammoth bones in the Ukraine.'' BAR International Series 712, 1998.</ref> In einen ähnlichen zeitlichen Kontext gehören mehrere Exemplare des Wollhaarmammuts von einer Fundstelle im Umkreis des Dorfes [[Judinowo]] im Rajon [[Pogar]] in der [[Osteuropäische Ebene|Osteuropäischen Ebene]], die zwischen den 1940er und 1990er Jahren ausgegraben wurde. In einer Analyse der Mammutknochen aus dem Jahr 2008 ergaben sich vor allem [[Taphonomie|taphonomische]] Indizien für eine menschliche Nutzung der Kadaver.<ref name="Germonpré2008">Mietje Germonpré, Mikhail Sablin, Gennady Adolfovich Khlopachev, Galina Vasilievna Grigorieva: ''Possible evidence of mammoth hunting during the Epigravettian at Yudinovo, Russian Plain.'' Journal of Anthropological Archaeology 27 (4), 2008, S. 475–492.</ref>

== Forschungsgeschichte ==

Auch in weiter östlich gelegenen Bereichen Eurasiens hatte das Wollhaarmammut als Rohstofflieferant Bedeutung, wenn auch nicht so markant wie in Osteuropa. So kommen im nördlichen Sibirien wenigstens an zehn Fundstellen Wollhaarmammut und Mensch gemeinsam vor.<ref name="Kutzmin 2011" /> Im Norden der arktischen [[Kotelny-Insel]] wurden 2019 drei zum Teil vollständige Skelette entdeckt, darunter das ''Goldene Mammut'' und das ''Pavlov-Mammut''. Am ''Pavlov-Mammut'' fanden sich bei einer Analyse 2020 Hinweise, dass dieses vom Menschen geschlachtet, möglicherweise zuvor auch gejagt wurde.<ref>Olga Potapova, Innokentiy S. Pavlov, Valerii Plotnikov, Evgeny Maschenko, Marianne Dehasque, Beth Shapiro, Love Dalen, Naoki Suzuki, John F. Hoffecker, Albert Protopopov: ''A new woolly mammoth (Mammuthus primigenius Blumenbach, 1799) from Kotelny Island, Novosibirsk Archipelago, Russia.'' SVP 80th annual meeting virtual 2020, Abstract Volume.</ref><ref>Jeanne Timmons: ''Scientists Find Mammoth Seemingly Butchered by Humans on Arctic Island.'', Gizmodo vom 11. Dezember 2020 ([https://gizmodo.com/scientists-find-mammoth-seemingly-butchered-by-humans-o-1845849522]).</ref>

[[Datei:Johann Friedrich Blumenbach.jpg|mini|hochkant|Johann Friedrich Blumenbach]]

Funde des Wollhaarmammuts wurden schon sehr früh im westlichen Eurasien entdeckt, häufig aber nicht als fossile Elefantenart erkannt. Die 1577 beim Kloster Reyden ([[Luzern]]) entdeckten Mammutknochen wurden vom damaligen Arzt F. Plater als [[Reliquie|Überbleibsel]] eines 19&nbsp;[[Fuß (Einheit)|Fuß]] großen [[Riese]]n gedeutet.<ref>Hans-Dietrich Kahlke: ''Das Eiszeitalter.'' Leipzig/Jena/Berlin 1981.</ref> Ebenso wurde das 1663 bei Seveckenberg bei [[Quedlinburg]] (Sachsen-Anhalt) im Beisein des Naturforschers [[Otto von Guericke]] (1602–1686) ausgegrabene Skelett eines Wollhaarmammuts als Rest des mythischen ''[[Einhorn|Unicornu]] fossile'' angesehen – ähnlich erging es auch den rund 33&nbsp;Jahre später geborgenen ersten Funden eines Europäischen Waldelefanten bei [[Tonna]] (Thüringen) – und später auch als solches rekonstruiert.<ref name="Koenigswald 2002" /> Im Jahr 1696 beschrieb dann [[Heinrich Wilhelm Ludolf]] (1655–1712) Reste eines in Sibirien vorkommenden Tieres, welches die einheimischen Jakuten und Tungusen als ''Mamantu'' bezeichneten und nach ihrer Meinung einem riesigen [[Maulwürfe|Maulwurf]] glich, der sterben müsste, sobald er das Sonnenlicht erblickt.<ref>John J. McKay: ''Discovering the Mammoth: A Tale of Giants, Unicorns, Ivory, and the Birth of a New Science.'' Pegasus Books, New York/London, 2017, ISBN 978-1-68177-424-4, S. 82.</ref><ref name="Joger" />

Die Herkunft des Begriffes ''Mamantu'' oder ''Maimanto'' ist nicht geklärt. Häufig wird ein Ursprung im [[Nenzische Sprache|nenzischen]] oder [[Estnische Sprache|estnischen]] Sprachraum gesucht. In letzterer Sprache bedeutet ''maa'' „Erde“ und ''mutt'' „Maulwurf“. Allerdings wird auch gelegentlich eine Verbindung zum [[Arabische Sprache|arabischen]] Wort [[Behemoth (Mythologie)|Behemoth]] – einem gewaltigen [[Ungeheuer]] mit gekrümmten Hörnern und Stoßzähnen – gezogen und mit dem seit dem 9.&nbsp;Jahrhundert nachgewiesenen Handel von sibirischem Elfenbein durch Araber begründet. Auch wer den Namen letztendlich in Europa einführte, ist nicht hinreichend gesichert.<ref name="Lister 1997" /><ref name="Joger" />

Nach dem letztkaltzeitlichen maximalen Eisvorstoß vor 20.000 bis 16.000&nbsp;Jahren und im darauffolgenden [[Magdalénien]] tritt das Wollhaarmammut in West- und Mitteleuropa nur noch selten in Erscheinung. So sind zum Beispiel an dem bedeutenden Lagerplatz von [[Gönnersdorf (archäologischer Fundplatz)|Gönnersdorf]] ([[Rheinland-Pfalz]]) Reste eines einzigen Individuums überliefert.<ref name="Hock 1994" /> Auch im östlichen Eurasien, wo das Wollhaarmammut zu jener Zeit noch häufiger vorkam, ging die Bedeutung als Rohstoffquelle allmählich zurück. So sind Mammutreste in der Spätphase der Weichselkaltzeit in der Jenissei-Region nur an jeder dritten [[Archäologie|archäologischen]] Fundstation vertreten, während es in der vorhergehenden Zeit noch an fast zwei Drittel aller menschlichen Siedlungsplätze nachweisbar ist.<ref name="Kutzmin 2011" /> Aus anderen Regionen Sibiriens sind relativ wenige Funde bekannt. Bedeutend ist hier ein Siedlungsplatz menschlicher Jäger-Sammler-Gruppen am Ufer des Bjorjoljochs, nur etwa 100&nbsp;m von dem berühmten und zeitgleichen ''Mammutfriedhof'' entfernt, was annehmen lässt, dass die Mitglieder dieser Gruppen diesen Friedhof als Rohstoffquelle nutzten.<ref name="Vasilev" />

Erstmals wissenschaftlich beschrieben wurde das Wollhaarmammut 1799 vom Göttinger Naturforscher und Anatomen [[Johann Friedrich Blumenbach]] (1752–1840) als ''Elephas primigenius'' anhand von Funden bei [[Osterode am Harz]]. Im selben Jahr wurde der Kadaver des ''Adams-Mammut'' an der Lena entdeckt. Die von Roman Boltunow 1806 angefertigte Skizze dieses Fundes leitete später Henry Michail Adams nach [[Göttingen]] an Blumenbach weiter, der darin seine kürzlich beschriebene Elefantenart erkannte.<ref name="Joger" /> Der Gattungsname ''Mammuthus'' stammt vom englischen Biologen [[Joshua Brookes (Biologe)|Joshua Brookes]] (1761–1833), den er 1828 einführte.

=== Das Wollhaarmammut in der jungpaläolithischen Kunst ===

[[Datei:Combarelles-mammouth.png|mini|Mammutdarstellung aus der Höhle von [[Les Combarelles]] (Frankreich)]]

[[Datei:Mammutlll.jpg|mini|Vollplastische Mammutdarstellung aus der [[Vogelherdhöhle]] (bei [[Niederstotzingen]], [[Schwäbische Alb]]), ca. 40 000 Jahre alt ([[Aurignacien]]), Mammutelfenbein, UNESCO-Welterbe „[[Höhlen und Eiszeitkunst im Schwäbischen Jura]]“, [[Museum der Universität Tübingen|Museum der Universität Tübingen MUT]]]]

Dass das Wollhaarmammut eines der beeindruckendsten Tiere der ''Mammutsteppe'' darstellte, zeigen die [[Höhlenmalerei]]en und [[Jungpaläolithische Kleinkunst|Kleinkunst]] des [[Jungpaläolithikum]]s (ab etwa 37.000 Jahren vor heute). Die ältesten Mammut-Darstellungen der [[Frankokantabrische Höhlenkunst|Frankokantabrischen Höhlenkunst]] aus der [[Grotte Chauvet]] (Frankreich) werden dem [[Aurignacien]] zugewiesen. Mindestens 34 Abbildungen, abwechselnd in roten oder schwarzen [[Pigment]]en gehalten oder in den Fels eingraviert, sind überliefert und stellen die dritthäufigste Tierart nach dem Wollnashorn und dem [[Höhlenlöwe]]n dar. Charakteristisch ist die fast [[hufeisen]]förmig gestaltete Linie, die den Bauch und die Beininnenseiten wiedergibt.<ref>Jean-Marie Chauvet, Éliette Brunel Deschamps, Christian Hillaire: ''Grotte Chauvet bei Vallon -Pont-d'Arc. Altsteinzeitliche Höhlenkunst im Tal der Ardèche'' Sigmaringen, 1995.</ref> Besonders häufig ist das Wollhaarmammut aber in der südfranzösischen [[Höhle von Rouffignac]] dargestellt, deren Abbildungen der Kulturstufe des [[Magdalénien]] angehören und wo es mindestens 150&nbsp;Zeichnungen dieses Rüsseltiers gibt. Die Wollhaarmammute sind teilweise sehr realistisch wiedergegeben, mit hohen Schädelbuckeln, schräg abfallender Rückenlinie und stark gekrümmten Stoßzähnen. Für die Anerkennung der Authentizität der Höhlenkunst von Rouffignac bedeutend war vor allem die Tatsache, dass die Darstellung der Afterklappe als anatomisches Detail erst nach der Entdeckung der Zeichnungen auch in der Paläozoologie wiederentdeckt wurde.<ref>Lothar Zotz: ''Die Wiederentdeckung der Merkwürdigkeiten von Rouffignac.'' Orion 3 (12), 1957, S. 169–174.</ref> Bezüglich anatomischer Details hervorzuheben sind der als ''Patriarch'' bezeichnete Bulle mit markanten Stoßzähnen sowie zwei Mammute, die sich Stirn an Stirn gegenüberstehen und einen Ritualkampf oder eine Begrüßungszeremonie zu zelebrieren scheinen.<ref name="Lorblanchet">Michel Lorblanchet: ''Höhlenmalerei. Ein Handbuch.'' Sigmaringen, 1997.</ref> Weitere häufige Darstellungen des Wollhaarmammuts finden sich in [[Font-de-Gaume]] und [[Pech Merle]] mit je 23 beziehungsweise in [[Les Combarelles]] mit 14&nbsp;Abbildungen,<ref name="Hock">Hans-Peter Hock: ''Kunst der Eiszeit.'' In: Ulrich Joger, Ute Koch (Hrsg.): ''Mammuts aus Sibirien.'' Darmstadt, 1994, S. 94–100.</ref> weswegen diese auch als „Mammutheiligtümer“ bezeichnet werden. Insgesamt umfasst das Wollhaarmammut dabei sechs bis sieben Prozent aller Tier- und Menschendarstellungen in den Höhlen Frankokantabriens.<ref name="Lorblanchet" /> Außerhalb dieses Kulturkreises sind vor allem die roten Darstellungen der Tierart aus der [[Höhle von Kapova]] im Ural bekannt.<ref name="Bosinski 1987">Gerhard Bosinski: ''Die große Zeit der Eiszeitjäger. Europa zwischen 40.000 und 10.000 v. Chr.'' Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz 34, 1987, S. 3–139.</ref>

Die Kleinkunst des Jungpaläolithikums gibt das Wollhaarmammut unter anderem als Voll- und Halbplastiken wieder. Zu den bekanntesten gehören jene aus der aurignacienzeitlichen Besiedlungsphase der [[Vogelherdhöhle]] und dem [[Geißenklösterle]] (beide Baden-Württemberg); sie zählen zu den ältesten Kunstwerken der Menschheit. Bei archäologischen Ausgrabungen in der Vogelherdhöhle (Schwäbische Alb) 1931 sowie in deren Abraum vor der Höhle ab 2006 wurden insgesamt fünf Mammutskulpturen – teilweise fragmentiert – entdeckt. Bedeutend ist eine Reliefdarstellung eines Mammuts auf einem Knochenfragment aus der Vogelherdhöhle. Die knapp handtellergroßen Figuren aus Mammutelfenbein und Knochen sind Teil des [[UNESCO-Welterbe]]s „[[Höhlen und Eiszeitkunst im Schwäbischen Jura]]“. Eine etwas jüngere Darstellung stammt aus [[Sungir]] (Russland). Aus dem folgenden Gravettien sind die Mammutfiguren aus [[Pavlov I|Pavlov]] und [[Dolní Věstonice]] (beide [[Tschechien]]) hervorzuheben, die aus gebranntem Ton bestehen und zu den ältesten Keramikfunden der Welt gehören. Eher funktional waren [[Speerschleuder]]n in Form von Mammutdarstellungen, wie sie aus [[Bruniquel]] oder Canecaude (beide Frankreich) überliefert sind und dem Magdalénien angehören.<ref name="Bosinski 1987" />

[[Datei:Mammoth Spear Thrower.jpg|mini|[[Speerschleuder]] von [[Bruniquel]] (Frankreich) aus dem [[Magdalénien]]]]

Darüber hinaus herausragend sind die mehr als 60 Darstellungen des Rüsseltiers aus der magdalenienzeitlichen Siedlung von Gönnersdorf, die in [[Schiefer]]platten eingeritzt sind. Hier können zwei unterschiedliche Gruppen herausgestellt werden: Tiere mit einem Sattel hinter dem Schädelbuckel und abfallender Rückenlinie und solche mit konvexem Rückenverlauf, deren höchster Punkt etwa in der Mitte liegt. Während erstere als ausgewachsene Tiere gedeutet werden, sollen zweitere Jungtiere darstellen. Auch von der „Teufelsbrücke“ bei [[Saalfeld]] (Thüringen) stammt ein Tonschiefergeröll mit einer allerdings nur den Kopf und Rüssel zeigenden Mammutdarstellung.<ref name="Bosinski 1987" /><ref>Gerhard Bosinski: ''Das Aussehen des Mammuts nach den zeitgenössischen Darstellungen von Gönnersdorf.'' In: Ulrich Joger, Ute Koch (Hrsg.): ''Mammuts aus Sibirien.'' Darmstadt, 1994, S. 101–109.</ref><ref>Gerhard Bosinski: ''Die Kunst der Eiszeit in Deutschland und der Schweiz.'' Kataloge Vor- und Frühgeschichtlicher Altertümer 20, Bonn, 1982.</ref> Weitere Abbildungen dieses Rüsseltiers wurden in [[La Madeleine]] (Frankreich), einer Fundstelle, die zur Definition des Magdaléniens beitrug, gefunden. Das hier mit erhobenem Schwanz erregt erscheinende Tier ist mit zahlreichen Details, wie dem charakteristischen Pony oder der Kehlbehaarung, ausgeführt. Auch aus [[Malta (Russland)|Malta]] nahe dem [[Baikalsee]] (Russland) sind Darstellungen auf Knochenplättchen bekannt.<ref name="Hock" />

Ursprünglich waren aus Nordamerika keine Darstellungen des Mammuts bekannt. Im Jahr 2010 wurde von einem solchen Fund aber berichtet, der ein deutlich wiedergegebenes Rüsseltier mit hohem Kopfbuckel, abfallender Rückenlinie und gedrehten Stoßzähnen zeigt. Die nur 7,5&nbsp;cm lange Darstellung ist in den Langknochen eines großen Säugetiers (Mammut, Mastoden oder [[Riesenfaultier]]) eingeritzt und ist etwa 13.000&nbsp;Jahre alt. Da der Fund aus [[Florida]] (Hauptkanal von [[Vero Beach]]) stammt, wo das Wollhaarmammut selbst nicht nachgewiesen ist, handelt es sich offensichtlich um die Abbildung eines [[Präriemammut]]s, das hier vorgekommen ist.<ref>Barbara A. Purdy, Kevin S. Jones, John J. Mecholsky, Gerald Bourne, Richard C. Hulbert Jr., Bruce J. MacFadden, Krista L. Church, Michael W. Warren: ''Earliest Art in the Americas: Incised Image of a Mammoth on a Mineralized Extinct Animal Bone from the Old Vero Site (8-Ir-9), Florida.'' Congrès de l’IFRAO, septembre 2010 – Symposium: L’art pléistocène dans les Amériques (Pré-Actes) / IFRAO Congress, September 2010 – Symposium: Pleistocene art of the Americas (Pre-Acts), 2010, S. 3–12.</ref>

[[Datei:Venus of Brassempouy.jpg|mini|Die ''Dame von Brassempouy'' (Frankreich) aus dem [[Gravettien]]]]

Des Weiteren dienten Knochen und Stoßzähne auch als Rohmaterial für die jungpaläolithische Kunst, und einige der bedeutendsten Kunsterzeugnisse jener Zeit sind aus diesen organischen Materialien hergestellt. So bestehen einige der bereits erwähnten Mammut-Figuralplastiken aus Elfenbein, wie jene aus der Vogelherdhöhle, aber auch andere Tierfiguren, unter anderem von einem Pferd, einer großen Raubkatze, einem Bären oder einem Wisent aus derselben Höhle. Zu den herausragenden Kunstobjekten zählen auch der aurignacienzeitliche [[Löwenmensch]] aus dem [[Hohlenstein]]-Stadel, die [[Venus vom Hohlefels]] oder die Adorantenfigur aus dem Geißenklösterle (alle Baden-Württemberg), ebenso wie die Kopfdarstellungen der [[Venus von Brassempouy|Dame von Brassempouy]] (Frankreich) und ein ähnlich geartetes Figürchen aus Dolní Věstonice. Weiterhin sind bemalte Knochen aus Mezin (Ukraine) oder solche mit komplexen Ritzverzierungen in Stoßzähnen aus Předmostí (Tschechien) überliefert.<ref name="Hock" /><ref name="Bosinski 1987" />

Auch Musikinstrumente wurden teilweise aus Elfenbein hergestellt, wie die Funde von [[Flöte]]nfragmenten aus der Vogelherdhöhle, Geißenklösterle und dem [[Hohler Fels|Hohlen Fels]], alle im Tal der [[Ach (Blau)|Ach]] bei [[Blaubeuren]] gelegen, beweisen.<ref>Nicholas J. Conard, Maria Malina, Susanne C. Münzel: ''New flutes document the earliest musical tradition in southwestern Germany.'' Nature 460, 2009, S. 737–740.</ref> Schlussendlich fanden Schmuck- und Kunstgegenstände auch Verwendung im jungpaläolithischen Bestattungsritus. Herausragend sind hier der Grabfund eines Mannes und die Doppelbestattung zweier Kinder aus der früh- bis mitteljungpaläolithischen Station Sungir. Neben durchbohrten Elfenbeinscheiben wurden vor allem bei dem Männergrab über 3500&nbsp;Elfenbeinperlen verteilt über den Körper des Toten gefunden, die es ermöglichten, die Bekleidung genau zu rekonstruieren, während den beiden Jugendlichen je eine rund 2,4&nbsp;m lange Elfenbeinlanze beigegeben wurde.<ref name="Bosinski 1987" /> Daneben wurden auch vollständige Knochen vom Wollhaarmammut in den Gräbern beigelegt. Im Gravettien dienten so unter anderem Schulterblätter zur Abdeckung der Bestattungen. Beispiele hierfür sind die Gräber von Dolni Vestonice, Pavlov oder Předmostí,<ref>Jiři Svoboda, Vojen Ložek, Emanuel Vlček: ''Hunters between East and West. The Palaeolithic of Moravia.'' New York/London 1996.</ref> aber auch das erst vor wenigen Jahren entdeckte Kinder-Doppelgrab von Krems-Wachtberg.<ref>Marc Händel, Thomas Einwögerer, Ulrich Simon: ''Krems-Wachtberg – A Gravettian Settlement Site in the Middle Danube Region.'' Wissenschaftliche Mitteilungen des Niederösterreichischen Landesmuseumeums 19, 2008, S. 91–108.</ref>

== Stammesgeschichte ==

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In Westsibirien trat die Art ebenfalls noch im ''[[Allerød-Interstadial]]'' auf, verschwand dann aber auch während der Jüngeren Dryas. Das jüngste Datum stammt aber von Funden aus dem Juribei und ist mit 11.700 Jahren vor heute in den Übergang vom Pleistozän zum Holozän zu stellen. In Ostsibirien war das Wollhaarmammut möglicherweise bereits vor rund 12.900 Jahren nicht mehr anwesend. Weiter ins Holozän hineinreichend lässt sich eine Population von der Taimyr-Halbinsel nachweisen. Dort liegen die jüngsten Daten von Funden von der Unteren Taimyra bei etwa 9600 Jahren vor heute.<ref name="Kuzmin" /><ref name="Stuart 2002" /> Demnach überlebte das Wollhaarmammut auf dem zentralen Sibirischen Festland deutlich länger. Dies korreliert mit der Ablösung der trockenen Mammutsteppe durch die feuchteren Tundren- und Waldlandschaften, die von Westen und Osten kommend den Lebensraum der Art zunehmend einschränkten. Die Mammutsteppe hielt sich auf der Taimyr-Halbinsel noch am längsten.<ref name="Dehasquea et al. 2021">Marianne Dehasquea, Patrícia Pecnerov, Heloïse Muller, Alexei Tikhonov, Pavel Nikolskiy, Valeriya I. Tsigankova, Gleb K. Danilov, David Díez-del-Molino, Sergey Vartanyan, Love Dalén, Adrian M. Lister: ''Combining Bayesian age models and genetics to investigate population dynamics and extinction of the last mammoths in northern Siberia.'' Quaternary Science Reviews 259, 2021, S. 106913, [[doi:10.1016/j.quascirev.2021.106913]].</ref>

Die letzten Angehörigen der Art lebten auf der [[Wrangelinsel]]. Der Großteil der an Mammutknochen gewonnenen [[Radiocarbondatierung|Radiocarbondaten]] deckt einen Zeitraum von 8980 bis 3685 Jahren BP ab.<ref name="Vartanyan et al. 2008" /> Die ältere Zeitangabe stimmt in etwa mit der Isolation der Insel vom Festland überein, sie lässt annehmen, dass die Insel von den letzten überlebenden Festlandspopulationen auf der Taimyr-Halbinsel besiedelt wurde.<ref name="Dehasquea et al. 2021" /> Die jüngsten Daten entsprechen chronologisch etwa der [[Altes Ägypten|Zeit der ägyptischen Pharaonen]] oder der mitteleuropäischen [[Bronzezeit]]. Aus dieser Zeit stammen auch die ältesten Hinterlassenschaften von Menschen auf dieser Insel, was zur Vermutung führte, der Mensch habe die Tiere durch starke Bejagung ausgerottet.<ref name="Lister 1993" /><ref>David L. Fox, Daniel C. Fisher, Sergey Vartanyan, Alexei N. Tikhonov, Dick Mol, Bernard Buigues: ''Paleoclimatic implications of oxygen isotopic variation in late Pleistocene and Holocene tusks of Mammuthus primigenius from northern Eurasia.'' Quaternary International 169–170, 2007, S. 154–165.</ref><ref name="Vartanyan et al. 2008" /> Genetische Untersuchungen aus den Jahren 2015 und 2020 zeigten, dass die Mammutpopulation auf der Wrangelinsel, die möglicherweise aufgrund der Größe der Insel aus nicht mehr als 300 bis 500, maximal 800 Individuen bestand, vor allem in der Endphase zahlreiche funktionsverändernde [[Mutation]]en aufwies, hervorgerufen durch [[Inzucht]]. Dies schließt unter anderem eine verminderte Fruchtbarkeit der Bullen, eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit und Entwicklungsstörungen ein. Auch litten die Tiere offensichtlich unter einem zurückgebildeten Geruchssinn, was beispielsweise die Wahrnehmung bestimmter Pflanzendüfte verhinderte. Dieser war aber für die Nahrungssuche essentiell.<ref>Eleftheria Palkopoulou, Swapan Mallick, Pontus Skoglund, Jacob Enk, Nadin Rohland, Heng Li, Ayça Omrak, Sergey Vartanyan, Hendrik Poinar, Anders Götherström, David Reich, Love Dalén: ''Complete Genomes Reveal Signatures of Demographic and Genetic Declines in the Woolly Mammoth.'' Current Biology 25, 2015, S. 1395–1400, [[doi:10.1016/j.cub.2015.04.007]].</ref><ref>Erin Fry, Sun K. Kim, Sravanthi Chigurapti, Katelyn M. Mika, Aakrosh Ratan, Alexander Dammermann, Brian J. Mitchell, Webb Miller, Vincent J. Lynch: ''Functional Architecture of Deleterious Genetic Variants in the Genome of a Wrangel Island Mammoth.'' Genome Biology and Evolution 12 (3), 2020, S. 48–58, [[doi:10.1093/gbe/evz279]].</ref> Mit rund 3900 Jahren vor heute vergleichbar alt wie die jüngsten Fossilreste der Wrangelinsel sind genetische Hinweise auf das Wollhaarmammut, die mittels [[Umwelt-DNA]] im zentral-nördlichen Sibirien auf der [[Taimyr-Halbinsel]] gewonnen wurden.<ref name="Wang et al. 2021">Yucheng Wang, Mikkel Winther Pedersen, Inger Greve Alsos, Bianca De Sanctis, Fernando Racimo, Ana Prohaska, Eric Coissac, Hannah Lois Owens, Marie Kristine Føreid Merkel, Antonio Fernandez-Guerra, Alexandra Rouillard, Youri Lammers, Adriana Alberti, France Denoeud, Daniel Money, Anthony H. Rute, Hugh McColl, Nicolaj Krog Larsen, Anna A. Cherezova, Mary E. Edwards, Grigory B. Fedorov, James Haile, Ludovic Orlando, Lasse Vinner, Thorfinn Sand Korneliussen, David W. Beilman, Anders A. Bjørk, Jialu Cao, Christoph Dockter, Julie Esdale, Galina Gusarova, Kristian K. Kjeldsen, Jan Mangerud, Jeffrey T. Rasic, Birgitte Skadhauge, John Inge Svendsen, Alexei Tikhonov, Patrick Wincker, Yingchun Xing, Yubin Zhang, Duane G. Froese, Carsten Rahbek, David Bravo Nogues, Philip B. Holden, Neil R. Edwards, Richard Durbin, David J. Meltzer, Kurt H. Kjær, Per Möller, Eske Willerslev: ''Late Quaternary dynamics of Arctic biota from ancient environmental genomics.'' Nature 600, 2021, S. 86–92, [[doi:10.1038/s41586-021-04016-x]].</ref>

Auf dem nordamerikanischen Kontinent sind die jüngsten Fossilreste des Wollhaarmammut etwa 13.700 bis 13.100 Jahre alt.<ref>Paul L. Koch, Anthony D. Barnosky: ''Late Quaternary extinctions: State of the debate.'' Annual Reviews of Ecology, Evolution and Systematics 37, 2006, S. 215–250.</ref> Allerdings hielt sich die Art möglicherweise bis in das Holozän hinein. So sprachen erste Ergebnisse an Umwelt-DNA für ein Fortbestehen im Gebiet des [[Yukon River|Yukon]] bis vor rund 10.700&nbsp;Jahren.<ref>James Haile, Duane G. Froese, Ross D. E. MacPhee, Richard G. Roberts, Lee J. Arnold, Alberto V. Reyes, Morten Rasmussen, Rasmus Nielsen, Barry W. Brook, Simon Robinson, Martina Demuro, M. Thomas P. Gilbert, Kasper Munch, Jeremy J. Austin, Alan Cooper, Ian Barnes, Per Möller, Eske Willerslev: ''Ancient DNA reveals late survival of mammoth and horse in interior Alaska.'' PNAS 106 (52), 2009, S. 22352–22357.</ref><ref>Gary Haynes: ''Extinctions in North America’s Late Glacial landscapes.'' Quaternary International 285, 2013, S. 89–98.</ref> Nach vergleichbaren Untersuchungen aus dem Jahr 2022 könnten hier Reliktpopulationen eventuell noch vor rund 5700 Jahren existiert haben.<ref>Tyler J. Murchie, Alistair J. Monteath, Matthew E. Mahony, George S. Long, Scott Cocker, Tara Sadoway, Emil Karpinski, Grant Zazula, Ross D. E. MacPhee, Duane Froese, Hendrik N. Poinar: ''Collapse of the mammoth-steppe in central Yukon as revealed by ancient environmental DNA.'' Nature Communications 12, 2022, S. 7120, [[doi:10.1038/s41467-021-2743]].</ref> Auf der [[Sankt-Paul-Insel (Alaska)|Sankt-Paul-Insel]], die zu den [[Pribilof-Inseln]] gehört und vor 13.000&nbsp;Jahren von Alaska durch das steigende Meerwasser getrennt wurde, entdeckte man Fossilfunde einer Population, die ebenfalls bis in das Mittlere Holozän überlebte. Es handelt sich um relativ kleine Wollhaarmammute, deren geringe Körpergröße jedoch nicht als eine vollständige [[Inselverzwergung]] angesehen wird. Die jüngsten absoluten Daten aus der Qagnax-Höhle von Sankt Paul liegen bei 5725 BP (<sup>14</sup>C-Jahre).<ref name="Enk">J. M. Enk, D. R. Yesner, K. J. Crossen, D. W. Veltre, D. H. O’Rourke: '' Phylogeographic Analysis of the mid-Holocene Mammoth from Qagnax Cave, St. Paul Island, Alaska.'' Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology 273 (1–2), 2009, S. 184–190.</ref><ref>Douglas W. Veltre, David R. Yesner, Kristine J. Crossen, Russell W. Graham, Joan B. Coltrain: ''Patterns of faunal extinction and paleoclimatic change from mid-Holocene mammoth and polar bear remains, Pribilof Islands, Alaska.'' Quaternary Research 70 (1), 2008, S. 40–50.</ref>

==== Theorien zum Aussterben ====

* Die [[Quartäre Aussterbewelle#Der Mensch als Verursacher|Ausrottungshypothese]], in ihrer extremen Form auch als ''Overkill-Hypothese'' oder ''Blitzkrieg-Hypothese'' bekannt, macht in erster Linie den Menschen für den Schwund der pleistozänen Megafauna verantwortlich. Das Wollhaarmammut war eines der Jagdtiere der Menschen im [[Jungpleistozän]]. Dies ist durch zahlreiche Höhlenmalereien und eine Vielzahl von Mammutknochen-Anhäufungen in archäologischen Fundstellen des Aurignacien, Gravettien und Epigravettien dokumentiert. Ob eine übermäßige Bejagung („Overkill-Hypothese“) das Aussterben der Tiere verursacht hat oder rasche Klimaveränderungen zum Ende der Eiszeit (Erwärmung im ''Allerød-Interstadial''), ist bis heute umstritten. Da das Mammut und andere eiszeitliche Säuger schon vorher viele heftige Klimaschwankungen überlebt hatten, ist ein menschlicher Einfluss auf das vollständige Verschwinden plausibel. Eine Studie von C. Johnson deutet darauf hin, dass das Aussterben des Wollhaarmammuts und anderer pleistozäner Arten mit einer rapiden Abnahme der Fruchtbarkeit einherging.<ref>C. N. Johnson: ''Determinants of loss of mammal species during the Late Quaternary ‘megafauna’ extinctions: life history and ecology, but not body size.'' Proceedings of the Royal Society of London 269, 2002, S. 2221–2227.</ref> Diesen Analysen zufolge seien nicht die größten Arten des Pleistozäns ausgestorben, sondern jene mit den geringsten Reproduktionsraten. Folglich sei die ''Blitzkrieg-Hypothese'' als besonders schnelle Aussterbewelle durch gezielte Bejagung der größten Arten zurückzuweisen. Eine Ausrottung der Megafauna einschließlich des Wollhaarmammuts durch wachsende [[Jäger und Sammler|Jäger-und-Sammler]]-Populationen ist aber mit den Ergebnissen der Analyse im Einklang.

* Die Klimahypothese ist neben der Ausrottungshypothese die am häufigsten angeführte Erklärungsmöglichkeit zum Aussterben der Großtierfauna am Ende des Pleistozäns. Das schrittweise Verschwinden des Wollhaarmammuts fällt teilweise mit der Erwärmung des Klimas am Ende des Pleistozäns zusammen. Als problematisch an dieser Hypothese wird dabei angesehen, dass es während des gesamten Pleistozäns zahlreiche teilweise deutlich stärkere Klimaschwankungen gab, die nicht zu Massenaussterben führten.<ref name="premature burial">Stuart Fiedel, Gary Haynes: ''A premature burial: comments on Grayson and Meltzer’s “Requiem for overkill”.'' Journal of Archaeological Science 31 (2004) 121–131, [[doi:10.1016/j.jas.2003.06.004]].</ref> Eine Studie aus dem Jahr 2021 favorisiert trotz dieser Bedenken die Klimahypothese. Sie kommt nach Untersuchungen von sogenannter [[Umwelt-DNA]], also genetischen Spuren von Pflanzen und Tieren im Erdboden, zu dem Schluss, dass vor allem der Rückgang der nährstoffreichen [[Mammutsteppe]] am Ende der letzten Kaltzeit verbunden mit dem zunehmend wärmeren und feuchteren Klima ursächlich verantwortlich war für das Aussterben des Wollhaarmammuts. Der Einfluss des Menschen auf die schwindenden Mammutpopulationen wird dagegen als gering eingestuft. Für die umfassende Analyse standen mehr als 530 Bodenproben aus fast dem gesamten circumpolaren Gebiet zur Verfügung. Das Alter der Proben reicht bis zu 50.000 Jahre zurück.<ref name="Wang et al. 2021" />

* Als Variante der Klimahypothese postuliert die sogenannte Impakt-Hypothese als Ursache für die Klimaschwankungen den angeblichen [[Impakt|Einschlag]] (''Impakt'') eines oder mehrerer großer [[Astronomisches Objekt|astronomischer Objekte]] geringer Dichte vor etwa 12.900&nbsp;Jahren (±&nbsp;100&nbsp;Jahre) im nördlichen Nordamerika. Der Einschlag sei die Ursache für die unvermittelt einsetzende starke Abkühlung der ''Jüngeren Dryas'' gewesen, diese wiederum die Ursache für das Aussterben der pleistozänen [[Megafauna]] in Nordamerika (einschließlich des Wollhaarmammuts) sowie der Untergang der prähistorischen [[Clovis-Kultur]] der [[Paläoindianer]] gewesen. Die Hypothese wurde im Jahr 2007 durch Richard B. Firestone und Kollegen publiziert.<ref>R. B. Firestone, A. West, J. P. Kennett, L. Becker, T. E. Bunch, Z. S. Revay, P. H. Schultz, T. Belgya, D. J. Kennett, J. M. Erlandson, O. J. Dickenson, A. C. Goodyear, R. S. Harris, G. A. Howard, J. B. Kloosterman, P. Lechler, P. A. Mayewski, J. Montgomery, R. Poreda, T. Darrah, S. S. Que Hee, A. R. Smith, A. Stich, W. Topping, J. H. Wittke, W. S. Wolbach: ''Evidence for an extraterrestrial impact 12,900 years ago that contributed to the megafaunal extinctions and Younger Dryas cooling.'' Proceedings of the National Academy of Sciences 104, 2007, S. 16016–16021 ([https://www.pnas.org/content/104/41/16016]).</ref> Eine 2008 veröffentlichte Untersuchung der [[Demographie|demographischen]] Entwicklung der Paläoindianer für den fraglichen Zeitraum ergab jedoch keinen Hinweis auf den in der Hypothese genannten Bevölkerungsrückgang.<ref>Briggs Buchanan, Mark Collard, Kevan Edinborough: ''Paleoindian demography and the extraterrestrial impact hypothesis.'' Proceedings of the National Academy of Sciences 105, 2008, S. 11651–11654 ([https://www.pnas.org/content/104/41/16016 Online]).</ref> Auch konnten die angeblichen Anzeichen des Einschlags von einer unabhängigen Forschergruppe nicht bestätigt werden.<ref>T. A. Surovell, V. T. Holliday, J. A. M. Gingerich, C. Ketron, C. V. Jr. Haynes, I. Hilman, D. P. Wagner, E. Johnson, P. Claeys: ''An independent evaluation of the Younger Dryas extraterrestrial impact hypothesis.'' PNAS 106 (43), 2009, S. 18155–18158.</ref>

Eine jüngere Studie kam zu dem Ergebnis, dass eine Kombination beider Faktoren, Klima und Mensch, am wahrscheinlichsten für das Aussterben des Wollhaarmammuts ist. Die klimatischen Veränderungen zwischen dem späten Pleistozän und dem frühen Holozän führten demnach dazu, dass das Wollhaarmammut große Teile seines Verbreitungsgebietes einbüßte. So war es zuletzt auf die arktischen Gebiete Sibiriens beschränkt. Dies ging mit einem starken Populationsrückgang einher, der die Art anfällig für menschliche Bejagung machte. Dies führte schließlich offenbar zum endgültigen Aussterben der Art.<ref>D. Nogués-Bravo, J. Rodríguez, J. Hortal, P. Batra, M. B. Araújo: ''Climate change, humans, and the extinction of the woolly mammoth.'' PLoS Biology 6, 4, 2008, e79, [[doi:10.1371/journal.pbio.0060079]].</ref><ref>Caitlin Sedwick: ''What Killed the Woolly Mammoth?'' PLoS Biology 6 (4), 2008, S. e99, [[doi:10.1371/journal.pbio.0060099]].</ref>

== Wiedererschaffung des Wollhaarmammuts ==

== Systematik und Genetik ==

Seit Längerem bestehen Überlegungen ein Wollhaarmammut mithilfe gentechnischer Methoden zu erschaffen. Konkrete Vorhaben, das Wollhaarmammut mit Hilfe gefrorener Zellen zu [[klonen]], scheiterten bisher an der starken Fragmentierung der [[DNA]]. Anfang 2011 gab der emeritierte Professor [[Akira Iritani]] ([[Universität von Kyoto]]) bekannt, einen weiteren Versuch zu starten, um aus den Resten von eingefrorenen Mammuten intaktes Erbgut zu gewinnen. Dabei wollte das Team sich einer Technik bedienen, die den Forscher [[Teruhiko Wakayama]] befähigte, eine 16 Jahre lang eingefrorene Maus zu klonen.<ref>Spiegel Online – Wissenschaft: ''Japaner wollen Mammut klonen.'' ([http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,739918,00.html]), 17. Januar 2011.</ref> Ein weiterer möglicher Ansatz besteht darin, die Chromosomen des Wollhaarmammuts anhand von Sequenzdaten künstlich zu erschaffen, sie in einen Zellkern zu verpacken und schließlich in eine Elefanten-Eizelle einzuschleusen. Diese Eizelle könnte dann einer Elefantenkuh eingepflanzt werden, die dann im Erfolgsfall ein Mammut austrüge. Die dazu nötigen Methoden sind derzeit allerdings noch nicht weit genug fortgeschritten, um auf diesem Weg ein Mammut erschaffen zu können. So ist man bisher nicht in der Lage, ganze Chromosomen künstlich nachzubauen. Eine weitere Möglichkeit, das Wollhaarmammut zu erschaffen, bestünde darin, das Erbgut des Elefanten durch ''[[Gene-Targeting]]'' schrittweise zu verändern, um dem Mammut bei jedem Schritt ein Stück näher zu kommen. Diese Technik ist derzeit bereits bei anderen Tieren etabliert, aber im Falle des Elefanten noch nicht erprobt. Bei der dabei notwendigen Implantierung von Eizellen oder Embryonen birgt insbesondere die natürliche Anatomie des Elefanten erhebliche Hindernisse. Auch würde die sehr lange Generationszeit von Elefanten diesen Ansatz zu einem echten Langzeitprojekt auswachsen lassen.<ref>Henry Nicholls: ''Darwin 200: Let's make a mammoth.'' Nature 456, 2008, S. 310–314 ([http://www.nature.com/news/2008/081119/full/456310a.html]).</ref> Mittelfristig könnte auf diese Weise zumindest ein Tier entstehen, das dem Wollhaarmammut sehr ähnlich ist und möglicherweise sogar dessen ökologische Rolle übernehmen könnte. Langfristig wäre es theoretisch auch auf diesem Weg möglich, ein Tier zu generieren, das dem Wollhaarmammut genetisch nahezu vollständig entspricht.

<div class="float-right" style=" width:248px; border: #99B3FF solid 2px;"><div style="text-align:center;font-size:smaller;">Innere Systematik der Elefanten nach Meyer et al. 2017.<ref name="Meyer et al. 2017">Matthias Meyer, Eleftheria Palkopoulou, Sina Baleka, Mathias Stiller, Kirsty E. H. Penkman, Kurt W. Alt, Yasuko Ishida, Dietrich Mania, Swapan Mallick, Tom Meijer, Harald Meller, Sarah Nagel, Birgit Nickel, Sven Ostritz, Nadin Rohland, Karol Schauer, Tim Schüler, Alfred L Roca, David Reich, Beth Shapiro, Michael Hofreiter: ''Palaeogenomes of Eurasian straight-tusked elephants challenge the current view of elephant evolution.'' eLife 6, 2017, S. e25413, [[doi:10.7554/eLife.25413]].</ref></div>

{{Klade|style=white-space:nowrap;font-size:75%;line-height:100%

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[[Datei:MammothVsMastodon.jpg|mini|Rekonstruktion von Wollhaarmammut (links) und [[Amerikanisches Mastodon|Amerikanischem Mastodon]] (rechts)]]

Das Wollhaarmammut als Vertreter der [[Gattung (Biologie)|Gattung]] ''[[Mammuthus]]'' gehört zur [[Familie (Biologie)|Familie]] der [[Elefanten]] (Elephantidae), der weiterhin die rezenten Gattungen ''[[Elephas]]'' mit dem Asiatischen Elefanten (''Elephas maximus''), ''[[Loxodonta]]'' mit dem [[Afrikanischer Elefant|Afrikanischen Elefanten]] (''Loxodonta africana'') und dem [[Waldelefant]]en (''Loxodonta cyclotis'') und die ausgestorbene Gattung ''[[Primelephas]]'' zugewiesen werden. Allen Vertretern der Elefanten gemein ist der lamellenartige Aufbau und die ausgeprägte Hochkronigkeit ([[Hypsodontie]]) der Backenzähne beziehungsweise die Bildung der Stoßzähne aus den oberen Schneidezähnen.<ref>Jan van der Made: ''The evolution of the elephants and their relatives in context of a changing climate and geography.'' In: Harald Meller (Hrsg.): ''Elefantenreich – Eine Fossilwelt in Europa.'' Halle/Saale, 2010, S. 340–360.</ref><ref>Ute Koch: ''Das Mammut und seine Verwandten.'' In: Ulrich Joger, Ute Koch (Hrsg.): ''Mammuts aus Sibirien.'' Darmstadt, 1994, S. 33–37.</ref> Mit Hilfe des [[Genom]]s des Wollhaarmammuts, das aus über 4&nbsp;Gb ([[Vorsätze für Maßeinheiten|Giga]]-[[Basenpaar]]e) besteht, konnte ein geschätzter genetische Unterschied zum Afrikanischem Elefanten von weniger als 0,6 % festgestellt werden, was nur etwa halb so groß ist wie der zwischen [[Gemeiner Schimpanse|Schimpanse]] und Mensch. Mit dem Asiatischen Elefanten ist das Wollhaarmammut noch näher verwandt.<ref name="Miller 2008">Webb Miller, Daniela I. Drautz, Aakrosh Ratan, Barbara Pusey, Ji Qi, Arthur M. Lesk, Lynn P. Tomsho, Michael D. Packard, Fangqing Zhao, Andrei Sher, Alexei Tikhonov, Brian Raney, Nick Patterson, Kerstin Lindblad-Toh, Eric S. Lander, James R. Knight, Gerard P. Irzyk, Karin M. Fredrikson, Timothy T. Harkins, Sharon Sheridan, Tom Pringle, Stephan C. Schuster: ''Sequencing the nuclear genome of the extinct woolly mammoth.'' Nature 456, 2008, S. 387–390.</ref> In absoluten Altersdaten ausgedrückt bedeutet dies, dass sich die Linien ''Elephas'' und ''Mammuthus'' vor 6,7&nbsp;Millionen Jahren trennten, während ''Loxodonta'' sich schon vor 7,6&nbsp;Millionen Jahren abgespaltet hatte. Die [[Mammutidae|Mammutiden]], eine urtümliche, mit den Elefanten nur entfernt verwandte Rüsseltierlinie, zu denen auch das bis ins Jungpleistozän überlebende [[Amerikanisches Mastodon|Amerikanische Mastodon]] (''Mammut americanum'') gehört, gingen bereits vor 26&nbsp;Millionen Jahren ihren eigenen evolutiven Weg.<ref>Nadin Rohland, Anna-Sapfo Malaspinas, Joshua L. Pollack, Montgomery Slatkin, Paul Matheus, Michael Hofreiter: ''Proboscidean Mitogenomics: Chronology and Mode of Elephant Evolution Using Mastodon as Outgroup.'' PLoS Biology 5 (August), 2007, S. 1663–1671.</ref><ref name="Gilbert 2008">M. Thomas P. Gilbert, Daniela I. Drautz, Arthur M. Lesk, Simon Y. W. Ho, Ji Qi, Aakrosh Ratan, Chih-Hao Hsu, Andrei Sher, Love Dalén, Anders Götherström, Lynn P. Tomsho, Snjezana Rendulic, Michael Packard, Paula F. Campos, Tatyana V. Kuznetsova, Fyodor Shidlovskiy, Alexei Tikhonovj, Eske Willerslev, Paola Iacumin, Bernard Buigues, Per G. P. Ericson, Mietje Germonpré, Pavel Kosintsev, Vladimir Nikolaev, Malgosia Nowak-Kemp, James R. Knight, Gerard P. Irzyk, Clotilde S. Perbost, Karin M. Fredrikson, Timothy T. Harkins, Sharon Sheridan, Webb Miller, Stephan C. Schuster: '' Intraspecific phylogenetic analysis of Siberian woolly mammoths using complete mitochondrial genomes.'' PNAS 105 (24), 2008, S. 8327–8332.</ref><ref>Cristian Capelli, Ross D. E. MacPhee, Alfred L. Roca, Francesca Brisighelli, Nicholas Georgiadis, Stephen J. O’Brien, Alex D. Greenwood: ''A nuclear DNA phylogeny of the woolly mammoth (Mammuthus primigenius).'' Molecular Phylogenetics and Evolution 40, 2006, S. 620–627.</ref>

Im Jahr 2019 gelang es erstmals einem Forscherteam um Kazuo Yamagata [[zellkern]]artige Strukturen aus dem Knochenmark und dem Muskelfleisch der Eismumie des 2009 entdeckten ''Yuka-Mammuts'' zu extrahieren und in die [[Eizelle]]n von Mäusen zu implantieren. Die Mammut-Zellkerne begannen [[Protein]]e aus den Mauszellen zu übernehmen und weitere kernartige Strukturen herauszubilden. Allerdings kam es nicht zu einer Zellteilung, da die Mammut-Zellkerne offensichtlich zu stark beschädigt waren. Die Wissenschaftler der Studie betonen, dass es mit der derzeitigen [[Nukleotid]]-Technologie nicht möglich sei, ein Mammut zu klonen, sie sehen ihre Ergebnisse aber als wichtigen Schritt in diese Richtung an.<ref name="Yamagata et al. 2019">Kazuo Yamagata, Kouhei Nagai, Hiroshi Miyamoto, Masayuki Anzai, Hiromi Kato, Kei Miyamoto, Satoshi Kurosaka, Rika Azuma, Igor I. Kolodeznikov, Albert V. Protopopov, Valerii V. Plotnikov, Hisato Kobayashi, Ryouka Kawahara-Miki, Tomohiro Kono, Masao Uchida, Yasuyuki Shibata, Tetsuya Handa, Hiroshi Kimura, Yoshihiko Hosoi, Tasuku Mitani, Kazuya Matsumoto, Akira Iritani: ''Signs of biological activities of 28,000-year-old mammoth nuclei in mouse oocytes visualized by live-cell imaging.'' Science Reports 9, 2019, S. 4050, [[doi:10.1038/s41598-019-40546-1]].</ref>

Dabei ist das Wollhaarmammut aus dem [[Steppenmammut]] (''Mammuthus trogontherii'') hervorgegangen und bildet mit ihm eine Schwesterlinie zum [[Präriemammut]] (''Mammuthus columbi'') und dem [[Zwergmammut]] (''Mammuthus exilis'') auf dem amerikanischen Kontinent. [[Molekulargenetik|Molekulargenetischen]] Untersuchungen zufolge trennten sich beide Linien vor etwa zwei Millionen Jahren.<ref name="Enk" /> Die enge Verwandtschaft zwischen dem Wollhaarmammut, dem Steppenmammut und dem Präriemammut ließ sich im Jahr 2021 ebenfalls genetisch bestätigen. Verwendet wurden hierbei drei Mammutzähne aus dem nordöstlichen Sibirien, von denen ein Fund aus Chukochya mit rund 0,5 bis 0,8 Millionen Jahren einen der ältesten bekannten Reste des Wollhaarmammuts repräsentiert, die beiden anderen aus Adycha und Krestovka mit einem Alter zwischen 1,2 und 1,0 Millionen Jahren ähneln morphologisch denen des Steppenmammuts. Jedoch stehen die beiden Funde aus Adycha und Krestovka nicht in einer direkten Verwandtschaftslinie zueinander, da letzterer einen Seitenzweig bildet, während ersterer weitgehend dem Steppenmammut entspricht. Die Krestovka-Linie entwickelte sich aus genetischer Sicht später zum Präriemammut weiter, war jedoch einem stärkeren [[Genfluss]] aus der Steppenmammut-Wollhaarmammut-Linie ausgesetzt.<ref>Tom van der Valk, Patrícia Pečnerová, David Díez-del-Molino, Anders Bergström, Jonas Oppenheimer, Stefanie Hartmann, Georgios Xenikoudakis, Jessica A. Thomas, Marianne Dehasque, Ekin Sağlıcan, Fatma Rabia Fidan, Ian Barnes, Shanlin Liu, Mehmet Somel, Peter D. Heintzman, Pavel Nikolskiy, Beth Shapiro, Pontus Skoglund, Michael Hofreiter, Adrian M. Lister, Anders Götherström, Love Dalén: ''Million-year-old DNA sheds light on the genomic history of mammoths.'' Nature 591, 2021, S. 265–269, [[doi:10.1038/s41586-021-03224-9]].</ref>

== Wollhaarmammut und Mensch ==

Schon Anfang des 21.&nbsp;Jahrhunderts zeigten DNA-Untersuchungen an immerhin sechs verschiedenen Individuen, dass das Wollhaarmammut offenbar aus zwei genetischen Gruppen besteht.<ref>G. S. Rautian, I. A. Dubrovo: '' Genetic data indicating that Mammuthus primigenius includes two species.'' In: G. Cavarretta, P. Gioia, M. Mussi, M. R. Palombo (Hrsg.): ''The World of Elephants – International Congress. Consiglio Nazionale delle Ricerche.'' Rom, 2001, S. 552–556.</ref> Spätere Analysen an mindestens 18&nbsp;sibirischen Funden – beispielsweise vom ''Jarkow-Mammut'', dem ''Fischhaken-Mammut'', ''Dima'' und vom ''Adams-Mammut'' – bestätigten diese Ansicht. Die beiden Wollhaarmammut-Linien wurden dabei Klade I und Klade II genannt. Während Vertreter von Klade I weit über das nördliche Eurasien und Nordamerika verbreitet waren, beschränkten sich jene der Klade II bisher auf die Region zwischen der Lena und der Kolyma. Außerdem scheint sie schon vor wenigstens 33.000&nbsp;Jahren erloschen zu sein.<ref name="Gilbert 2008" /> Was die Trennung der beiden Gruppen verursachte, ob [[Selektion (Evolution)|Selektion]] oder [[Gendrift]], ist bisher nicht geklärt, anatomische oder funktionelle Änderungen scheinen sie nicht bewirkt zu haben. Die Aufspaltung der beiden Kladen geschah nach bisherigen Untersuchungen bereits vor ein oder zwei Millionen Jahren.<ref name="Miller 2008" /><ref name="Gilbert 2008" /><ref>Ian Barnes, Beth Shapiro, Adrian Lister, Tatiana Kuznetsova, Andrei Sher, Dale Guthrie, Mark G. Thomas: ''Genetic Structure and Extinctionof the Woolly Mammoth, Mammuthus primigenius.'' Current Biology 17, 2007, S. 1072–1075, [[doi:10.1016/j.cub.2007.05.035]].</ref> Eine weitere, fossil bisher nicht identifizierte Linie konnte mittels [[Umwelt-DNA]] nachgewiesen werden.<ref name="Wang et al. 2021" />

=== Das Wollhaarmammut als Nahrungs- und Rohstofflieferant ===

Wie bei vielen pleistozänen Großsäugetieren ist eine aktive Bejagung durch den frühen Menschen schwer nachweisbar, da die meist aus organischem Material bestehenden [[Jagdwaffe]]n äußerst selten aufgefunden werden. Prinzipiell ließen sich alle Überreste eines Wollhaarmammuts verwerten, so natürlich Fleisch, Fett und Knochenmark als Nahrung, Knochen und Elfenbein als Rohmaterial für Geräte, Werkzeuge und [[Schmuck]], das Fell als Kleidung oder Bedeckung für Wohnbauten wie [[Zelt]]e, und Sehnen für Fäden und Schnüre.<ref name="Hock 1994">Hans-Peter Hock: ''Die Welt der Mammutjäger.'' In: Ulrich Joger, Ute Koch (Hrsg.): ''Mammuts aus Sibirien.'' Darmstadt 1994, S. 78–93.</ref> Im November 2012 ist das fast vollständige Skelett eines Wollhaarmammuts in [[Changis-sur-Marne]], [[Département Seine-et-Marne]] ausgegraben worden. Offenbar wurden dabei auch Feuersteinsplitter entdeckt. Ob das Tier gejagt wurde oder Verwendung fand, nachdem es möglicherweise im Schlamm versunken war, wird noch erforscht.<ref>Muséum national d´Historie naturell: ''Rapport d'activité 2012.'' ([http://www.mnhn.fr/sites/mnhn.fr/files/documents/2012_rapport_activite_museum.pdf], PDF (4,51&nbsp;MB)).</ref>

Frühe Zusammenfunde von menschlichen Hinterlassenschaften mit Resten des Wollhaarmammuts stammen aus dem [[Mittelpaläolithikum]] (vor 300.000 bis 40.000 Jahren) der ersten Hälfte der Weichsel-Kaltzeit. An der rund 60.000 Jahre alten Fundstelle [[Salzgitter-Lebenstedt (archäologischer Fundplatz)|Salzgitter-Lebenstedt]] (Niedersachsen) sind neben anderen Tierresten Knochen und Zähne von mindestens 16 Mammutindividuen zusammen mit rund 1000 [[Feuersteinwerkzeug|Feuersteinartefakten]] nachgewiesen. Ob das Wollhaarmammut aber von den damaligen [[Neandertaler]]n auch erlegt wurde, ist nicht bekannt. Da am Fundplatz das Ren mit etwa 80&nbsp;Individuen dominiert, handelt es sich wohl eher um eine Gruppe spezialisierter Rentierjäger.<ref>Sabine Gaudzinski: ''Ein mittelpaläolithisches Rentierlager bei Salzgitter-Lebenstedt.'' In: Manfred Boetzkes, Ingeborg Schweitzer und Jürgen Vespermann (Hrsg.): ''EisZeit – Das große Abenteuer der Naturbeherrschung. Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung.'' Hildesheim 1999, S. 121–136.</ref> Auch in der rund 90.000&nbsp;Jahre alten Fundschicht A von [[Königsaue]] (Sachsen-Anhalt) im Nordharzvorland wurden Reste von mindestens vier jüngeren Mammutindividuen gefunden, die mit Geräten des [[Micoquien]] vergesellschaftet sind.<ref>Dietrich Mania, V. Toepfer: ''Königsaue. Gliederung, Ökologie und mittelpaläolithische Funde der letzten Eiszeit.'' Veröffentlichungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle/Saale 26, Berlin, 1973.</ref> Eine mögliche direkte Verwertung eines Wollhaarmammuts vor Ort oder gar eine aktive Bejagung könnte der Befund von [[Asolo]] (Italien) darstellen, der mehr als 50&nbsp;Knochenreste eines erwachsenen weiblichen Mammuts in direkter Verbindung mit fünf Feuersteinartefakten, darunter zwei [[Levalloistechnik|Levalloisspitzen]], umfasst.<ref>Margherita Mussi, Paola Villa: ''Single carcass of Mammuthus primigenius with lithic artifacts in the Upper Pleistocene of northern Italy.'' Journal of Archaeological Science 35, 2008, S. 2606–2613.</ref> Auch in Sibirien sind mehrere Fundstellen aus dem Mittelpaläolithikum bekannt, an denen Mammutknochen mit menschlichen Hinterlassenschaften assoziiert sind, so im nördlichen Teil allein acht<ref name="Vasilev">Sergey A. Vasil’ev: ''Man and Mammoth in Pleistocene Siberia.'' In: G. Cavarretta, P. Gioia, M. Mussi, M. R. Palombo (Hrsg.): ''The World of Elephants – International Congress. Consiglio Nazionale delle Ricerche.'' Rom 2001, S. 363–366.</ref> und im südlichen Teil am [[Oberlauf]] des [[Jenissei]] wenigstens zwei.<ref name="Kutzmin 2011">Yaroslav V. Kutzmin: ''Mammalian Fauna from Palaeolithic sites in the Upper Yenisei River Basin (Southern Siberia): Review of the current zooarchaeological evidence.'' International Journal of Osteoarchaeology 21, 2011, S. 218–228.</ref> Die Nutzung von Mammutknochen als Rohmaterial zeigt der bekannte beinerne, rund 15&nbsp;cm lange [[Faustkeil von Rhede]] (Nordrhein-Westfalen)<ref>Gernot Tromnau: ''Ein Mammutknochen-Faustkeil aus Rhede, Kr. Borken (Westfalen).'' Archäologisches Korrespondenzblatt 13, 1983, S. 287–289.</ref> oder einzelne bearbeitete Knochen aus der Kůlna-Höhle in [[Mähren]].<ref>Karel Valoch: ''Die Erforschung der Kůlna-Höhle 1961–1976.'' Anthropos 24, Brno, 1988.</ref> Ein unikater Fund stammt aus [[Tata (Ungarn)|Tata]] ([[Ungarn]]), wo eine Lamelle eines unteren Mammutmolars von Neandertalern vollständig poliert, die Kanten gerundet und die Oberflächen mit Ocker bedeckt wurden. Da dieses Objekt zwar überarbeitet, aber nicht benutzbar war, gehört es zu den seltenen Funden von ''non-utilitarian objects'' (nicht benutzten Objekten), die schon beim Neandertaler ein mögliches frühes Aufkeimen von künstlerischem Ausdruck aufzeigen.<ref name="Dobosi">V. T. Dobosi: ''Ex Proboscideis – Proboscidean remains as raw material at four Palaeolithic sites, Hungary.'' In: G. Cavarretta, P. Gioia, M. Mussi, M. R. Palombo (Hrsg.): ''The World of Elephants – International Congress. Consiglio Nazionale delle Ricerche.'' Rom 2001, S. 429–431.</ref><ref>Joachim Schäfer: ''Die Wertschätzung außergewöhnlicher Gegenstände (non-utilitarian objects) im Alt- und Mittelpaläolithikum.'' Ethnographisch-Archäologische Zeitschrift 36, 1996, S. 173–190.</ref>

Darüber hinaus zeigten Analysen der [[Mitochondriale DNA|mitochondrialen DNA]] von 160&nbsp;Mammutindividuen aus der gesamten [[Holarktis]], dass sich das Wollhaarmammut offenbar nicht nur über die Beringstraße nach Nordamerika ausbreitete, sondern auch gelegentlich nach Eurasien zurückkehrte und so ein dynamisches Besiedlungsverhalten besaß. Dabei wurden fünf [[Haplogruppe]]n (A bis E) identifiziert, von denen die Gruppe&nbsp;C ursprünglich bis vor 47.000&nbsp;Jahren nur in Nordamerika beheimatet war und offensichtlich die ursprüngliche Einwanderungswelle darstellte. Bis vor 22.000&nbsp;Jahren wanderten die Vertreter der vier anderen Gruppen ebenfalls über die Beringstraße nach Nordamerika, während die dortige Population nun auch im nördlichen Eurasien anzutreffen war. Die gemischten Gruppen überlebten dann bis zum Ende der letzten Vereisungsphase, während die Vertreter der Gruppe E die letzten Wollhaarmammute auf der Wrangelinsel waren.<ref>Regis Debruyne, Genevieve Chu, Christine E. King, Kirsti Bos, Melanie Kuch, Carsten Schwarz, Paul Szpak, Darren R. Gröcke, Paul Matheus, Grant Zazula, Dale Guthrie, Duane Froese, Bernard Buigues, Christian de Marliave, Clare Flemming,8 Debi Poinar, Daniel Fisher, John Southon, Alexei N. Tikhonov, Ross D.E. MacPhee, Hendrik N. Poinar: '' Out of America: Ancient DNA Evidence for a New World Origin of Late Quaternary Woolly Mammoths.'' Current Biology 18, 2008, S. 1–7.</ref>

Im darauf folgenden Jungpaläolithikum (vor 40.000 bis 11.600&nbsp;Jahren), dessen Träger der anatomisch moderne Mensch war, war das Wollhaarmammut ebenfalls eine wichtige Rohmaterialressource. Aber auch hier gibt es trotz des riesigen Verbreitungsgebietes nur ganz wenige Hinweise auf eine aktive Jagd auf dieses Großsäugetier.<ref name="Kutzmin 2011" /> Aus den [[aurignacien]]zeitlichen Fundschichten der [[Vogelherdhöhle]] (Baden-Württemberg) sind mehr als 3500 Reste von wenigstens 28 Mammutindividuen bekannt. Dabei wurde sicher nicht nur das Fleisch verzehrt, sondern auch Knochen und Elfenbein verarbeitet, wie Funde von Elfenbeinstäben zeigen, die – ausgehend von der natürlichen Krümmung der Stoßzähne – gerade gebogen wurden.<ref>Laura Niven: ''The role of mammoths in Upper Palaeolithic economies of southern Germany.'' In: G. Cavarretta, P. Gioia, M. Mussi, M. R. Palombo (Hrsg.): ''The World of Elephants – International Congress. Consiglio Nazionale delle Ricerche.'' Rom, 2001, S. 323–327.</ref><ref>Laura Niven: '' From carcass to cave: Large mammal exploitation during the Aurignacian at Vogelherd, Germany.'' Journal of Human Evolution 53, 2007, S. 362e382.</ref> Ein ähnlicher, etwa zeitgleicher Befund stammt aus der Istállóskö-Höhle im [[Bükk-Gebirge]] (Ungarn).<ref name="Dobosi" /> Während des nachfolgenden [[Gravettien]] stieg die Nutzung des Wollhaarmammuts als Ressource im südlichen und südöstlichen Mitteleuropa (hier auch [[Pavlovien]] genannt) deutlich an. An der Station [[Krems-Wachtberg]] in [[Niederösterreich]] ist die Tierart die dominante Spezies. Vor allem an Wirbeln und Rippen zeigen sich deutliche Schnittspuren, die offensichtlich bei der Entfernung des Fleisches entstanden. Einzelne Rippen sind auch zu Geräten weiterverarbeitet worden.<ref>F. A. Fladerer: '' The Krems-Wachtberg camp-site: mammoth carcass utilization along the Danube 27,000 years ago.'' In: G. Cavarretta, P. Gioia, M. Mussi, M. R. Palombo (Hrsg.): ''The World of Elephants – International Congress. Consiglio Nazionale delle Ricerche.'' Rom, 2001, S. 432–438.</ref> Hervorzuheben sind die Anhäufungen von Wollhaarmammutknochen an der ebenfalls dem Gravettien angehörenden Fundstelle [[Dolní Věstonice]] (Mähren), wo auf einer Fläche von etwa 12 mal 45&nbsp;m über 6300&nbsp;Knochen- und Zahnreste von mehr als 156&nbsp;Mammutindividuen gefunden wurden. Ähnliche Befunde gibt es auch von Predmosti und Milovice (beide ebenfalls Mähren).<ref>Bohuslav Klíma: ''Die große Anhäufung von Mammutknochen in Dolní Vestonice.'' Acta Scientiarum Naturalium Brno 3 (6), 1969, S. 1–52.</ref><ref>Martin Oliva: ''Some thoughts on pavlovian adaptions and their alternatives.'' In: Wil Roebroeks, Margherita Mussi, Jiří Svoboda und Kelly Fennema (Hrsg.): ''Hunters of the Golden Age.'' Leiden, 2000, S. 219–230.</ref>

Weiterhin wies der DNA-Code für das [[Hämoglobin]] eines 43.000&nbsp;Jahre alten Wollhaarmammuts drei vom Hämoglobin eines Asiatischen Elefanten abweichende Sequenzen auf. Das Hämoglobin-Gen des Wollhaarmammuts wurde 2010 in Bakterien eingeschleust, worauf diese das Mammutprotein produzierten. Aus der unterschiedlichen Sauerstoffsättigung zwischen dem Hämoglobin des Wollhaarmammuts und dem des Asiatischen Elefanten erhofft man sich Erkenntnisse über die Kälteanpassung der Mammute.<ref>Kevin L Campbell, Jason E. E. Roberts, Laura N. Watson, Jörg Stetefeld, Angela M. Sloan, Anthony V. Signore, Jesse W. Howatt, Jeremy R. H. Tame, Nadin Rohland, Tong-Jian Shen, Jeremy J. Austin, Michael Hofreiter5, Chien Ho, Roy E. Weber, Alan Cooper: ''Substitutions in woolly mammoth hemoglobin confer biochemical properties adaptive for cold tolerance.'' Nature Genetics 42, 2010, S. 536–540, [[doi:10.1038/ng.574]].</ref>

Besonders bedeutend war die Nutzung der Knochen und Stoßzähne des Wollhaarmammuts im östlichen Europa. Allein in [[Mesyn]] wurden Reste von mehr als 100&nbsp;Mammuten gefunden, während es in [[Meschyritsch (Tscherkassy)|Meschyritsch]] (ebenfalls Ukraine) 110 waren. Beide Fundstellen gehören dem osteuropäischen [[Epigravettien]] (entspricht dem Magdalénien Mitteleuropas) an und datieren um 15.000&nbsp;BP. Spektakulär sind die Mammutknochenhäuser von beiden Fundstellen, aber auch von Dobranichevka und Kiev, Kirillovskaja Ulica (alle Ukraine). Allein in Mezin sind fünf Hüttenreste überliefert; der am besten erhaltene Rest hatte einen Durchmesser von 5&nbsp;m. An seiner Peripherie befanden sich 14&nbsp;Schädel des Rüsseltiers nebst Lang- und Beckenknochen, während im Innern vor allem Schulterblätter und Unterkiefer lagen. Diese bildeten offensichtlich die Wandung der Rundhütte, welche später einstürzte.<ref name="Hock 1994" /><ref>I. G. Pidoplichko: ''Upper Palaeolithic dwellings of mammoth bones in the Ukraine.'' BAR International Series 712, 1998.</ref> In einen ähnlichen zeitlichen Kontext gehören mehrere Exemplare des Wollhaarmammuts von einer Fundstelle im Umkreis des Dorfes [[Judinowo]] im Rajon [[Pogar]] in der [[Osteuropäische Ebene|Osteuropäischen Ebene]], die zwischen den 1940er und 1990er Jahren ausgegraben wurde. In einer Analyse der Mammutknochen aus dem Jahr 2008 ergaben sich vor allem [[Taphonomie|taphonomische]] Indizien für eine menschliche Nutzung der Kadaver.<ref name="Germonpré2008">Mietje Germonpré, Mikhail Sablin, Gennady Adolfovich Khlopachev, Galina Vasilievna Grigorieva: ''Possible evidence of mammoth hunting during the Epigravettian at Yudinovo, Russian Plain.'' Journal of Anthropological Archaeology 27 (4), 2008, S. 475–492.</ref>

Bisher konnten keine Gene identifiziert werden, die die starke Behaarung des Wollhaarmammuts im Vergleich zu den heutigen Elefantenformen hervorrufen. Das [[Fgf5]]-Gen ist bei vielen Säugetieren für verlängerte Haare verantwortlich. So besitzen langhaarige Mäuse, Katzen und Hunde häufig ein zerstörtes Fgf5-Gen. Sequenzvergleiche zwischen dem Wollhaarmammut und verschiedenen heutigen Elefantenformen ergaben im Fgf5-Gen allerdings kaum Mammut-spezifische Besonderheiten. Ähnliches gilt für das Gen [[KRTHAP1]], das zumindest zum Teil die unterschiedlich starke Behaarung zwischen Menschen und anderen [[Menschenaffen]] bewirkt. Die [[Afrikanische Elefanten|Afrikanischen Elefanten]] und das Wollhaarmammut besitzen jeweils ein intaktes KRTHAP1-Gen. Die [[Keratin]]-Gene KRT25, KRT27 und KRT83 scheinen ebenfalls nicht für den Unterschied zwischen heutigen Elefanten und dem Wollhaarmammut verantwortlich zu sein. Die wahrscheinlichsten Kandidaten für die abweichende Haarausbildung des Wollhaarmammuts dürften Unterschiede in anderen Keratin-Genen oder Keratin-assoziierten Protein (KRTAP) Genen sein.<ref>A. L. Roca, Y. Ishida, N. Nikolaidis, S. O. Kolokotronis, S. Fratpietro, K. Stewardson, S. Hensley, M. Tisdale, G. Boeskorov, A. D. Greenwood: ''Genetic variation at hair length candidate genes in elephants and the extinct woolly mammoth.'' BMC Evolutionary Biology 9, 2009, S.&nbsp;232, [[doi:10.1186/1471-2148-9-232]].</ref>

Auch in weiter östlich gelegenen Bereichen Eurasiens hatte das Wollhaarmammut als Rohstofflieferant Bedeutung, wenn auch nicht so markant wie in Osteuropa. So kommen im nördlichen Sibirien wenigstens an zehn Fundstellen Wollhaarmammut und Mensch gemeinsam vor.<ref name="Kutzmin 2011" /> Im Norden der arktischen [[Kotelny-Insel]] wurden 2019 drei zum Teil vollständige Skelette entdeckt, darunter das ''Goldene Mammut'' und das ''Pavlov-Mammut''. Am ''Pavlov-Mammut'' fanden sich bei einer Analyse 2020 Hinweise, dass dieses vom Menschen geschlachtet, möglicherweise zuvor auch gejagt wurde.<ref>Olga Potapova, Innokentiy S. Pavlov, Valerii Plotnikov, Evgeny Maschenko, Marianne Dehasque, Beth Shapiro, Love Dalen, Naoki Suzuki, John F. Hoffecker, Albert Protopopov: ''A new woolly mammoth (Mammuthus primigenius Blumenbach, 1799) from Kotelny Island, Novosibirsk Archipelago, Russia.'' SVP 80th annual meeting virtual 2020, Abstract Volume.</ref><ref>Jeanne Timmons: ''Scientists Find Mammoth Seemingly Butchered by Humans on Arctic Island.'' Gizmodo vom 11. Dezember 2020 ([https://gizmodo.com/scientists-find-mammoth-seemingly-butchered-by-humans-o-1845849522]).</ref>

== Wiedererschaffung des Wollhaarmammuts ==

Seit Längerem bestehen Überlegungen ein Wollhaarmammut mithilfe gentechnischer Methoden zu erschaffen. Konkrete Vorhaben, das Wollhaarmammut mit Hilfe gefrorener Zellen zu [[klonen]], scheiterten bisher an der starken Fragmentierung der [[DNA]]. Anfang 2011 gab der emeritierte Professor [[Akira Iritani]] ([[Universität von Kyoto]]) bekannt, einen weiteren Versuch zu starten, um aus den Resten von eingefrorenen Mammuten intaktes Erbgut zu gewinnen. Dabei wollte das Team sich einer Technik bedienen, die den Forscher [[Teruhiko Wakayama]] befähigte, eine 16 Jahre lang eingefrorene Maus zu klonen.<ref>Spiegel Online – Wissenschaft: ''Japaner wollen Mammut klonen.'' ([http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,739918,00.html]), 17. Januar 2011.</ref> Ein weiterer möglicher Ansatz besteht darin, die Chromosomen des Wollhaarmammuts anhand von Sequenzdaten künstlich zu erschaffen, sie in einen Zellkern zu verpacken und schließlich in eine Elefanten-Eizelle einzuschleusen. Diese Eizelle könnte dann einer Elefantenkuh eingepflanzt werden, die dann im Erfolgsfall ein Mammut austrüge. Die dazu nötigen Methoden sind derzeit allerdings noch nicht weit genug fortgeschritten, um auf diesem Weg ein Mammut erschaffen zu können. So ist man bisher nicht in der Lage, ganze Chromosomen künstlich nachzubauen. Eine weitere Möglichkeit, das Wollhaarmammut zu erschaffen, bestünde darin, das Erbgut des Elefanten durch ''[[Gene-Targeting]]'' schrittweise zu verändern, um dem Mammut bei jedem Schritt ein Stück näher zu kommen. Diese Technik ist derzeit bereits bei anderen Tieren etabliert, aber im Falle des Elefanten noch nicht erprobt. Bei der dabei notwendigen Implantierung von Eizellen oder Embryonen birgt insbesondere die natürliche Anatomie des Elefanten erhebliche Hindernisse. Auch würde die sehr lange Generationszeit von Elefanten diesen Ansatz zu einem echten Langzeitprojekt auswachsen lassen.<ref>Henry Nicholls: ''Darwin 200: Let's make a mammoth.'' Nature 456, 2008, S. 310–314 ([http://www.nature.com/news/2008/081119/full/456310a.html]).</ref> Mittelfristig könnte auf diese Weise zumindest ein Tier entstehen, das dem Wollhaarmammut sehr ähnlich ist und möglicherweise sogar dessen ökologische Rolle übernehmen könnte. Langfristig wäre es theoretisch auch auf diesem Weg möglich, ein Tier zu generieren, das dem Wollhaarmammut genetisch nahezu vollständig entspricht.

Nach dem letztkaltzeitlichen maximalen Eisvorstoß vor 20.000 bis 16.000&nbsp;Jahren und im darauffolgenden [[Magdalénien]] tritt das Wollhaarmammut in West- und Mitteleuropa nur noch selten in Erscheinung. So sind zum Beispiel an dem bedeutenden Lagerplatz von [[Gönnersdorf (archäologischer Fundplatz)|Gönnersdorf]] ([[Rheinland-Pfalz]]) Reste eines einzigen Individuums überliefert.<ref name="Hock 1994" /> Auch im östlichen Eurasien, wo das Wollhaarmammut zu jener Zeit noch häufiger vorkam, ging die Bedeutung als Rohstoffquelle allmählich zurück. So sind Mammutreste in der Spätphase der Weichselkaltzeit in der Jenissei-Region nur an jeder dritten [[Archäologie|archäologischen]] Fundstation vertreten, während es in der vorhergehenden Zeit noch an fast zwei Drittel aller menschlichen Siedlungsplätze nachweisbar ist.<ref name="Kutzmin 2011" /> Aus anderen Regionen Sibiriens sind relativ wenige Funde bekannt. Bedeutend ist hier ein Siedlungsplatz menschlicher Jäger-Sammler-Gruppen am Ufer des Bjorjoljochs, nur etwa 100&nbsp;m von dem berühmten und zeitgleichen ''Mammutfriedhof'' entfernt, was annehmen lässt, dass die Mitglieder dieser Gruppen diesen Friedhof als Rohstoffquelle nutzten.<ref name="Vasilev" />

Im Jahr 2019 gelang es erstmals einem Forscherteam um Kazuo Yamagata [[zellkern]]artige Strukturen aus dem Knochenmark und dem Muskelfleisch der Eismumie des 2009 entdeckten ''Yuka-Mammuts'' zu extrahieren und in die [[Eizelle]]n von Mäusen zu implantieren. Die Mammut-Zellkerne begannen [[Protein]]e aus den Mauszellen zu übernehmen und weitere kernartige Strukturen herauszubilden. Allerdings kam es nicht zu einer Zellteilung, da die Mammut-Zellkerne offensichtlich zu stark beschädigt waren. Die Wissenschaftler der Studie betonen, dass es mit der derzeitigen [[Nukleotid]]-Technologie nicht möglich sei, ein Mammut zu klonen, sie sehen ihre Ergebnisse aber als wichtigen Schritt in diese Richtung an.<ref name="Yamagata et al. 2019">Kazuo Yamagata, Kouhei Nagai, Hiroshi Miyamoto, Masayuki Anzai, Hiromi Kato, Kei Miyamoto, Satoshi Kurosaka, Rika Azuma, Igor I. Kolodeznikov, Albert V. Protopopov, Valerii V. Plotnikov, Hisato Kobayashi, Ryouka Kawahara-Miki, Tomohiro Kono, Masao Uchida, Yasuyuki Shibata, Tetsuya Handa, Hiroshi Kimura, Yoshihiko Hosoi, Tasuku Mitani, Kazuya Matsumoto, Akira Iritani: ''Signs of biological activities of 28,000-year-old mammoth nuclei in mouse oocytes visualized by live-cell imaging.'' Science Reports 9, 2019, S. 4050, [[doi:10.1038/s41598-019-40546-1]].</ref>

=== Das Wollhaarmammut in der jungpaläolithischen Kunst ===

== Forschungsgeschichte ==

[[Datei:Combarelles-mammouth.png|mini|Mammutdarstellung aus der Höhle von [[Les Combarelles]] (Frankreich)]]

[[Datei:Johann Friedrich Blumenbach.jpg|mini|hochkant|Johann Friedrich Blumenbach]]

[[Datei:Mammutlll.jpg|mini|Vollplastische Mammutdarstellung aus der [[Vogelherdhöhle]] (bei [[Niederstotzingen]], [[Schwäbische Alb]]), ca. 40 000 Jahre alt ([[Aurignacien]]), Mammutelfenbein, UNESCO-Welterbe „[[Höhlen und Eiszeitkunst im Schwäbischen Jura]]“, [[Museum der Universität Tübingen|Museum der Universität Tübingen MUT]]]]

Funde des Wollhaarmammuts wurden schon sehr früh im westlichen Eurasien entdeckt, häufig aber nicht als fossile Elefantenart erkannt. Die 1577 beim Kloster Reyden ([[Luzern]]) entdeckten Mammutknochen wurden vom damaligen Arzt F. Plater als [[Reliquie|Überbleibsel]] eines 19&nbsp;[[Fuß (Einheit)|Fuß]] großen [[Riese]]n gedeutet.<ref>Hans-Dietrich Kahlke: ''Das Eiszeitalter.'' Leipzig/Jena/Berlin 1981.</ref> Ebenso wurde das 1663 bei Seveckenberg bei [[Quedlinburg]] (Sachsen-Anhalt) im Beisein des Naturforschers [[Otto von Guericke]] (1602–1686) ausgegrabene Skelett eines Wollhaarmammuts als Rest des mythischen ''[[Einhorn|Unicornu]] fossile'' angesehen – ähnlich erging es auch den rund 33&nbsp;Jahre später geborgenen ersten Funden eines Europäischen Waldelefanten bei [[Tonna]] (Thüringen) – und später auch als solches rekonstruiert.<ref name="Koenigswald 2002" /> Im Jahr 1696 beschrieb dann [[Heinrich Wilhelm Ludolf]] (1655–1712) Reste eines in Sibirien vorkommenden Tieres, welches die einheimischen Jakuten und Tungusen als ''Mamantu'' bezeichneten und nach ihrer Meinung einem riesigen [[Maulwürfe|Maulwurf]] glich, der sterben müsste, sobald er das Sonnenlicht erblickt.<ref>John J. McKay: ''Discovering the Mammoth: A Tale of Giants, Unicorns, Ivory, and the Birth of a New Science.'' Pegasus Books, New York/London, 2017, ISBN 978-1-68177-424-4, S. 82.</ref><ref name="Joger" />

Dass das Wollhaarmammut eines der beeindruckendsten Tiere der ''Mammutsteppe'' darstellte, zeigen die [[Höhlenmalerei]]en und [[Jungpaläolithische Kleinkunst|Kleinkunst]] des [[Jungpaläolithikum]]s (ab etwa 37.000 Jahren vor heute). Die ältesten Mammut-Darstellungen der [[Frankokantabrische Höhlenkunst|Frankokantabrischen Höhlenkunst]] aus der [[Grotte Chauvet]] (Frankreich) werden dem [[Aurignacien]] zugewiesen. Mindestens 34 Abbildungen, abwechselnd in roten oder schwarzen [[Pigment]]en gehalten oder in den Fels eingraviert, sind überliefert und stellen die dritthäufigste Tierart nach dem Wollnashorn und dem [[Höhlenlöwe]]n dar. Charakteristisch ist die fast [[hufeisen]]förmig gestaltete Linie, die den Bauch und die Beininnenseiten wiedergibt.<ref>Jean-Marie Chauvet, Éliette Brunel Deschamps, Christian Hillaire: ''Grotte Chauvet bei Vallon -Pont-d'Arc. Altsteinzeitliche Höhlenkunst im Tal der Ardèche'' Sigmaringen, 1995.</ref> Besonders häufig ist das Wollhaarmammut aber in der südfranzösischen [[Höhle von Rouffignac]] dargestellt, deren Abbildungen der Kulturstufe des [[Magdalénien]] angehören und wo es mindestens 150&nbsp;Zeichnungen dieses Rüsseltiers gibt. Die Wollhaarmammute sind teilweise sehr realistisch wiedergegeben, mit hohen Schädelbuckeln, schräg abfallender Rückenlinie und stark gekrümmten Stoßzähnen. Für die Anerkennung der Authentizität der Höhlenkunst von Rouffignac bedeutend war vor allem die Tatsache, dass die Darstellung der Afterklappe als anatomisches Detail erst nach der Entdeckung der Zeichnungen auch in der Paläozoologie wiederentdeckt wurde.<ref>Lothar Zotz: ''Die Wiederentdeckung der Merkwürdigkeiten von Rouffignac.'' Orion 3 (12), 1957, S. 169–174.</ref> Bezüglich anatomischer Details hervorzuheben sind der als ''Patriarch'' bezeichnete Bulle mit markanten Stoßzähnen sowie zwei Mammute, die sich Stirn an Stirn gegenüberstehen und einen Ritualkampf oder eine Begrüßungszeremonie zu zelebrieren scheinen.<ref name="Lorblanchet">Michel Lorblanchet: ''Höhlenmalerei. Ein Handbuch.'' Sigmaringen, 1997.</ref> Weitere häufige Darstellungen des Wollhaarmammuts finden sich in [[Font-de-Gaume]] und [[Pech Merle]] mit je 23 beziehungsweise in [[Les Combarelles]] mit 14&nbsp;Abbildungen,<ref name="Hock">Hans-Peter Hock: ''Kunst der Eiszeit.'' In: Ulrich Joger, Ute Koch (Hrsg.): ''Mammuts aus Sibirien.'' Darmstadt, 1994, S. 94–100.</ref> weswegen diese auch als „Mammutheiligtümer“ bezeichnet werden. Insgesamt umfasst das Wollhaarmammut dabei sechs bis sieben Prozent aller Tier- und Menschendarstellungen in den Höhlen Frankokantabriens.<ref name="Lorblanchet" /> Außerhalb dieses Kulturkreises sind vor allem die roten Darstellungen der Tierart aus der [[Höhle von Kapova]] im Ural bekannt.<ref name="Bosinski 1987">Gerhard Bosinski: ''Die große Zeit der Eiszeitjäger. Europa zwischen 40.000 und 10.000 v. Chr.'' Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz 34, 1987, S. 3–139.</ref>

Die Kleinkunst des Jungpaläolithikums gibt das Wollhaarmammut unter anderem als Voll- und Halbplastiken wieder. Zu den bekanntesten gehören jene aus der aurignacienzeitlichen Besiedlungsphase der [[Vogelherdhöhle]] und dem [[Geißenklösterle]] (beide Baden-Württemberg); sie zählen zu den ältesten Kunstwerken der Menschheit. Bei archäologischen Ausgrabungen in der Vogelherdhöhle (Schwäbische Alb) 1931 sowie in deren Abraum vor der Höhle ab 2006 wurden insgesamt fünf Mammutskulpturen – teilweise fragmentiert – entdeckt. Bedeutend ist eine Reliefdarstellung eines Mammuts auf einem Knochenfragment aus der Vogelherdhöhle. Die knapp handtellergroßen Figuren aus Mammutelfenbein und Knochen sind Teil des [[UNESCO-Welterbe]]s „[[Höhlen und Eiszeitkunst im Schwäbischen Jura]]“. Eine etwas jüngere Darstellung stammt aus [[Sungir]] (Russland). Aus dem folgenden Gravettien sind die Mammutfiguren aus [[Pavlov I|Pavlov]] und [[Dolní Věstonice]] (beide [[Tschechien]]) hervorzuheben, die aus gebranntem Ton bestehen und zu den ältesten Keramikfunden der Welt gehören. Eher funktional waren [[Speerschleuder]]n in Form von Mammutdarstellungen, wie sie aus [[Bruniquel]] oder Canecaude (beide Frankreich) überliefert sind und dem Magdalénien angehören.<ref name="Bosinski 1987" />

Die Herkunft des Begriffes ''Mamantu'' oder ''Maimanto'' ist nicht geklärt. Häufig wird ein Ursprung im [[Nenzische Sprache|nenzischen]] oder [[Estnische Sprache|estnischen]] Sprachraum gesucht. In letzterer Sprache bedeutet ''maa'' „Erde“ und ''mutt'' „Maulwurf“. Allerdings wird auch gelegentlich eine Verbindung zum [[Arabische Sprache|arabischen]] Wort [[Behemoth (Mythologie)|Behemoth]] – einem gewaltigen [[Ungeheuer]] mit gekrümmten Hörnern und Stoßzähnen – gezogen und mit dem seit dem 9.&nbsp;Jahrhundert nachgewiesenen Handel von sibirischem Elfenbein durch Araber begründet. Auch wer den Namen letztendlich in Europa einführte, ist nicht hinreichend gesichert.<ref name="Lister 1997" /><ref name="Joger" />

[[Datei:Mammoth Spear Thrower.jpg|mini|[[Speerschleuder]] von [[Bruniquel]] (Frankreich) aus dem [[Magdalénien]]]]

Erstmals wissenschaftlich beschrieben wurde das Wollhaarmammut 1799 vom Göttinger Naturforscher und Anatomen [[Johann Friedrich Blumenbach]] (1752–1840) als ''Elephas primigenius'' anhand von Funden bei [[Osterode am Harz]]. Im selben Jahr wurde der Kadaver des ''Adams-Mammut'' an der Lena entdeckt. Die von Roman Boltunow 1806 angefertigte Skizze dieses Fundes leitete später Henry Michail Adams nach [[Göttingen]] an Blumenbach weiter, der darin seine kürzlich beschriebene Elefantenart erkannte.<ref name="Joger" /> Der Gattungsname ''Mammuthus'' stammt vom englischen Biologen [[Joshua Brookes (Biologe)|Joshua Brookes]] (1761–1833), den er 1828 einführte.

Darüber hinaus herausragend sind die mehr als 60 Darstellungen des Rüsseltiers aus der magdalenienzeitlichen Siedlung von Gönnersdorf, die in [[Schiefer]]platten eingeritzt sind. Hier können zwei unterschiedliche Gruppen herausgestellt werden: Tiere mit einem Sattel hinter dem Schädelbuckel und abfallender Rückenlinie und solche mit konvexem Rückenverlauf, deren höchster Punkt etwa in der Mitte liegt. Während erstere als ausgewachsene Tiere gedeutet werden, sollen zweitere Jungtiere darstellen. Auch von der „Teufelsbrücke“ bei [[Saalfeld]] (Thüringen) stammt ein Tonschiefergeröll mit einer allerdings nur den Kopf und Rüssel zeigenden Mammutdarstellung.<ref name="Bosinski 1987" /><ref>Gerhard Bosinski: ''Das Aussehen des Mammuts nach den zeitgenössischen Darstellungen von Gönnersdorf.'' In: Ulrich Joger, Ute Koch (Hrsg.): ''Mammuts aus Sibirien.'' Darmstadt, 1994, S. 101–109.</ref><ref>Gerhard Bosinski: ''Die Kunst der Eiszeit in Deutschland und der Schweiz.'' Kataloge Vor- und Frühgeschichtlicher Altertümer 20, Bonn, 1982.</ref> Weitere Abbildungen dieses Rüsseltiers wurden in [[La Madeleine]] (Frankreich), einer Fundstelle, die zur Definition des Magdaléniens beitrug, gefunden. Das hier mit erhobenem Schwanz erregt erscheinende Tier ist mit zahlreichen Details, wie dem charakteristischen Pony oder der Kehlbehaarung, ausgeführt. Auch aus [[Malta (Russland)|Malta]] nahe dem [[Baikalsee]] (Russland) sind Darstellungen auf Knochenplättchen bekannt.<ref name="Hock" />

Ursprünglich waren aus Nordamerika keine Darstellungen des Mammuts bekannt. Im Jahr 2010 wurde von einem solchen Fund aber berichtet, der ein deutlich wiedergegebenes Rüsseltier mit hohem Kopfbuckel, abfallender Rückenlinie und gedrehten Stoßzähnen zeigt. Die nur 7,5&nbsp;cm lange Darstellung ist in den Langknochen eines großen Säugetiers (Mammut, Mastoden oder [[Riesenfaultier]]) eingeritzt und ist etwa 13.000&nbsp;Jahre alt. Da der Fund aus [[Florida]] (Hauptkanal von [[Vero Beach]]) stammt, wo das Wollhaarmammut selbst nicht nachgewiesen ist, handelt es sich offensichtlich um die Abbildung eines [[Präriemammut]]s, das hier vorgekommen ist.<ref>Barbara A. Purdy, Kevin S. Jones, John J. Mecholsky, Gerald Bourne, [[Richard C. Hulbert, Jr.]], Bruce J. MacFadden, Krista L. Church, Michael W. Warren: ''Earliest Art in the Americas: Incised Image of a Mammoth on a Mineralized Extinct Animal Bone from the Old Vero Site (8-Ir-9), Florida.'' Congrès de l’IFRAO, septembre 2010 – Symposium: L’art pléistocène dans les Amériques (Pré-Actes) / IFRAO Congress, September 2010 – Symposium: Pleistocene art of the Americas (Pre-Acts), 2010, S. 3–12.</ref>

[[Datei:Venus of Brassempouy.jpg|mini|Die ''Dame von Brassempouy'' (Frankreich) aus dem [[Gravettien]]]]

Des Weiteren dienten Knochen und Stoßzähne auch als Rohmaterial für die jungpaläolithische Kunst, und einige der bedeutendsten Kunsterzeugnisse jener Zeit sind aus diesen organischen Materialien hergestellt. So bestehen einige der bereits erwähnten Mammut-Figuralplastiken aus Elfenbein, wie jene aus der Vogelherdhöhle, aber auch andere Tierfiguren, unter anderem von einem Pferd, einer großen Raubkatze, einem Bären oder einem Wisent aus derselben Höhle. Zu den herausragenden Kunstobjekten zählen auch der aurignacienzeitliche [[Löwenmensch]] aus dem [[Hohlenstein]]-Stadel, die [[Venus vom Hohlefels]] oder die Adorantenfigur aus dem Geißenklösterle (alle Baden-Württemberg), ebenso wie die Kopfdarstellungen der [[Venus von Brassempouy|Dame von Brassempouy]] (Frankreich) und ein ähnlich geartetes Figürchen aus Dolní Věstonice. Weiterhin sind bemalte Knochen aus Mezin (Ukraine) oder solche mit komplexen Ritzverzierungen in Stoßzähnen aus Předmostí (Tschechien) überliefert.<ref name="Hock" /><ref name="Bosinski 1987" />

Auch Musikinstrumente wurden teilweise aus Elfenbein hergestellt, wie die Funde von [[Flöte]]nfragmenten aus der Vogelherdhöhle, Geißenklösterle und dem [[Hohler Fels|Hohlen Fels]], alle im Tal der [[Ach (Blau)|Ach]] bei [[Blaubeuren]] gelegen, beweisen.<ref>Nicholas J. Conard, Maria Malina, Susanne C. Münzel: ''New flutes document the earliest musical tradition in southwestern Germany.'' Nature 460, 2009, S. 737–740.</ref> Schlussendlich fanden Schmuck- und Kunstgegenstände auch Verwendung im jungpaläolithischen Bestattungsritus. Herausragend sind hier der Grabfund eines Mannes und die Doppelbestattung zweier Kinder aus der früh- bis mitteljungpaläolithischen Station Sungir. Neben durchbohrten Elfenbeinscheiben wurden vor allem bei dem Männergrab über 3500&nbsp;Elfenbeinperlen verteilt über den Körper des Toten gefunden, die es ermöglichten, die Bekleidung genau zu rekonstruieren, während den beiden Jugendlichen je eine rund 2,4&nbsp;m lange Elfenbeinlanze beigegeben wurde.<ref name="Bosinski 1987" /> Daneben wurden auch vollständige Knochen vom Wollhaarmammut in den Gräbern beigelegt. Im Gravettien dienten so unter anderem Schulterblätter zur Abdeckung der Bestattungen. Beispiele hierfür sind die Gräber von Dolni Vestonice, Pavlov oder Předmostí,<ref>Jiři Svoboda, Vojen Ložek, Emanuel Vlček: ''Hunters between East and West. The Palaeolithic of Moravia.'' New York/London 1996.</ref> aber auch das erst vor wenigen Jahren entdeckte Kinder-Doppelgrab von Krems-Wachtberg.<ref>Marc Händel, Thomas Einwögerer, Ulrich Simon: ''Krems-Wachtberg – A Gravettian Settlement Site in the Middle Danube Region.'' Wissenschaftliche Mitteilungen des Niederösterreichischen Landesmuseumeums 19, 2008, S. 91–108.</ref>

=== Kulturgeschichte ===

Als ausgestorbenes Tier hatte das Wollhaarmammut schon früh in der menschlichen Geschichte der Nach-Eiszeit eine hohe Bedeutung. Die einheimischen Völker Sibiriens und des nördlichen Nordamerikas nutzten vornehmlich Mammutelfenbein für Schnitzereien. Seit dem 9.&nbsp;Jahrhundert ist der Handel mit fossilem Elfenbein aus Jakutien durch Araber belegt, später wurde er durch das [[Russisches Kaiserreich|Russische Kaiserreich]] fortgesetzt. Von 1800 bis 1914 sind Schätzungen zufolge zwischen 20 und 32&nbsp;t Elfenbein jährlich gehandelt worden, was etwa einer Anzahl von 25.000 bis 46.000&nbsp;Mammutindividuen insgesamt entspricht. Seit 1989 der Handel mit Elfenbein lebender Elefanten untersagt wurde, hat fossiles Elfenbein auch heute wieder eine erhebliche Bedeutung, etwa für die [[Elfenbeinschnitzerei]]. In China wurden fossile Mammutstoßzähne als Zähne von „Eisratten“ angesehen und ähnlich den als ''Drachenknochen'' eingeschätzten pleistozänen Tierresten zu Pulver zermahlen und als [[Arznei]] verkauft. In Europa galten sie bis in die [[Neuzeit]] teilweise als Überreste des [[Einhorn]]s und hatten ebenfalls zu Pulver zerkleinert als Heilmittel Bedeutung.<ref name="Banerjee" />

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== Weblinks ==

{{Commonscat|Mammuthus primigenius|Wollhaarmammut}}

{{Wiktionary}}

* Mammutmuseum: ''[https://www.mammutmuseum.ch/ausstellung/naturgeschichte/das-mammut Das Wollhaarmammut]''