„Wollhaarmammut“ – Versionsunterschied – Wikipedia


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Ein sehr wichtiger und für die Mammutforschung hervorragender Fundplatz stellt der ''Mammutfriedhof'' in einer Flussschlinge des [[Bjorjoljoch (Indigirka)|Bjorjoljoch]] in Sibirien dar, der 1970 entdeckt und auf ein Alter von rund 12.000&nbsp;Jahre datiert wurde. Der gesamte 'Friedhof' enthielt mehr als 8800&nbsp;Mammutknochen von insgesamt 156&nbsp;Individuen. Herausragend dabei ist ein 175&nbsp;cm langes Hinterbein eines Wollhaarmammuts, das noch komplett mit Haut und Haaren bedeckt war; einzelne Haare sind hier teilweise über einen Meter lang. Warum hier so viele Tiere starben, ist strittig, da aber mehr weibliche Tiere vorliegen, geht man davon aus, dass mehrere Herden oder ein großer Herdenverband bei der Überquerung des Flusses ertranken. Da vollständige Skelette fehlen, fand das Ereignis höchstwahrscheinlich an einer anderen Stelle flussaufwärts statt.<ref name="Joger">Ulrich Joger: ''Geschichte(n) der Mammutfunde.'' In: Ulrich Joger, Ute Koch (Hrsg.): ''Mammuts aus Sibirien.'' Darmstadt, 1994, S. 9–23.</ref><ref name="Boeskorov">Gennady G. Boeskorov und Dick Mol: ''Quaternary Mammal Collections in the Museums of Yakutsk (Eastern Siberia, Yakutia, Russia).'' Cranium 21 (1–2), 2004, S. 19–32.</ref> Ein ähnlicher, nicht ganz so umfangreicher 'Friedhof' kam 1988 am Ufer der Sewa südlich von [[Moskau]] zu Tage, wo insgesamt 4000&nbsp;Knochenfragmente von 10 bis 15&nbsp;Individuen aller Altersgruppen gefunden wurden. Das Alter der Fundstelle wird auf 13.950&nbsp;Jahre datiert.<ref name="Lister 1997" />

Auch aus Deutschland sind zahlreiche Fundstellen von Mammutknochen bekannt, darunter sechs vollständige Skelette. Das forschungsgeschichtlich älteste ist das [[Mammut von Klinge]], das 1903 bei [[Cottbus]] ([[Brandenburg]]) gefunden wurde. Ein weiteres war 1909 bei Borna nahe [[Leipzig]] ([[Sachsen]]) geborgen worden und wird im dortigen [[Museum für Völkerkunde zu Leipzig|Völkerkundemuseum]] ausgestellt. Es wurde während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] zerstört. Das Skelett eines 3,2&nbsp;m hohen Wollhaarmammuts kam 1910 bei [[Ahlen]] ([[Nordrhein-Westfalen]]) zum Vorschein und steht heute im [[Geologisch-Paläontologisches Museum Münster|Geologisch-Paläontologischen Museum]] der [[Westfälische Wilhelms-Universität|Westfälischen Wilhelms-Universität]] in [[Münster]], während ein weiteres 1936 an der Autobahn [[Koblenz]] – [[Trier]] bei Polch ausgegraben wurde. Das ''Mammut von Pfännerhall'' kam 1953 bei Tagebauarbeiten im Geiseltal zum Vorschein und ist heute im [[Landesmuseum für Vorgeschichte (Halle)|Landesmuseum für Vorgeschichte]] in [[Halle (Saale)|Halle]] (Sachsen-Anhalt) ausgestellt.<ref>Volker Toepfer: ''Die Mammutfunde von Pfännerhall im Geiseltal''. Veröffentlichungen des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle 16.Halle/Saale, 1957.</ref> Der jüngste Fund eines Wollhaarmammuts stammt aus [[Siegsdorf]] bei [[Traunstein]] ([[Bayern]]) und wurde 1975 durch zwei Schüler, darunter [[Bernard von Bredow]], entdeckt, aber erst zehn Jahre später vollständig ausgegraben. Es steht heute als rund 3,6&nbsp;m hohe Skelettrekonstruktion im [[Südostbayerisches Naturkunde- und Mammut-Museum Siegsdorf|Südostbayerischen Naturkunde- und Mammut-Museum Siegsdorf]].<ref name="Koenigswald 2002, S. 47">Wighart von Koenigswald: ''Lebendige Eiszeit. Klima und Tierwelt im Wandel.'' Stuttgart, 2002, S. 47.</ref>

Ein gut erhaltenes Skelett eines Mammuts kam in der [[Schweiz]] 1969 in einer Kiesgrube bei [[Le Brassus]] im [[Bezirk Jura-Nord vaudois]] zum Vorschein. Es lag im Bereich einer späteiszeitlichen [[Moräne]]. Das Exemplar ist das vollständigste Skelett dieser Tierart in der Schweiz und ist im [[Kantonales Geologiemuseum|Kantonalen Geologiemuseum]] in [[Lausanne]] ausgestellt.<ref>[https://www.mammutmuseum.ch/ausstellung/naturgeschichte/fund-praz-rodet Vallée de Joux VD]. Auf der Website des Mammutmuseums Niederweningen.</ref><ref>Marc Weidmann: ''Le mammouth de Praz-Rodet (Le Brassus, Vaud). Note préliminaire.'' Bulletin de la Société vaudoise des Sciences naturelles 70, 1969, S. 229–243 ([https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=bsv-002:1968:70::544]).</ref>

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[[Datei:Mamut enano-Beringia rusa-NOAA.jpg|mini|Das Mammutkalb „Dima“ am Fundort in der einstigen Mammutsteppe von [[Beringia]]]]

Im Eis des seit der letzten Vereisungsphase nicht oder kaum aufgetauten [[Permafrostboden]]s jenseits des 60. nördlichen Breitengrades sind sowohl im nördlichen und nordöstlichen [[Sibirien]] (hauptsächlich in Jakutien) als auch im nördlichen Nordamerika (Alaska, Kanada) konservierte Wollhaarmammute gefunden worden. Solche Funde sind besonders wichtig, um das Aussehen, die Ernährungs- und auch die Lebensweise dieser pleistozänen Rüsseltierart zu rekonstruieren.

Einer der frühesten wissenschaftlich untersuchten [[Kadaver]] wurde 1799 vom [[Tungusische Völker|tungusischen]] [[Elfenbein]]händler Ossip Schumachow im Delta der [[Lena (Arktischer Ozean)|Lena]] gefunden. Er war während eines Erdrutsches teilweise, aber erst im Sommer 1806 durch weitere [[Erosion (Geologie)|Erosion]] vollständig freigelegt worden. Schumachow beraubte den Kadaver der Stoßzähne und verkaufte sie dem [[Jakuten|jakutischen]] Händler Roman Boltunow. Dieser reiste zum Fundort und fertigte eine Skizze des Kadavers an, der, abgesehen von [[Raubtiere|Raubtierfraß]] an [[Rüssel]] und [[Ohr]]en, vollständig war. Diese Skizze gelangte letztendlich an die [[Russische Akademie der Wissenschaften]] in [[Sankt Petersburg]], wo sie der deutsch-russische Botaniker und Naturforscher Michael Friedrich Adams (1780–1838) einsah. Adams organisierte eine Expedition zum Fundgebiet, zu dem ihn Schumachow 1806 führte. Der Mammutkadaver war zu diesem Zeitpunkt bereits zur Hälfte Opfer von Raubtieren geworden, die linke Körperseite wies aber noch eine gute Haar- und Hautkonservierung auf. Bei der Bergung des Skelettes gingen jedoch bis auf die Kopfhaut und die Fußsohlen alle Weichteile verloren. Das Skelett wurde anschließend nach Sankt Petersburg gebracht und dort seit 1808 in der [[Kunstkammer (Sankt Petersburg)|Kunstkammer]] aufgestellt. Es ist somit das erste montierte Wollhaarmammut-Skelett weltweit und wird nach seinem Ausgräber als ''[[Adams-Mammut]]'' bezeichnet.<ref name="Lister 1997" /><ref name="Joger" />

{{Zitat

|Text=In dem neuesten Bande der Mémoires de l'Académie Impériale des Sciences de Saint-Petersbourg liest man eine Abhandlung von dem Naturforscher [[Wilhelm Gottlieb Tilesius von Tilenau|Tilesius]], der mit [[Adam Johann von Krusenstern|Krusenstern]] die Reise um die Welt gemacht hat, über einen höchst merkwürdigen Elephanten, der vor Kurzem ganz unversehrt, mit Haut, Haar und Fleisch unweit der Mündung des Lena Flusses aus dem Eise ist hervorgegraben worden. Hunde fraßen von seinem Fleische, Haut und Haare aber wurden portionenweise in die vornehmsten [[Naturalienkabinett|Kabinette]] von Europa verschickt. Die Haare waren von zweierlei Gattung: die einen braun und, zumal längs dem Rückgrate, über zwei Fuß lang, die andern, welche der Wurzel von jenen zur Einfassung dienten, gröber, wollig und von röthlicher Farbe. Dieser Umstand beweist, daß die Elephanten, deren Knochen in allen Nordländern so gemein sind, nicht, wie die heutzutägigen, der heißen Zone angehörten, sondern daß die Natur sie auf eine Art ausgestattet und verwahrt hatte, daß sie in kalten Ländern fortkommen konnten. Aus einer von Hrn. Tilesius angeführten Stelle des Hrn. [[Martin Heinrich Klaproth|Klaproth]] ergibt sich, daß solche noch mit Fleisch, welches das Eis vor Verwesung bewahrt hat, belegte Elephanten Cadaver eben keine besondere Seltenheit sind.

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Schumachow beraubte den Kadaver der Stoßzähne und verkaufte sie dem [[Jakuten|jakutischen]] Händler Roman Boltunow. Dieser reiste zum Fundort und fertigte eine Skizze des Kadavers an, der, abgesehen von [[Raubtiere|Raubtierfraß]] an [[Rüssel]] und [[Ohr]]en, vollständig war. Diese Skizze gelangte letztendlich an die [[Russische Akademie der Wissenschaften]] in [[Sankt Petersburg]], wo sie der deutsch-russische Botaniker und Naturforscher Michael Friedrich Adams (1780–1838) einsah. Adams organisierte eine Expedition zum Fundgebiet, zu dem ihn Schumachow 1806 führte. Der Mammutkadaver war zu diesem Zeitpunkt bereits zur Hälfte Opfer von Raubtieren geworden, die linke Körperseite wies aber noch eine gute Haar- und Hautkonservierung auf. Bei der Bergung des Skelettes gingen jedoch bis auf die Kopfhaut und die Fußsohlen alle Weichteile verloren. Das Skelett wurde anschließend nach Sankt Petersburg gebracht und dort seit 1808 in der [[Kunstkammer (Sankt Petersburg)|Kunstkammer]] aufgestellt. Es ist somit das erste montierte Wollhaarmammut-Skelett weltweit und wird nach seinem Ausgräber als ''[[Adams-Mammut]]'' bezeichnet.<ref name="Lister 1997" /><ref name="Joger" />

Erst 1846 wurde von russischen Landvermessern an der [[Indigirka]] in Sibirien erneut ein gut erhaltener Kadaver gefunden, an dem sich noch Fellreste befanden und dessen Mageninhalt erhalten war. Der Kadaver war durch das Frühjahrshochwasser freigespült worden und steckte mit den Hinterbeinen noch im Erdreich. Bei der Bergung ging jedoch durch den sofort einsetzenden [[Biotische Zersetzung|Zersetzungsprozess]] ein Großteil der Weichteile verloren.<ref name="Kahlke&Mol_2005">Ralf-Dietrich Kahlke, Dick Mol: ''Eiszeitliche Großsäugetiere der Sibirischen Arktis. Die Cerpolex/Mammuthus-Expeditionen auf Tajmyr.'' E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2005.</ref> Im Jahre 1900 fand man das nach seinem Fundort an einem Nebenfluss der [[Kolyma]] in Nordostsibirien benannte ''[[Berjosowka-Mammut]]''. Eine im folgenden Jahr von der Akademie der Wissenschaften ausgestattete Expedition konnte das Mammut erfolgreich bergen, welches in sitzender Haltung im Erdreich steckte. Bis auf den durch [[Wolf|Wölfe]], [[Bären]], [[Rotfuchs|Rot-]] oder [[Polarfuchs|Polarfüchse]] angefressenen Rüssel und Teile des Kopfes war es vollständig. Es besaß neben der Zunge auch noch bis zu 15&nbsp;kg Nahrungsreste im Magen. Eine [[Dermoplastik]] sowie das [[Skelett]] des Mammutbullen sind heute im [[Zoologisches Museum Sankt Petersburg|Zoologischen Museum]] der [[Russische Akademie der Wissenschaften|Russischen Akademie der Wissenschaften]] in [[Sankt Petersburg]] zugänglich.<ref name="Joger" />